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Die himmlischen Offenbarungen 
der heiligen Birgitta - 5.Buch

   
   





  

Anfang des 5. Buches

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Inhalt Buch 5 "Buch der Fragen"

Einleitung

Fragenkreis 1
Erste Frage: ”O Richter, ich frage dich: Du hast mir einen Mund gegeben – soll ich nicht reden dürfen, was mir gefällt?“

Fragenkreis 2
Dritte Frage: „Warum hast du weiter meinem Körper Glieder gegeben, wenn ich sie nicht rühren und anwenden kann, wie ich will?“

Fragenkreis 3
Fünfte Frage: „Warum hast du uns weiter ein Herz und den Willen gegeben, wenn nicht dafür, dass wir das gernhaben, was lieblich ist, und das schmecken und lieben, was angenehm zu genießen ist?“

Offenbarung 1
Die Jungfrau Maria spricht zur hl. Birgitta und klärt sie über fünf innere und fünf äußere Tugenden auf, die sie haben soll.

Fragenkreis 4
Erste Frage: Wieder zeigte sich der Mönch auf seiner Leiter wie vorher und sagte: ”O Richter, warum muss ich nach Gottes Weisheit forschen, wenn ich die Weisheit der Welt besitze?“

Fragenkreis 5
Vierte Frage: „Warum lässt du weiter Bosheit bei ungerechten Richtern zu, die die Untergebenen plagen und quälen, wie gekaufte Sklaven?“

Offenbarung 2
Maria schärft ein, dass Erquickung erst nach der Zeit des Unglücks und der Prüfungen zu erwarten ist.

Fragenkreis 6
Zweite Frage: „Warum wird der Gerechte von so vielen Unglücksfällen betroffen, während der Ungerechte alle seine Wünsche erfüllt bekommt?“

Fragenkreis 7
Zweite Frage: „Und warum muß ich die Schönheit der Welt hassen, ich, der ich so schön und von so vornehmer Herkunft bin?“

Fragenkreis 8
Vierte Frage: „Und da nun die Plagen der Hölle so über alle Beschreibung schrecklich sind, warum lässt du sie von den Menschen nicht schon in diesem Leben schauen, so dass sie dem entrinnen können?“

OFFENBARUNG 3
Gottes Sohn spricht (zu Birgitta): „Wenn es einen Kranken im Hause gibt, und ein kundiger Arzt, der das Übel der Krankheit kennt, diesem ein Heilmittel gibt, durch das er stirbt, wird er als Totschläger angeklagt und ist kein richtiger Arzt...

Fragenkreis 9
Erste Frage: Als dies gesagt war, zeigte sich der Mönch auf seiner Leiter wie vorher und sagte: „O Richter, ich frage dich: Warum scheinst du so ungleich im Verteilen deiner Gnadengaben, dass du deine Mutter Maria vor allen anderen Geschöpfen auserwählt und sie über die Engel erhört hast?

Offenbarung 4
Christus preist seine Mutter Maria.

Fragenkreis 10
Erste Frage: Wieder zeigte sich der Mönch auf seiner Leiter wie vorher und sagte: „O Richter, ich frage dich: Wie konntest du, der am allermächtigsten, am schönsten und tugendreichsten ist, und der klarer als die Sonne in deiner Gottheit strahlt – dich in einen solchen Sack wie deine Menschengestalt kleiden?“

Offenbarung 5
Christus lehrt Birgitta, Gleichgültigkeit gegenüber irdischem Glück und Standhaftigkeit bei weltlichem Unglück zu zeigen.

Fragenkreis 11
Fünfte Frage: „Und warum hast du dich, als dein Tod nahe war, in deiner göttlichen Macht gezeigt, und warum hast du deine Feinde nicht deine strenge Rache spüren lassen, statt zu sagen: „Alles ist vollbracht?“

Offenbarung 6
Christus spricht mit Birgitta über den Nutzen von Versuchungen.

Fragenkreis 12
Vierte Frage: „Und warum bist du vor Herodes nach Ägypten geflohen und ließest die unschuldigen Kinder ermordet werden?“

Offenbarung 7
Christus spricht vom Nutzen der Beichte.

Offenbarung 8
Christus offenbart die unfromme Gesinnung eines Priesters und sagt seine Strafe voraus.

Fragenkreis 13
Dritte Frage: „Und warum müssen manche so übermäßig leiden, während andere fast frei von Leiden ausgehen?“

Offenbarung 9
Christus hebt das Schädliche und Befleckende in der Liebe zur Welt hervor.

Fragenkreis 14
Dritte Frage: „Warum trägt das Kind die Sünde des Vaters weiter, wenn es noch gar nicht sündigen kann?“

Offenbarung 10
Christus erklärt, warum vieles von dem, was er zu Birgitta sagt und was er ihr befiehlt, weiter zu vermitteln, so dunkel und vieldeutig ist.

Fragenkreis 15
Siebente Frage: „Und warum ist der Teufel bei manchen ständig anwesend, aber bei anderen nie?“

Offenbarung 11
Christus beschreibt, wie er beim Tode von Birgittas Mann sie vom Irdischen berief, im Umgang mit ihm zu leben.

Fragenkreis 16
Dritte Frage: „Wenn weiter dein Heiliger Geist in den Evangelisten gesprochen hat, warum weichen dann die Evangelien so viel voneinander ab?“

Offenbarung 12
Christus tröstet Birgitta in den Widrigkeiten, die sie bei ihrer Verkündigung auszustehen hatte, und erklärt, warum man den durch sie gesprochenen Worten nicht gleich hat glauben können.

Offenbarung 13
Gott spricht in symbolischen Wendungen über die Tugenden Marias und von den Plätzen, an denen sein Sohn während seines Erdenlebens gewirkt hat.

 

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Einleitung Buch 5 "Buch der Fragen"

Hier beginnt das Fünfte Buch der himmlischen Offenbarungen, die Christus der hl. Birgitta von Schweden gegeben hat. Es wird mit Recht „Buch der Fragen“ genannt, da es aus Fragen besteht, auf die der Herr Christus bewundernswerte Antworten erteilt. Und das wurde Frau Birgitta auf seltsame Weise offenbart, wie sie selbst und ihre Beichtväter oft mündlich bezeugten.

Es geschah nämlich, als sie zu ihrem Schloss in Vadstena ritt, gefolgt von mehreren reitenden Dienern, dass sie – als sie unterwegs ritt – ihren Sinn im Gebet zu Gott erhob, wobei sie plötzlich im Geist entrückt wurde, so dass sie gleichsam ihrer körperlichen Sinne beraubt wurde und sie in der Ekstase innerer Betrachtung erhob.

Sie sah da im Geist eine Leiter, die auf dem Boden befestigt war und bis zum Himmel reichte. Oberhalb der Leiter, im Himmel, sah sie den Herrn Jesus Christus auf einem wunderbaren, schönen Thron sitzen, wie ein Richter, der Recht spricht. Zu seinen Füßen stand Jungfrau Maria, und rings um den Thron befand sich eine unzählige Heerschar von Engeln und eine riesige Menge von Heiligen.

Mitten auf der Leiter sah Frau Birgitta einen ihr bekannten Mönch, der damals noch lebte, und der ein großes theologisches Wissen besaß, aber gleichzeitig voller Falsch und teuflischer Bosheit war. Mit seinen unruhigen, ungeduldigen Gebärden erinnerte er eher an einen Teufel, statt an einen frommen Ordensmann. Frau Birgitta vernahm nun die Gedanken dieses Mönchs und alles innere Begehren in seinem Herzen, und wie er sie mit unbeherrschten, höchst ungeduldigen Gebärden in Form von untenstehenden Fragen vor Christus aussprach, der auf dem Thron als Richter saß.

Sie sah und hörte auch im Geist, wie der Richter Christus weise und ausführlich jede dieser Fragen mit höflichen, sanftmütigen Gesten beantwortete, und wie unsere Frau, die Jungfrau Maria, manchmal einige Worte an die selbst richtete, wie dieses Buch im Folgenden ausführlich erzählen wird. Im selben Augenblick hatte Frau Birgitta dieses ganze Buch im Kopf, als wäre es eine einzige Offenbarung, und als sie sich nun schon dem genannten Schloss näherte, fasste ihr Diener den Zügel des Pferdes und begann, sie anzurühren und sie gleichsam aus dieser Verzückung aufzuwecken. Als sie wieder zu sich kam, war sie sehr betrübt darüber, dass sie einer so göttlichen Erquickung beraubt war.

Das Buch der Fragen blieb so lebendig in ihrem Herzen und war so fest in ihrem Gedächtnis eingeprägt, als ob es ganz und gar auf einer Marmortafel eingeritzt wäre. Sie schrieb sie gleich in ihrer Sprache auf, und ihr Beichtvater übersetzte sie ins Lateinische, wie er gewohnt war, auch andere Bücher zu übersetzen…

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Buch 5 - Erster Fragenkreis

Erste Frage: ”O Richter, ich frage dich: Du hast mir einen Mund gegeben – soll ich nicht reden dürfen, was mir gefällt?“

Zweite Frage: „Du hast mir Augen gegeben – soll ich sie nicht anwenden dürfen, das zu sehen, was mir Vergnügen macht?“

Dritte Frage: „Du hast mir Ohren gegeben – warum darf ich sie nicht anwenden, das zu hören, was mir gefällt?“

Vierte Frage: „Du hast mir Hände gegeben – warum darf ich sie nicht gebrauchen, das zu tun, was ich gern habe?“

Christi Antwort auf die 1. Frage.
Der Richter, der auf dem Thron saß, und dessen Gesten sanft und sehr höflich waren, antwortete: „Mein Freund, ich gab dir einen Mund, damit du das vernünftig sagen sollst, was zum Nutzen deiner Seele und deines Leibes und zu meiner Ehre dient.“

Antwort auf die 2. Frage.
„Zweitens gab ich dir Augen, damit du das Böse sehen und davor fliehen sollst, damit du das siehst, was für dich gesund ist, und es behältst.

Antwort auf die 3. Frage.
„Drittens gab ich dir Ohren, damit du das hörst, was wahr und ehrbar ist.“

Antwort auf die 4. Frage.
„Viertens gab ich dir Hände, damit du damit tust, was notwendig für den Leib und nicht schädlich für die Seele ist.“

Antwort auf die 5. Frage.
„Fünftens gab ich dir Füße, damit du von der Liebe zur Welt weggehen sollst und zur Ruhe deiner Seele zun zu mir, deinem Schöpfer und Erlöser gehen sollst.“


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Zweiter Fragenkreis

Erste Frage: ”Von neuem zeigt sich der Mönch auf seiner Leiter wie vorher und sagt: ”O Christus, Richter! Freiwillig hast du die bitterste Pein ausgestanden – warum darf ich es deshalb nicht ehrbar auf der Welt haben und stolz sein?“

Zweite Frage: „Weiter hast du mir zeitliches Gut gegeben – warum darf ich deshalb das besitzen, was ich begehre?

Dritte Frage: „Warum hast du weiter meinem Körper Glieder gegeben, wenn ich sie nicht rühren und anwenden kann, wie ich will?“

Vierte Frage: „Warum hast du weiter Gesetz und Gerechtigkeit gegeben, wenn nicht dafür, dass wir Rache nehmen sollen?“

Fünfte Frage: „Weiter hast du uns erlaubt, Ruhe und Stille zu haben – warum lässt du uns dann Mühe und Trübsal kennen lernen?“

Antwort auf die 1. Frage.
Der Richter erwiderte: „Mein Freund, der Hochmut des Menschen wird lange von meiner Geduld ertragen, damit die Demut erhöht und meine Tugend offenbart wird. Und weil der Hochmut nicht von mir geschaffen, sondern vom Teufel erfunden ist, muss man ihm ausweichen, denn er führt zur Hölle, aber die Demut soll bewahrt werden, denn sie führt zum Himmel, und ich, Gott, lehrte sie mit meinem Wort und meinem Beispiel.“

Antwort auf die 2. Frage.
„Weiter ist das zeitliche Gut von mir gegeben und dem Menschen verliehen, damit er es in vernünftiger Weise gebrauchen und verwenden soll, und das, was geschaffen ist, gegen das Ungeschaffene, nämlich gegen mich, eintauschen soll, indem er mich für meine guten Gaben preist und ehrt, aber nicht nach dem Begehren des Fleisches lebt.“

Antwort auf die 3. Frage.
„Die Glieder des Leibes sind weiter dem Menschen gegeben, damit sie der Seele ein Bild der Tugenden zeigen und zum Dienst und Nutzen der Seele als ihr Werkzeug stehen sollen.“

Antwort auf die 4. Frage.
„Recht und Gesetz sind weiter von mir eingerichtet, damit sie mit heiliger Liebe und Mitleid gehandhabt werden sollen, und so göttliche Einheit und Eintracht unter den Menschen befestigt werden.“

Antwort auf die 5. Frage.
„Dass ich weiter dem Menschen vergönnt habe, körperliche Ruhe und Stille zu haben, das tat ich, um die Schwachheit des Fleisches zu stärken, und um die Seele kräftig und stark zu machen. Aber weil das Fleisch manchmal frech und überheblich ist, müssen Trübsale und all das, wodurch das Fleisch zurechtgebracht wird, willig ertragen werden.“


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Dritter Fragenkreis

Erste Frage: Nun zeigt sich der Mönch wie vorher auf seiner Leiter und sagte: ”O Richter, ich frage dich: ”Warum gabst du uns körperliche Sinne, wenn wir uns nicht nach diesen Sinnen des Fleisches rühren und leben sollten?“

Zweite Frage: „Warum hast du uns weiter Lebensmittel und den Unterhalt des Körpers, Speise und andere angenehme Dinge gegeben, wenn wir nicht nach dem Begehren des Fleisches leben und uns befriedigen sollen?“

Dritte Frage: „Warum hast du uns weiter den freien Willen gegeben, wenn wir unserem Willen nicht folgen sollen?“

Vierte Frage: „Warum hast du Männern und Frauen Samen und den Trieb zur Begattung gegeben, wenn er nicht nach dem Begehren des Fleisches verwendet werden soll?“

Fünfte Frage: „Warum hast du uns weiter ein Herz und den Willen gegeben, wenn nicht dafür, dass wir das gernhaben, was lieblich ist, und das schmecken und lieben, was angenehm zu genießen ist?“

Antwort auf die 1. Frage.
Der Richter antwortete: „Mein Freund, ich gab dem Mensch Sinne und Vernunft, um die Wege des Lebens zu betrachten und ihnen zu folgen und die Wege des Todes zu vermeiden.“

Antwort auf die 2. Frage.
„Weiter gab ich Speise und das für den Körper Notwendige zum maßvollen Unterhalt des Leibes und dafür, dass die Kräfte der Seele geübt und stärker werden sollen, aber nicht dafür, dass der Mensch durch unmäßiges Essen geschwächt wird.“

Antwort auf die 3. Frage.
„Weiter habe ich dem Menschen den freien Willen gegeben, damit er seinen Willen mir, seinem Gott, überlassen soll, und dadurch größeren Verdienst erwirbt.“

Antwort auf die 4. Frage.
„Weiter gab ich Samen zum Geschlechtsverkehr, damit der Mensch Nachkommen am gebührenden Platz und auf ordentliche Weise hervorbringen soll und sich aus gerechter und vernünftiger Ursache vermehren soll.“

Antwort auf die 5. Frage.
„Ferner habe ich dem Menschen das Herz gegeben, auf dass er mich, seinen Gott, der überall und unfasslich ist, darin einschließen soll, und damit sein Gedanke und sein Ergötzen in mir sein soll.“

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Die Jungfrau Maria spricht zur hl. Birgitta und klärt sie über fünf innere und fünf äußere Tugenden auf, die sie haben soll.

Erste Offenbarung im Buch der Fragen

Die Mutter (Maria) spricht: „Tochter, du musst fünf innere und fünf äußere Dinge haben. Du musst äußerlich einen Mund haben, der frei von Verleumdungen ist, Ohren, die geschlossen für verfängliche Reden sind, Hände, die im Guten wirksam sind; du sollst dich von weltlichem Umgang zurückziehen. Du musst innen fünf Dinge haben, nämlich: Gott eifrig lieben, dich weise nach ihm sehnen, zeitliche Dinge mit gerechter und richtiger Absicht und auf verständige Art zu schenken, demütig die Welt zu fliehen sowie meine Versprechen langmütig und geduldig abzuwarten.

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Vierter Fragenkreis

Erste Frage: Wieder zeigte sich der Mönch auf seiner Leiter wie vorher und sagte: ”O Richter, warum muss ich nach Gottes Weisheit forschen, wenn ich die Weisheit der Welt besitze?“

Zweite Frage: „Warum muss ich weinen und trauern, wenn mir ein Überfluss an weltlicher Freude und Ehre zur Verfügung steht?“

Dritte Frage: „Sag weiter, warum und wie soll ich mich unter den Trübsalen des Leibes freuen?“

Vierte Frage: „Weiter, warum soll ich Furcht hegen, wenn ich die Stärke meiner eigenen Kräfte besitze?“

Fünfte Frage: „Weiter, warum soll ich anderen gehorchen, wenn mein Wille in meiner eigenen Macht steht?“

Antwort auf die 1. Frage.
Der Richter antwortete: „Mein Freund, ein jeder, der weise ist, wenn es die Welt betrifft, ist blind, wenn es mich, seinen Gott betrifft. Und daher ist es Notwendig, damit man meine göttliche Weisheit erwerben kann, dass man fleißig und demütig danach forscht.“

Antwort auf die 2. Frage.
„Weiter, ein jeder, der weltliche Ehre und Freude hat, wird von verschiedenen Kümmernissen gehetzt und in Bitterkeit verwickelt, was zur Hölle fährt. Daher ist es notwendig, damit man nicht vom Himmelsweg abirrt, fromme Scheu hat, betet und weint.“

Antwort auf die 3. Frage.
„Weiter ist es sehr nützlich, sich unter den Trübsalen und Leiden des Körpers zu freuen, denn dem, der am Fleisch geplagt wird, naht sich mein Erbarmen, und er selbst nähert sich dadurch leichter dem ewigen Leben.“

Antwort auf die 4. Frage.
„Weiter, wie stark auch einer sein mag, ist er doch stark durch mich, und ich bin stärker als er. Daher soll man überall fürchten, seiner Stärke beraubt zu werden.“

Antwort auf die 5. Frage.
„Weiter sollte ein jeder, der den freien Willen in seiner Hand hat, fürchten und in Wahrheit bedenken, dass nichts so leicht zur ewigen Pein führt, wie ein eigener Wille ohne einen Leiter. Daher wird der, der seinen eigenen Willen mir, seinem Gott, anvertraut und mir gehorcht, das Himmelreich ohne Plage gewinnen.“

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Fünfter Fragenkreis

Erste Frage: Wieder zeigte sich der Mönch wie vorher und sagte: ”O Richter, warum hast du die Würmer geschaffen, die nur schaden und nicht nützen können?“

Zweite Frage: „Warum hast du wilde Raubtiere geschaffen, die den Menschen auch schaden?“

Dritte Frage: „Warum schickst du weiter Krankheiten und Plagen in die Leiber?“

Vierte Frage: „Warum lässt du weiter Bosheit bei ungerechten Richtern zu, die die Untergebenen plagen und quälen, wie gekaufte Sklaven?“

Fünfte Frage: „Warum wird der Leib des Menschen bis zum Augenblick des Todes geplagt?“

Antwort auf die 1. Frage.
Der Richter antwortete: „Mein Freund, ich Gott habe den Himmel und die Erde und alles, was darin ist, geschaffen, aber nichts ohne Ursache und ohne Gleichheit mit dem Geistlichen. Denn wie die Seelen der Heiligen den heiligen Engeln gleichen, die im (ewigen) Leben und Glückseligkeit sind, so gleichen die Seelen der Ungerechten den Teufeln, die im ewigen Tode sind.

Nachdem du also gefragt hast, warum ich die Würmer geschaffen habe, so antworte ich dir, dass ich sie schuf, um die mannigfache Macht meiner Weisheit und Güte zu zeigen. Denn wenn sie auch schaden können, so schaden sie doch nicht ohne meine Zulassung und nur der Sünde wegen, damit der Mensch, der es verschmähte, sich mir - seinem höchsten Herrn – zu unterwerfen, darüber seufzen soll, dass ihm sogar das niedrigste Wesen schaden kann, und damit der Mensch wissen soll, dass er nichts ist ohne mich, dem auch die unvernünftigen Dinge dienen, und dessen Geboten alles gehorcht.“

Antwort auf die 2. Frage.
„Warum habe ich weiter wilde Raubtiere geschaffen? Ich antworte: Alles, was ich schuf, war nicht nur gut, sondern sogar sehr gut, und es wurde entweder zum Nutzen und zur Prüfung des Menschen oder zum Nutzen der übrigen geschaffenen Lebewesen geschaffen, und damit der Mensch mir, seinem Gott, umso demütiger dient, ja glücklicher als alles andere er ist.

Doch schaden oft die wilden Tiere im Zeitlichen, und das aus zwei Ursachen. Erstens zur Strafe und Unterweisung böser Menschen, damit sie durch die Heimsuchungen einsehen, dass sie Menschen sind, und dass sie mir – ihrem Herrn – gehorchen sollen. Zweitens schaden sie auch guten Menschen zur Vervollkommnung ihrer Tugenden und zu ihrer Läuterung. Und weil der Mensch gesündigt und sich gegen mich – seinem Gott erhoben hat, daher haben sich auch alle Dinge, die dem Menschen untertan sein sollten, gegen ihn erhoben.“

Antwort auf die 3. Frage.
„Warum wird der Körper von Krankheit befallen? Ich antworte, dass dies geschieht, damit der Mensch sich besser in Acht nehmen soll, und auch wegen der Sünde von Unmäßigkeit und Überfluß, so dass der Mensch geistige Mäßigung und Geduld lernt, und sein Fleisch zu zügeln lernt.“

Antwort auf die 4. Frage.
„Warum werden ungerechte Richter weiter geduldet? Das geschieht zur Läuterung anderer und auf Grund meiner Geduld, so dass die Seelen – wie das Gold im Feuer gereinigt wird – durch die Bosheit der Ungerechten gereinigt und unterwiesen werden und von dem abgebracht werden, was sie nicht tun sollen. Ich ertrage die ungerechten Menschen auch dafür, dass die Spreu des Teufels von dem Weizen der Guten geschieden wird, und dafür, dass ihre Gewinnsucht durch meine heimliche göttliche Gerechtigkeit beendet wird.“

Antwort auf die 5. Frage.
„Warum leidet der Körper Plagen bis zum Tode? Ja, es ist gerecht, dass der Mensch mit den Dingen geplagt wird, womit er sündigt, und nachdem er durch ungeordnete Begierden sündigt, ist es angebracht, dass er von Bitterkeit und geordneten Plagen betroffen wird. Daher beginnt für manche der Tod schon hier – der Tod, der ohne Ende in Ewigkeit dauern wird; für andere endet der Tod im Fegefeuer und beginnt die ewige Freude.“



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Zweite Offenbarung im Buch der Fragen

Maria spricht: Welches Heilige hat die Süßigkeit des Geistes erhalten, ohne zuerst Bitterkeit erfahren zu müssen? Also darf der, der sich nach der Süßigkeit sehnt, dem Bitteren nicht ausweichen.“


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Sechster Fragenkreis

Erste Frage: Wieder zeigte sich der Mönch auf seiner Leiter wie vor her und sagte: ”O Richter, ich frage dich, warum das eine Kind lebend aus dem Mutterleib hervorgeht und die Taufe erhält, während das andere, das doch im Innern der Mutter Leben erhalten hat, stirbt.”

Zweite Frage: „Warum wird der Gerechte von so vielen Unglücksfällen betroffen, während der Ungerechte alle seine Wünsche erfüllt bekommt?“

Dritte Frage: „Warum trifft weiter so viel Pest und Hungersnot und so viele Leiden ein, die den Körper plagen?“

Vierte Frage: „Warum kommt der Tod so unvorbereitet, dass man ihn nur höchst selten voraussehen kann?“

Fünfte Frage: „Warum lässt du weiter Männer mit absichtlichem Zorn und Neid Krieg anzetteln, um sich zu rächen?“

Antwort auf die erste Frage.
Der Richter erwiderte: „Mein Freund, deine Frage erfolgt nicht aus Liebe, sondern nur, weil ich sie zulasse. Deshalb will ich dir mit Gleichnisworten antworten. Du fragst, warum das eine Kind im Inneren der Mutter stirbt, während das andere lebend hervorkommt. Der Anlaß ist dieser: Alle Kraft in einem Kinderkörper rührt von dem Samen des Vaters und der Mutter her, aber wenn das, was gezeugt wird, auf Grund einer Schwäche beim Vater oder der Mutter – keine ausreichende Stärke hat, stirbt es bald.

Vieles beruht auf der Nachlässigkeit und Unachtsamkeit der Eltern, und vieles geschieht durch meine göttliche Gerechtigkeit, damit das, was vereint war, schneller getrennt wird, und dafür erhält die Seele (obwohl ihr nicht länger Zeit gelassen wird, dem Körper Leben zu schenken) keine besonders harte Pein, sondern das Erbarmen, für das ich bekannt bin. So wie die Sonne, wenn sie in ein Haus hineinleuchtet, nicht zu sehen ist, wie sie in ihrer vollen Schönheit am Himmelszelt zu sehen ist – es sind nur ihre Strahlen, die man dann sieht – so erhalten die Seelen solcher Kinder – obwohl sie wegen des Fehlens der Taufe mein Antlitz nicht zu sehen bekommen – eher Erbarmen als Strafe, wenn sie auch nicht dasselbe Los wie meine Auserwählten erhalten.“

Antwort auf die zweite Frage.
„Auf die Frage, warum der Gerechte von Unglücksfällen betroffen wird, antworte ich weiter: Meine Gerechtigkeit besteht darin, dass jeder gerechte Mensch erhält, was er begehrt. Aber der ist nicht gerecht, der nicht für Gehorsam und Vervollkommnung der Gerechtigkeit begehrt, von Unglück verschont zu werden, und der seinem Nächsten nicht aus göttlicher Liebe Gutes tut. Meine Freunde bedenken, was ich, ihr Gott und Erlöser, getan und ihnen versprochen habe, so wie sie gleichzeitig auf das Böse Acht geben, das auf der Welt herrscht; deshalb wünschen sie sich – zu meiner Ehre, zu ihrer eigenen Erlösung und zum Vermeiden von Sünde – eher Erfolg als Misserfolg auf Erden; sie hoffen, dadurch der Versuchung zu entgehen.

Und deshalb lasse ich auch zu, dass Mühsale sie treffen, und auch wenn manche von ihnen ihre Leiden weniger geduldig tragen, so lasse ich doch dies alles nicht ohne Ursache zu und stehe ihnen in der Stunde der Prüfung bei. Wenn ein Sohn im Kindesalter von seiner liebvollen Mutter gezüchtigt wird, weiß er nicht, ihr zu danken, weil er ja nicht beurteilen kann, aus welchem Grunde er gestraft wird. Wenn er aber ins reife Alter gekommen ist, dankt er ihr, weil er durch ihre mütterliche Zucht von schlechten Sitten abgebracht ist und sich an gute gewöhnt hat.

So verfahre ich mit meinen Auserwählten, denn sie überlassen mir ihren Willen und lieben mich über alles, und darum werden sie eine Zeitlang von Widrigkeiten heimgesucht, und obwohl sie im gegenwärtigen Leben meine Wohltaten nicht vollständig verstehen, tue ich doch das, was ihnen in Zukunft nützen soll. Aber die Gottlosen kümmern sich nicht um Gerechtigkeit, scheuen sich nicht davor, anderen Unrecht zuzufügen, begehren das Vergängliche und lieben weltliche Genüsse.

Deshalb lässt sie meine Gerechtigkeit eine Zeitlang Erfolg haben, und sie werden mit Plagen verschont, damit sie nicht noch mehr sündigen, falls sie von Unglück betroffen werden. Doch erhalten nicht alle Bösen, was sie begehren, denn sie sollen lernen, dass es in meiner Macht steht, zu geben, wem ich will. Auch den Undankbaren verleihe ich, was gut ist, obwohl sie es nicht verdienen.“

Antwort auf die dritte Frage.
„Auf die Frage, warum Pest und Hungersnöte kommen, antworte ich weiter: Es steht im Gesetz geschrieben, dass der, der stiehlt, mehr zurückgeben soll, als er gestohlen hat. Da undankbare Menschen meine Gaben empfangen und sie missbrauchen und mir nicht die gebührende Ehre erweisen, lasse ich den Leib in diesem Leben sehr plagen, um die Seele im kommenden Leben schonen zu können. Manchmal schone ich den Leib und strafe stattdessen den Menschen in dem und durch das, was er liebt, so dass der, der mich nicht kennenlernen wollte, als er froh war, mich kennenlernt, wenn er betrübt ist.“

Antwort auf die vierte Frage.
„Auf die Frage, warum der Tod so plötzlich kommt, antworte ich weiter: Wenn der Mensch um seine Todesstunde wüsste, würde er mir aus Furcht dienen und vor Sorge verkümmern. Damit der Mensch mir aus Liebe dient und ständig Kummer um sich selbst hegt, aber sicher in Bezug auf mich ist, ist die Stunde für den Heimgang für alle unsicher. Und mit Recht, denn nachdem der Mensch das verlassen hat, was sicher und wahr war, war es notwendig und gerecht, dass er von dem geplagt wird, was ungewiß ist.“

Antwort auf die fünfte Frage.
„Auf die Frage, warum ich es zulasse, dass Menschen in ihrem Zorn und ihrer Bosheit Krieg anzetteln, antworte ich weiter: Jeder, der den festen Willen hat, seinem Nächsten zu schaden, ist wie der Teufel und ist sein Glied und Werkzeug. Dem Teufel würde ich Unrecht tun, wenn ich ihm zu Unrecht seinen Diener rauben würde. So wie ich mein Werkzeug dazu benutze, was mir behagt, so ist es auch gerecht, dass der Teufel mit dem Menschen tut und bewirkt, was ihm gehört – der lieber sein Glied sein will, als meines – entweder zur Reinigung anderer, oder um seine Schlechtigkeit mit meiner Zulassung zu verwirklichen, wie die Sünde es ja auch erfordert.“

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Siebenter Fragenkreis

Erste Frage: Wieder zeigte sich der Mönch auf seiner Leiter wie vorher und sagte: „O Richter, ich frage dich: Warum spricht man von „hässlich“ und „schön“ auf der Welt?“

Zweite Frage: „Und warum muß ich die Schönheit der Welt hassen, ich, der ich so schön und von so vornehmer Herkunft bin?“

Dritte Frage: „Und warum darf ich mich nicht über andere erheben, wenn ich reich bin?“

Vierte Frage: „Und warum darf ich mich nicht vor andere setzen, wenn ich nun ehrwürdiger bin als sie?“

Fünfte Frage: „Und warum darf ich nicht meinen eigenen Ruhm suchen, wenn ich gut und lobenswert bin?“

Sechste Frage: „Und warum darf ich keine Belohnung fordern, wenn ich anderen Dienste erweise?“

Antwort auf die 1. Frage.
Der Richter antwortete: „Mein Freund, das Hässliche und Schöne auf der Welt kann mit anderen Worten bitter und lieblich genannt werden, denn das Hässliche auf der Welt, d.h. Verleumdung und Unglück auf Erden, ist etwas Bitteres, was den Gerechten nützt und ihnen zur Gesundheit dient, während die Schönheit der Welt, d.h. Erfolg auf Erden, eine falsche und verführerische Verlockung ist. Wer also der Schönheit der Welt entflieht und ihre Süßigkeit verschmäht, wird nicht die Hässlichkeit der Hölle erleben oder ihre Bitterkeit schmecken, sondern zu meiner Freude aufsteigen.

Deshalb ist es notwendig, damit man der Hässlichkeit der Hölle entgeht und die Lieblichkeit des Himmelreichs gewinnt, lieber nach der Hässlichkeit der Welt als nach ihrer Schönheit greift, denn auch wenn alles gut von mir erschaffen ist und das alles zusammen sehr gut ist, soll man sich doch in höchstem Grad davor in Acht nehmen, was der Seele Schaden zufügen kann, wenn man meine Gaben unverständig benutzt.“

Antwort auf die 2. Frage.
„Auf die Frage, warum man sich nicht seiner Herkunft rühmen darf, antworte ich weiter: Du hattest deinen Ursprung von der hässlichsten Verderbtheit und Unreinheit deines Vaters, und im Leibe deiner Mutter warst du wie tot und vollkommen unrein. Es stand nicht in deiner Macht, von vornehmen oder geringen Eltern geboren zu werden, sondern meine Güte und Huld hat dich ans Licht gerufen. Also magst du, wenn du vornehm genannt wirst, dich unter mich, deinen Gott, demütigen, der dich in einer vornehmen Familie hat geboren werden lassen und dich deinem Nächsten gleichgestellt hat.

Denn er ist aus demselben Stoff wie du, obwohl du durch meine Vorsehung aus einem nach weltlichen Begriffen hohen Geschlecht hervorgegangen bist, und er aus einem geringen. Du, der du hochgeboren bist, desto strengere Rechenschaft wird von dir gefordert werden, und einem umso härteren Gericht musst du dich unterwerfen, nachdem du mehr empfangen hast.“

Antwort auf die 3. Frage.
„Auf die Frage, warum man nicht mit Reichtümern prahlen darf, antworte ich weiter: Die Reichtümer der Welt gehören dir nur um der notwendigen Speise und der Kleidung willen. Die Welt ist nämlich zu dem Zweck geschaffen, damit der Mensch den Unterhalt seines Leibes haben soll und durch Arbeit und Demut zu mir, seinem Gott, zurückkehrt, gegen den er ungehorsam war, den er verachtet hat, und um den er sich in seinem Übermut nicht gekümmert hat.
Wenn du sagst, dass zeitliche Güter dir gehören, sage ich die sichere Wahrheit, dass all das, was du über das Lebensnotwendige hinaus besitzt, das hast du dir mit Gewalt angeeignet. Denn alle zeitlichen Güter sollen für alle gleich sein, die es brauchen; so gebietet es die Liebe. Aber du bildest dir etwas auf deinen Überfluß ein, den du aus Mitleid an andere verleihen solltest.

Wenn auch viele aus vernünftigen Gründen viel mehr als andere besitzen und es klug ausgeben, ist es doch geraten, damit man beim Gericht nicht strenger gegen dich verfahren soll, der du mehr empfangen hast als andere, dass du nicht viel Eigentum einsammelst und dich hochmütig für mehr hältst als andere. Denn ebenso behaglich wie es ist, auf der Welt mehr zeitlichen Besitz als andere zu haben und im Überfluß zu leben, ebenso gefährlich und über die Maßen schwer ist es beim Gericht, wenn man sogar betreffs des erlaubten Eigentums beweisen muß, dass man es klug verwaltet hat.“

Antwort auf die 4. und 5. Frage.
„Auf die Frage, warum man nicht seinen eigenen Ruhm suchen darf, antworte ich weiter: Niemand ist gut von sich selbst aus außer mir, Gott, und jeder, der gut ist, hat dieses Gute von mir. Wenn also du, der nichts ist, dein eigenes Lob und nicht das meine suchst, obwohl jede vollkommene Gabe von mir kommt, so ist dein Ruhm falsch, und du tust mir, deinem Schöpfer gegenüber Unrecht.

Denn so wie alles Gute, was du hast, von mir kommt, so musst du mir allen Ruhm schenken, und so wie ich, dein Gott, dir alles zeitliche Gut beschert, Kräfte, Gesundheit, Gewissen, Klugheit, das zu bedenken, was für dich nützlich ist, Zeit und Leben, so bin doch ich es, den du ehren sollst, wenn du das gut und verständig verwaltest, was dir geschenkt worden ist. Aber wenn du es schlecht verwaltest, dann ist es dein Fehler, und du machst dich der Undankbarkeit schuldig.“

Antwort auf die 6. Frage.
„Auf die Frage, warum man im jetzigen Leben keine zeitliche Belohnung für gute Taten begehren soll, antworte ich dir weiter: Jeder, der anderen gegenüber Gutes tut und nicht nach Vergeltung von Menschen fragt, sondern nur nach der, die ich – Gott – ihm geben will, der wird das Größte für das Kleinste, das Ewige für das Zeitliche bekommen; dagegen wird der, der das Irdische und das Zeitliche sucht, erhalten, was er begehrt, aber das Unvergängliche verlieren. Daher ist es nützlicher, damit man das Ewige statt des Vergänglichen gewinnt – keine Belohnung von Menschen zu begehren, sondern von mir.“

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Achter Fragenkreis

Erste Frage: Wieder zeigte sich der Mönch auf seiner Leiter wie vorher und sagte: „O Richter, ich frage dich: Warum lässt du es zu, dass man Abgötter in Tempel setzt und sie ehrt wie dich, obwohl dein Reich vornehmer als alles andere ist?“

Zweite Frage: „Und warum lässt du deine Herrlichkeit nicht schon in diesem Leben von den Menschen schauen, so dass sie sich eifriger danach sehnen?“

Dritte Frage: „Und da nun die Heiligen und Engel edler und heiliger als alle anderen Geschöpfe sind, warum dürfen sie von den Menschen nicht schon in diesem Leben geschaut werden?“

Vierte Frage: „Und da nun die Plagen der Hölle so über alle Beschreibung schrecklich sind, warum lässt du sie von den Menschen nicht schon in diesem Leben schauen, so dass sie dem entrinnen können?“

Fünfte Frage: „Und da nun die Teufel über alle Beschreibung scheußlich und grässlich sind, warum zeigen sie sich dem Menschen nicht in sichtbarer Gestalt? Dann würde ihnen niemand folgen oder ihnen zustimmen.“

Antwort auf die 1. Frage.
Der Richter antwortete: „Mein Freund, ich bin Gott und der Schöpfer aller Dinge. Ich tue den Bösen kein größeres Unrecht als den Guten, denn ich bin die Gerechtigkeit selbst. Meine Gerechtigkeit ist so, dass der Eintritt in den Himmel durch Fasten und steten Glauben, verständige Hoffnung und brennende Liebe erworben werden muß. Das, was vom Herzen mehr und wärmer geliebt wird, das wird fleißiger bedacht und gewissenhafter verehrt.

So werden auch Abgötter in Tempel gesetzt, obwohl sie weder Götter noch Schöpfer sind; es gibt ja nur einen einzigen Schöpfer, nämlich mich – Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Doch ist die Liebe, die die Besitzer der Tempel und die Menschen für sie haben, damit sie auf der Welt Erfolg haben, größer als die, die sie mir entgegenbringen, und sie kümmern sich nicht darum, mit mir leben zu dürfen. Wenn ich nun die Dinge vernichten würde, die die Menschen mehr lieben als mich, und sie mich gegen ihren freien Willen verehren ließe, so würde ich ihnen sicher Unrecht tun, nachdem ich ihnen ihren freien Willen und ihre Sehnsucht genommen habe. Denn nachdem sie keinen Glauben an mich haben, und es in ihrem Herzen etwas gibt, was ihnen begehrenswerter ist als ich, ist es klug, dass ich sie im Handeln das verwirklichen lasse, was sie in ihrem Sinn lieben und ersehnen.

Und da sie das Erschaffene mehr lieben als mich, den Schöpfer, den sie durch Zeichen und Werke kennenlernen könnten und so wahrscheinliche Beweise erhalten, wenn sie ihren Verstand benutzen wollten, deshalb sind sie verblendet, ihre geschaffenen Werke sind verdammt, und ihre Abgötter sind verflucht, und sie werden für ihre Torheit beschämt und verurteilt werden. Sie wollen ja nicht einsehen, wie lieblich ich, ihr Gott bin, der ich den Menschen aus warmer Liebe geschaffen und erlöst habe.“

Antwort auf die 2. Frage.
„Auf die Frage, warum meine Herrlichkeit nicht zu sehen ist, antworte ich weiter: Meine Herrlichkeit ist unsagbar und übertrifft alles an Lieblichkeit und Güte. Wenn meine Herrlichkeit geschaut wer – den würde, wie sie ist, dann würde der schwache, vergängliche Leib des Menschen ebenso wie seine Sinne in Ohnmacht fallen, der meine Herrlichkeit auf dem Berg geschaut hat; ja der Körper würde infolge der Freude der Seele betäubt und unfähig zu körperlicher Arbeit werden.

Dafür, dass man ohne Liebesmühe keinen Eintritt in den Himmel gewinnt, und damit der Glaube seine Belohnung erhält und der Körper tauglich zur Arbeit ist, wird meine Herrlichkeit eine Zeitlang verborgen, damit sie in Ewigkeit in einer seligeren und reicheren Weise infolge der Sehnsucht und des Glaubens geschaut wird.“

Antwort auf die 3. Frage.
„Auf die Frage, warum die Heiligen nicht geschaut werden, wie sie sind, antworte ich weiter: Wenn meine Heiligen offenbar gesehen würden und in körperlicher Weise sprechen würden, dann würden sie geehrt wie ich selbst, und der Glaube würde ohne Belohnung bleiben. Auch würde das gebrechliche Fleisch nicht imstande sein, sie zu sehen, und meine Gerechtigkeit will nicht, dass eine so große Klarheit von einer so kläglichen Gebrechlichkeit geschaut wird.

Deshalb werden meine Heiligen nicht so gehört und gesehen, wie sie sind, denn alle Ehre gebührt mir, und der Mensch soll wissen, dass niemand mehr geliebt werden soll, als ich. Und wenn meine Heiligen sich zuweilen offenbaren, so erscheinen sie nicht in der Herrlichkeit, die sie wirklich haben, sondern in einer Gestalt, wo die Fülle der Kraft verborgen ist, so dass sie geschaut werden können, ohne dass der körperliche Verstand verwirrt wird.“

Antwort auf die 4. Frage.
„Auf die Frage, warum die Plagen der Hölle nicht zu sehen sind, antworte ich weiter: Wenn die Höllenplagen in sichtbarem Ausmaß zu sehen wären, wie sie sind, dann würde der Mensch ganz starr vor Schreck, und er würde das Himmlische aus Furcht und nicht aus Liebe erstreben. Weil aber niemand die himmlische Freude aus Furcht vor Strafe, sondern nur aus Liebe zu Gott erstreben soll, werden die Plagen nun verborgen.

Und wie die Guten und Heiligen diese unaussprechliche Freude vor der Trennung von Leib und Seele noch nicht schmecken können, wie sie ist, so spüren auch die Bösen nicht die Qual der Hölle, ehe die Seele nicht vom Leib geschieden ist. Aber dann werden sie erfahren nachdem sie nicht daran glauben wollten, als sie es noch konnten.“

Antwort auf die 5. Frage.
„Auf die Frage, warum die Teufel sich nicht sichtbar zeigen, antworte ich weiter: Wenn deren widerliche Hässlichkeit geschaut würde, wie sie ist, dann würde die Seele des Schauenden über den schrecklichen Anblick außer sich sein; der ganze Leib würde ins Schlottern geraten wie bei einem zitternden Menschen, das Herz würde vor Schreck bluten, und die Füße wären nicht im Stande, die übrigen Glieder aufrecht zu halten. Damit die Seele in ihren Sinnen bleibt, sei das Herz wachsam in der Liebe zu mir, und der Körper imstande, in meinem Dienst zu arbeiten – deshalb bleibt die Missgestalt der Teufel verborgen, und ihre Bosheit wird gezügelt.“

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Dritte Offenbarung im Buch der Fragen

Gottes Sohn spricht (zu Birgitta): „Wenn es einen Kranken im Hause gibt, und ein kundiger Arzt, der das Übel der Krankheit kennt, diesem ein Heilmittel gibt, durch das er stirbt, wird er als Totschläger angeklagt und ist kein richtiger Arzt.

Wenn jemand, der die Heilkunst kennt, sie um irdischen Gewinn ausübt, so wird er keinen Lohn von mir erhalten. Aber wenn einer die Heilkunst aus Liebe zu mir ausübt, und um mich zu ehren, so werde ich ihn belohnen Wenn jemand, der kein Meister in der Heilkunst ist, zu wissen glaubt, dass die Medizin für den Kranken gut ist oder gut sein kann, so gibt er sie ihm in guter Absicht, und er darf nicht als Totschläger verklagt werden, falls der Kranke stirbt, sondern als ein törichter und vermessener Mensch. Sollte dagegen der Kranke durch die Medizin des Unweisen gesund werden, so soll dieser keinen Lohn wie ein Arzt erhalten, sondern nur als ein Gutachter, denn er hat das Heilmittel nicht nach seiner Kenntnis verordnet, sondern nur nach seinem Ermessen.

Nun will ich dir sagen, was dies bedeutet. Die Menschen da, die du kennst, sind geistlich krank und sind durch Hochmut und Gewinnsucht gefallen. Sie folgen ihrem eigenen Willen. Wenn ihnen deshalb ihr Freund, den ich mit einem Arzt vergleiche, Hilfe und Rat zu noch schlimmerem Hochmut und Ehrgeiz zuteil werden lässt, so dass sie geistlich sterben, so werde ich sicher ihren Tod aus seiner Hand fordern. Denn obwohl sie durch ihre eigene Bosheit starben, wird er, der der Vermittler und die Ursache ihres Todes ist, keineswegs straffrei ausgehen. Wenn er dagegen von natürlicher Liebe geleitet, sie fördert und sie zu seiner eigenen Freude und aus fleischlicher Liebe auf der Welt erhöht, kann er keinesfalls auf Lohn von mir hoffen.

Es kann jedoch passieren, dass er wie ein guter Arzt an sie denkt und sich selber sagt: „Diese Menschen sind krank und brauchen Medizin. Wenn ihnen auch meine Arznei bitter vorkommt, will ich sie ihnen doch geben, weil sie gesund ist, so dass sie nicht einen schweren Tod sterben. So werde ich, indem ich sie zügle, ihnen Speise geben, damit sie nicht vor Hunger vergehen, und Kleider, so dass sie mit Ehre nach ihrem Stande auftreten können, und ich werde sie unter meiner Zucht halten, so dass sie sich nicht überheben. Ich werde sie auch mit allem anderen Notwendigen versorgen, so dass sie sich nicht in ihrem Übermut aufblasen und sich durch ihre Vermessenheit versündigen, oder Gelegenheit erhalten, anderen zu schaden.“ Ein solcher Arzt wird einen großen Lohn von mir empfangen, denn eine solche Zurechtweisung gefällt mir.

Aber wenn ihr Freund so denkt: „Ich würde ihnen das Notwendige geben, aber ich weiß nicht, wieweit es ihnen nützt oder nicht – doch glaube ich, dass es Gott nicht missfällt, oder dass es ihrer Erlösung schadet. Wenn sie dann durch seine Gabe sterben oder sich einer Übertretung schuldig machen, soll der Freund nicht als Totschläger angeklagt werden, sondern er soll einen bestimmten (wenn auch nicht vollständigen) Lohn für seinen guten Willen und für sein frommes Mitgefühl erhalten, je mehr er ihre Seelen geliebt hat.

Die Kranken sollen es aber leichter haben und allmählich wieder gesund werden, was sie schwerlich erreicht hätten, wenn die Liebe nicht mitgewirkt hätte. Doch ist hier ein Rat notwendig: Denn nach allgemeiner Meinung schadet es einem schädlichen Tier nicht, wenn es eingesperrt wird, und wenn es in seiner Gefangenschaft das Notwendige erhält, bleibt es ebenso gesund und munter, wie das Tier, das in voller Freiheit lebt. Weil diese Menschen also einem Geschlecht angehören, dessen Blut und Herz das Hohe ersehnt, und weil ihr Wille dürstet, je mehr er zu trinken bekommt, deshalb soll ihnen ihr Freund keine Gelegenheit zu Übertretungen geben, denn sie möchten gern Übertretungen begehen, aber ihr Begehren können sie nicht auslöschen.“


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Neunter Fragenkreis

Erste Frage: Als dies gesagt war, zeigte sich der Mönch auf seiner Leiter wie vorher und sagte: „O Richter, ich frage dich: Warum scheinst du so ungleich im Verteilen deiner Gnadengaben, dass du deine Mutter Maria vor allen anderen Geschöpfen auserwählt und sie über die Engel erhört hast?

Zweite Frage: „Warum hast du den Engeln einen Geist ohne einen Körper gegeben und die Gnade verliehen, in der himmlischen Freude zu wohnen, während du dem Menschen ein irdisches Gefäß und Geist gegeben hast – und das Los, mit Weinen geboren zu werden, mit Mühe zu leben und unter Schmerzen zu sterben?“

Dritte Frage: „Warum hast du weiter dem Menschen Verstand und Denkvermögen und Sinne gegeben, wenn du den Tieren keinen Verstand gegeben hast?“

Vierte Frage: „Warum hast du den Tieren Leben gegeben, wenn du den übrigen, Geschöpfen, die kein Denkvermögen haben, dies nicht gegeben hast?“

Fünfte Frage: „Und warum ist es nachts nicht ebenso hell wie am Tage?“

Antwort auf die 1. Frage.
Der Richter antwortete: „Mein Freund, in meiner Gottheit ist das kommende und Zukünftige von Anfang an bekannt, ebenso wie das bereits Geschehene. Der Fall des Menschen war im Voraus bekannt und durch Gottes Gerechtigkeit zugelassen, doch wurde er nicht von Gott veranlasst und sollte nicht auf Grund von Gottes Vorherwissen geschehen. Ebenso war die Befreiung der Menschen, die durch Gottes Barmherzigkeit erfolgen sollte von Ewigkeit vorhergesehen.

Du fragst nun, warum ich meine Mutter Maria vor allen anderen auserwählte und sie mehr als alle anderen Geschöpfe geliebt habe. Das geschah deshalb, dass ein besonderer Glanz von Tugenden bei ihr anzutreffen war. Wenn man ein Feuer anzündet und mehrere Holzstücke darum herumlegt, so entzündet es sich rascher, was dienlicher ist und besser vom Feuer verzehrt wird.

So verhält es sich auch mit Maria. Denn als das Feuer der göttlichen Liebe, das an sich unveränderlich und ewig ist, entzündet und sichtbar wurde und die Gottheit Menschengestalt annehmen wollte, da war kein geschaffenes Wesen besser imstande, dieses Liebesfeuer zu empfangen, als die Jungfrau Maria, denn kein Geschöpf war so reich an Liebe, wie sie. Und obwohl ihre Liebe offenbar wurde und bei der Erfüllung der Zeilen sichtbar wurde, war sie doch seit Anbeginn der Welt vorausgesehen, und so war es von Ewigkeit her in der Gottheit vorgeschrieben, dass wie es gleichsam niemanden gab, der ihr an Liebe gleich war, so sollte ihr auch keiner an Gnade und an Segen gleich sein.“

Antwort auf die 2. Frage.
„Auf die Frage, warum ich den Engeln Geist und keinen Leib gab, antworte ich weiter: Im Anfang und vor den Zeiten und der Welt erschuf ich die Geister, damit sie nach meinem Willen ihren freien Willen genießen und sich über meine Güte und Ehre freuen sollten. Jedoch erhoben sich manche von ihnen darüber, wandten für sich das Gute zum Bösen und benutzten ihren freien Willen auf ungeordnete Weise. Nur weil es in der Natur und Schöpfung nichts anderes Böses als die Unordnung des eigenen Willens gibt, so sind sie gefallen. Aber die anderen Geister wählten, mir, ihrem Gott, in Demut zu dienen, und dafür verdienten sie ewige Standhaftigkeit.

Es ist nämlich angebracht und richtig, dass ich, Gott, der ein ungeschaffener Geist und aller Schöpfer und Herr ist, auch Geister in meinem Dienst habe, die zarter und leichter als andere Geschöpfe sind. Aber da es nicht passte, dass ich eine Verminderung in meiner Heerschar hinnahm, daher erschuf ich an ihrer Stelle, die gefallen waren, ein anderes Wesen, nämlich den Menschen, der durch seine freie Wahl und seinen guten Willen dieselbe Würde verdienen sollte, die die Engel aufgegeben haben. Aber wenn der Mensch nur eine Seele und keinen Körper hätte, hätte er nicht ein so hohes Gut erworben und nicht dafür arbeiten können. Der Leib wurde also mit der Seele vereint, damit der Mensch die ewige Ehre erwerben kann.

Mühsale treffen den Menschen, damit er seinen freien Willen und seine Schwächen erforscht und nicht hochmütig wird, ferner, damit er die Herrlichkeit ersehnt, für die er geschaffen ist, und den Ungehorsam wieder gut macht, dessen er sich freiwillig schuldig gemacht hat. Durch die göttliche Gerechtigkeit wurde ihm ein kläglicher Eingang (ins Leben) und Ausgang sowie ein mühseliges Leben auferlegt.“

Antwort auf die 3. Frage.
„Auf die Frage, warum die Tiere keinen Verstand und kein Denkvermögen wie die Menschen haben, antworte ich weiter: Alles, was geschaffen ist, ist zum Nutzen des Menschen da, für seinen Unterhalt oder seine Unterweisung, Zucht, Erquickung und Demütigung. Aber wenn die Tiere Verstand hätten wie der Mensch, wären sie dem Menschen sicher beschwerlich und zum Schaden, statt ihm zu nützen. Damit dem Menschen alles unterworfen sei, ihm, um dessentwillen alles gemacht ist, und alles ihn fürchtet, aber er selbst nichts anderes fürchtet als mich, seinen Gott – deshalb haben die Tiere keinen Verstand und kein Denkvermögen bekommen.“

Antwort auf die 4. Frage.
„Auf die Frage, warum das, was keine Sinne hat, kein Leben hat, antworte ich weiter: Alles, was lebt, ist sterblich, und jedes Lebewesen bewegt sich, sofern es nicht von etwas gehindert wird. Wenn das, was keine Sinne hat, Leben hätte, würde es sich eher gegen den Menschen stellen, als für ihn. Damit dem Menschen alles zur Freude dient, sind ihm die höheren Dinge, nämlich die Engel, zu seinem Schutz gegeben, mit denen er den Verstand und die Unsterblichkeit der Seele gemeinsam hat, während die niederen Wesen (mögen sie Sinne haben oder nicht) ihm zum Nutzen und zum Unterhalt, zur Unterweisung und fleißiger Übung gegeben sind.“

Antwort auf die 5. Frage.
„Auf die Frage, warum es nicht jederzeit Tag ist, antworte ich dir mit einem Gleichnis. Unter jedem Wagen befinden sich Räder, damit die Fuhre schneller befördert werden kann; dabei folgen die Hinterräder den Vorderrädern. In gleicher Weise verhält es sich mit dem Geistigen. Die Welt ist nämlich eine große Fuhre, die den Menschen mit Kummer und Mühsal belastet. Das ist auch nicht merkwürdig, denn als der Mensch den Platz der Ruhe verschmähte, war es nur gerecht, dass er mit einem Arbeitsplatz Bekanntschaft stiften musste.

Damit die Bürde dieser Welt vom Menschen leichter zu tragen ist, ist es barmherzig so geordnet, dass die Zeiten wechseln, und Tag auf Nacht, Wärme auf Kälte folgt – zur Übung und zur Ruhe des Menschen. Es ist ja doch vernünftig, dass da, wo Gegensätze zusammentreffen, nämlich das Starke und das Schwache, dem Schwachen nachgegeben werden soll, damit es neben dem Starken bestehen kann; sonst würde das Schwache ja vernichtet werden.

So ist es auch mit dem Menschen. Wenn er auch durch die unsterbliche Kraft der Seele ständig in Betrachtung und Arbeit leben könnte, würde er doch auf Grund der Schwachheit des Körpers verkümmern, und deshalb wurden Licht und Nacht geschaffen; das Licht dafür, dass der Mensch sein Los mit den höheren und niederen Dingen teilen kann, am Tage arbeiten und sich an die Lieblichkeit des ewigen Lichtes erinnern kann, das er verloren hat; die Nacht dafür, dass er seinen Körper ausruht und willig ist, an den Platz zu kommen, wo es weder Nacht noch Arbeit gibt, sondern ewigen Tag und immerwährende Ehre.“

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Vierte Offenbarung im Buch der Fragen

Der Sohn (Jesus Christus) spricht: „Ich bin ein gekrönter König in meiner Gottheit, ohne Anfang und ohne Ende. Die Krone, die weder Anfang noch Ende hat, bezeichnet meine Macht, die keinen Anfang hat und auch kein Ende haben wird. Aber ich hatte auch eine andere Krone in meiner Verwahrung, und die Krone war ich, Gott, selbst. Die Krone war für sie (Maria) bereitet, die die größte Liebe zu mir hatte, und du, liebste Mutter, hast sie gewonnen und mit Gerechtigkeit und Liebe an dich genommen. Denn Engel und andere Heilige legen das Zeugnis über dich ab, dass du eine brennendere Liebe als andere zu mir hattest, und dass deine Keuschheit reiner war, als die von anderen, und mir mehr gefiel, als die von allen anderen.

Wahrlich, dein Haupt war wie glänzendes Gold, und deine Locken wie Sonnenstrahlen. Denn deine allerreinste Jungfräulichkeit, die wie das Haupt aller Tugenden in dir ist, und deine Enthaltsamkeit von allen unzulässigen Begierden, gefielen mir und strahlten mit aller Demut in meinem Angesicht, und daher wirst du mit Recht eine gekrönte Königin über alles, was geschaffen ist, genannt, eine Königin wegen deiner Reinheit und gekrönt wegen deiner hohen Würde.

Deine Stirn war von einer unvergleichlichen Weisse, die die ehrbare Scheu deines Gewissens bezeichnet; dort findet sich der Reichtum aller menschlichen Einsicht, und da leuchtet die göttliche Weisheit mit ihrem lieblichen Schein über alles. Deine Augen waren so klar in meines Vaters Angesicht, dass er sich darin spiegelte, denn in deinem geistlichen Blickfeld und im Verstand deiner Seele sah der Vater all deinen Willen, der nichts anderes wollte, als ihn, und nichts begehrte, was ihm nicht gefiel.

Deine Ohren waren völlig rein und offen wie die schönsten Fenster, als Gabriel dir meinen Willen kundtat, und ich, Gott, in dir Fleisch wurde. Deine Wangen waren von der besten Farbe, weiß und rot, denn der Ruf deiner lobenswerten Taten und die Schönheit deiner Sitten, wodurch du täglich entzündet wurdest, gefiel mir. Über die Schönheit deiner Sitten freute sich in der Tat Gott Vater; niemals wandte er seine Augen von dir ab, und von deiner Liebe empfingen alle ebenfalls Liebe. Dein Mund war wie eine Leuchte, die innen brennt und ihren Schein nach außen verbreitet, denn die Worte und Gefühle deiner Seele brannten inwendig durch göttlichen Verstand und strahlten nach außen durch die lobenswerte Art deiner Gebärden und die wunderbare Harmonie deiner Tugenden.

Ja, liebste Mutter, die Worte deines Mundes haben sozusagen meine Göttlichkeit zu dir gezogen, und die Glut deiner göttlichen Liebe ließ mich niemals von dir trennen, denn deine Worte sind lieblicher als Honig. Dein Hals ist edel erhoben und schön aufgerichtet, denn die Gerechtigkeit deiner Seele ist ganz und gar zu mir erhoben und bewegt sich nach meinem Willen; du warst ja nie durch bösen Hochmut zu etwas (Schlechtem) geneigt. So wie der Hals sich mit dem Haupte beugt, so neigte sich all deine Absicht und dein Tun nach meinem Willen.

Deine Brust war voll Süße aller Tugenden, so dass es nichts Gutes in mir gibt, was nicht in dir vorhanden ist, denn du hast durch die Lieblichkeit deiner Sitten alles Gute in dich hineingezogen, als es meiner Göttlichkeit gefiel, in dich einzutreten, und meiner Menschlichkeit, in dir zu wohnen und die Milch deiner Brüste zu trinken. Deine Arme waren sehr schön durch wahren Gehorsam und Geduld bei der Arbeit. Deine leiblichen Hände berührten ja meine Menschengestalt, und ich weilte mit meiner Göttlichkeit in deinen Armen.

Dein Mutterleib war so rein wie Elfenbein und strahlte wie ein Schmuckkasten, denn deine Standhaftigkeit und dein Glaube erlahmten nie und konnten in Unglücksfällen nicht zerstört werden. Die Wände dieses Mutterleibs, d.h. deines Glaubens, waren so klar wie schimmerndes Gold; hiermit wird die Stärke deiner Tugenden, deine Klugheit, deine Gerechtigkeit, deine Mäßigkeit und deine vollendete Beharrlichkeit bezeichnet, dann all diese Tugenden von dir waren in göttlicher Liebe vollkommen geworden.

Deine Füße waren rein und gut gewaschen; ja gleichsam voll von wohlriechenden Kräutern, denn die Hoffnung und das Verlangen deiner Seele waren auf mich, deinen Gott gerichtet und dufteten zum Vorbild und zur Nachfolge für andere. Dein Mutterleib war mir geistig und körperlich so begehrenswert, und deine Seele war mir so wohlgefällig, dass ich nicht davor zurückschrecke, zu dir aus Himmelshöhe herabzusteigen und bei dir zu wohnen; ich fand das größte Gefallen daran. Daher, liebste Mutter, soll die Krone, die bei mir verwahrt wurde (die Krone bin ich, Gott, der Menschengestalt annahm), niemandem anders als dir aufgesetzt werden, denn du bist wahrhaftig Mutter, Jungfrau und Kaiserin aller Königinnen.“


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Zehnter Fragenkreis

Erste Frage: Wieder zeigte sich der Mönch auf seiner Leiter wie vorher und sagte: „O Richter, ich frage dich: Wie konntest du, der am allermächtigsten, am schönsten und tugendreichsten ist, und der klarer als die Sonne in deiner Gottheit strahlt – dich in einen solchen Sack wie deine Menschengestalt kleiden?“

Zweite Frage: „Und wie kann es kommen, dass deine Gottheit alles in sich schließt und doch von niemandem beschlossen wird, dass du alles umfasst und doch von niemandem umfasst wirst?“

Dritte Frage: „Und warum wolltest du so lange im Schoß der Jungfrau weilen, und warum kamst du nicht gleich hervor, nachdem du empfangen wurdest?“

Vierte Frage: „Und warum zeigtest du, der alles kann und überall gegenwärtig ist, dich nicht gleich in der Gestalt, die du in deinem 30. Lebensjahr hattest?“

Fünfte Frage: „Und warum wolltest du, dessen Vater nicht von Abrahams Samen war, dich beschneiden lassen?“

Antwort auf die 1. Frage.
Der Richter antwortete ihm: „Mein Freund, ich will dir mit einem Gleichnis antworten. Es gibt eine Art Weintrauben, deren Wein so stark ist, dass er ohne Zutun des Menschen aus den Trauben herausdringt. Wenn der Besitzer sieht, dass die Zeit der Reife gekommen ist, setzt er einen Bottich darunter. Der Wein wartet aber nicht auf den Bottich, sondern der Bottich auf den Wein. Und wenn mehrere Gefäße daruntergesetzt werden, so fließt der Wein in das Gefäß, das am nächsten ist.

Diese Weintraube ist meine Gottheit, der so voll vom Wein der göttlichen Liebe ist, dass alle Engelchöre damit erfüllt werden, und alles, was es auch ist, daran Teil erhält. Durch seinen Ungehorsam machte der Mensch sich aber dieses Weines unwürdig. Als daher Gott, mein Vater, zu einer von Ewigkeit vorherbestimmten Zeit seine Liebe zutage treten lassen wollte, schickte er seinen Wein, d.h. mich, seinen Sohn, in das Gefäß, das am nächsten stand und das Kommen des Weins am meisten erwartete, d.h. in den Mutterleib der Jungfrau, die mich inniger liebte, als alle anderen Geschöpfe.

Diese Jungfrau liebte und begehrte mich so warm, dass es keine Stunde gab, dass sie mich nicht begehrte und sich danach sehnte, meine Dienerin zu werden. Daher erhielt sie den ausgewählten Wein, der drei Eigenschaften hatte: Erstens Stärke, nachdem ich ohne menschliche Einwirkung herauskam, zweitens die schönste Farbe, nachdem ich, der Allerschönste, von der Himmelshöhe herabstieg, um zu streiten, drittens die üppigste Süße, die mit dem größten Segen berauscht. Dieser Wein, der ich selbst bin, ging in den Leib der Jungfrau ein, denn ich, der unsichtbare Gott, wurde sichtbar, damit der verlorene Mensch erlöst würde.

Sicher hätte ich eine andere Gestalt annehmen können, aber das wäre gegen die Gerechtigkeit gewesen, denn eine Gestalt sollte für eine andere gegeben werden, eine Natur für eine andere, und die Art der Erfüllung nach der Art der Schuld. Wer von den Weisen hätte glauben oder raten können, dass ich, der allmächtige Gott, mich so tief demütigen wollte, dass ich den Sack der Menschengestalt annehmen wollte, wenn nicht diese meine unergründliche Liebe gewesen wäre, diese Liebe, die mich fähig machte, sichtbar unter den Menschen zu leben?

Nachdem ich die Jungfrau von so inniger Liebe brennen sah, wurde meine göttliche Strenge besiegt, und meine Liebe trat zutage, damit der Mensch sich mit mir versöhnen sollte. Ist es da verwunderlich, dass ich, Gott, der die Liebe selbst ist und der nichts von dem haßt, was ich geschaffen habe, nicht nur beschloß, dem Menschen die üppigsten Gaben zu schenken, sondern sogar mich selbst zum Preis und zur Belohnung, damit alle hochmütigen Dämonen sich schämen sollten?“

Antwort auf die 2. Frage.
„Auf die Frage, wie meine Gottheit alles in sich schließen kann, antworte ich weiter: Ich Gott, bin Geist. Ich rede, und es ist getan, ich befehle, und alles gehorcht mir. Ich bin es, der allem das Dasein und das Leben gibt. Ehe ich den Himmel, die Berge und die Erde geschaffen habe, war ich in mir selbst. Ich bin über allem, außerhalb von allem und innerhalb von allem. In mir ist alles, und ohne mich ist nichts. Und während mein Geist weht, wo er will, alles kann und vermag, was er will, alles weiß, schneller und leichter ist als alle anderen Geister, alle Kraft hat und alles Gegenwärtige, das Vergangene und Zukünftige betrachtet, deshalb ist mein Geist, d.h. meine Gottheit, mit Recht unfassbar, und doch umfasst er alles.“

Antwort auf die 3. Frage.
„Auf die Frage, warum ich so lange im Schoß der Jungfrau weilte, antworte ich weiter: Ich bin der Schöpfer aller Natur, und für jede Natur habe ich eine gebührende Weise, Zeit und Ordnung vorgeschrieben, geboren zu werden. Wenn ich, der Schöpfer, nun aus dem Mutterleib hervorgegangen wäre, nachdem ich empfangen wurde, so hätte ich im Widerstreit mit der natürlichen Ordnung gehandelt, und dass ich Menschengestalt annahm, wäre dann nur sagenhaft und nicht echt gewesen. Ich wollte also ebenso lange Zeit im Mutterleib sein, wie andere Kinder, um auch in mir selbst die Ordnung der Natur zu erfüllen, die ich wohlweislich eingerichtet habe.“

Antwort auf die 4. Frage.
„Auf die Frage, warum ich nicht gleich bei meiner Geburt so groß am Körper wie bei meinem 30. Jahr gewesen bin, antworte ich weiter: Wenn das der Fall gewesen wäre, hätten sich alle gewundert und mich gefürchtet, und sie wären mir mehr aus Furcht und wegen der Wundertaten gefolgt, die sie sahen, als aus Liebe. Und wie hätten dann die Aussagen der Propheten erfüllt werden können? Sie hatten ja vorausgesagt, dass ich wie ein Knäblein unter den Tieren in einer Krippe liegen würde, von Königen angebetet würde, im Tempel dargestellt und von meinen Feinden verfolgt werden würde. Um zu beweisen, dass meine Menschlichkeit wirklich war und dass die Aussagen der Propheten über mich in Erfüllung gehen würden, wuchs ich so allmählich mit meinen Gliedern heran, ich, der ich doch bei meiner Geburt ebenso voller Weisheit war, wie bei meinem Ende.“

Antwort auf die 5. Frage.
„Auf die Frage, warum ich beschnitten wurde, antworte ich weiter: Obwohl ich väterlicherseits nicht von Abrahams Geschlecht war, war ich es doch mütterlicherseits, wenn auch ohne Sünde. Das Gesetz, was ich als Gott gestiftet hatte, wollte ich auch als Mensch einhalten, damit meine Feinde mich nicht anklagen konnten, das befohlen zu haben, was ich selber nicht erfüllen wollte.“

Antwort auf die 6. Frage.
„Auf die Frage, warum ich mich taufen lassen wollte, antworte ich weiter: Ein jeder, der einen neuen Weg begründen oder beginnen will, muß selbst auf diesem Weg vorangehen. Nun hatte das Judenvolk einen fleischlichen Weg erhalten, nämlich die Beschneidung, zum Zeichen des Gehorsams und der zukünftigen Reinigung; bei den Gläubigen und Gesetzestreuen bewirkte der, ehe die verheißene Wahrheit (d.h. ich, Gottes Sohn) kam, etwas von der kommenden Gnade und Erfüllung der Verheißung.

Aber es war von Ewigkeit her bestimmt, dass – da das Gesetz nichts anderes war, als ein Schatten, der alte Weg verschwinden und seine Wirkung verlieren sollte, als die Wahrheit kam. Damit die Wahrheit hervortreten, der Schatten weichen und ein leichterer Weg zum Himmel gezeigt würde, wollte ich, Gott und Mensch, geboren ohne Sünde, mich taufen lassen – aus Demut und zu einem Beispiel für andere, und um den Himmel für die Gläubigen zu öffnen.

Zum Zeichen dafür öffnete sich der Himmel, als ich getauft war, die Stimme des Vaters war zu hören, und der heilige Geist offenbarte sich in Taubengestalt. Und ich, Gottes Sohn, zeigte mich in wirklicher Menschengestalt, damit die Christgläubigen wissen und glauben sollten, dass der Vater den Himmel für die getauften Gläubigen öffnet.

Der Heilige Geist ist mit dem Taufenden, und die Kraft meiner Menschlichkeit ist im Element, wie auch die Wirksamkeit und der Wille meines Vaters, die meine und die des Heiligen Geistes ein und derselbe ist. Als die Wahrheit, d.h. als ich, der die Wahrheit ist, auf die Welt kam, da verschwand gleich der Schatten, die Schale des Gesetzes wurde zerbrochen, und der Kern kam zum Vorschein. Die Beschneidung hörte auf, und in mir wurde die Taufe bestätigt, wodurch das Himmelreich für Alt und Jung geöffnet wird, und Kinder des Zornes Kinder der Gnade und des ewigen Lebens werden.“


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Fünfte Offenbarung im Buch der Fragen

Gottes Sohn spricht zur Braut und sagt: „Sei gut auf deiner Wacht!“ Sie (Birgitta) antwortete: „Warum denn?“ Der Herr sagt zu ihr: „Weil die Welt vier Diener zu dir schickt, die dich betrügen wollen: Der erste ist Sorge und Reichtümer. Wenn er kommt, sollst du ihm antworten: „Reichtümer sind vergänglich. Man muß umso mehr Rechenschaft darüber ablegen, je mehr man davon hat. Deshalb kümmere ich mich nicht um sie, denn sie folgen nicht ihrem Besitzer, sondern verlassen ihn.“

Der zweite Diener ist der Verlust der Reichtümer und der Verderb der empfangenen Besitztümer. Antworte ihm so: „Er, der mir Reichtümer gegeben hat, hat sie mir auch genommen. Er hat gewusst, dass dies zu meinem Nutzen war. Sein Wille geschehe!“
Der dritte Diener ist die Trübsal der Welt. Sag so zu ihm: „Gesegnet seist du, mein Gott, der zulässt, dass ich betrübt werde, denn durch die Trübsale lerne ich kennen, dass ich dein bin. Du lässt mich in diesem Leben Trübsal treffen, um mich im kommenden zu schonen. Schenke mir Geduld und Stärke, auszuharren.“

Der vierte Diener ist Schmach und Schimpf. Antworte ihm so: „Gott allein ist gut, und ihm kommt alle Ehre zu. Aber ich, der ich alle hässlichen und schlechten Werke getan habe, warum sollte ich geehrt werden? Eher bin ich aller Schmähung wert, ich, die ich mein ganzes Leben Gott geschmäht habe. Sollte mir Ehre mehr nützen als Schmähung? Die erweckt ja Hochmut, vermindert die Demut und lässt uns Gott vergessen. Gott kommt alles Lob und alle Ehre zu.“ Steh also fest auf deiner Wacht gegen die Diener der Welt, und liebe mich, deinen Gott, von ganzem Herzen.“


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Elfter Fragenkreis

Erste Frage: Wieder zeigte sich der Mönch auf seiner Leiter wie vorher und sagte: „O Richter, ich frage dich: Warum hast du, der Gott und Mensch ist, deine Göttlichkeit nicht ebenso gezeigt wie deine Menschlichkeit – dann hätten ja alle an dich geglaubt?“

Zweite Frage: „Und warum lässt du nicht all deine Worte in einem einzigen Augenblick hören – dann wäre es nicht notwendig gewesen, sie mit einem so langen Zeitabstand zu verkünden?“

Dritte Frage: „Und warum hast du nicht alle deine Werke auf einmal getan?“

Vierte Frage: „Und warum ist dein Leib in so langem Zeitraum gewachsen, und nicht in einem einzigen Augenblick?“

Fünfte Frage: „Und warum hast du dich, als dein Tod nahe war, in deiner göttlichen Macht gezeigt, und warum hast du deine Feinde nicht deine strenge Rache spüren lassen, statt zu sagen: „Alles ist vollbracht?“

Antwort auf die 1. Frage.
Der Richter antwortete: „Mein Freund, ich antworte dir und antworte dir nicht. Ich antworte dir, damit die Bosheit deines Gedankens anderen offenbar wird, aber antworte dir nicht, denn dies wird nicht zu deiner Vervollkommnung gezeigt, sondern zum Nutzen und zur Warnung der jetzt lebenden und künftigen Geschlechter. Du hast nämlich nicht die Absicht, deine Halsstarrigkeit zu ändern, und deshalb sollst du nicht von deinem Tod zu meinem Leben übergehen, denn in deinem Leben haßt du das wahre Leben. Stattdessen werden andere, die von deinem Leben und deinem Tode reden hörten, hinübergehen und hin zu meinem Leben schweben.

Es steht ja geschrieben, dass für die Heiligen alles zum Guten ausschlägt, und dass Gott nichts ohne Grund geschehen lässt. Ich antworte dir also nicht wie die, die nach menschlicher Sitte antworten, denn zwischen uns geht es geistlich zu, sondern dafür, dass das, was du denkst und fühlst, für andere in Gleichnissen ausgedrückt wird.

Du fragst, warum ich meine Göttlichkeit nicht ebenso wie meine Menschlichkeit offenbart habe. Der Grund ist, dass die Göttlichkeit geistlich ist, während die Menschengestalt leiblich ist. Sicher ist Göttlichkeit und Menschlichkeit von der Stunde an, da sie sich vereinigten, untrennbar; die Göttlichkeit ist ungeschaffen; alles, was da ist, ist in ihr und von ihr geschaffen, und alle Vollkommenheit und Schönheit findet sich darin. Wenn eine so große Schönheit und Vollkommenheit schwachen, kranken Augen in sichtbarer Weise gezeigt worden wäre – wer hätte es dann ertragen, sie zu sehen? Wer kann auch die materielle Sonne in ihrer Klarheit betrachten, und wer wird beim Anblick des Blitzes und dem Laut des Gewitters nicht erschreckt? Wieviel weniger kann man dann ertragen, den Beherrscher der Blitze und den Schöpfer aller Dinge in seiner Klarheit zu schauen?

Es war also aus doppeltem Grund, dass meine Göttlichkeit nicht offen gezeigt wurde. Erstens im Hinblick auf die Schwachheit des Menschenleibes. Der menschliche Körper ist irdisch in seiner Substanz, und wenn er die Gottheit schauen würde, würde er schmelzen wie Wachs vor dem Feuer, ja die Seele würde von solch jubelnder Freude ergriffen werden, dass der Leib zu Staub zerfallen würde. Zweitens auf Grund von Gottes Güte und unerschütterlicher Unwandelbarkeit. Denn wenn ich meine Göttlichkeit, die unvergleichlich viel glänzender als das Feuer und die Sonne ist, leiblichen Augen zeigen würde, so würde ich im Widerstreit zu meinem eigenen Ausspruch handeln: „Der Mensch kann mich nicht sehen und doch leben.“

Nicht einmal die Propheten haben mich gesehen, wie ich in der Natur meiner Gottheit bin. Ja, sogar die, die nur die Stimme meiner Gottheit hörten und den Berg im Rauch stehen sahen, erschraken und sagten: „Soll Mose mit uns reden; ihn wollen wir hören.“ Ich, der barmherzige Gott, wollte, dass der Mensch mich so gut wie möglich verstehen sollte, und deshalb zeigte ich mich ihm in einer Gestalt, die ihm gleich war, und die er sehen und fühlen konnte, d.h. in meiner Menschengestalt, in der die Gottheit vorhanden ist, aber wie verborgen, so dass der Mensch nicht erschreckt wird von einer Gestalt, die anders war als er. In der Weise, wie ich Gott bin, bin ich ja nicht körperlich und nicht körperlich geschaffen; deshalb konnte ich in meiner Menschengestalt von den Menschen erträglicher gehört und gesehen werden.“

Antwort auf die 2. Frage.
„Auf die Frage, warum ich nicht alle meine Worte in einundderselben Stunde sagte, antworte ich weiter: So wie es im materiallen Bereich wider die Natur des Leibes streitet, dass er auf einmal so viel Nahrung zu sich nimmt, die ihn für viele Jahre im Voraus ernähren könnte, so ist es gegen die göttliche Ordnung, dass meine Worte, die die Speise der Seele sind, alle auf einmal ausgesprochen werden. Nein, wie die leibliche Nahrung nur allmählich eingenommen wird, um zerkaut zu werden und danach weiter in die Eingeweide geführt wird, so sollten meine Worte nicht alle in ein und derselben Stunde gesagt werden, sondern mit Zwischenräumen, je nach dem Verstand derer, die Lehren empfangen sollten, so dass die Hungernden etwas erhalten, sich damit zu sättigen, und die Gesättigten zu höheren Dingen erweckt werden.“

Antwort auf die 3. Frage.
„Auf die Frage, warum ich nicht alle meine Werke auf einmal getan habe, antworte ich weiter: Manche von denen, die mich im Fleisch sahen, haben geglaubt, andere nicht. Für die, die glaubten, war es notwendig, dass sie nach und nach durch Worte aufgezogen wurden, und manchmal durch Beispiele ermuntert und durch Taten bestärkt wurden. Betreffs derer, die nicht glaubten, war es gerecht, dass sie ihre böse Gesinnung zeigten und geduldet wurden, so lange meine göttliche Gerechtigkeit es zuließ.

Wenn ich alle meine Werke in einem einzigen Augenblick getan hätte, so wären mir alle Menschen mehr aus Furcht als aus Liebe gefolgt, und wie wäre dann das Mysterium der menschlichen Erlösung erfüllt worden? Denn so wie bei der Erschaffung und am Anfang der Welt alles zu verschiedenen Zeiten und auf verschiedene Weise ausgeführt wurde, aber alles, was getan werden sollte, doch ohne Zeitenwechsel gleichzeitig in der Voraussicht meiner Gottheit vorhanden war – so sollte auch in meiner Menschengestalt alles vernunftgemäß und mit zeitlichem Abstand zur Erlösung und Unterweisung aller getan werden.“

Antwort auf die 4. Frage.
„Auf die Frage, warum mein Leib mehrere Jahre hindurch und nicht in einem einzigen Augenblick heranwuchs, antworte ich weiter: Der Heilige Geist, der ewig im Vater und in mir, dem Sohn ist, hat den Propheten gezeigt, was ich tun und leiden würde, als ich ins Fleisch kam, und daher hat es der Gottheit gefallen, dass ich einen solchen Leib annahm, in dem ich vom Morgen bis zum Abend und von Jahr zu Jahr bis ans Lebensende arbeiten konnte.
Damit die Worte der Propheten nicht umsonst scheinen sollten, nahm ich, Gottes Sohn, also einen Leib an, der wie der von Adam vor dem Sündenfall war, und so wurde ich wie die, die ich erlösen sollte, so dass der verirrte Mensch durch meine Liebe heimgeführt würde, die Toten auferweckt und die Verlorenen erlöst würden.“

Antwort auf die 5. Frage.
„Auf die Frage, warum ich die Macht meiner Göttlichkeit nicht allen gezeigt habe und wenn ich der wahre Gott war als ich am Kreuze sagte: „Es ist vollbracht“, antworte ich weiter: Alles, was über mich geschrieben war, sollte in Erfüllung gehen. Daher vollbrachte ich alles bis zum letzten Punkt. Aber nachdem auch vieles über meine Auferstehung und Himmelfahrt vorausgesagt wurde, deshalb war es auch notwendig, dass dies Wirklichkeit wurde. Wenn ich also bei meinem Tode die Macht meiner Göttlichkeit gezeigt hätte, wer hätte es dann gewagt, mich vom Kreuz abzunehmen und zu begraben?

Es hätte mir gewiß nur wenig ausgemacht, vom Kreuz herabzusteigen und die Henker zu schlagen, aber wie wäre dann die Prophezeiung erfüllt worden, und wie wäre dann die Tugend meiner Geduld sichtbar geworden? Und auch wenn ich vom Kreuz herabgestiegen wäre, hätten dann alle geglaubt? Würden sie nicht eher gesagt haben, ich hätte Zauberei getrieben? Wenn sie schon Zorn empfanden, als ich Tote auferweckte und Kranke heilte, hätten sie dann noch schlimmere Sachen gesagt, wenn ich vom Kreuz herabgestiegen wäre. Darum ließ ich mich freiwillig gefangen nehmen, dass die Gefangenen befreit würden, und damit die Schuldbeladenen befreit würden, hing ich, der Unschuldige geduldig am Kreuz. So machte ich durch meine feste Geduld all das Lösliche fest und stärkte das Schwache.“


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Sechste Offenbarung im Buch der Fragen

Der Sohn spricht zu Birgitta: „Es steht geschrieben, dass Jakob für Rachel diente, und dass die Tage ihm wenig erschienen, so verliebt wie er war; die Stärke der Liebe machte die Arbeit leichter. Sicher wurde Jakob, als er glaubte, das Ziel seiner Sehnsucht erreicht zu haben, betrogen, aber er hörte deshalb nicht auf, zu arbeiten, denn die Liebe fragt nicht nach Schwierigkeiten, sondern strebt weiter, bis sie ihr Ziel erreicht hat.

So ist es auch im geistlichen Leben. Viele mühen sich nämlich, um das Himmlische zu erhalten, tapfer mit Gebeten und frommen Werken, aber wenn sie glauben, die Ruhe der Kontemplation zu erreichen, werden sie in Versuchungen verstrickt und werden von Trübsalen heimgesucht, und sobald sie sich für vollkommen halten, entdecken sie, dass sie in allem unvollkommen sind.

Das ist nicht verwunderlich, denn Versuchungen sind dazu da, den Menschen zu prüfen, zu reinigen und zu vervollkommnen. Die, welche am Anfang ihrer Bekehrung zum geistlichen Leben Versuchungen ausgesetzt sind, die werden am Ende vollkommener gestärkt. Andere werden in der Mitte und am Ende versucht. Diese sollten genau auf sich selber achten, sich niemals eine Vermessenheit erlauben, sondern umso fleißiger arbeiten.

Laban sagte ja: „Es ist üblich, erst die ältere Schwester zu heiraten.“ Das war, als ob er sagen wollte: „Mach du erst die Arbeit, so sollst du dann den begehrten Lohn erhalten.“ Daher, meine Tochter, sollst du dich nicht wundern, wenn dir noch im Alter Versuchungen zusetzen. So lange man lebt, so lange ist es möglich, versucht zu werden. Der Teufel schläft niemals, und die Versuchung gibt dem Menschen Gelegenheit, sich zu vervollkommnen und hindert ihn daran, vermessen zu werden.

Sieh, um ein Beispiel zu geben, erzähle ich dir von zwei Menschen. Der eine wurde im Anfang seiner Bekehrung versucht, aber er widerstand, vervollkommnete sich und gewann dann, was er suchte. Der andere erfuhr in seinem Alter schwere Versuchungen, wie er sie kaum in seiner Jugend erlebt hatte, so dass er fast alles Vergangene vergaß. Aber weil er auf die Ratschläge hörte und nicht aufhörte zu arbeiten, obwohl er sich kalt und schwach fühlte, erreichte er das, wonach er sich sehnte, und die Sinnesruhe Er sah dadurch, dass er seinen eigenen Fall betrachtete, ein, dass Gottes Gerichte verborgen und gerecht sind, und dass er schwerlich die ewige Erlösung erreicht haben würde, wenn diese Versuchungen nicht gewesen wären.“


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Zwölfter Fragenkreis

Erste Frage: Wieder zeigte sich der Mönch auf seiner Leiter wie vorher und sagte: „O Richter, ich frage dich: Warum wolltest du lieber von einer Jungfrau geboren werden, als von einer anderen Frau, die keine Jungfrau war?“

Zweite Frage: „Und warum zeigtest du nicht mit einem sichtbaren Zeichen, dass sie zugleich Mutter und reine Jungfrau war?“

Dritte Frage: „Und warum hast du deine Geburt derart geheim gehalten, dass sie nur einigen wenigen bekannt war?“

Vierte Frage: „Und warum bist du vor Herodes nach Ägypten geflohen und ließest die unschuldigen Kinder ermordet werden?“

Fünfte Frage: „Und warum lässt du dich schmähen und das Falsche über die Wahrheit triumphieren?“

Antwort auf die 1. Frage.
Der Richter antwortete: „Mein Freund, ich wollte lieber von einer Jungfrau als von einer nichtjungfräulichen Frau geboren werden, denn für mich, den reinsten Gott, passt all das, was am reinsten war. Solange die Natur des Menschen in dem Zustand war, in dem sie geschaffen wurde, hatte sie nichts Missgestaltetes, aber als das Gebot übertreten wurde, kam gleich etwas, dessen man sich schämen musste, wie es bei Menschen geht, die gegen ihren zeitlichen Herrn sündigen und die sich sogar der Glieder schämen müssen, mit denen sie gesündigt haben.

Mit der Scham über den Gesetzesbruch kam auch ein ungeordneter Trieb, und meist in dem Glied, das der Fruchtbarkeit wegen eingerichtet war. Aber damit dieser Trieb nicht ohne Nutzen sei und die Fruchtbarkeit zunichte würde, wurde er durch Gottes Güte zum Guten gewendet, und durch Gottes Gebot und Einrichtung wurde die Handlung der fleischlichen Vermischung geschaffen, so dass sich die Natur vermehren konnte. Jedoch ist es ehrenvoller, sich über das Gebotswort hinauszurecken und aus Liebe das Gute, das man kann, hinzu zu tun.

Daher hat es Gott gefallen, zu seinem Werk lieber das auszuwählen, was auf eine größere Reinheit und Liebe abzielte, und das tut die Jungfräulichkeit, denn es ist tugendreicher und vornehmer, im Feuer der Mühsal zu stecken und nicht zu brennen, als ohne Feuer zu sein und doch gekrönt werden zu wollen. Weil nun die Jungfräulichkeit ein kürzerer Weg zum Himmel ist, aber der Ehestand wie ein anderer Weg ist, deshalb hat es mir, dem allerreinsten Gott gefallen, in der reinsten Jungfrau zu ruhen.

Der erste Mensch wurde aus Erde geschaffen, der sozusagen jungfräulich war, da er noch nicht mit Blut befleckt war. Adam und Eva haben durch Schwelgerei gesündigt, indem sie die verbotene Frucht aßen, wobei doch ihre Natur, d.h. die Natur der Fruchtbarkeit, unverdorben und unbeschadet blieb. So wollte ich, Gott, von dem reinsten Verwahrungsraum aufgenommen werden, so dass alles durch meine Güte erneuert und wiederhergestellt würde.“

Antwort auf die 2. Frage.
„Auf die Frage, warum ich nicht mit offenbaren Zeichen gezeigt habe, dass meine Mutter zugleich Jungfrau und Mutter war, antworte ich weiter: Alle Mysterien meiner Menschwerdung habe ich den Propheten angedeutet, damit sie umso fester glauben sollten, je längere Zeit vorher es ihnen vorausgesagt war. Dass meine Mutter vor und nach der Verlobung wirklich Jungfrau war, dafür lieferte das Zeugnis Josephs ausreichend Beweis, er, der Wächter ihrer Jungfräulichkeit und deren Zeuge war.

Aber auch wenn ihre Reinheit durch ein offenbares Wunder bewiesen wäre, hätten sich doch misstrauische Menschen in ihrer Bosheit nicht der Schmähungen enthalten, denn sie hätten nicht geglaubt, dass eine Jungfrau durch die Macht der Gottheit schwanger werden konnte – nein, sie hätten nicht bedacht, dass dies für mich, Gott, leichter ist, als für die Sonne, das Glas zu durchdringen. Es war die Gerechtigkeit meiner Gottheit, dass das Mysterium der göttlichen Menschwerdung dem Teufel verborgen blieb und in der Zeit der Gnade den Menschen offenbart wurde.

Aber nun sage ich, dass meine Mutter in Wahrheit Mutter und Jungfrau war. So wie in der Erschaffung von Adam und Eva eine wunderbare Gottesmacht war und in ihrem Zusammenleben ein ehrbarer Genuß lag, so enthielt das Kommen meiner Gottheit zur Jungfrau eine wunderbare Güte, denn meine unermessliche, unfassbare Göttlichkeit stieg herab in ein geschlossenes Gefäß, ohne dass dies beschädigt wurde. Dort war es mir angenehm zu weilen, denn ich, Gott, der mit meiner Göttlichkeit überall war, wurde dort mit meiner Menschengestalt eingeschlossen.

Es lag auch eine erschreckende Macht darin, denn ich, Gott, der ohne einen Leib hineingegangen war, kam körperlich aus dem Mutterleib heraus, ohne seine Jungfräulichkeit zu verletzen. Weil es also für den Menschen schwer war, zu glauben, und weil meine Mutter die Freundin aller Demut ist, deshalb hat es mir gefallen, ihre Schönheit und Vollkommenheit eine Zeitlang zu verhüllen – teils damit meine Mutter einen Verdienst davon haben und so noch vollkommener gekrönt werden sollte, teils dafür, dass ich, Gott, zu der Zeit noch mehr verherrlicht werden sollte, da ich das Versprochene vollenden wollte, den Guten zum Verdienst, aber den Bösen zur Vergeltung.“

Antwort auf die 3. Frage.
„Auf die Frage, warum ich nicht den Menschen meine Geburt gezeigt habe, antworte ich weiter: Obwohl der Teufel die Würde verlor, die ihm von Anfang an doch zukam, verlor er doch nicht seine Schlauheit, die den guten Menschen zur Prüfung dient, und ihm selber zur Schande. Damit meine Menschengestalt bis zu der bestimmten Zeit wachsen sollte, sollte also das Mysterium meiner Milde dem Teufel geheim gehalten werden. Ich wollte nämlich heimlich kommen, um den Teufel zu bekämpfen, und ich wollte in einer verachteten Stellung leben, um so den Übermut der Menschen zu dämpfen.

Die Meister des Gesetzes, von dem sie in ihren Büchern lesen, haben mich verachtet, weil ich eben in Demut kam. Und weil sie hochmütig waren, wollten sie die wahre Gerechtigkeit nicht hören, die im Glauben an meine Erlösung liegt. Daher werden sie zuschanzen werden, wenn der Sohn des Verderbens in seinem Übermut kommt. Aber wenn ich sehr mächtig und geehrt gekommen wäre, hätte dann der Übermütige Demut gelernt und hätte in den Himmel kommen können? Keineswegs. Demütig war ich, damit der Mensch Demut lernen sollte, und ich habe mich vor den Hochmütigen verborgen, nachdem sie weder die göttliche Gerechtigkeit noch sich selber kennenlernen wollten.“

Antwort auf die 4. Frage.
„Auf die Frage, warum ich nach Ägypten geflohen bin, antworte ich weiter: Vor der Übertretung des Gebotes gab es einen einzigen Weg zum Himmel, nämlich Brot und Wein; Brot im Überfluß der Tugenden und sonnenklar in der göttlichen Weisheit und im Gehorsam des guten Willens. Seit sich der Wille änderte, taten sich jedoch zwei Wege auf, von denen der eine gen Himmel führte, und der andere davon weg.

Es war der Gehorsam, der zum Himmel führte, während der Ungehorsam davon wegführte. Weil es nun an der freien Wahl des Menschen lag, das Gute oder das Böse zu wählen, zu gehorchen oder nicht zu gehorchen, so hat der gesündigt, der etwas anderes wollte als ich, Gott wollte, dass er wählen wollte. Damit der Mensch erlöst wird, war es also recht und billig, dass jemand kam, der ihn erlöste, und der vollkommenen Gehorsam und vollkommene Unschuld besaß – jemand, dem der, wer wollte, Liebe entgegenbringen konnte, und die, die wollten, Böses. Aber um die Menschen zu erlösen, sollte kein Engel geschickt werden, denn ich, Gott, teile niemand anderes meine Ehre zu. Es gibt keinen Menschen, der mich aus eigener Kraft gnädig stimmen könnte – wie viel weniger dann durch die eines anderen? Deshalb kam ich, Gott, der einzige Gerechte, um alle gerecht zu machen.

Der Umstand, dass ich nach Ägypten floh, bewies die Schwachheit meiner Menschengestalt und brachte die Prophezeiung zur Erfüllung, und ich gab dadurch ein Beispiel für kommende Geschlechter, dass man manchmal um Gottes größerer künftiger Ehre willen vor einer Verfolgung weichen muß. Und dass ich von den Verfolgern nicht gefunden wurde, das zeigt, dass der Ratschluß meiner Gottheit über den der Menschen siegte- es ist ja nicht leicht, gegen Gott zu streiten.

Dass die Kinder (in Bethlehem) ermordet wurden, das bezeichnet mein künftiges Leiden und das Geheimnis mit denen, die berufen werden sollen, und mit der göttlichen Liebe. Obwohl diese Kinder nicht mit ihrer Stimme und ihrem Munde Zeugnis für mich ablegten, taten sie es doch mit ihrem Tod, wie es meiner Kindheit entsprach, denn es war vorausgesehen, dass Gottes Lob auch durch das Blut unschuldiger Kinder vollkommen gemacht werden sollte. Denn obwohl sie die Bosheit der Ungerechten traf, so geschah es doch durch meine göttliche Zulassung, die stets milde und gerecht ist, und dafür um die Bosheit der Menschen und die unbegreifliche Gnade und Güte meiner Göttlichkeit zu zeigen. Da, wo die ruchlose Gemeinheit gegen die Knäblein raste, da herrschte auch gerechterweise Verdienst und Gnade, und wo das Bekenntnis der Zunge und das Alter fehlte, da häufte das Blut – vergießen die vollkommenste Gnade an.“

Antwort auf die 5. Frage.
„Auf die Frage, warum ich mich schmähen lasse, antworte ich weiter: Es steht geschrieben, dass, als König David vor der Verfolgung seines Sohnes floh, von jemandem unterwegs beschimpft wurde, aber als sein Diener den töten wollte, verbot David dies aus doppelter Ursache. Erstens hatte er die Hoffnung, zurückzukommen. Zweitens, weil er seine eigene Schwachheit und Sünde, die Torheit des Schimpfenden und Gottes Geduld und Güte mit ihm selbst betrachtete.

Ich bin David, um im Gleichnis zu reden. Der Mensch verfolgt mich durch seine schlechten Taten, wie der Diener seinen Herrn, indem er mich aus meinem Reich, d.h. aus seiner Seele vertreibt, die ich geschaffen habe, und die mein Reich ist. Er schilt mich für mein Gericht, als wäre ich ungerecht, und er schmäht mich sogar, weil ich geduldig bin. Aber da ich milde bin, ertrage ich deren Unklugheit, und da ich Richter bin, erwarte ich ihre Umkehr bis zum letzten Augenblick. Ja, nachdem der Mensch größeren Glauben an das Falsche als auf das Wahre setzt und die Welt mehr liebt als mich, seinen Gott, ist es nicht verwunderlich, wenn ich den schlechten Menschen in seiner Bosheit ertrage – ihn, der weder die Wahrheit suchen noch sich von seinen bösen werken bekehren will.“


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Siebente Offenbarung im Buch der Fragen

Der Sohn spricht: „Wenn es Feuer im Hause gibt, ist eine Öffnung für den Rauch erforderlich, so dass der Rauch abziehen kann, und der Bewohner sich über die Wärme freut. So ist für einen jeden, der meinen Geist und meine göttliche Gnade behalten möchte, eine fleißige Beichte nützlich; dadurch zieht der Rauch der Sünde ab.


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Achte Offenbarung im Buch der Fragen

Dieser Mann sang: Erlöse mich, Herr von bösen Menschen! Diese Stimme ist in meinen Ohren wie der Laut von zwei Steinen, die zusammengeschlagen werden. Sein Herz ruft zu mir, wie mit drei Stimmen. Die erste sagte: „Ich will meinen Willen in meiner Hand haben, schlafen, aufstehen und angenehme Dinge sprechen. Ich will der Natur geben, was sie begehrt, und ich will Geld in der Tasche und weiche Kleider am Körper haben. Wenn ich das und anderes habe, meine ich, dass es größeres Glück bringt, als alle geistlichen Gaben und Tugenden der Seele.“

Die andere Stimme lautet so: „Der Tod ist nicht allzu schwer, und das Gericht ist nicht so streng, wie es geschrieben steht; Gott droht mit strengen Dingen, damit wir uns in Acht nehmen sollen, aber er ist so barmherzig, dass er es nicht durchführt. Wenn ich nur meinen Willen in diesem Leben bekomme, so mag es im Kommenden Leben mit der Seele gehen, wie es will.“

Die dritte Stimme lautet so: „Gott hätte den Menschen nicht erlöst, wenn er ihm nicht das Himmlische geben wollte; er hätte nicht gelitten, wenn er uns nicht zurück zum himmlischen Vaterland führen wollte. Warum hat er eigentlich gelitten, und wer hat ihn dazu gezwungen? Aber was die himmlischen Dinge angeht, so habe ich nur vom Hörensagen davon Kenntnis, und wie weit man Glauben an die Schriften setzen soll, weiß ich nicht. Doch würde ich, wenn ich nur meinen Willen haben darf, gern das Himmelreich dafür eintauschen.“

Sieh, so ist sein Wille. Daher klingt er wie der Laut von zusammengeschlagenen Steinen in meinen Ohren. Aber ich antworte dir auf die erste Stimme: „O Freund, dein Weg führt nicht zum Himmel, und das Leiden meiner Liebe entspricht nicht deinem Geschmack. Daher steht dir die Hölle offen, und da du das Niedrige und Irdische liebst, wirst du zur Hölle gehen.“ Auf die zweite Stimme antworte ich: „Mein Sohn, der Tod wird für dich hart werden, das Gericht unerträglich und die Flucht unmöglich, falls du dich nicht besserst.“

Auf die dritte Frage antworte ich: „Bruder, alle meine Werke tat ich aus Liebe, damit du mir gleich werden und dich zu mir zurückwenden sollst. Aber jetzt sind meine Werke in dir tot, meine Worte schwer erträglich, und mein Weg vergessen. Daher steht dir Strafe und die Gesellschaft der Teufel bevor, denn du kehrst mir den Rücken zu, trittst die Zeichen meiner Demut unter die Füße und gibst nicht darauf Acht, wie ich vor dir und um deinetwillen am Kreuze hing.

Auf dreifache Weise hing ich da für dich. Erstens als ein Mann, dessen Auge von einem Messer durchstoßen war. Zweitens wie ein Mann, dessen Herz von einem Schwert durchbohrt wurde. Drittens wie ein Mann, dem alle Glieder vor Schreck vor dem bevorstehenden Leiden zitterten. Mein Leiden war für mich bitterer, als ein Stich ins Auge, doch hielt ich es aus Liebe aus. Der Schmerz meiner Mutter rührte mein Herz noch mehr als mein eigener, doch ertrug ich ihn. Mein ganzes Innere und Äußere zitterte schon lange vor dem drohenden Leiden und dem Schmerz. Doch unterließ ich es nicht und schreckte nicht davor zurück. So hing ich für dich am Kreuz. Aber du vergisst und verachtest alles zusammen. Daher wirst du wie ein totgeborenes Kind und wie ein menstruationsbeflecktes Tuch weggeworfen werden.


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Dreizehnter Fragenkreis

Erste Frage: Wieder zeigte sich der Mönch auf seiner Leiter wie vorher und sagte: „O Richter, warum wird manchen deine Gnade so schnell entzogen, und warum werden andere solange in ihrer Bosheit ertragen?“

Zweite Frage: „Und warum wird deine Gnade manchen schon in der Jugend verliehen, während andere sie im Alter verlieren?“

Dritte Frage: „Und warum müssen manche so übermäßig leiden, während andere fast frei von Leiden ausgehen?“

Vierte Frage: „Und warum wird manchen Verstand, Geist und Gelehrigkeit in so hohem Maß verliehen, während andere wie Esel ohne alle Klugheit sind?“

Fünfte Frage: „Und warum werden manche so übermäßig verhärtet, während sich andere zu einem wunderbaren Trost beglückwünschen können?“

Sechste Frage: „Und warum haben die Bösen größeren Erfolg auf der Welt, als die Guten?“

Siebente Frage: „Und warum wird der eine schon im Anfang berufen, der andere erst gegen Ende?“

Antwort auf die 1. Frage.
„Mein Freund, alle meine Werke sind von Anfang an von mir vorhergewußt, und alles, was geschaffen ist, ist dem Menschen zur Freude geschaffen. Aber da der Mensch seinen eigenen Willen meinem Willen vorzieht, deshalb werden ihm mit Recht die guten Dinge entzogen, die ihm umsonst gegeben wurden, so dass der Mensch wissen soll, dass alles bei Gott vernünftig und gerecht ist. Und weil viele undankbar für meine Gnade sind, ja umso gottloser werden, je reichlicher sie mit Gaben beschenkt werden, deshalb werden ihnen diese Gaben schnell genommen, so dass die Ratschlüsse meiner Gottheit schneller offenbart werden, und dass der Mensch zu einer noch schlimmeren Strafe für sich selbst meine Gnade missbraucht.

Und der Grund dafür, dass manche in ihrer Bosheit lange geduldet werden, ist, dass manche inmitten all ihrer Bosheit etwas Erträgliches haben, denn entweder nützen sie anderen Menschen, oder dienen ihnen auch zur Warnung. Als Saul von Samuel getadelt wurde, schien er in den Augen der Menschen nur wenig gesündigt zu haben, David dagegen mehr. Aber als die Prüfung nahte, fiel Saul – ungehorsam, wie er mir, seinem Gott, war – von mir ab und befrage eine Totenbeschwörerin, während David, als ihn die Heimsuchungen trafen, treuer blieb, geduldig das ertrug, dem er ausgesetzt war, und meinte, dass die dem entsprechen würde, was seine Sünden verdient hatten. Dass ich Saul geduldig ertrug, das zeigt Sauls Undankbarkeit und meine göttliche Geduld, aber dass David erwählt wurde, das zeigt mein Vorherwissen und Davids künftige Demut und Reue.“

Antwort auf die 2. Frage.
„Auf die Frage, warum manchen (Menschen) die Gnade in den Tagen des Alters entzogen wird, antworte ich weiter: Alle empfangen Gnade, damit der Geber der Gnade von allen geliebt wird. Aber weil viele für meine göttliche Gnade undankbar sind, wie es Salomo war, ist es gerecht, dass das, was vor dem Ende nicht sorgsam bewahrt wurde, am Ende weggenommen wird. Die Gaben und meine göttliche Gnade werden also manchmal wegen der Nachlässigkeit des Empfängers weggenommen, nachdem er nicht bedacht hat, was er empfangen hat und wofür er sich erkenntlich zeigen sollte, manchmal auch zur Warnung für andere, damit ein jeder, der sich im Zustand der Gnade befindet, ständig Furcht haben soll und sich ebenso durch den Fall vom anderen fürchten lernt. Sogar weise Männer sind ja infolge von Nachlässigkeit gefallen, und die, die meine Freunde zu sein schienen, wurden auf Grund ihrer Nachlässigkeit umgarnt.“

Antwort auf die 3. Frage.
„Auf die Frage, warum manche mehr leiden müssen, antworte ich weiter: Ich bin der Schöpfer aller (Menschen), daher kommt kein Leiden ohne meine Zulassung, wie geschrieben steht. Ich bin ein Gott, der das Böse schafft; mit anderen Worten, ich lasse Trübsal zu, und so werden die Heiden nicht ohne mich oder ohne vernünftigen Grund von Leiden heimgesucht. Meine Propheten haben ja vieles von den Leiden der Heiden vorausgesagt, damit die, die vergesslich waren und den Verstand missbrauchten, durch Plagen erzogen werden sollten, und ich, Gott, der alles zulässt, von jedem Volk erkannt und verherrlicht wird.

Wenn ich, Gott, die Heiden nicht von Züchtigungen verschone, so werde ich noch weniger die verschonen, die die Süße meiner göttlichen Gnade reichlicher haben schmecken dürfen. Dass manche weniger, andere mehr zu leiden haben, das geschieht dafür, dass die Menschen sich von der Sünde abwenden und nach den Plagen in diesem Leben Trost im kommenden empfangen sollen. Alle, die auf dieser Welt verurteilt werden und sich selber verurteilen, werden dem Kommenden Gericht entgehen. Sie werden, wie geschrieben steht, vom Tod zum Leben gehen.

Und dass manche von Plagen verschont bleiben, das geschieht dafür, dass sie durch die Plagen nicht veranlasst werden, zu murren und zu knurren und sich dadurch ein strengeres Gericht zuziehen, denn es gibt viele, die es nicht verdienen, in diesem Leben gezüchtigt zu werden. Es gibt auch solche, die in diesem Leben weder von körperlichen oder seelischen Leiden heimgesucht werden, und die so sicher leben, als ob es Gott nicht gäbe, oder als ob er sie wegen ihrer gerechten Taten verschonen würde. Aber sie sollen sich sehr fürchten, dass nicht Gott, der sie im gegenwärtigen Leben schont, sich ihnen unversehens naht und sie umso härter straft, nachdem sie nicht in sich gehen.

Es gibt solche, die körperliche Gesundheit haben, aber seelisch durch die Verschmähung Gottes leiden. Andere genießen weder die Gesundheit des Leibes noch den inneren Trost der Seele und dienen mir und ehren mich nach besten Kräften. Manche werden schon vom Mutterleib und bis zum Ende von Krankheiten heimgesucht, aber ich, ihr Gott, wäge ihre Leiden so ab, dass nichts ohne Ursache und Belohnung geschieht, denn vielen, die vor den Heimsuchungen geschlafen haben, werden durch die Leiden die Augen geöffnet.“

Antwort auf die 4. Frage.
„Auf die Frage, warum manche größeren Verstand haben, antworte ich weiter: Es nützt der Seele für das Ewige Leben nicht, Weisheit im Überfluß zu haben, wenn sie nicht auch durch einen guten Lebenswandel strahlt. Ja, es ist nützlicher, weniger Wissen und eine bessere Lebensart zu haben. Jedem ist aber so viel Verstand zugemessen, dass er das Himmelreich dadurch gewinnen kann, dass er ein frommes Leben führt. Jedoch ist der Verstand nach der natürlichen und geistigen Veranlagung ungleich, denn wie der Mensch sich durch göttliche Eifer und durch Tugenden bessert und die Vollendung der Tugenden erreicht, so verfällt er auch durch bösen Willen und die schlechte Veranlagung seiner Natur und verkehrte Erziehung auf Nichtigkeiten.

Oft nimmt auch die Natur Schaden, wenn man sich etwas gegen die Natur vornimmt oder sich gegen sie versündigt. Es ist also nicht ohne Grund, dass der Verstand bei vielen groß ist, wenn auch unnütz, wie bei denen, die Wissen haben, aber keinen entsprechenden Lebenswandel. Bei anderen gibt es weniger Kenntnisse, aber einen besseren Gebrauch davon, bei manchen gibt es Verstand und ein gutes Leben, während bei anderen beides fehlt. Diese Verschiedenheit beruht manchmal auf wohlgeordneter göttlicher Zulassung (entweder zum Nutzen der Menschen ode zu ihrer Demütigung und Erziehung), manchmal auf Undankbarkeit und Versuchungen, manchmal auf der Gebrechlichkeit der Natur und heimlicher Sünden.

Manchmal ist diese Verschiedenheit dazu da, dass man einer Gelegenheit zu schlimmeren Sünden aus dem Wege geht, und dass die Natur nicht im Stande ist, sich etwas Größeres vorzunehmen. Ein jeder, der die Gnadengabe eines guten Verstandes besitzt, soll also Furcht haben, denn er wird dadurch strenger beurteilt, wenn er nachlässig ist. Wer keine Begabung hat, soll froh sein über das wenige, das er hat und so viel ausrichten, wie er kann, denn er ist gegen viele Gelegenheiten zur Sünde gefeit.

Der Apostel Petrus war ja in seiner Jugend vergesslich, und Johannes hatte nur wenig Kenntnisse, aber in älteren Tagen eigneten sie sich wahre Weisheit an, nachdem sie nach dem Ursprung der Weisheit gesucht hatten. Salomo war in der Jugend gelehrig und Aristoteles erfinderisch, aber sie drangen nicht zum Beginn der Weisheit vor, da sie den Geber des Wissens nicht so verherrlichten, wie sie sollten, und dem nicht nacheiferten, was sie wussten und lehrten; so lehrten sie sich nicht selbst, sondern andere.
Bileam hatte Kenntnisse, aber befolgte sie nicht, und daher schalt sein Esel seine Unwissenheit. Ebenso verurteilte der Junge David die alten Männer. Bildung aus Büchern gefällt mir nicht ohne guten Lebenswandel, und daher ist es notwendig, dass die, die die Vernunft missbrauchen, bestraft werden, denn ich, der Gott und Herr aller, gibt den Menschen Kenntnis, und ich richte beide, die Weisen und Unklugen.“

Antwort auf die 5. Frage.
„Auf die Frage, warum manche verhärtet werden, antworte ich weiter: Dass Pharao verhärtet war, das war sein Fehler und nicht meiner, nachdem er seinen Willen nicht in Übereinstimmung mit meinem göttlichen Willen bringen wollte. Verhärtung ist nämlich nichts anderes, als sich meiner göttlichen Gnade zu entziehen, der man sich entzieht, wenn der Mensch nicht mir, seinem Gott, das gibt, was er hat – nämlich seinen Eigenwillen.

Du kannst das durch das Gleichnis von einem fruchtbaren und unfruchtbaren Acker verstehen. Es war ein Mann, der zwei Äcker hatte, von denen der eine unbestellt blieb, während der andere zu bestimmten Zeiten Frucht trug. Sein Freund sagte zu ihm: „Ich möchte wissen, warum du, der reich und verständig ist, deine Äcker nicht fleißiger bearbeitest oder sie anderen zu Bestellung überlässt.“ Er antwortete: „Der eine Acker bringt, so fleißig ich auch arbeite, nur schlechte Kräuter hervor, über die sich schädliche Tiere hermachen, und so wird das Gebiet verunreinigt.

Wenn ich Dünger anwende, überhebt sich der Acker in seiner Frechheit, denn auch wenn er dann in geringem Umfang Saat hervorbringt, sprießt sehr viel mehr Unkraut auf, und das will ich nicht sammeln, da ich nur reine Saat haben will. Es ist also ratsamer, einen solchen Acker unbestellt zu lassen, denn dann kommen die wilden Tiere an den Platz und verstecken sich nicht einmal in den Kräutern, und wenn da ein paar bittere Kräuter aufwachsen, ist das nützlich für die Schafe, denn nachdem sie diese gekostet haben, lernen sie, sich nicht an süßere Kräuter zu machen.

Der andere Acker dagegen ist den Jahreszeiten angepasst. Ein Teil davon ist steinig und braucht Dünger, ein anderer ist feucht und braucht Wärme, ein dritter ist trocken und braucht Feuchtigkeit. Deshalb will ich meine Arbeit nach der Beschaffenheit des Ackers einrichten.“
Ich, Gott, gleiche diesem Mann. Der erste Acker ist die Betätigung des freien Willens, der dem Menschen verliehen ist. Er richtet ihn aber mehr gegen mich als für mich, und wenn er etwas tut, was mir wohlgefällig ist, weckt er doch öfter meinen Zorn, denn der Wille des Menschen und meiner kommen nicht überein. So machte es Pharao. Durch gewisse Zeichen verstand er meine Macht aber nichts destoweniger verhärtete er seinen Sinn gegen mich und hielt an seiner Bosheit fest. Daher bekam er meine Gerechtigkeit zu spüren, denn wenn jemand das Geringste nicht gut benutzt, ist es gerecht, dass er sich nicht dessen rühmen darf, was mehr ist.

Der andere Acker ist der Gehorsam des guten Sinnes und der Verzicht auf den Eigenwillen. Wenn ein solcher Sinn in seiner Andacht trocken ist, muß er den Regen meiner göttlichen Gnade erwarten. Wenn er durch Ungeduld und Härte steinig ist, soll er mit Gleichmut Reinigung und Berichtigung ertragen. Wenn er durch die Zügellosigkeit des Fleisches feucht ist, soll er Enthaltsamkeit üben und sich wie ein Tier verhalten, das bereit ist, wenn es der Besitzer will, denn vor einem solchen Sinn erhalte ich, Gott große Ehre. Dass manche sich verhärten, liegt also an dem Willen des Menschen, der gegen mich streitet, denn wenn ich auch will, dass alle erlöst werden, so wird das nur verwirklicht, wenn ein Mensch selbst dabei mitwirkt und seinen ganzen Willen zur Übereinstimmung mit meinem bringt.

Dass nicht alle die gleiche Vervollkommnung und Gnade empfangen, das liegt an dem verborgenen Gericht des Menschen. Ich weiß und teile nämlich jedem das zu, was ihm nützt und angemessen ist, und ich hindere das Streben des Menschen, dass er nicht noch tiefer fällt. Viele haben das Pfand der Gnade und könnten damit wirken, aber sie weigern sich. Andere halten sich aus Furcht vor Strafe von Sünde fern, weil sie keine Möglichkeit zu sündigen haben, oder weil die Sünde ihnen nicht gefällt. Manchen werden keine größeren Gaben geschenkt, weil ich, der ich allein den Sinn des Menschen kenne, weiß, meine Gaben zu verteilen.“

Antwort auf die 6. Frage.
„Auf die Frage, warum die Bösen manchmal größeren Erfolg auf Erden haben als die Guten, antworte ich weiter: Das ist ein Zeichen für meine große Geduld und Liebe, und das geschieht, um die Gerechten zu prüfen. Denn wenn ich allein meinen Freunden zeitliches Gut schenken würde, würden die Bösen verzweifeln und die Guten hochmütig werden.

Deshalb wird zeitliches Gut allen geschenkt, damit ich Gott, der Geber und Schöpfer aller Dinge, von allen geliebt werde, und damit die Guten, wenn sie Gefahr laufen, hochmütig zu werden, durch die Bösen zur Rechtschaffenheit erzogen werden. Es hat auch den Sinn, dass alle verstehen sollen, dass man das Zeitliche nicht lieben oder mir, Gott, vorziehen soll, sondern dass es nur zum Lebensunterhalt verwenden soll, und damit sie desto eifriger in meinem Dienst werden sollen, je mehr sie die Vergänglichkeit des Zeitlichen erkennen.“

Antwort auf die 7. Frage.
„Auf die Frage, warum der eine schon im Anfang berufen wird und der andere am Ende (des Lebens), antworte ich weiter: Ich bin wie ein Mutter, wenn sie sieht, dass ihre Kinder Hoffnung auf Leben haben, manchen kräftige Kost und anderen leichtere gibt. Mit denen, für die es keine Hoffnung gibt, hat sie Mitleid und tut für sie, was sie kann. Aber wenn es den Kindern von dem Heilmittel der Mutter nur noch schlechter geht – was nützt es dann noch, sich Mühe zu machen?

So verfahre ich auch mit den Menschen. Dem, bei dem ich voraussehe, dass sein Wille noch eifriger und seine Demut und Ausdauer noch standhafter wird, dem wird schon im Anfang (des Lebens) Gnade verliehen, und die wird ihm bis zum Ende bleiben. Wer in all seiner Bosheit doch danach strebt und daran arbeitet, besser zu werden, der verdient auch, noch gegen Ende berufen zu werden. Aber wer undankbar ist, verdient nicht, die Mutterbrust zu genießen.“


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Neunte Offenbarung im Buch der Fragen

Der Sohn spricht zur Braut (Birgitta): „Du bist in einem armen Haus erzogen und bist dann in die Gesellschaft der Großen gekommen. In einem armen Haus gibt es drei Dinge, nämlich fleckige Wände, schädlichen Rauch und Ruß, der alles erfüllt. Aber du bist zu einem Haus geführt, wo die Schönheit ohne Flecken und die Wärme ohne Rauch ist, und wo die Lieblichkeit ohne Unlust ist.

Das arme Haus ist die Welt. Ihre Wände sind der Hochmut, dass man Gott vergisst, die Vielzahl der Sünde, und dass man unterlässt, das Zukünftige zu beachten. Die Wände machen Flecken, denn sie machen die guten Werke zunichte und verbergen dem Menschen Gottes Angesicht. Der Rauch ist die weltliche Liebe; er schadet den Augen, denn er verdunkelt den Verstand der Seele und lässt sie sich für vergängliche Dinge abmühen. Der Ruß ist die Lust; auch wenn sie eine Weile Vergnügen macht, macht sie niemals satt und füllt die Seele nicht mit der ewigen Güte. Davon bist du aber fortgenommen und zur Wohnung des Heiligen Geistes geführt; er ist in mir und ich in ihm, und er hat dich in sich beschlossen. Er ist am allerreinsten, am schönsten und stetigsten, denn er erhält alles. Forme dich daher nach dem Bewohner des Hauses und bleibe rein, demütig und fromm.“


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Vierzehnter Fragenkreis

Erste Frage: Wieder zeigte sich dieser Mönch auf seiner Leiter wie vorher und sagte: „O Richter, ich frage dich: Warum leiden die Tiere solche Mühsale, da sie nicht das ewige Leben erlangen sollen, und keinen Verstand haben, den sie gebrauchen können?“

Zweite Frage: Warum wird weiter alles mit Schmerzen geboren, wenn es bei der Geburt in allem keine Sünde gibt?“

Dritte Frage: „Warum trägt das Kind die Sünde des Vaters weiter, wenn es noch gar nicht sündigen kann?“

Vierte Frage: „Warum geschieht es so oft weiter, was nicht vorauszusehen ist?“

Fünfte Frage: „Warum stirbt der Schlechte einen guten Tod wie der Gerechte, und der Gerechte manchmal einen bösen Tod, wie der Ungerechte?“

Antwort auf die 1. Frage.
Der Richter antwortete: „Mein Freund, sicher rührt deine Frage nicht aus Liebe her, aber ich will dir doch aus Liebe zu anderen antworten. Du fragst, warum die Tiere an Krankheiten leiden. Das liegt daran, dass alles bei ihnen wie bei anderen Wesen ungeordnet ist. Ich bin ja der Schöpfer aller Naturen, und einer jeden Natur gab ich ihre Sinnesart und ihre Einrichtung, in der sie sich rühren und leben sollen. Aber nachdem der Mensch, um dessentwillen alles geworden ist, sich gegen mich, seinen Gott, der ihn liebte, empört hat, ist auch alles andere in Unordnung geraten, und all das, was ihn sonst geehrt haben sollte, begann, sich gegen ihn zu erheben, und diese Unordnung ist schuld, dass allerhand Widerwärtigkeiten und Unannehmlichkeiten die Tiere ebenso wie den Menschen treffen.

Übrigens leiden die Tiere wegen der Unmäßigkeit ihrer Natur manchmal daran, dass ihre Wildheit gezähmt und ihre Natur geläutert wird, manchmal wegen Sünden der Menschen, so dass der Mensch bedenken soll, wenn er sieht, dass das, was er liebt, geplagt und unterdrückt wird, welch schwere Strafe er verdient, der einen höheren Verstand erhalten hat. Wenn die Sünden der Menschen das nicht erforderten, so würden auch die Tiere, die ja in der Hand des Menschen sind, nicht so sehr geplagt werden.

Doch leiden sie nicht ohne eine große Gerechtigkeit, denn entweder trifft sie das, damit das Leben schneller zu Ende geht, oder dafür, dass das Elend und die Mühe vermindert wird und die starke Natur sich verzehrt, oder wegen des Wechsels der Zeiten oder der Unachtsamkeit des Menschen, der sie zur Arbeit braucht. Der Mensch soll also mich, seinen Gott, mehr als andere fürchten, und so viel milder gegen meine Geschöpfe und gegen die Tiere sein, über die er sich um meinetwillen, seinen Schöpfer, erbarmen soll. Ich, Gott, habe ja dem Menschen befohlen, den Sabbat zu halten, denn ich nehme meine ganze Schöpfung in Obhut.“

Antwort auf die 2. Frage.
„Auf die Frage, warum alles mit Schmerzen geboren wird, antworte ich weiter: Als der Mensch das schönste Vergnügen verschmähte, lud er sich gleich mühsame Arbeit auf, und nachdem die Unordnung im Menschen ihren Anfang genommen hatte, ist es meine Gerechtigkeit, dass auch die anderen Geschöpfe, die um des Menschen willen da sind, eine gewisse Bitterkeit erfahren, damit ihre Lust gezügelt wird und sie durch ihr Futter erquickt werden.

So wird der Mensch mit Schmerz geboren und lebt unter großer Mühe, damit er sich bemühen soll, zu der wahren Ruhe zu eilen. Er stirbt nackt und arm, damit er seine ungeordneten Triebe bändigt und die kommende Untersuchung fürchtet. Auch die Tiere gebären mit Schmerzen, damit die Bitterkeit die Lust zügelt, und sie so im Stande sind, die Mühe und Leiden des Menschen zu teilen. Deshalb soll der Mensch, der so viel vornehmer als die Tiere ist, mich den Herrgott, seinen Schöpfer, umso inniger lieben.“

Antwort auf die 3. Frage.
„Auf die Frage, warum das Kind die Sünden des Vaters trägt, antworte ich weiter: Das, was unrein hervorgeht, kann niemals rein sein. Daher wurde der erste Mensch, als er wegen seines Ungehorsams die Schönheit der Unschuld verloren hatte, aus der Freude des Paradieses vertrieben und in Unreinheit verstrickt. Diese Unschuld wiederzugewinnen, ist niemand aus sich selbst heraus in der Lage. Deshalb kam ich, der barmherzige Gott, ins Fleisch und stiftete die Taufe, wodurch das Kind von der bösen Unreinheit und von Sünde befreit wird.

Der Sohn soll daher nicht die Sünde des Vaters zu tragen brauchen, und ein jeder wird in seiner Sünde sterben. Aber oft geschieht es, dass die Kinder die Sünden ihrer Eltern nachahmen, und daher werden manchmal die Sünden der Väter in den Kindern bestraft – doch nicht aus dem Grunde, dass die Sünden der Väter in sich selbst ungestraft bleiben, obwohl die Strafen für die Sünden eine Zeitlang aufgeschoben werden – nein, es ist vielmehr so, dass jeder in seiner eigenen Sünde stirbt und bestraft wird. Manchmal werden auch, wie geschrieben steht, die Sünden der Väter noch im vierten Glied heimgesucht, denn es ist meine göttliche Gerechtigkeit, dass – wenn die Kinder meinen Zorn weder für sich selbst noch für ihre Väter zu mildern suchen, sie mit ihren Eltern bestraft werden, denen sie gegen mich gefolgt sind.“

Antwort auf die 4. Frage.
„Auf die Frage, warum das, was nicht vorhersehbar ist, so oft geschieht, antworte ich: Es steht geschrieben, dass der Mensch mit dem gestraft wird, womit er gesündigt hat. Und wer kann Gottes Ratschluß fassen? Weil nun viele mich suchen, aber nicht auf kluge Weise, sondern der Welt wegen, andere mich mehr fürchten, als richtig ist, andere allzu dreist sind, andere hochmütig in ihren Entschlüssen sind – daher lasse ich, Gott, der die Erlösung aller bewirkt, manchmal das geschehen, was der Mensch am meisten fürchtet, manchmal das beseitigt werden, was man mehr liebt, als angemessen ist, und manchmal das entfernt werden, was man allzu eifrig erwartet und sich danach sehnt, so dass der Mensch mich, seinen Gott, über alle Dinge fürchtet, liebt und kennenlernen will.“

Antwort auf die 5. Frage.
„Auf die Frage, warum ein schlechter Mensch einen guten Tod wie der gerechte stirbt, antworte ich: Die Schlechten haben manchmal etwas Gutes an sich und tun ein paar gerechte Taten, für die sie auch in diesem Leben belohnt werden sollen. Ebenso tun manchmal die Gerechten ein paar böse Taten, für die sie schon in diesem Leben bestraft werden. Weil nun alles in diesem Leben unsicher ist und von der Zukunft abhängt, und weil es ein und denselben Eingang für alle gibt, deshalb muß es auch einunddenselben Ausgang geben, denn es ist nicht der Ausgang, der den Menschen selig macht, sondern der Lebenswandel.

Aber dass derselbe Ausgang den Bösen wie den Gerechten zu zuteil wird, das beruht auf meiner göttlichen Gerechtigkeit, denn sie haben selbst den Ausgang ersehnt.
Der Teufel, der das Hinscheiden seiner Freunde voraussieht, sagt ihnen manchmal die Todesstunde zu ihrer Vermessenheit und eitlen Ehre und Verführung voraus (wie in den sog. apokryphischen Schriften zu lesen ist), dass sie nach dem Tode als Gerechte gepriesen werden.

Andererseits erhalten die Gerechten manchmal ein sanftes Verscheiden zu ihrem größeren Verdienst, damit die, die in ihrem Leben stets nach Tugenden gestrebt haben, durch einen schmählichen Tod frei gen Himmel schweben können, so dass nicht einmal die irdische Hölle betroffen wird, wie geschrieben steht, dass der Löwe den ungehorsamen Propheten tötete, aber die Leiche nicht fraß, sondern sie bewachte.

Dass der Löwe den Leib tötete, das deutet auf meine göttliche Gerechtigkeit hin, die es zuließ, dass der Ungehorsam des Propheten bestraft wurde. Dass der Löwe nicht die Leiche fraß, das beweist die guten Werke des Propheten. Er wurde nämlich schon in diesem Leben gereinigt, so dass er im kommenden für gerecht befunden würde. Jeder soll also meine Gerichte fürchten und bedenken, denn ebenso unbegreiflich, wie ich an Tugend und Macht bin, so schrecklich bin ich in meinen Ratschlüssen und Gerichten. Die, welche mich mit ihrer eigenen Weisheit erfassen wollen, sind also in ihrer Hoffnung betrogen.“


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Zehnte Offenbarung im Buch der Fragen

Der Sohn (Jesus Christus) spricht zur Braut: „Sei nicht bekümmert, wenn ich ein Wort dunkler, ein anderes leichter verständlich rede, oder wenn ich nun sage, jemand sei mein Diener, Sohn oder Freund, und es sich dann erweist, dass er es nicht ist – denn meine Worte können auf verschiedene Art gedeutet werden.
Ich sagte dir z.B. von einem, dass seine Hand sein Tod sein würde, und von einem anderen, dass er nicht mehr an meinen Tisch treten sollte. So etwas wird entweder deshalb gesagt, dass ich dir später zeigen werde, warum ich so gesprochen habe, oder deshalb, damit du tatsächlich das Ende der Wahrheit zu sehen bekommst, wie es diese beiden betrifft.

Manchmal sage ich etwas auf dunkle Weise, damit du dich fürchten und freuen sollst: Dich fürchten, dass es auf Grund meiner göttlichen Geduld, die die Veränderungen der Herzen kennt, auch anders gehen kann, und dich freuen, dass mein Wille immer in Erfüllung geht. Auch im alten Gesetz habe ich vieles gesagt, das eher geistig als leiblich erfasst werden müsste (so wie über den Tempel, über David und Jerusalem), damit die fleischlichen Menschen lernen sollten, das Geistliche zu ersehnen.
Denn um die Standhaftigkeit und Gewissenhaftigkeit meiner Freunde zu prüfen, habe ich vieles gesagt und versprochen, was nach den verschiedenartigen Wirkungen meines Geistes von Guten und Bösen verschieden verstanden werden kann, und ich habe das auch getan, damit alle in ihren verschiedenen Stellungen etwas davon haben sollen, wodurch sie von mir geschult, erprobt und unterwiesen werden können.

Dass manches auf dunkle Weise gesagt worden ist, das liegt an meiner Gerechtigkeit, die wollte, dass mein Ratschluß verborgen sei, und dass jeder meine Gnade geduldig erwarten soll. Wenn mein Ratschluß immer mit einer bestimmten Zeitangabe angedeutet würde, würden ja alle in ihrem Warten ermüden. Vieles habe ich auch versprochen, was wegen der Undankbarkeit der Menschen nicht eingehalten wurde, und vieles ist in leiblicher Weise gesagt, was geistig in Erfüllung gehen sollte, z.B. das über Jerusalem und Zion. Die Juden sind ja, wie geschrieben steht, das blinde und taube Volk des Herrn.


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Fünfzehnter Fragenkreis

Erste Frage: Wieder zeigte sich dieser Mönch auf seiner Leiter wie vorher und sagte: „O Richter, ich frage dich: Warum ist vieles geschaffen, was aussieht, als sei es zu nichts nütze?“

Zweite Frage: „Und warum sieht man im allgemeinen nicht die Seelen, die in den Körpern sind oder die Körper verlassen?“

Dritte Frage: „Und warum werden deine Freunde, wenn sie beten, nicht immer erhört?“

Vierte Frage: „Und warum wird manchen, die Böses tun wollen, nicht erlaubt, es doch zu tun?“

Fünfte Frage: „Und warum werden viele, die es nicht verdient haben, vom Bösen betroffen?“

Sechste Frage: „Und warum sündigen die, die Gottes Geist besitzen?“

Siebente Frage: „Und warum ist der Teufel bei manchen ständig anwesend, aber bei anderen nie?“

Antwort auf die 1. Frage.
Der Richter antwortete: „Mein Freund, so wie meine Taten viele sind, so sind sie auch wunderbar und unfassbar. Aber wenn es auch viele sind, sind keine ohne Ursache. Der Mensch ist wie ein Knabe, der in einem dunklen Gefängnis geboren ist und der, wenn man ihm erzählt hätte, dass es die Sonne und die Sterne gibt, es nicht geglaubt hätte, weiter sie nie gesehen hat. Nachdem der Mensch das wahre Licht aufgegeben hat, findet er nämlich sein Vergnügen nur im Dunkel. Ja es ist so, wie das Sprichwort sagt, dass dem, der das Böse gewohnt ist, das Böse lieblich erscheint.

Wenn auch der Verstand des Menschen verdunkelt ist, so gibt es doch bei mir keine Verdunkelung oder Veränderung. Ich richte alles so maßvoll ein, und habe immer alles so eingerichtet, dass nichts ohne Ursache und ohne Nutzen gemacht worden ist, nicht einmal die Fälle oder Ödflächen, oder Seen, Raubtiere und die giftigen Reptilien. So wie für den Nutzen der Menschen, so sorge sich auch für den aller geschaffenen Dinge.
Ich bin wie ein Mann, der verschiedene Plätze hat, um darauf zu wandern, andere, um darauf seine nützlichen Geräte zu verwahren, andere für zahme und wilde Tiere, andere für seine Befestigung und geheimen Beratung, andere zum Gebrauch, der sich nach der Beschaffenheit des Bodens richtet, andere zur Erziehung vom Menschen.

Ebenso habe ich, Gott, alles vernünftig geordnet: Manche Dinge zum Nutzen und Vergnügen des Menschen, andere für die vielfachen Vorhaben der Tiere und Vögel, andere zur Zügelung der menschlichen Gewinnsucht, andere für das Harmonieren der Elemente, andere dafür, dass meine Werke bewundert werden, andere, damit die Sünder bestraft werden, andere zum Nutzen höherer und niederer Geschöpfe, andere zu einem Zweck, der mir selbst allein vorbehalten ist.

Sieh, wie die kleine, kleine Biene, wenn es gilt, Honig zu sammeln, vieles aus vielen Kräutern saugen kann! So übertreffen auch andere kleine und große Lebewesen den Menschen an Scharfsinn und Geschick darin, Kräuter zu unterscheiden, und an Einsicht dafür, was für sie nützlich ist, und vieles ist für sie nützlich, was für den Menschen schädlich ist. Ist es da verwunderlich, wenn der Verstand des Menschen es schwer hat, meine Wunder zu unterscheiden, wenn er sogar von den kleinsten Geschöpfen übertroffen wird? Was sieht hässlicher aus, als der Frosch und die Schlange, was ist verächtlicher, als die Klette, die Nessel und ähnliche Gewächse? Und doch sind sie in hohem Maße gut für die, die meine Werke zu unterscheiden wissen. Alles, was da ist, ist also auf die eine oder andere Weise nützlich, und alles, was sich rührt, weiß, auf welche Weise seine Natur bestehen kann und erhöhte Stärke gewinnen kann.

Da nun alle meine Werke wunderbar sind, und alles mich lobpreist, deshalb soll der Mensch, der über die anderen erhöht ist und so viel schöner ist als sie, wissen, dass er desto mehr als die anderen die Pflicht hat, mich zu ehren. Wenn die herabstürzenden Wassermassen nicht am Fuß der Berge aufgehalten würden, wo könnten da die Menschen in Sicherheit bauen? Und wenn die wilden Tiere keinen Zufluchtsort hätten, wie könnten sie dann der unermesslichen Gier der Menschen entkommen? Und wenn dem Menschen alles nach Wunsch ginge, würde er dann nach dem Himmlischen trachten? Aber wenn die Wildtiere keine Mühsale hätten und in Furcht lebten, würden sie geschwächt werden und eingehen. Deshalb sind viele meiner Werke verborgen, damit ich, der wunderbare und unbegreifliche Gott, von den Menschen erkannt und geehrt würde, die meine Weisheit in der Erschaffung so vieler Dinge bewundern.“

Antwort auf die 2. Frage.
„Auf die Frage, warum die Seelen nicht vom Menschen gesehen werden, antworte ich weiter: Die Seele ist von weit besserer Natur als der Körper, denn sie stammt von der Kraft meiner Göttlichkeit ab und ist unsterblich, hat Anteil mit den Engeln, ist mehr als alle Himmelskörper und vornehmer, als sie ganze Welt. Da nun die Seele von edelster und heißer Natur ist, weil sie dem Körper Leben und Wärme verleiht und geistig ist – deshalb kann sie keinesfalls von körperhaften Wesen gesehen werden, sondern nur durch körperhafte Gleichnisse.“

Antwort auf die 3. Frage.
„Auf die Frage, warum meine Freunde, wenn sie mich in ihren Gebeten anrufen, nicht immer von mir erhört werden, antworte ich weiter: Ich bin wie eine Mutter, die sieht, dass ihr Sohn gegen sein Wohlergehen betet und es deshalb unterlässt, sein Begehren zu erfüllen, indem sie sein Weinen mit Drohungen zum Schweigen bringt. Eine solche Drohung enthält auch keinen Zorn, sondern große Barmherzigkeit. So erhöre ich, Gott, nicht immer meine Freunde, denn ich sehe besser als sie, was für ihr Wohlergehen nützlich ist.

Haben nicht auch Paulus und andere fromm gebetet, ohne erhört zu werden? Bei all ihren vielen Tugenden haben meine Freunde manche Schwächen, etwas, wovon sie gereinigt werden sollen, und deshalb werden sie nicht erhört. Der Sinn dabei ist es, dass sie umso demütiger und brennender in der Liebe zu mir werden, je mehr sie sehen, wie groß die Liebe ist, mit der ich sie unbeschadet von Versuchungen zur Sünde bewahre. Es ist also ein Beweis für große Liebe, dass meine Freunde nicht immer erhört werden, und das bringt ihnen größeren Verdienst und dient dazu, ihre Standhaftigkeit zu prüfen.

Denn so wie der Teufel versucht, den Lebenswandel des Gerechten durch irgendeine Sünde oder einen verächtlichen Tod zu beflecken, damit auf diese Weise die Standhaftigkeit der Christen nachlässt, so lasse ich den Gerechten nicht ohne Ursache geprüft werden, damit seine Festigkeit vor anderen hervortritt, und er selber desto ehrenvoller gekrönt wird. Und wie der Teufel sich nicht scheut, die Seinen zu versuchen (er sieht ja, dass sie bereit sind, zu sündigen), so lasse ich es eine Zeitlang bleiben, meine Auserwählten zu schonen, da ich sehe, dass sie zu allem Guten bereit sind.“

Antwort auf die 4. Frage.
„Auf die Frage, warum manche, die Böses tun wollen, nicht die Erlaubnis dazu erhalten, antworte ich weiter: Wenn ein Vater zwei Söhne hat, einen gehorsamen und einen ungehorsamen, so widersteht er dem ungehorsamen so viel er kann, damit er in seiner Bosheit keine Schlechtigkeit begehen kann, während er den gehorsamen prüft und ihn dazu bringt, was noch besser ist, so dass auch der ungehorsame Sohn durch die Aufgeschlossenheit des anderen zu dem erweckt wird, was besser ist. So hindere ich oft die Bösen, zu sündigen, denn neben ihrem Bösen tun sie manches Gute, womit sie sich entweder selber oder anderen nützen. Die Gerechtigkeit erfordert also, dass sie nicht gleich in die Gewalt des Teufels fallen und nicht immer Gelegenheit erhalten, ihren Willen in die Tat umzusetzen.“

Antwort auf die 5. Frage.
„Auf die Frage, warum manche, die es nicht verdienen, von bösen Dingen heimgesucht werden, antworte ich weiter: Jeder, der gut ist, ist mir, Gott, allein bekannt; nur ich weiß, was er verdient. Vieles nimmt sich nämlich schön aus, was es gar nicht ist, und das Feuer erprobt das Gold. Der Gerechte wird manchmal von Leiden betroffen, damit er anderen zum Beispiel und sich selbst zur Krone wird. So wurde auch Hiob geprüft, der schon von seiner Heimsuchung gut war, der aber in der Stunde der Heimsuchung und nachher den Menschen mehr bekannt wurde.

Wer will ergründen, warum ich ihn geplagt habe, und wer kann das wissen, wenn nicht ich selbst, der ihm mit meinen Segnungen zuvorkam und ihn bewahrte, so dass er nicht sündigen sollte, und ihn unter den Heimsuchungen aufrecht hielt? Und wie ich ihm ohne seine Verdienste mit meiner Gnade zuvorkam, so prüfte ich ihn mit Gerechtigkeit und Barmherzigkeit, denn keiner wird gerecht in meinen Augen ohne meine Gnade.“

Antwort auf die 6. Frage.
„Auf die Frage, warum die, die meinen Geist besitzen, sündigen, antworte ich weiter: Der Geist meiner Göttlichkeit ist nicht gebunden, sondern bläst, wo er will und kehrt zurück, wenn er will, und er wohnt nicht in dem Gefäß, das der Sünde unterworfen ist, sondern in dem, das Liebe hat. Ich, Gott, bin nämlich die Liebe, und wo ich bin, da ist Freiheit. Wer meinen Geist empfängt, kann sündigen, wenn er will, denn jeder Mensch hat seinen freien Willen. Wenn der Mensch seinen Willen gegen meinen richtet, weicht also mein Geist, der in ihm ist, von ihm weg, oder der Mensch wird auch bestraft, damit er seinen Willen lenkt.

So wollte Bileam mein Volk verdammen, aber ich habe ihm das nicht erlaubt. Obwohl dieser Prophet schlecht und gewinnsüchtig war, hat er doch manchmal gute Dinge gesagt, doch nicht von sich selbst aus, sondern aus meinem Geist. Oftmals wird die Gabe meines Geistes Guten und Bösen verliehen. Die großen Schönredner würden nicht über so hohe Dinge disputieren können, wenn sie meinen Geist nicht hätten, und sich nicht so töricht verirren, wenn sie sich in ihren Gedanken nicht gegen mich gestellt hätten, wenn sie nicht hochmütig geworden wären und mehr hätten wissen wollen, als sie sollten.“

Antwort auf die 7. Frage.
„Auf die Frage, warum der Teufel bei manchen öfter anwesend ist und sie heimsucht, antworte ich weiter: „Der Teufel ist als Prüfer und Scharfrichter der Gerechten anzusehen. Daher plagt er die Seelen mancher Menschen mit meiner Zulassung; bei anderen verdunkelt er das Gewissen und setzt sogar dem Körper zu. Er bedrängt die Seelen derer, die gegen ihr besseres Wissen sündigen und aller Unreinheit und allem Unglauben unterworfen sind. Er plagt ihre Gewissen und Leiber, die mancher Sünden wegen schon in diesem Leben gereinigt und gezüchtigt werden.

Eine solche Anfechtung trifft auch Kinder beider Geschlechter, heidnische und christliche, entweder wegen der Nachlässigkeit der Eltern oder aus Hinfälligkeit der Natur, oder zum Schrecken und zur Demütigung anderer, oder auf Grund von manchen Sünden. Meine Gerechtigkeit ordnet es ja barmherzig so, dass die, die keine Gelegenheit zur Sünde haben, umso weniger gestraft und umso ehrenvoller gekrönt werden.

Auch die Tiere werden von vielem unterwegs betroffen, entweder zur Strafe für andere, oder damit ihr Lebensende schneller kommt, oder wegen der Unmäßigkeit ihrer Natur. Dass der Teufel an manchen festhängt und ihnen näher ist als anderen, das beruht also auf meiner Zulassung und dient entweder zu größerer Demütigung und Behutsamkeit, oder zu einer größeren Belohnung und zu größerem Eifer, mich zu suchen, oder es rührt auch von Sünden her, die noch in diesem Leben bereinigt werden müssen, oder die so schwer sind, dass ihre Strafe schon jetzt beginnen muß, um in Ewigkeit zu dauern.“


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Elfte Offenbarung im Buch der Fragen

Gottes Sohn spricht: „Aus natürlichen Dingen kann ein gesunder Trank hergestellt werden, nämlich aus kaltem Eisen, dürrem Holz und bitteren Kräutern. Aber wie geschieht das? Wenn Stahl hart auf einen Schwefelberg fällt, würde sicher Feuer aus dem Stahl kommen und den Berg entzünden. Durch die Wärme würde ein Olivenbaum in der Nähe, der außen dürr, aber innen voll Fettigkeit ist, zu fließen beginnen, so dass sogar die bitteren Kräuter unter dem Olivenbaum durch den fliessenden Olivenbaum süß werden, und daraus könnte ein gesunder Trank bereitet werden.

So habe ich in geistlicher Weise mit dir gehandelt. Dein Herz war kalt wie Stahl in meiner Liebe, und doch rührte sich da ein kleiner Funken Liebe zu mir, nämlich als du dich besannst, dass ich wert war, mehr als alle anderen geliebt und geehrt zu werden. Dieses Herz von dir fiel auf einen Schwefelberg, als weltliche Ehre und weltliches Vergnügen auf dich zukam und dein Mann starb, den du körperlich mehr als alles andere geliebt hast.

Wollust und weltliches Vergnügen sind am besten mit einem Schwefelberg zu vergleichen, denn sie haben das Geschwür der Seele, den Gestank des Begehrens und die Glut der Strafe in sich. Und als beim Tod deines Mannes deine Seele von schwerer Trübsal betroffen wurde, da sprang plötzlich ein Funke aus meiner Liebe hervor, die wie im Verborgenen vorhanden war, denn nachdem du die Nichtigkeit der Welt betrachtet hattest, hast du mir deinen ganzen Willen übergeben und mich mehr als andere ersehnt.

Dank dieses Liebesfunkens schmeckte dir dir trockene Olive, d.h. die Worte der Evangelien und der Umgang mit meinen Gelehrten, und die Enthaltsamkeit gefiel dir bis zu dem Grade, dass dir alles andere, das dir vorher bitter vorkam, lieblich zu werden begann. Und als der Olivenbaum zu fließen anfing und meine Worte in den Offenbarungen deinem Geist nahten, da stand einer auf dem Berg und rief: „Durch diesen Trank wird der Durst gelöscht, wird das Gefrorene erwärmt, wird der Betrübte erfreut und der Kranke gesund.“ Das bin ich, Gott, selbst, der so ruft, und meine Worte, die du oft in geistlicher Vision von mir hörst, sättigen den, der nach wahrer Liebe dürstet, wie ein guter Trank. Zweitens wärmen sie die, die gefroren sind, drittens erfreuen sie die, die betrübt sind, und viertens heilen sie die, die schwach an der Seele sind.“


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Sechzehnter Fragenkreis

Erste Frage: Wieder zeigte sich der Mönch auf seiner Leiter wie vorher und sagte: „O Richter, ich frage dich: Warum werden, wie das Evangelium sagt, die Ziegen zu deiner Linken, die Schafe zu deiner Rechten gestellt? Findest du etwa dein Vergnügen daran?“

Zweite Frage: „Wenn du weiter Gottes Sohn bist und dem Vater ähnlich, warum steht dann geschrieben, dass weder du noch die Engel die Stunde des Gerichts kennen?“

Dritte Frage: „Wenn weiter dein Heiliger Geist in den Evangelisten gesprochen hat, warum weichen dann die Evangelien so viel voneinander ab?“

Vierte Frage: „Wenn dein Annehmen von Menschengestalt eine Erlösung für das ganze Menschengeschlecht bedeutet, warum hast du dann so lange damit gewartet, Menschengestalt anzunehmen?

Fünfte Frage: „Wenn weiter die Menschenseele besser als die ganze Welt ist, warum schickst du dann deine Freunde und Prediger nicht immer und zu allen Plätzen?“

Antwort auf die 1. Frage.
Der Richter antwortete: „Mein Freund, du fragst nicht, um zu wissen, sondern deshalb, damit deine Bosheit bekannt wird. Meine Gottheit ist Geist, und Gute und Böse können nicht gleichzeitig bei mir wohnen, wie Licht und Finsternis sich nicht vertragen können. In meiner Gottheit gibt es keine rechte und linke Seite, wie es bei körperlichen Wesen ist, und die Seligkeit hängt auch nicht davon ab, dass man rechts statt links von mir steht; nein, das muss bildlich verstanden werden. Mit der rechten Seite ist nämlich die Hoheit meiner göttlichen Ehre gemeint, mit der linken Seite der Mangel und Verlust von allem Guten.

Weder Schafe noch Ziegen gibt es in dieser meiner bewundernswerten Herrlichkeit, wo es nicht Körperhaftes oder Beflecktes oder Veränderliches gibt. Aber die Sitten der Menschen werden oft durch Bilder und Gleichnissen von Tieren dargestellt. So bezeichnet das Schaf die Unschuld, die Ziege die Wollust d.h. den nicht enthaltsamen Menschen, der auf die linke Seite gestellt werden muss, wo Mangel an allem Guten herrscht. Du kannst also sehen, dass ich, Gott, manchmal menschliche Worte und Gleichnisse benutze, so dass das Kind etwas hat, darauf zu knabbern, und die Vollkommenen etwas haben, was sie noch vollkommener macht. Die Stelle in der Schrift soll ja in Erfüllung gehen, die sagt, dass der Sohn der Jungfrau zu einem Zeichen gesetzt ist, dem widersprochen wird, so dass die vielen Gedanken des Herzens offenbar werden.

Antwort auf die 2. Frage.
„Auf die Frage, warum ich, Gottes Sohn, sagte, dass ich die Stunde des Gerichts nicht kennen würde, antworte ich weiter: Es steht geschrieben, dass Jesus an Alter und Weisheit zunahm. Alles, was wächst und abnimmt, ist veränderlich, während die Gottheit unveränderlich ist. Dass ich, Gottes Sohn, heranwuchs, das lag an meiner menschlichen Natur. Als ich noch nichts darüber wusste, war es meine menschliche Gestalt, die in Unkenntnis schwebte. Nach meiner Göttlichkeit wusste und weiß ich alles. Der Vater tut nämlich nichts, was ich, der Sohn, nicht auch tue. Sollte der Vater etwas wissen, was ich, der Sohn, und der Heilige Geist nicht weiß? Keinesfalls. Aber nur der Vater, mit dem ich, der Sohn, und der Heilige Geist eine einzige Substanz, eine Gottheit und einen Willen bilde, weiß die Stunde für das Gericht, nicht die Engel oder irgendwelche anderen Geschöpfe.“

Antwort auf die 3. Frage.
„Du fragst weiter, warum die Evangelisten nicht besser übereinstimmen wenn der Heilige Geist in ihnen geredet hat. Ich gebe folgende Antwort. Es steht geschrieben, dass der Heilige Geist in seinen Werken mannigfaltig ist, denn er verteilt seine Gaben auf vielerlei Weise unter seinen Auserwählten.

Der Heilige Geist ist wie ein Mann, der eine Waage in der Hand hat und mit vielen Mitteln die Waagschalen ausgleicht und sie aneinander anpasst, bis die Bewegung der Waage stillesteht. Eine solche Waage wird von dem, der es gewohnt oder nicht gewohnt ist, auf verschiedene Weise gehandhabt, verschieden von dem Starken und dem Schwachen. So steigt der Heilige Geist wie eine Waage bald ins Herz der Menschen auf, bald wieder hinunter.

Er steigt auf, wenn er die Sinne durch den feinen Scharfsinn des Verstandes, durch die fromme Andacht der Seele und durch das Entzünden des geistlichen Begehrens erhebt. Er sinkt herunter, wenn er die Sinne sich in Schwierigkeiten verwickeln lässt, sich unnötigerweise ängstigt oder von Trübsalen heimsucht. Und wie eine Waage eine gewisse Festigkeit hat, wenn das Daraufgelegte nicht abgewogen wird, und die Hand dessen, der sie steuert, eingreift, so ist es beim Wirken des Heiligen Geistes notwendig, mit maßvollem Abwägen, bei gutem Lebenswandel, schlichtem und ehrlichem Wollen sowie kluger Unterscheidung in Werken und Tugenden (zu verfahren).

Wenn ich, Gottes Sohn, sichtbar im Fleisch, verschiedene Dinge an verschiedenen Plätzen gepredigt habe, hatte ich deshalb verschiedene Nachfolger und Hörer, denn manche folgten mir aus Liebe, manche deshalb, um eine Gelegenheit zu finden, und aus Neugier, und manche von denen, die mir folgten, waren scharfsinniger, andere weniger begabt. Daher redete ich einfache Dinge, wodurch einfache Menschen erbaut werden konnten, und ich sprach auch höhere Dinge, die die Weisen mit Staunen erfüllten. Manchmal sprach ich in Gleichnissen und dunkel, und dadurch nahmen manche den Anlaß, sich zu äußern – manchmal wiederholte ich das vorher Gesagte, manchmal fügte ich etwas hinzu oder verminderte es.

Es ist also nicht verwunderlich, wenn die, die die Erzählungen der Evangelien geordnet haben, verschiedene, aber doch wahre Dinge berichtet haben. Manche von ihnen haben Wort auf Wort zitiert, andere haben den Inhalt der Worte wiedergegeben, aber nicht die Worte selbst; manche haben das beschrieben, was sie hörten, aber nicht gesehen haben, andere haben von Früherem später gesprochen, andere haben mehr von meiner Göttlichkeit erzählt – ja jeder hat gesprochen, wie der Heilige Geist zu reden eingab.

Aber ich will, dass du weißt, dass nur die Evangelisten, die meine Kirche akzeptieren, angenommen werden dürfen. Viele, die Lust und Eifer hatten, haben nämlich versucht zu schreiben, doch nicht nach meiner Kenntnis. Siehe, ich habe gesagt, wie es heute (in der Messe) gelesen wurde: „Brecht den Tempel ab, so werden ich ihn wieder aufbauen.“ Die, welche bezeugt haben, dass sie das hörten, waren dem gehörten Wort nach wahrhaftig, aber sie waren doch falsche Zeugen, da sie nicht auf den Inhalt meiner Worte achteten – diese Worte sollten ja so verstanden werden, dass sie auf meinen Leib hindeuteten.

Ebenso gingen viele fort, als ich sagte: „Wenn ihr nicht mein Fleisch esst, werdet ihr nicht leben“ – da sie sich nicht an den Zusatz hielten, den ich machte: „Meine Worte sind Leben und Geist“, d.h. sie haben geistlichen Inhalt und Kraft. Es ist nicht verwunderlich, dass sie sich irrten, denn sie folgten mir nicht aus Liebe. Der Heilige Geist hebt sich also wie eine Waage in die Menschenherzen, manchmal dadurch, dass er körperhaft redet, manchmal dadurch, dass er geistlich redet. Er sinkt herunter, wenn das Herz des Menschen sich gegen Gott verhärtet, sich in Ketzereien oder weltliche Nichtigkeiten verstrickt und verdunkelt.“

Zu derselben Zeit sagte der Richter zu dem fragenden Mönch, der auf der Leitersprosse stand: „Mein Freund, du hast mich so oft nach komplizierten Dingen gefragt. Nun will ich dich meiner Braut wegen, die hier zugegen ist, fragen: Warum liebt deine Seele, die Klugheit besitzt und Gut und Böse unterscheiden kann, das Vergängliche mehr als das Himmlische, und warum lebt sie nicht in Einheit mit dem, was sie versteht?“
Der Mönch erwiderte: „Deshalb, weil ich gegen den Verstand handele und die Sinne des Fleisches über den Verstand herrschen lasse.“ Christus sagte: „Dein Gewissen soll denn dein Richter sein.“

Er sagte dann zur Braut (Birgitta): Sieh, meine Tochter, wie nicht nur die Bosheit des Teufels, sondern auch das verworrene Gewissen beim Menschen herrscht! Das liegt daran, dass der Mensch nicht der Versuchung widersteht, wie er doch sollte. So handelte aber nicht der Magister, den du kennst. Bei ihm ist der Geist versunken, indem er bis zu dem Grad versucht wurde, dass es war, als ob alle Ketzereien vor ihm stünden und gleichsam wie aus einem Munde sagten: „Wir sind die Wahrheit.“ Er glaubte jedoch seinen Sinnen nicht und fühlte sich darüber erhaben,[1] und deshalb wurde er befreit und wurde von Anfang bis zum Ende weise gemacht, wie ihm versprochen war.

Antwort auf die 4. Frage.
„Auf die Frage, warum ich meine Menschwerdung so lange aufgeschoben habe, antworte ich weiter: Meine Menschwerdung war wirklich notwendig, denn dadurch wurde die Verdammung aufgehoben, und alles bekam Frieden im Himmel und auf Erden. Aber es war notwendig, dass der Mensch erst durch das Naturgesetz aufgezogen wurde, und danach durch das geschriebene Gesetz. Durch das Naturgesetz trat ja zutage, wie groß die Liebe des Menschen war. Durch das geschriebene Gesetz begriff der Mensch seine Gebrechlichkeit und sein Elend und fing an, Heilmittel zu suchen.

Daher war es angebracht, dass der Arzt kommen sollte, als sich die Gebrechlichkeit verschlimmerte, und dass dort, wo die Krankheit geherrscht hatte, dort die Heilung in noch höherem Grade herrschte. Aber sowohl unter dem Naturgesetz und dem geschriebenen Gesetz gab es viele Gerechte, und viele besaßen den Heiligen Geist und sagten vieles voraus, erzogen andere zu allem, was tugendhaft war und warteten auf mich den Erlöser. Diese gingen meiner Barmherzigkeit entgegen, nicht der ewigen Strafe.“

Antwort auf die 5. Frage.
„Auf die Frage, warum Prediger nicht immer und zu allen Orten gesandt werden, wenn die Seele doch besser ist als die Welt, antworte ich weiter: Die Seele ist in Wahrheit würdiger und edler als die ganze Welt, und beständiger als alles andere. Sie ist würdiger, da sie geistig ist, gleichgestellt mit den Engeln und zur ewigen Freude geschaffen ist. Sie ist edler, weil sie wie das Abbild meiner Gottheit geschaffen ist, und weil sie unsterblich und ewig ist.

Da der Mensch also würdiger und edler als alle anderen Geschöpfe ist, muss er auch edler leben, als alle anderen. Er ist ja vor allen anderen mit Verstand ausgerüstet. Aber wenn der Mensch den Verstand und meine göttlichen Gaben missbraucht, ist es dann verwunderlich, wenn ich das zur Zeit der Gerechtigkeit bestrafe, was zur Zeit der Barmherzigkeit versäumt wurde? So werden Prediger nicht überall und an alle Plätze gesandt, denn ich Gott, sehe die Härte vieler Herzen im voraus und verschone meine Auserwählten von unnötiger Mühe Und da viele bewusst und munter sündigen und es vorziehen, in Sünde zu verharren, statt sich bekehren zu lassen, deshalb sind sie es nicht wert, die Botschaft der Erlösung zu vernehmen.

Aber, mein Freund, nun schließe ich, deine Gedanken zu beantworten, und du wirst das Leben auch beenden. Nun möchtest du wissen, was deine wortreiche Beredsamkeit und Menschengunst dir genützt hat. O wie glücklich würdest du sein, wenn du auf deine Versprechen und deinen Eid geachtet hättest!“

Zum Schluß sagte der Geist zur Braut: „Tochter, der, den du all dies fragen hörtest, lebt noch im Leibe, aber er wird nicht noch einen ganzen Tag leben bleiben. Die Gefühle und Gedanken seines Herzens wurden dir in Gleichnissen gezeigt, nicht zu größerem Schimpf für ihn, sondern zur Erlösung anderer Seelen. Aber sieh, nun endet sein Leib und sein Leben mit den Gefühlen und Gedanken.“

[1]. So wohl sinngemäß: Och kände icke heller ovan sig själv.


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Zwölfte Offenbarung im Buch der Fragen

Gottes Sohn spricht: „Warum bist du betrübt darüber, dass ich diesen Mann so geduldig ertrage? Weißt du nicht, dass es schwer ist, ewig zu brennen? Bis zum allerletzten Augenblick ertrage ich ihn, damit meine Gerechtigkeit durch ihn für andere offenbar wird. Wenn Gewächse, die Farben hervorbringen, vor der passenden Zeit geerntet werden, werden sie nicht so dienlich für die Gegenstände, die gefärbt werden sollen, als wenn sie geerntet werden, wenn die Zeit da ist. Ebenso müssen meine Worte, die mit Gerechtigkeit und Barmherzigkeit offenbart werden, bis zur vollen Reife wachsen und Frucht bringen; dann werden sie für die Sache, für die sie verwendet werden, nützlicher und beleuchten meine Tugend in geeigneter Weise.

Warum bist du ferner deshalb niedergeschlagen, weil dieser Mann erklärte, meinen Worten nicht zu glauben, wenn keine deutlicheren Zeichen gezeigt würden? Hast du ihn denn geboren, oder kennst du sein Inneres so gut wie ich? Er ist gewiß wie eine brennende und leuchtende Lampe, die gleich mehr Licht gibt, wenn man fettes Öl daran tut, so dass es sich damit verbindet. Ja, er kann eine Lampe der Tugenden genannt werden, die imstande ist, meine göttliche Gnade anzunehmen. Sobald meine Worte in ihn eingegossen werden, beginnen sie zu fließen und dringen so ins Innerste des Herzens ein.

Ist es verwunderlich, wenn das fette Öl fließt, wenn das Feuer in der Lampe flammt, wenn es die Fettigkeit schmilzt und die Lampe anzündet? Dieses Feuer ist ja mein Geist, der da ist und in dir redet, und es ist derselbe Geist, der da ist und auch in ihm spricht, wenn auch in einer mehr verborgenen und für ihn nützlicheren Weise. Dieses Feuer entzündet die Lampe seines Herzens zur Arbeit zu meiner Ehre. Es entzündet auch die Seele, das fette Öl meiner Gnade und meiner Worte anzunehmen, wodurch die Seele, wenn sie sie empfängt, versüßt wird, so dass sie einen volleren Fettgehalt erhält, wenn es zum Handeln kommt.

Fürchte dich also nicht, sondern bleib standhaft im Glauben! Wenn diese Worte aus deinem eigenen Geist oder aus dem Geist dieser Welt kämen, dann müsstest du dich mit Recht fürchten. Aber da sie nun aus meinem Geist stammen, den auch die heiligen Propheten hatten, sollst du dich nicht fürchten, sondern freuen, sofern du dich nicht vor den eitlen Namen der Welt mehr fürchtest, als vor der Verachtung meiner göttlichen Worte.

Höre weiter, was ich sage: Dieses Reich ist vermischt mit einer großen und lange ungestraften Sünde. Daher können meine Worte noch nicht aufsprießen und hier Frucht bringen, wie ich dir in einem Gleichnis anschaulich machen will. Stell dir einen Nusskern vor, der in die Erde eingepflanzt ist, und über den etwas Schweres gelegt ist, so dass er nicht aufspießen kann. Die Nuß ist von guter und frischer Natur, aber nachdem sie von dem obenliegenden Gewicht gehindert wird, kann sie nicht aufsprießen. Sie sucht dann einen Aufgang in der darum herum liegenden Erde an der Stelle, wo das Gewicht am geringsten ist. Sie festigt die Wurzeln so tief und beständig, dass sie nicht nur die schönste Frucht hervorbringt, sondern den Stamm auch dick werden lässt, alles wegschafft, was das Aufsprießen hindert, und sich über das hinaus erstreckt, was schwer ist.

Diese Nuß bezeichnet meine Worte, die infolge der Sünde in diesem Reich nicht richtig aufsprießen können, und deshalb erst anderswo aufkommen und wachsen werden, bis die Härte im Boden dieses Reiches abnimmt, und die Barmherzigkeit zugelassen wird.“


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Dreizehnte Offenbarung im Buch der Fragen

Gott Vater spricht: „Es war ein Herr, dessen Diener zu ihm sagte: „Sieh, dein Acker ist gepflügt und die Wurzeln ausgerodet. Wann sollen wir nun den Weizen säen?“ Der Bauer antwortete ihm: „Wenn es auch aussieht, als wären die Wurzeln ausgerodet, sind doch alte Stubben Übriggelassen. Sie sollen im Frühling vom Regen und Wind aufgelöst werden. Warte deshalb bis zur Zeit des Säens!“

Da fragte ihn der Diener: „Was soll ich zwischen Frühling und der Erntezeit tun?“ Der Bauer erwiderte: „Ich kenne fünf Plätze. Jeder, der zu ihnen kommt, wird fünffache Frucht erhalten, wenn er nur rein, frei von Hochmut und brennend vor Liebe kommt. Am ersten Platz war ein Gefäß, verschlossen und doch nicht verschlossen, klein und doch nicht klein, leuchtend und doch nicht leuchtend, leer und doch nicht leer, rein und doch nicht rein.

An dem zweiten Platz wurde ein Löwe geboren, der zu sehen und doch nicht zu sehen war, den man hörte und doch nicht hörte, den man berühren und doch nicht berühren konnte, der bekannt wurde und doch unbekannt war, den man halten konnte und doch nicht. An dem dritten Platz war ein Lamm, das geschoren und doch nicht geschoren war, das verwundet und doch nicht verwundet war, das blökte und doch nicht blökte, das litt und doch nicht litt, das verendete und doch nicht starb.

An dem vierten Platz lagerte eine Schlange, die ruhte und doch nicht ruhte, die sich rührte und doch nicht rührte, die hörte und doch nicht hörte, die sah und doch nicht sah, die fühlte und doch nichts spürte. Auf dem fünften Platze war ein Adler, der flog und doch nicht flog, der an den Platz kam, den er nie verlassen hatte, der ruhte und doch nicht ruhte, der sich erneuerte und doch nicht erneuerte wurde, der sich freute und doch nicht freute, der geehrt wurde und doch nicht geehrt wurde.“

Auslegung und Erklärung
Der Vater sagte: „Das Gefäß, über das ich mit dir gesprochen habe, war Maria, die Tochter Joachims, die Mutter von Christi Menschengestalt. Sie war nämlich ein verschlossenes und doch unverschlossenes Gefäß. Sie war verschlossen für den Teufel, aber nicht für Gott. Wie ein Strom, der in ein Gefäß eindringen will, das seinen Weg hindert, aber es nicht kann, und sich deshalb einen anderen Eingang und Ausgang sucht, so wollte der Teufel, der ein Strom von Lastern genannt werden kann, mit seinen Ideen Marias Herzen nahen, aber er brachte es nicht fertig, ihre Seele zu der allerkleinsten Sünde zu bewegen, denn sie war gegen alle Versuchungen gefeit. Stattdessen floß der Strom meines Geistes in ihr Herz und erfüllte sie mit besonderer Gnade.

Zweitens war Maria, die Mutter meines Sohnes, ein kleines und doch kein kleines Gefäß, klein und gering in ihrer Demut und verachteten Stellung, groß und nicht klein in der Liebe zu meiner Göttlichkeit. Drittens war Maria ein leeres und doch kein leeres Gefäß, leer von aller Wollust und Sünde, aber nicht leer, sondern voll von himmlischer Lieblichkeit und aller Güte. Viertens war Maria ein leuchtendes und doch nicht leuchtendes Gefäß. Es war leuchtend, denn jede Seele ist zwar von mir geschaffen, aber Marias Seele wuchs zur Vollkommenheit allen Lichtes, so dass mein Sohn Wohnung in ihrer Seele nahm, über deren Schönheit sich Himmel und Erde freuten. Aber dieses Gefäß war nicht leuchtend vor den Menschen, denn sie verschmähte weltliche Ehre und Reichtum.

Fünftens war Maria ein reines und doch nicht reines Gefäß – rein, denn sie war ganz und gar schön, und es gab bei ihr nicht so viel Unreinheit, dass eine Nadelspitze daran befestigt werden konnte, und doch nicht rein, denn sie war aus Adams Geschlecht hervorgegangen und von Sündern geboren, jedoch empfangen ohne Sünde, damit mein Sohn ohne Sünde von ihr geboren und erzogen wurde, nicht bloß gereinicht werden, sondern auch ein Gefäß zu meiner Ehre werden.
Der zweite Platz ist Bethlehem, wo mein Sohn wie ein Löwe geboren wurde. Er wurde in seiner Menschengestalt gesehen und gehalten, aber in seiner Göttlichkeit war er unsichtbar und unbekannt.

Der dritte Platz ist der Kalvarienberg, wo mein Sohn als ein unschuldiges Lamm verwundet und in seiner menschlichen Gestalt gestorben ist, er, der in seiner Göttlichkeit nicht leiden und nicht sterben konnte.
Der vierte Platz war der Kräutergarten, wo mein Sohn begraben wurde. Dort wurde seine Menschengestalt beigesetzt und ruhte wie eine verächtliche Schlange, doch in seiner Göttlichkeit war er überall.
Der fünfte Platz war der Ölberg, von dem mein Sohn in seiner menschlichen Form wie ein Adler auf gen Himmel fuhr, doch in seiner Göttlichkeit war er ja immer dort. Er wurde erneuert und ruhte in seiner menschlichen Gestalt, aber in seiner Göttlichkeit hatte er immer geruht und ist immer derselbe gewesen.

Wer deshalb rein und mit gutem und vollkommenen Willen an diese Plätze kommt, der wird sehen und schmecken dürfen, wie lieblich und herrlich ich, Gott, bin. Wenn du selbst an diese Plätze kommst, werde ich dir noch mehr zeigen.“

 

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