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Die himmlischen Offenbarungen 
der heiligen Birgitta - 1.Buch

   
   





  

Anfang des 1. Buches

Das erste Buch, das in seiner Gesamtheit in Schweden 1344-49 erschienen ist, enthält religiöse Betrachtungen und ermahnt zur Buße.

Inhalt 1. Buch

1. Christus erinnert an seine Wohltaten für die Menschen und an die Undankbarkeit der Menschen gegen ihn. Er ermahnt Birgitta, ihn zu lieben.
2. Christus hat Birgitta als seine Braut angenommen. Jetzt erinnert er sie an die Verpflichtungen, die diese große Auszeichnung mit sich bringt. Ihn, ihren Bräutigam, soll sie vor alles andere setzen.
3. Christus ermahnt Birgitta zur Gottesliebe und weist sie auf Magister Mattias, Domherrn zu Linköping, hin, der ihre Kenntnisse in katholischer Glaubenslehre vervollkommen soll. Die von Prior Petrus in Alvastra verfasste Erklärung bezeugt Mattias’ theologische Gelehrsamkeit und meint zwei seiner literarischen Werke: Seine Bibelkonkordanz und seine Einleitung in das erste Buch der Offenbarungen. Mattias dürfte 1350 verstorben sein, als Birgitta eben in Rom angelangt war. Über seinen seligen Tod empfing Birgitta, wie hier angedeutet wird, eine Offenbarung.
4. Birgitta hat sich nach Empfang der vorigen Offenbarung die Frage gestellt, wie weit sie von den Mächten des Lichtes oder der Finsternis abstammten. Christus zerstreut nun ihre Befürchtungen und lehrt sie, wie man zwischen guten und bösen Eingebungen unterscheiden soll. Ein verständiger geistlicher Führer – hier wird die Rolle von Mattias oder Prior Petrus angedeutet, kann sie vor Verirrungen auf diesem Gebiet bewahren. Am Schluß des Kapitels wird das Misstrauen und die Verachtung angedeutet, die Birgitta und viele andere eifrige Christen von einer mehr skeptischen Umgebung erfahren mussten.
5. Christus klagt über das Auftreten der bösen Menschen und bedroht sie mit seiner gerechten Strafe, doch sollen sie, falls sie sich bessern, Erbarmung finden. Die Verachtung, der die Frommen ausgesetzt sind, wird auch hier angedeutet.
6. Christus sendet seine Ritter aus, d.h. die wahren Gottesfreunde, um seine Kirche zu reinigen. Er ermahnt sie, in dem bevorstehenden Kampfe treu zu sein. (Mehrere Personen in Birgittas Umgebung könnten als solche Ritter bezeichnet werden, z.B. ihr Bruder Israel Birgersson und ihr Freund, Bischof Hemming von Åbo. Durch Birgittas Verkündigung wurden neue Persönlichkeiten zum Adel und der Priesterschaft erweckt).
7. Maria ermahnt Birgitta zu einem Leben in der Nachfolge Christi.
8. Maria lehrt Birgitta ein Gebet, in dem Gott für die Wohltaten gepriesen wird, die er dieser seiner jungfräulichen Mutter erwiesen hat.
9. Maria erzählt Birgitta von der Ehe ihrer Eltern, von ihrer eigenen unbefleckten Empfängnis, von ihrer Aufnahme in den Himmel und von der großen Macht, den Menschen zu helfen, die sie von ihrem göttlichen Sohn empfangen hat. Das Kapitel ist bemerkenswert wegen seiner Mariologie.
10. Maria erzählt Birgitta von ihrer eigenen Kindheit und Jugend, von der Verkündigung von Jesu Geburt und von der Geburt selbst, von Jesu Kindheit und seiner Kreuzigung. Die ausführliche Beschreibung der Kreuzigung ist die erste in einer Reihe von drei Passionsberichten (die beiden anderen finden sich im 70. Kapitel des 4. Buches und im 16. Kapitel des 7. Buches).
11. Christus beschreibt Birgitta sein Leiden und deutet an, wie sie ihm in diesem Leiden ähnlich werden kann, nämlich durch ein frommes und enthaltsames Leben.
12. Birgittas Schutzengel betet zu Christus für sie, und Chr. antwortet dem Engel, dass er um ihrer Gebete willen ihr Gerechtigkeit und Barmherzigkeit widerfahren lassen wird.
13. Christus beschreibt Birgitta die Seele eines sündigen Priesters. Nach dem Zusatz von Petrus Olovsson handelt es sich um einen Prior in einem Zisterzienserkloster. Steffen identifiziert ihn mit Abt Ragnvald in Alvastra (Steffen, S. 3-5).
14. Christus beschreibt Birgitta solche Menschen, die ihm mit dem Gedanken an weltliche Vorteile dienen, solche, die ihm mit sklavischer Furcht dienen, und solche, die das aus selbstloser Liebe tun.
15. Christus beschreibt Birgitta die Menschen, die die Genüsse der Welt wählen, und die, die ihn selbst wählen. Er deutet an, was es bedeutet, ihm auf dem Wege des Verzichts nachzufolgen, und wie schlecht sich die verhalten, die seine guten Gaben genießen, aber es ablehnen, ihm zu dienen.
16. Vor Birgittas Augen streiten sich die Jungfrau Maria und der Teufel um das Recht an der Seele einer noch lebenden Frau. Der Disput, der die kommenden himmlischen Gerichtsszenen vorwegnimmt, endet damit, dass die Jungfrau Maria die Frau aus der Gewalt des Teufels befreit. Nach dem Zusatz von Petrus Olovsson handelt es sich um eine Dirne, die sich von Birgitta zu einem besseren Leben bekehren läßt. Die Frau wird auch in der Lebensbeschreibung der beiden Beichtväter und im Vorwort von Magister Mattias erwähnt. Sie ist wahrscheinlich identisch mit der Margareta, die an ein paar Stellen in den Acta et processus canonizacionis beate Birgitta, S. 19, 585 genannt wird.
17. Christus beschreibt Birgitta eine hochmütige und raubgierige Person; nach dem Zusatz von Petrus Olovsson ein Schwedischer Edelmann.
18. Christus gibt zum ersten Mal Anweisungen über das Kloster, das Birgitta bauen soll. Es handelt sich um ein Doppelkloster, wo „eine starke Mauer“ die Männerabteilung von der der Frauen trennt. Betreffs der ökonomischen Beiträge zu dem künftigen Kloster sagt Christus, dass diese Spenden nicht aus unrechtmäßig erworbenen Gütern bestehen dürfen.
19. Christus beklagt sich bei Birgitta über die Undankbarkeit der Menschen im gegenüber und droht mit einem strengen Gericht.
20. Christus schärft Birgitta ein, welche Enthaltsamkeit und Demut sich für sie in ihrer Eigenschaft als seine Braut geziemt.
21. Christus beklagt sich über einen sündigen alten Mann, der vergisst, die Wohltaten Christi zu betrachten und eigentlich mit mit einem hässlichen Frosch verglichen werden kann. Birgitta soll Christus mehr lieben und sich an seine Liebe erinnern.
22. Maria erklärt Birgitta, wie nützlich es für gute Menschen ist, in einer schlechten Umgebung zu leben und erinnert sie daran, dass die, die gelegentlich böse sind, sich vielleicht in Zukunft bessern werden.
23. Christus tadelt einen Kirchenfürsten mit den strengsten Worten, der ein weltliches Leben führt und es versäumt, seine Untergebenen zu korrigieren. Man hat vermutet, dass das Kapitel auf Papst Clemens VI. (1342-52) anspielt. Auf Birgittas Ermahnung hin hatten zwei ihrer Freunde, Bischof Hemming von Åbo und Prior Petrus in Alvastra um 1346 versucht, diesen Papst zu ermahnen, seine Residenz zurück nach Rom zu verlegen und sich an die Reform der Kirche zu machen. Die Ermahnung hatte zu keinem Erfolg geführt. Das Kapitel darf – wenn die Deutung richtig ist (siehe Steffen, S. 5) als ein Niederschlag von Missvergnügen mit dem ungehorsamen Kirchenfürsten gedeutet werden. – Laurentius, der in der Erklärung spricht, ist ein berühmter Märtyrer der alten Kirche, der 258 in Rom auf einem glühenden Rost zu Tode gefoltert wurde und sowohl in Schweden wie auch in der ganzen übrigen Christenheit verehrt wurde.
24. Christus, Maria und die Engel klagen vor Gott Vater über den traurigen Zustand der Kirche.
25. Christus kommt von neuem auf die Frage zurück, warum er so lange die Bösen erträgt, und antwortet, das geschehe deshalb, dass die Bösen gleichwohl etwas Gutes getan haben, wofür sie belohnt werden müssten, und dass ihre Bosheit die Guten zu nützlicher Prüfung und Zucht veranlasst.
26. Christus erklärt Birgitta, wie Adam und Evas eheliches Zusammenleben sich gestaltet hätte, wenn sie nicht in Sünde gefallen wären. Er tadelt scharf die egoistischen Berechnungen der modernen Menschen, wenn sie eine Ehe eingehen, und deutet die Beschaffenheit einer rechten, geistlichen Ehe an.
27. Maria schildert Birgitta die Pein ihres Sohnes Christi und ihre eigene Trübsal, als sie das erlebte.
28. Birgitta muß erleben, wie die Seele eines verstorbenen Adligen zu ewiger Qual wegen seiner Bosheit verurteilt wird. Es ist die erste der himmlischen Gerichtsszenen, die sie erzählt.
29. Maria tadelt Frau Hochmut und ihre Freunde und verspricht stattdessen ihren eigenen Getreuen die Hilfe des Himmels.
30. Christus klagt über die bösen Menschen, die ihn sozusagen von neuem kreuzigen, und ermahnt Birgitta, ihn zu lieben im Hinblick auf die Liebe, die er ihr selbst entgegenbringt.
31. Johannes der Täufer preist Maria und schildert Maria ihre Tugenden.
32. Christus spricht mit Maria über drei von Dämonen besessene Personen, von denen zwei niemals geheilt wurden, während die dritte durch Birgittas Hilfe befreit wurde.
33. Christus tadelt die weltlichen weisen, d.h. solche Theologen, die sich aus weltlichen Beweggründen Gelehrsamkeit verschafft haben, und gibt das rechte Motiv für alle Forschung an, nämlich die Liebe zu Gott.
34. Christus und der Teufel führen ein Zweigespräch, dem Birgitta zuhören darf. Der Teufel drückt seinen Neid auf die reichen geistlichen Gaben aus, die Birgitta zuteil geworden sind, und Christus erklärt, warum er ihr die gegeben hat: Um seine eigene Ehre in aller Demut dem Sünder zu geben und so die Hochmut des Teufels zu beschämen.
35. Maria spricht mit Birgitta von ihrer Trauer bei Christi Tod. Das Kapitel kann als Ausdruck für die Verehrung des Herzens Maries und für den Glauben an Maria’s Stellung als „Miterlöserin“ gelten, die beide im katholischen Frömmgkeitsleben unserer Tage einen starken Aufschwung erlebt haben.
36. Birgittas Schutzengel betet zu Christus, dass es Birgitta vergönnt sein möge, rechtzeitig Buße für ihre Sünden zu tun. Christus bewilligt das Gebet und gibt Birgitta Anweisungen für Reue und Buße.
37. Maria beschreibt Birgitta, wie Christus von neuem von denen gekreuzigt wird, die sich nicht von Sünde enthalten wollen, sondern sich verhärten; diese kreuzigen ihn, sagt sie, viel grausamer, als wie es die Juden früher taten.
38. Christus deutet die verschiedene Art der Menschen an, auf die Botschaft der Birgitta zu reagieren.
39. Christus klagt darüber, dass die Menschen ohne einen Gedanken an Vergeltung und Gericht leben, verblendet wie sie sind.
40. Christus deutet an, wie unpassend es ist, im Überfluß zu leben, wenn er, der Herr von allen, im Armut und Entsagung lebte.
41. Ebenso wie Kap. 23 richten sich diese Worte Christi an Papst Clemens VI., der durch Bischof Heming und Prior Petrus auf Birgittas Botschaft hören konnte, ohne jedoch davon beeindruckt zu sein; ferner ermahnen sie alle Christgläubigen und außerdem Juden und Heiden, Buße zu tun.
42. Maria beschreibt, dass sie wie ein Spiegel ist, in dem sich die Gottheit wiederspiegelt.
43. Christus schildert das allmähliche Anwachsen von Tugend und Sünde und ihre schließlichenFrüchte.
44. Christus klagt darüber, dass die Menschen den Tod und das Gericht vergessen. Er stellt eine erweckende Verkündigung in Aussicht; damit ist wahrscheinlich Birgittas Mission gemeint.
45. Engel, Propheten, Apostel, die Jungfrau Maria und sogar die Dämonen bezeugen Gottes Macht und Herrlichkeit. Die Menschen auf Erden sind die einzigen, die Gott verachten. Deshalb sollen sie streng bestraft werden, sagt Christus. Dennoch will er sie noch einmal warnen.
46. Christus beklagt sich über Schmähungen der Menschen und besonders über drei Männer, die ihn in Birgittas Abwesenheit gelästert haben.
47. Christus schildert das neue Gesetz d.h. die Lehre des Neuen Testaments, und sagt, dass dies nun von den Menschen vergessen ist, und am allermeisten von den Priestern, die mehr nach schnödem Gewinn trachten, als nach der Vermehrung von Gottes Ehre und der Errettung der Seelen. Er spricht eine strenge Drohung über solche Priester aus.
48. Christus setzt seine Klage über die treulosen Priester fort, die er mit abtrünnigen Juden vergleicht. Er deutet an, welchen schrecklichen Einfluß ihr schlechtes Beispiel ausübt, und droht ihnen mit seiner Strafe.
49. Die schlechten Priester treiben ihn fort, sagt Christus; er wird sich deshalb an die wenden, die bereit sind, ihn zu empfangen.
50. Maria betet zu Christus für die Menschen im Fegefeuer und auf Erden. Christus bewilligt ihre Bitten. Das Kapitel ist bemerkenswert für seinen Hinweis auf die Jungfrau Maria als Vermittlerin aller Gnaden, ein Thema, das die Mariologen unserer Tage sehr beschäftigt.
51. Christus preist seine Mutter und erklärt, wie ihre Tugenden die der Engel und der alttestamentlichen Heiligen übertreffen.
52. Christus ermahnt Birgitta, ihre Offenbarungen durch Matthias, ihren Freund und Lehrer, Erzbischof Hemming von Uppsala und anderen Bischöfen vorzulegen. Auch dem Papst mögen sie vorgelegt werden. – Das geschah auch; die schwedischen Prälaten dürften an den Offenbarungen im Jahre 1345 teilgenommen haben. Bischof Hemming von Åbo und Prior Petrus von Alvastra leiteten sie irgendwann in den nächsten Jahren zu Papst Clemens weiter.
53. Christus klagt darüber, dass die Menschen die Welt mehr lieben als ihn selbst, droht ihnen mit seiner Strafe, aber stellt doch sein Erbarmen mit denen in Aussicht, die sich bekehren. Weiter gibt er denen Ratschläge, die Birgittas Erweckungspredigt an die Menschen ihrer Zeit weitergeben.
54. Ein Engel lehrt Birgitta, zwischen den guten Eingebungen, die von ihm selbst stammen, und den bösen Eingebungen zu unterscheiden, die vom Teufel stammen. – Weiter beschreibt Maria, wie die Frommen seit der Zeit des AT darauf warteten, dass Christus sie aus dem Totenreich befreien würde.
55. Mit Hilfe eines Gleichnisses schildert Christus, wie die Richter (= Priester), die Verteidiger (= Adlige) und die Arbeiter (= Allgemeinheit) in der von ihm begründeten Stadt (= Kirche) ihm anfangs treu waren, ihn aber in letzter Zeit im Stich gelassen haben, um der Welt zu dienen.
56. Christus setzt seine Klage über die Priester, die Adligen und die Allgemeinheit fort. Noch einmal will er sie warnen, und dies soll durch die Botschaft geschehen, die Birgitta empfängt und sie durch ihre priesterlichen Freunde weitervermitteln lässt. Wenn sie nicht auf diese Botschaft hören wollen, haben sie Strafe zu erwarten.
57. Christus klagt über die schlechten Christen, droht ihnen mit Strafe, stellt aber denen, die Buße tun, Vergebung in Aussicht. Er deutet an, dass er dazu kommt, die unbußfertigen Christen zu verlassen, um sich stattdessen an die Heiden zu wenden – es ist der Kreuzzugsgedanke, der uns schon in Birgittas Offenbarungen begegnet.

58. Christus antwortet auf die Ungerechtigkeit und kurzsichtigen Klagen der Menschen über seinen Erlösungsplan.

59. Christus schildert mit Hilfe eines Gleichnisses die Priester früherer Zeiten und ihren Eifer um die Seelen sowie die heutigen Priester, die pflichtvergessen und selbstsüchtig sind. Die guten Christen werden ermahnt, den jetzigen beklagenswerten Zustand in der Kirche zu bessern.

60. Christus ermahnt Birgitta, den Magister Mattias ihre Botschaft weitervermitteln zu lassen. Als Kriterium für die Wahrheit ihrer Botschaft soll man sich an Dämonenaustreibungen halten, die durch Birgitta geschehen sind.

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Hier beginnt das erste Buch der himmlischen Offenbarungen der hl. Birgitta von Schweden.

 

Worte unseres Herrn Jesus Christus an seine hochgeliebte, auserwählte Braut zur Bestärkung seiner hochheiligen Annahme von Menschengestalt und über die Verwerfung, Entheiligung und das Schwinden unseres Glaubens und der Taufe, und wie er diese seine geliebte Braut ermahnt, ihn zu lieben.
 
1. Kapitel

Christus erinnert an seine Wohltaten für die Menschen und an die Undankbarkeit der Menschen gegen ihn. Er ermahnt Birgitta, ihn zu lieben.

Ich bin der Schöpfer des Himmels und der Erde, eine Person in der Gottheit mit dem Vater und dem Heiligen Geist. Ich bin der, der durch die Propheten und die Erzväter geredet hat, und den sie erwarteten. Um ihrer Sehnsucht und meiner Verheißung willen nahm ich fleischliche Gestalt ohne Sünde und Begierde an, indem ich wie die strahlende Sonne durch den klarsten Edelstein in den Schoß einer Jungfrau einging. Denn wie die Sonne nicht das Glas beschädigt, wenn sie durch es hindurchdringt, so wurde auch die Jungfräulichkeit der Jungfrau nicht zerstört, als ich Menschengestalt annahm.

Ich nahm fleischliche Gestalt auf solche Weise an, dass ich die Gottheit nicht verließ. Und ich war nichtsdestoweniger in der Gottheit mit dem Vater und dem Hl. Geist und lenkte und erfüllte alles, obwohl ich mit meiner menschlichen Gestalt noch im Schoße der Jungfrau war. Denn so wie der Strahlenglanz nie vom Feuer geschieden werden kann, so ist meine Gottheit nie von meiner Menschlichkeit geschieden, nicht einmal im Tode. Dann habe ich gewollt, dass dieser von Sünde völlig reine Leib für die Sünde von allen vom Scheitel bis zur Sohle zerfleischt und gekreuzigt werden sollte. Er wird nun täglich auf dem Altar geopfert, damit der Mensch mich umso mehr lieben soll und sich meiner Wohltaten umso öfter erinnern soll. Jetzt bin ich dagegen ganz vergessen, übergangen und verachtet. Ich bin wie ein König, der aus seinem eigenen Reich vertrieben ist, und an dessen Stelle der gemeinste Räuber erkoren und geehrt worden ist.

Ich habe nun gewollt, dass meine Herrschaft im Menschen sein soll, und über ihn sollte ich mit recht König und Herr sein, nachdem ich ihn geschaffen und erlöst habe. Nun hat er jedoch den Glauben gebrochen und entweiht, den er mir in der Taufe versprochen hat; er hat meine Gesetze gekränkt und verachtet, die ich im verordnet habe. Er liebt seinen eigenen Willen und verschmäht es, auf mich zu hören. Stattdessen erhöht er den elenden Räuber, den Teufel über mich, und ihm hat er seinen Glauben geschenkt. Dieser ist wirklich ein Räuber, denn dadurch, dass er dem Menschen böse Dinge eingibt und er ihm falsche Versprechungen macht, zieht er die Seele des Menschen an sich, die ich mit meinem Blut erlöst habe. Er raubt sie nicht deshalb, um mächtiger zu sein als ich – denn ich bin so mächtig, dass ich alles durch mein Wort vermag, und so gerecht, dass ich nicht das Geringste gegen die Gerechtigkeit vermag, auch wenn alle Heiligen mich darum bitten würden. Aber nachdem der Mensch, der mit einem freien Willen ausgerüstet ist, freiwillig meine Gebote verschmäht und dem Teufel sein Einverständnis erklärt, so ist es nut gerecht, dass er seine Tyrannei erfährt.

Denn dieser Teufel, der von mir gut erschaffen ist, aber durch seinen bösen Willen gefallen ist, ist so als mein Diener für die Strafe der Bösen bestimmt. Aber obwohl ich jetzt so verachtet bin, bin ich gleichwohl so barmherzig, dass ich denen, die um meine Barmherzigkeit bitten und sich demütigen, vergeben will. Aber die, die damit fortfahren, mich zu verachten, die werde ich mit meiner Gerechtigkeit heimsuchen, so dass die, die gehorchen, leben müssen, und die, die sie erfahren, sagen müssen: „Wehe uns, dass wie den herrn der Majestät jemals zum Zorn gereizt haben!“ Aber du, meine Tochter, die ich mir erwählt habe und mit der ich in meinem Geist rede, liebe du mich von deinem ganzen Herzen, nicht so, wie du einen Sohn oder eine Tochter oder Verwandte liebst, sondern mehr als alles andere auf der Welt. Denn ich, der dich geschaffen hat, ich habe um deinetwillen nichts von meinen Gliedern vor dem Leiden verschont. Und ich liebe deine Seele noch so innig, dass ich – ehe ich auf sie verzichten will – mich noch einmal für sie kreuzigen lassen würde, wenn das möglich wäre.

Ahme meine Demut nach, denn ich, der König der Ehre und der Engel, wurde in schäbige Lumpen gekleidet, stand nackt an der Geißelsäule und hörte mit eigenen Ohren allen Schimpf und alle Schmähung. Setze auch meinem Willen vor den deinen, denn meine Mutter, deine Herrscherin, hat von Anfang bis Ende nur das gewollt, was ich auch wollte. Wenn du das tust, so wird dein Herz stets in meinem Herzen sein und von meiner Liebe entzückt werden, so wie etwas Dürres leicht vom Feuer entzündet wird.

So soll deine Seele von mir erfüllt sein, und ich werde in dir sein, so dass alles Zeitliche dir bitter werden soll, und alles fleischliche Begehren zu einem Gift. Du sollst in den Armen meiner Gottheit ruhen, wo sich kein fleischliches Begehren findet, sondern nur die Freude und das Ergötzen des Geistes, wodurch die entzückte Seele bis ins Innere und im Äußeren berauscht und von Freude erfüllt wird, so dass sie an nichts anderes denkt und nichts anderes begehrt, als die Freude, die sie hat. Liebe also allein mich, so wirst du alles bekommen, was du willst, und überfluß haben. Steht es nicht geschrieben, dass das Öl der Witwe nie versiegt, ehe der Herr nach den Worten des Propheten Regen auf Erden fallen ließ.[1] Ich bin der wahre Prophet. Wenn du meinen Worten glaubst und sie erfüllst, wird das Öl, die Freude und der Jubel nie in Ewigkeit für dich ausgehen.“

[1]. Könige 17.

 

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Worte unseres Herrn Jesus Christus an die Tochter, die er nun zu seiner Braut angenommen hat, über die Artikel desselben Glaubens, und was die Schmuckstücke, die Zeichen und der Wille sind, die sie haben soll, um dem Bräutigam zu gefallen.
 
2. Kapitel

Christus hat Birgitta als seine Braut angenommen. Jetzt erinnert er sie an die Verpflichtungen, die diese große Auszeichnung mit sich bringt. Ihn, ihren Bräutigam, soll sie vor alles andere setzen.

Ich bin der Schöpfer des Himmels, des Erde und all dessen, was darin ist. Ich bin eins mit dem Vater und dem heiligen Geist, nicht wie die Götter aus Stein oder Gold, über die vorher gesprochen wurde, und nicht mehrere Götter, mit denen man früher rechnete, sondern ich bin ein einziger Gott, Vater, Sohn und Hl. Geist, drei Personen, aber eins im Wesen, der alles erschafft und von keinem erschaffen ist, unveränderlich, allmächtig, bestehend, ohne irgendeinen Anfang und ohne irgendein Ende. Ich bin der, der von der Jungfrau geboren wurde, aber die Gottheit nicht verlor, sondern sie mit dem Menschsein vereinigte, so dass ich in einer Person Gottes wahrer Sohn und Sohn der Jungfrau sein würde. Ich bin der, der am Kreuz hing, starb und begraben wurde, während ich die Göttlichkeit unbeschadet bewahrte. Denn obwohl ich in Menschengestalt und im Fleische starb, das ich, der einzige Sohn, angenommen habe, so lebte ich doch in der Göttlichkeit, in der ich ein einziger Gott mit dem Vater und dem Hl. Geiste war.

Ich bin derselbe, der von den Toten auferstand und zum Himmel aufstieg, und der jetzt in meinem Geist mit dir redet. Ich habe dich erwählt und dich zu meiner Braut genommen, um dir meine Geheimnisse zu zeigen, denn so gefällt es mir. Du bist auch mit gewissem Recht mein geworden, da du beim Tode deines Mannes deinen Willen in meine Hände gelegt hast, und wie du nach seinem Tode gleichwohl bedacht hast, wie du um meinetwillen arm werden könntest, und darum gebetet hast. Du hast alles meinetwegen aufgeben wollen, und deshalb bist du mit Recht mein geworden. Ich muß um deiner großen Liebe willen für dich sorgen. Daher nehme ich dich zu meiner Braut und zu meiner eigenen Lust, wie es Gott geziemt, sie mit keuscher Seele zu haben.

Der Braut kommt es zu, bereit zu sein, wenn der Bräutigam Hochzeit feiern will, auf dass sie passend gekleidet und rein sein mag. Du reinigst dich in angemessener Weise, wenn dein Denken ständig um deine Sünden kreist: Wie ich dich in der Taufe von Adams Sünde gereinigt habe, und wie oft ich mit dir Geduld und Nachsicht hatte, wenn du in Sünde fielst. Die Braut muß auch das Zeichen des Bräutigams in der Brust haben, d.h. du musst auf die Wohltaten und Werke achtgeben, die ich für dich getan habe: Wie edel ich dich erschaffen habe, indem ich dir Leib und Seele gab, wie edel ich dich bereichert habe, indem ich dir Gesundheit und zeitliche Dinge gab, wie lieblich ich dich erlöst habe, als ich für dich starb und dir dein Erbteil wieder herstellte, wenn du es ja haben willst. Die Braut muß auch den Willen des Bräutigams tun. Was ist mein Wille, wenn nicht, dass du mich über alles andere liebst und nichts anderes ersehnst, als mich?

Ich habe alles um des Menschen willen geschaffen und alles unter seine Befehlsgewalt gestellt, aber er liebt alles andere als mich und haßt nichts so wie mich. Ich habe ihm sein Erbteil, das er verloren hat, von neuem erkauft, aber er ist so wahnsinnig und so ohne Verstand, dass er lieber diese vergängliche Ehre haben will, die nichts anderes ist als der Schaum des Meeres, das sich eine Weile hoch wie ein Berg auftürmt, aber schnell wieder zu einem Nichts verschwindet, als die ewige Ehre, worin das immerwährende Gut ist. Aber wenn du, meine Braut, nichts anderes begehrst als mich, wenn du alles um meinetwillen verschmähst, nicht nur Kinder und Verwandte, sondern auch Ehrenbezeugungen und Reichtümer, so werde ich dir den kostbarsten und lieblichsten Lohn geben. Nicht Gold und Silber werde ich dir geben, sondern mich selbst als Bräutigam und Lohn – ich, der ich der König der Ehren bin. Aber wenn du dich schämst, arm und verachtet zu sein, so bedenke, wie es deinem Gott vor dir ergangen ist. Seine Diener und Freunde auf Erden haben ihn ausgeliefert, denn er besuchte keine weltlichen Freunde, sondern himmlische.
Und wenn du dich vor der Schwere der Arbeit und vor Krankheit fürchtest und davor erbebst, so bedenke, wie schwer es ist, im Feuer zu brennen. Was würdest du nicht verdienen, wenn du einen weltlichen Herrn so verunglimpft hättest wie mich? Wisse, dass ich – obwohl ich dich von ganzem Herzen liebe, doch nicht in einem einzigen Punkt gegen die Gerechtigkeit handle, aber so wie du mit allen Gliedern gesündigt hast, so musst du auch mit allen Gliedern Buße tun. Aber für deinen guten Willen und deinen Vorsatz, dich zu bessern, verwandele ich meine Gerechtigkeit in Barmherzigkeit, indem ich schwere Strafen für eine kleine Tat der Buße erlasse. Nimm daher willig diese kleine Mühe auf dich, auf dass du gereinigt den großen Lohn umso eher erlangen magst. Die Braut muß nämlich ebenso wie der Bräutigam von der Arbeit ermüden, so dass sie umso vertrauensvoller bei ihm ausruhen kann.

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Worte unseres Herrn Jesus Christus an die Braut; über die Unterweisung der Braut, ihn, den Bräutigam, zu lieben und zu ehren; und über den Hass des bösen auf Gott und ihre liebe zur Welt.
 
3. Kapitel

Christus ermahnt Birgitta zur Gottesliebe und weist sie auf Magister Mattias, Domherrn zu Linköping, hin, der ihre Kenntnisse in katholischer Glaubenslehre vervollkommen soll. Die von Prior Petrus in Alvastra verfasste Erklärung bezeugt Mattias’ theologische Gelehrsamkeit und meint zwei seiner literarischen Werke: Seine Bibelkonkordanz und seine Einleitung in das erste Buch der Offenbarungen. Mattias dürfte 1350 verstorben sein, als Birgitta eben in Rom angelangt war. Über seinen seligen Tod empfing Birgitta, wie hier angedeutet wird, eine Offenbarung.

Ich bin dein Gott und Herr, den du verehrst. Ich bin der, der Himmel und Erde mit meiner Macht erhält, und sie werden nicht von irgendwelchen anderen Dingen oder Pfeilern aufrecht erhalten. Ich bin der, der in Gestalt des Brotes täglich auf dem Altar als wahrer Gott und wahrer Mensch geopfert wird. Ich bin derselbe, der dich auserwählt hat. Ehre meinen Vater. Liebe mich. Sei meinem Geist gehorsam. Bezeuge meiner Mutter Ehre als deine Herrscherin. Ehre alle meine Heiligen. Bewahre den rechten Glauben von ihm, der den Zweikampf der beiden Geister, d.h. der Geister der Lüge und der Wahrheit, an sich selbst erfahren und mit meiner Hilfe gesiegt hat. Bewahre wahre Demut. Was ist wahre Demut, wenn nicht dies, sich so zu zeigen, wie man ist, und Gott für die guten Dinge preist, die er beschert hat?
Aber jetzt sind es viele, die mich und meine Taten hassen und meine Worte für Trübsal und Eitelkeit halten, aber stattdessen den Hurenbock, d.h. den Teufel, mit Liebe und mit Bitterkeit. Sie würden meinem Namen nicht bekennen, wenn sie sich nicht vor den Menschen schämten und sie fürchteten. Die Welt lieben sie so leidenschaftlich, dass sie weder Tag noch Nacht in der Arbeit für sie müde werden, und vor Liebe zu ihr glühen sie beständig. Ihr Dienst gefällt mir so, als wenn jemand seinem Feinde Pfennige geben würde, damit sein eigener Sohn erschlagen werde. So verfahren diese. Sie geben nämlich ein geringes Almosen und ehren mich mit den Lippen, damit sie weltlichen Erfolg haben und in ihrer Berühmtheit und in ihrer Sünde bleiben. Daher werden ihre guten Sinne abgetötet, und sie werden gehindert, Fortschritte im Guten zu machen. Aber wenn du mich von deinem ganzen Herzen lieben willst und nichts anderes begehrst als mich, so werde ich dich durch Liebe zu mir ziehen, wie der Magnet das Eisen anzieht, und dich auf meinen Arm legen, der so stark ist, dass niemand ihn auszustrecken vermag, so hart, dass niemand ihn zu beugen vermag, wenn er ausgestreckt ist, und so lieblich, dass er alle Wohlgerüche übertrifft, und dass die Genüsse der Welt keinem Vergleich damit standhalten.

Erklärung
Der Mann, der Christi Braut unterweisen sollte, war ein heiliger Magister der Theologie, der Magister Mattias weß, Domherr in Linköping. Er schrieb vortreffliche Kommentare zur ganzen Bibel. Er wurde vom Teufel auf eine sinnenreiche Weise mit vielen Hetzereien gegen den Kathol. Glauben versucht. Er besiegte sie jedoch alle mit Christi Hilfe und konnte vom Teufel nicht überwunden werden, wie es deutlich in der Lebensbeschreibung der hl. Birgitta steht. Dieser Magister Mattias hat den Prolog zu diesen Büchern geschrieben, der beginnt: Stupor et mirabilia ect. Er war ein heiliger Mann und mit geistlicher Macht in Taten und in der Verkündigung ausgerüstet. Als er in Schweden starb, war Christi Braut in Rom, und als sie da betete, hörte sie im Geist eine Stimme, die sagte: „O selig bist du, Magister Mattias, wegen der Krone, die dir im Himmel bereitet ist! Komm nun zu der Weisheit, die nimmer endet.“ Über ihn steht auch in diesem Buch, Kap. 52 zu lesen, ferner im Buch V, dritte Antwort auf die letzte Frage, sowie in Buch VI, Kap. 75 und 89.

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Worte unseres Herrn Jesus Christus an die Braut, dass sie sich nicht fürchten soll wegen dem, das ihr von ihm offenbart worden ist; und auch nicht denken soll, dass es von einem bösen Geist stamme, und über die Fähigkeit, einen guten und bösen Geist zu erkennen:
4. Kapitel

Birgitta hat sich nach Empfang der vorigen Offenbarung die Frage gestellt, wie weit sie von den Mächten des Lichtes oder der Finsternis abstammten. Christus zerstreut nun ihre Befürchtungen und lehrt sie, wie man zwischen guten und bösen Eingebungen unterscheiden soll. Ein verständiger geistlicher Führer – hier wird die Rolle von Mattias oder Prior Petrus angedeutet, kann sie vor Verirrungen auf diesem Gebiet bewahren. Am Schluß des Kapitels wird das Misstrauen und die Verachtung angedeutet, die Birgitta und viele andere eifrige Christen von einer mehr skeptischen Umgebung erfahren mussten.

Ich bin dein Schöpfer und Erlöser. Warum hast du dich vor meinen Worten gefürchtet? Und warum wolltest du wissen, von welchem Geist sie waren, einem guten oder bösen? Sag mir, was du in meinen Worten gefunden hast, das dir dein Gewissen nicht schon vorschrieb, es zu tun! Oder habe ich dir jemals etwas gegen deine Vernunft befohlen? Hierauf antwortete die Braut: „Keineswegs. All dies ist wahr, und ich bin in die Irre gegangen.“ Der Geist oder der Bräutigam erwiderte: „Ich habe dir drei Dinge vorgeschrieben, an denen du den guten Geist erkennen kannst. Ich habe dir geboten, deinen Gott zu ehren, der dich geschaffen hat und dir alles gegeben hat, was du besitzest. Dass du ihn über alle Dinge ehren sollst, das sagt dir deine Vernunft.

Ich habe dir weiter geboten, den rechten Glauben einzuhalten, d.h. zu glauben, dass ohne Gott nichts gemacht wurde und auch nichts gemacht werden kann. Ich habe dir auch geboten, eine vernünftige Enthaltsamkeit in allen Dingen zu üben. Die Welt ist nämlich um des Menschen willen geschaffen worden, damit der Mensch sie für seine Bedürfnisse nutzen soll. So kannst du auch an drei anderen Dingen ihren Gegensatz, den unreinen Geist erkennen. Der ermahnt dich, deinen eigenen Ruhm zu suchen und auf die Dinge stolz zu sein, die dir gegeben sind. Er ermuntert dich auch zum Aberglauben. Er fordert dich auf, dich mit allen Gliedern und in allen Dingen nicht Enthaltsamkeit zu üben, und dazu entzündet er dein Herz. Manchmal betrügt er andere auch in Gestalt des Guten. Daher habe ich dir geboten, allzeit dein Gewissen zu prüfen und es für weise, geistliche Männer zu öffnen.
Deshalb darfst du nicht zweifeln, dass Gottes guter Geist mit dir ist, wenn du nichts anderes ersehnst als Gott und ganz von ihm entzündet bist. Das kann nur ich tun, und es ist dem Teufel dann unmöglich, dir zu nutzen. Und er vermag auch nicht, einem bösen Menschen zu nutzen, sofern ich es nicht zulasse, entweder wegen seiner Sünden oder wegen irgendeines heimlichen Gerichtsurteils, das mir bekannt ist. Er ist nämlich mein Geschöpf, so wie alles andere, und von mir wurde er gut geschaffen, aber durch seine Bosheit ist er böse, und deshalb bin ich Herr über ihn. Deshalb unterstellen mir manche fälschlich eine Schuld, wenn sie sagen, dass die, die mir aus großer Frömmigkeit dienen, wahnsinnig und vom Teufel besessen sind. Sie meinen, ich gliche dem Mann, der eine keusche und fest auf ihren Mann vertrauende Gattin hat, aber sie zur Hurerei anstiftet. So soll ich sein, wenn ich einen rechtfertigen Menschen, der mich liebte, dem Teufel ausliefere. Aber da ich treu bin, wird der Teufel nicht über irgendeines Menschen Seele herrschen dürfen, die mir fromm dient.

Und wenn auch meine Freunde manchmal wie Wahnsinnige scheinen, so ist es nicht deshalb, dass der Teufel sie plagt oder dass sie mir mit glühender Frömmigkeit dienen, sondern auf Grund irgendeines Mangels im Gehirn oder wegen einer anderen heimlichen Ursache, die ihnen zu ihrer Demütigung gegeben ist. Es kann auch manchmal geschehen, dass der Teufel von mir Macht über den Leib von guten Menschen erhält, damit sie dann Vergeltung erfahren sollen, oder dass er ihr Gewissen verdunkelt. Aber niemals kann er über die Seelen derer herrschen, die ihren Glauben an mich und ihre Liebe für mich setzen.

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Christus spricht Worte der höchsten Liebe zu seiner Braut in einem wunderbaren Gleichnis von einer herrlichen Burg, mit der die kämpfende Kirche bezeichnet wird, und sagt, dass die Kirche Gottes auf die Gebete der ehrenreichen Jungfrau und der heiligen wiedererbaut werden soll.
 
5. Kapitel

Christus klagt über das Auftreten der bösen Menschen und bedroht sie mit seiner gerechten Strafe, doch sollen sie, falls sie sich bessern, Erbarmung finden. Die Verachtung, der die Frommen ausgesetzt sind, wird auch hier angedeutet.

Ich bin der Schöpfer aller Dinge, ich bin der König der Ehren und Herr der Engel. Ich habe mir eine herrliche Burg gegründet und meine Auserwählten darein gesetzt. Meine Feinde haben ihr Fundament durchgraben und sind so übermächtig über meine Freunde geworden, dass sie ihre Beine so im Stock gepresst haben, wobei das Mark aus den Beinen meiner Freunde herausdrängt. Ihr Mund wird mit Steinen verschlossen, und sie werden von Hunger und Durst geplagt. Außerdem verfolgt man auch ihren Herrn. Meine Freunde bitten nun mit Seufzen um Hilfe; die Gerechtigkeit ruft nach Rache, aber die Barmherzigkeit sagt, dass man schonen soll.
Dann sagte derselbe Gott zu der himmlischen Heerschar, die um ihn herumstand: „Was meint ihr von diesen, die meine Burg erobert haben?“ Alle antworteten wie mit einer Stimme: „Herr, in dir ist alle Gerechtigkeit, und in dir sehen wir alles. Du bestehst ohne Anfang und Ende, du Gottessohn. Dir ist alle Richtermacht gegeben. Du bist ihr Richter.“ Er antwortete: „Obwohl ihr alles in mir wisst und seht, so sagt dennoch das gerechte Urteil um dieser Braut willen, die hier steht.“ Sie sagten: „Das ist Gerechtigkeit, dass die, die Mauer untergraben haben, wie Diebe bestraft werden sollen. Und die, die in ihrer Bosheit beharren, sollen wie Gewalttäter bestraft werden. Und die gefangen sind, sollen befreit werden, und die Hungernden sollen gesättigt werden.“

Da sagte die Gottesmutter Maria, die bisher geschwiegen hatte: „Mein Herr und liebster Sohn, du warst wahrer Gott und Mensch in meinem Mutterlieb. Du hast mich mit deiner Gnade geheiligt, die ein irdisches Gefäß war. Ich flehe dich an: Erbarme dich noch einmal über sie.“ Da antwortete der Herr seiner Mutter: „Gesegnet sei das Wort deines Mundes. Es stieg wie der lieblichste Wohlgeruch zur Gottheit auf. Du bist die Ehre und die Königin aller Heiligen, denn von dir wird die Gottheit erquickt, und freuen sich alle Heiligen. Und nachdem dein Wille von Anbeginn deiner Jugend wie der meine war, würde ich noch einmal tun, was du willst“.

Aber zu der Heerschar (der Gläubigen) sagte er: „Nachdem ihr mannhaft gekämpft habt, werde ich mich noch einmal um eurer Liebe willen besänftigen lassen. Seht, ich werde meine Mauer um eurer Gebete willen wieder aufbauen. Ich will die befreien und heilen, die Gewalt gelitten haben, und für die Schmach, die sie erlitten haben, will ich sie hundertfach ehren. Aber wenn die Gewalttäter mich um Barmherzigkeit bitten so, werde ich ihnen Frieden und Erbarmen schenken. Die aber, die sie verachten, werden meine Gerechtigkeit kennenlernen.“
Dann sagte er zur Braut: „Meine Braut, ich habe dich erwählt und dich in meinen Geist eingeführt. Du hörst meine Worte und die meiner Heiligen. Obwohl die Heiligen alles in mir sehen, haben sie gleichwohl deinetwegen gesprochen, damit du verstehen sollst. Denn du, die noch im Fleische ist, kannst die Dinge in mir nicht so sehen, wie sie es können, die Geister sind. Jetzt will ich dir auch zeigen, was all dies bedeutet. Die Burg, von der ich sprach, ist die heilige Kirche, die ich mit meinem Blut und dem meiner Heiligen erbaut habe. Ich habe sie mit dem Mörtel meiner Liebe zusammengefügt und habe meine Auserwählten und meine Freunde in diese Burg gesetzt. Ihr Fundament ist der Glaube, nämlich der Glaube daran, dass ich ein gerechter und barmherziger Richter bin.

Jetzt ist jedoch das Fundament untergraben, denn sicher glauben alle und verkünden, dass ich barmherzig bin, aber fast niemand verkündet oder glaubt, dass ich ein gerechter Richter bin. Sie halten mich für einen verkehrten Richter. Denn verkehrt würde der Richter sein, der aus Barmherzigkeit die Ungerechten ungestraft lassen würde, so dass die Ungerechten die Gerechten noch mehr unterdrücken könnten. Aber ich bin ein gerechter und barmherziger Richter, denn ich lasse nicht einmal die geringste Sünde ungestraft oder die geringste gute Tat unbelohnt. Dadurch, dass sie diese Mauer untergruben, gingen sie in die heilige Kirche hinein; die, welche ohne Furcht sündigen, verneinen, dass ich gerecht bin und meine Freunde ebenso schwer plage, wie die, die im Stock sitzen. Denn für diese meine Freunde gibt es keine Freude oder Trost, sondern ihnen wird alle Schmach und Plage zugefügt, wie vom Teufel Besessenen. Wenn sie die Wahrheit von mir sagen, werden sie widerlegt und der Lüge beschuldigt. Sie haben eine mächtige Sehnsucht, recht zu hören oder zu reden, aber es gibt keinen, der sie hört oder recht mit ihnen redet.

Ich, der Herr und Schöpfer, werde gelästert. Die Menschen sagen nämlich: „Wir wissen nicht, ob er Gott ist. Und wenn er es ist, kümmern wir uns nicht darum.“ Sie stürzen mein Banner um und trampeln es unter die Füße, indem sie sagen: „Warum hat er gelitten? Was nützt uns das? Wenn er unseren Willen zufrieden stellen will, reicht uns das aus. Mag er sein Reich und den Himmel haben.“ Ich will zu ihnen eingehen, aber sie sagen: „Eher wollen wir sterben, als unseren Willen übergeben.“ Sieh, meine Braut, wie sie sind! Ich habe sie gemacht, und mit einem Wort könnte ich sie vernichten. Wie überheben sie sich doch gegen mich! Nun bin ich um der Bitten meiner Mutter und aller Heiligen willen noch so barmherzig und geduldig, dass ich ihnen meine Worte senden will, die aus meinem Munde gingen, und ihnen meine Barmherzigkeit anbiete. Wenn sie die annehmen wollen, will ich mich besänftigen lassen, wenn nicht, sollen sie meine Gerechtigkeit kennenlernen, und sie werden und sollen öffentlich von Engeln und Menschen wie Diebe entehrt werden und von allen verurteilt werden. Denn so wie die am Galgen aufgehängten Menschen von Raben verzehrt werden, so werden diese von dem Teufel verschlungen werden, aber doch nicht vernichtet werden. Und so wie die, die am Stock bestraft werden, dort keine Ruhe finden, so werden diese überall Schmerzen und Bitterkeit haben.
Die brennendste Flut wird in ihren Mund fließen, aber ihr Bauch wird doch nicht gefüllt werden, sondern sie werden zur Strafe Tag für Tag erneuert werden. Meine Freunde werden dagegen erlöst und von den Worten erquickt werden, die aus meinem Mund ergehen. Sie sollen meine Gerechtigkeit im Verein mit Barmherzigkeit sehen. Ich werde sie in den Waffenrock meiner Liebe Kleiden und sie so stark machen, dass die Widersacher des Glaubens wie Kot zurückfallen und sich auf ewig schämen werden, wenn sie meine Gerechtigkeit zu sehen bekommen; ja schämen werden sie sich, nachdem sie meine Geduld missbraucht haben.“

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Christi Worte an die Braut darüber, wie sein Geist nicht mit den Ungerechten sein kann, von der Trennung der Bösen von den Guten und von der Aussendung guter Männer, bewaffnet mit geistlichen Waffen im Krieg d.h. mit der Welt.
 
6. Kapitel

Christus sendet seine Ritter aus, d.h. die wahren Gottesfreunde, um seine Kirche zu reinigen. Er ermahnt sie, in dem bevorstehenden Kampfe treu zu sein. (Mehrere Personen in Birgittas Umgebung könnten als solche Ritter bezeichnet werden, z.B. ihr Bruder Israel Birgersson und ihr Freund, Bischof Hemming von Åbo. Durch Birgittas Verkündigung wurden neue Persönlichkeiten zum Adel und der Priesterschaft erweckt).

Meine Gegner sind wie die wildesten Tiere, die nie gesättigt werden oder Ruhe finden. Ihr Herz ist so leer von Liebe zu mir, dass ihnen niemals ein Gedanke an mein Leiden kommt, und nie ist dieses Wort ein einziges Mal aus ihrem innersten Herzen gekommen: „O Herr, du hast uns erlöst, Preis sei dir für deine bittere Pein.“ Wie könnte mein Geist mit denen sein, die keine göttliche Liebe zu mir haben, und die gern andere preisgeben, um ihren eigenen Willen durchzusetzen? Ihr Herz ist voll von den elendesten Würmern d.h. weltlichem Begehren. In ihrem Mund hat der Teufel seinen Kot abgelegt, und daher behagen ihnen meine Worte nicht.
Infolgedessen werde ich sie mit meiner Säge von meinem Freunden trennen. Und so wie es keinen Tod gibt, der bitterer ist, als der, zersägt zu werden, so gibt es keine Strafe, die sie nicht erleiden werden, und sie werden vom Teufel mittendurch gesägt und von mir getrennt werden. So verhasst sind sie mir, dass auch alle die, die an ihnen festhalten, von mir getrennt werden sollen. Daher sende ich meine Freunde, damit sie die Teufel von meinen Gliedern[1] trennen sollen, denn sie sind in Wahrheit meine Widersacher. Ich sende sie also wie Ritter in den Krieg. Ein jeder, der sein Fleisch kasteit und sich des Verbotenen enthält, ist in Wahrheit mein Ritter. Sie sollen meine Worte, die ich mit meinem Mund gesprochen habe, als Lanzen haben, in der Hand das Schwert, nämlich den Glauben. Ihre Brust wird mit dem Panzer der Liebe bedeckt sein, so dass sie mich deshalb nicht weniger lieben, was ihnen auch geschehen mag. Sie müssen den Schild der Geduld an ihrer Seite haben, so dass sie geduldig alles aushalten. Ich habe sie wie Gold in ein Gefäß eingeschlossen, aber jetzt sollen sie hinausgehen und auf meinem Wege wandern.

Nach der verordneten Gerechtigkeit konnte ich mit meiner Menschengestalt nicht zur Ehre der Majestät eingehen, ohne Betrübnis zu leiden, und wie sollten sie dann eingehen? Wenn ihr Herr gelitten hat, ist es nicht verwunderlich, wenn auch sie leiden müssen. Wenn der Herr Schläge ertragen hat, ist es nicht viel, wenn sie Worte ertragen müssen. Sie sollen sich nicht fürchten, denn ich übergebe sie niemals. Ebenso wie es für den Teufel unmöglich ist, Gottes Herz zu berühren und zu teilen, so ist es dem Teufel unmöglich, sie von mir zu trennen. Und nachdem sie in meinem Augen wie das reinste Gold sind, so werde ich sie, wenn sie mit einem kleinen Feuer erprobt werden, dennoch niemals aufgeben, denn das Feuer ist ihnen gegeben, auf dass sie umso größeren Lohn empfangen.

[1]. D.h. die Glieder in meinem mystischen Leib, der Kirche.

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Worte der ehrenreichen Jungfrau Maria an die Tochter über die Art und Weise, sich zu kleiden, und mit welchen Kleidern und Schmuckstücken die Tochter geschmückt und bekleidet sein soll.
7. Kapitel

Maria ermahnt Birgitta zu einem Leben in der Nachfolge Christi.

Ich bin Maria, die den wahren Gott und wahren Menschen, Gottes Sohn, geboren hat. Ich bin die Königin der Engel. Mein Sohn liebt dich von ganzem Herzen. Dafür sollst du ihn auch lieben. Du sollst mit den ritterlichsten Kleidern geschmückt sein. Wie die sein sollen, werde ich dir zeigen. Denn so wie du vorher Hemd, Rock, Schuhe, Mantel und Brustschmuck gehabt hat, so sollst du jetzt geistliche Kleider tragen. Das Hemd ist die Zerknirschung, denn so wie das Hemd dem Körper am nächsten ist, so ist die Niedergeschlagenheit und die Bekehrung in der Beichte der erste Weg zu Gott. Durch sie wird der Sinn gereinigt, der sich an der Sünde gefreut hat, und das unreine Fleisch wird gezügelt. Die beiden Schuhe sind zwei Willensäußerungen, nämlich der Wille, begangene Sünden zu bessern, und der Wille, Gutes zu tun und sich vom Bösen fernzuhalten. Dein Rock ist die Hoffnung auf Gott, denn so wie der Rock zwei Ärmel hat, so sei die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in Hoffnung darauf, dass du so auf Gottes Barmherzigkeit hoffen kannst, dass du seine Gerechtigkeit nicht vergisst. Und denke so an seine Gerechtigkeit und sein Gericht, dass du die Barmherzigkeit nicht vergisst. Denn er übt niemals irgendeine Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit, und niemals Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit.

Der Mantel ist der Glaube, denn ebenso wie der Mantel alles bedeckt und alles in ihm eingeschlossen ist, so kann der Mensch mit dem Glauben alles erfassen und erlangen. Dieser Mantel soll besprengt sein mit den Zeichen der Liebe deines Bräutigams, nämlich wie er dich geschaffen hat, wie er dich erlöst hat, wie er dich aufzog, dich in seinen Geist einführte und deine geistlichen Augen auftat. Der Brustschmuck, der immer auf deiner Brust befestigt sein soll, ist das Betrachten seines Leidens: Wie er verspottet und gegeißelt wurde, wie er lebendig am Kreuze hing, blutig und verletzt in allen Gliedern, wie im Sterben sein ganzer Leib in der bittersten Pein und dem Schmerz erzitterte, und wie er seinen Geist in seines Vaters Hände befahl. Dieser Brautschmuck soll stets auf deiner Brust sein.

Eine Krone soll auf deinem Haupte sein, d.h. du sollst keusch in deinem Begehren sein, so dass du lieber Schläge erleidest, als weiter befleckt zu sein.[1] Sei deshalb sittsam und höflich, denk an nichts anderes und begehre nichts anderes, als deinen Gott und deinen Schöpfer, denn wenn du ihn hast, hast du alles. Und in dieser Weise geschmückt, sollst du deinen Bräutigam erwarten.

[1]. Die vornehmen Jungfrauen der Zeit trugen wenigstens als Hochzeitsbrauch eine Krone als Kopfschmuck, während der Kopfumhang verheirateter Frauen ein Tuch aus Leinen war. Die Krone wurde zum letzten Mal bei der Trauung getragen.

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Worte der Himmelskönigin an die geliebte Tochter, in denen sie sie lehrt, wie sie den Sohn ebenso lieben und preisen muß, wie die Mutter.
8. Kapitel

Maria lehrt Birgitta ein Gebet, in dem Gott für die Wohltaten gepriesen wird, die er dieser seiner jungfräulichen Mutter erwiesen hat.

Ich bin die Königin des Himmels. Du denkst darüber nach, wie du mich lobpreisen sollst. Das musst du wissen und dessen sicher sein, dass alles Lob, das meinem Sohn zuteil wird, auch mir zuteil wird, und dass der, der ihn gering achtet, auch mich gering achtet, denn ich habe ihn so innig geliebt und er mich, dass wir beide wie ein einziges Herz waren, und er hat mich, die ein Gefäß der Erde war, so großartig über alle Engel erhöht.

Du sollst mich also auf diese Weise lieben: „Gesegnet seist du Gott, Schöpfer aller Dinge, der es für wert gehalten hat, in den Mutterleib der Jungfrau Maria herabzusteigen. Gesegnet seist du Gott, der ohne Schaden mit der Jungfrau Maria sein wollte, und der es für würdig hielt, einen unbefleckten Leib von ihr anzunehmen. Gesegnet seist du Gott, der ohne Schaden mit der Jungfrau Maria sein wollte, und der es für würdig hielt, einen unbefleckten Leib von ihr anzunehmen. Gesegnet seist du Gott, der zur Jungfrau gekommen ist, zur Freude ihrer Seele und aller ihrer Glieder, und ohne Sünde aus ihr hervorgegangen ist, zur Freude aller ihrer Glieder. Gesegnet seist du Gott, der nach deiner Himmelfahrt die Jungfrau Maria, deine Mutter, mit ständigen Tröstungen erfreut hat, und der sie besucht hat, um sie durch dich selbst zu trösten. Gesegnet seist du Gott, der Leib und Seele deiner jungfräulichen Mutter Maria in den Himmel aufgenommen hat und sie ehrenhaft über alle Engel neben deine Göttlichkeit gestellt hat. Erbarme dich meiner um ihrer Gebete willen.“

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9. Kapitel

Maria erzählt Birgitta von der Ehe ihrer Eltern, von ihrer eigenen unbefleckten Empfängnis, von ihrer Aufnahme in den Himmel und von der großen Macht, den Menschen zu helfen, die sie von ihrem göttlichen Sohn empfangen hat. Das Kapitel ist bemerkenswert wegen seiner Mariologie.

Ich bin die Königin des Himmels. Liebe meinen Sohn, denn er ist am allerritterlichsten, und wenn du ihn hast, besitzest du alles ritterliche Wesen. Er ist auch am meisten begehrenswert, und wenn du ihn hast, hast du alles, was begehrenswert ist. Liebe ihn auch deshalb, dass er am allertugendhaftesten ist, und wenn du ihn hast, hast du alle Tugenden. Ich will dir sagen, wie lieblich er meinem Leib und meine Seele geliebt hat, und wie sehr er auch meinen Namen ehrte. Dieser mein Sohn hat mich geliebt, bevor ich ihn liebte, denn er ist mein Schöpfer. Er vereinte meinen Vater und meine Mutter in einer Ehe von so großer Keuschheit, dass man damals keine keuschere Ehe hätte finden können, und niemals wollten sie zusammenkommen, wenn nicht nach dem Gesetz und nur mit der Absicht, Nachkommen hervorzubringen.
Und als der Engel ihnen verkündete, dass sie die Jungfrau zur Welt bringen sollten, von der die Erlösung der Welt hervorgehen sollte, so hätten sie lieber sterben wollen, als in fleischlicher Liebe zusammenzukommen, und die Wollust war in ihnen tot. Ich versichere dir, dass sie aus heiliger Liebe und auf Grund der Worte des verkündenden Engels fleischlich zusammenkamen, nicht aus irgendeinem sinnlichen Begehren, sondern gegen seinen Willen und aus heiliger Liebe, und so setzte sich mein Fleisch von ihrer Saat durch göttliche Liebe zusammen. Als mein Körper gemacht wurde, fügte Gott von seiner Gottheit die erschaffene Seele in den Leib, und sogleich entstand die Seele mitsamt dem Körper, und die Engel wachten und dienten ihr Tag und Nacht. Aber als die Seele geheiligt und mit dem Leibe vereinigt wurde, empfand meine Mutter eine so große Freude, dass es unmöglich sein würde, sie zu beschreiben.

Als dann mein Lebenslauf vollendet war, erhob mein Sohn zuerst meine Seele – denn sie war die Herrscherin des Leibes – an einen vornehmeren Platz als die übrigen bei seiner Gottheit im Himmel. Danach erhöhte er meinem Leib, so dass kein Leib eines geschaffenen Wesens Gott so nahe wie der meine ist.
Die, welche im Fegefeuer sind, freuen sich über die Maßen, so wie der Kranke und Bettlägerige es tut, wenn er von manchen ein Wort des Trostes hören darf, das ihm in der Seele gefällt. Da jubelt er sogleich. Ja, wenn die guten Engel diesen Namen hören dürfen, so nahen sie sich den Gerechten umso mehr, zu deren Schutz sie eingesetzt sind, sich den Gerechten umso mehr, zu deren Schutz sie eingesetzt sind, und freuen sich über deren Vervollkommnung. Alle Menschen haben nämlich gute Engel zum Schutz und böse Engel zur Versuchung.

Nicht so, dass diese Engel von Gott geschieden sind, nein – sie dienen der Seele in der Weise, dass sie Gott nicht verlassen; sie sind beständig in seinem Blickfeld, und ebenso feuern sie die Seele an und spornen sie an, das zu tun, was gut ist. Und alle Teufel zittern vor diesem Namen und fürchten sich vor ihm. Wenn sie den Namen Maria hören, so lassen sie sogleich die Seele aus den Klauen los, mit denen sie sie festgehalten haben. Denn wie ein Vogel, der seine Krallen und seinen Schnabel in einer Beute hat, die Beute loslässt, wenn er einen Laut hört, aber gleich zu ihr zurückzukehren, wenn er sieht, dass keine Handlung auf den Laut erfolgt, so lassen die Teufel sofort die Seele wie erschreckt los, wenn sie meinem Namen hören, aber sie eilen wieder vor und kehren wie der schnellste Pfeil zu ihr zurück, sofern keine Besserung erfolgt.
Niemand ist so kalt in Gottes Liebe (sofern er nicht verurteilt ist), dass er nicht, wenn er diesen Namen mit der Absicht anruft, niemals zu seiner gewohnten Sünde zurückkehren, erleben darf, dass der Teufel gleich von ihm weicht und niemals mehr zu ihm zurückkommt, wenn er nicht den Willen wieder aufgibt, eine Todsünde zu begehen. Dennoch wird es manchmal dem Teufel gestattet, ihn zu beunruhigen, damit er einen umso größeren Lohn erhalten mag; doch wird der Teufel ihn niemals besitzen.“

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Worte der Jungfrau Maria an die Tochter, die eine nützliche Lehre aussprechen, wie sie leben soll, und die viele wunderbare Dinge von Christi Leiden beschreiben.
10. Kapitel

Maria erzählt Birgitta von ihrer eigenen Kindheit und Jugend, von der Verkündigung von Jesu Geburt und von der Geburt selbst, von Jesu Kindheit und seiner Kreuzigung. Die ausführliche Beschreibung der Kreuzigung ist die erste in einer Reihe von drei Passionsberichten (die beiden anderen finden sich im 70. Kapitel des 4. Buches und im 16. Kapitel des 7. Buches).

Ich bin die Himmelskönigin, Gottes Mutter. Ich habe dir gesagt, dass du deinen Brustschmuck auf dir haben sollst. Jetzt will ich dir ausführlicher zeigen, dass ich von Anfang an, als ich hörte und verstand, dass es Gott gab, mich ständig und mit Furcht um meine Erlösung bemühte, und dass ich sein Gebot beachten würde. Aber als ich mehr von Gott hörte, dass er mein Schöpfer und Richter über alle meine Handlungen war, liebte ich ihn innig, und zu jeder Stunde fürchtete ich mich und sah mich sehr vor, ihn durch Handlungen oder Worte zu erzürnen. Später, als ich hörte, dass er dem Volk Israel Gesetzte und Weisungen gegeben und so große Wundertaten mit ihnen getan hat, fasste ich in meiner Seele einen festen Beschluß, nichts anderes als ihn zu lieben, und weltliche Dinge wurden mir sehr bitter. Als ich dann hörte, dass er, derselbe Gott, die Welt erlösen und von einer Jungfrau geboren werden würde, wurde ich von einer solchen Liebe zu ihm ergriffen, dass ich an nichts anderes als an Gott dachte und nichts anderes begehrte, als ihn.

Ich hielt mich, soviel ich konnte, von Gesprächen und von der Anwesenheit der Eltern und Freunde zurück, und alles, was ich bekam, gab ich den Armen und behielt nur eine knappe Nahrung und Kleidung. Nichts erfreute mich, außer Gott. Ich wünschte immer in meinem Herzen, dass ich bis zu der Zeit vor seiner Geburt leben und es vielleicht verdienen würde, die unwürdige Dienerin der Mutter Gottes zu sein. Ich versprach auch in meinem Herzen, wenn es ihm gefallen würde, meine Jungfräulichkeit zu bewahren und niemals etwas auf Erden zu besitzen. Aber wenn Gott es anders wollte, so sollte sein Wille und nicht meiner geschehen – denn ich glaubte, dass er alles könnte und auch nur das wollte, was für mich nützlich wäre. Daher übergab ich ihm allen meinen Willen.

Als die Zeit da war, dass die Jungfrauen nach dem Gesetz im Tempel des Herrn gezeigt werden sollten, war auch ich unter ihnen, da meine Eltern der Vorschrift gehorchten, und ich dachte bei mir, dass für Gott nichts unmöglich sei. Und da er wusste, dass ich nichts wünschte und nichts anderes ersehnte als ihn, konnte er mich jungfräulich bewahren, wenn es ihm gefiele – wenn nicht, sollte doch sein Wille geschehen. Nachdem ich alles gehört hatte, was im Tempel befohlen war, kehrte ich heim und brannte nun mehr als vorher in Liebe zu Gott und wurde täglich von neuem heißen Liebesbegehren entzündet. Daher zog ich mich mehr als üblich von allen zurück und war Tag und Nacht allein, wobei ich sehr fürchtete, dass mein Mund etwas reden oder das Ohr etwas hören sollte, was gegen den Willen meines Gottes war, oder dass meine Augen etwas vom Zauber der Welt sehen würden. Auch im Schweigen hegte ich Furcht und ängstigte mich sehr deswegen, dass ich vielleicht verschweigen würde, was ich lieber hätte sagen sollen.
Als ich so in meinem Herzen beunruhigt wurde, einsam mit mir selbst, und all mein Vertrauen auf Gott setzte, kam es mir in den Sinn, über Gottes große Macht nachzudenken, wie die Engel und alles Geschaffene ihm dienen, und wie unsagbar und unbegrenzt seine Herrlichkeit ist. Als ich von diesem Gedanken entzückt wurde, sah ich drei wunderbare Dinge: Ich sah einen Stern, aber nicht einen solchen, der am Himmel leuchtete; ich sah ein Licht, aber kein solches, das auf Erden leuchtet; ich spürte einen Duft, nicht wie von Kräutern oder etwas Derartigem, sondern unaussprechlich lieblich, und der erfüllte mich ganz, so dass ich vor Freude jubelte.

Danach hörte ich gleich eine Stimme, aber nicht von einer menschlichen Zunge, und als ich sie hörte, zitterte ich und fürchtete, dass es sein Blendwerk sein könnte. Gleich zeigte sich mir ein Engel Gottes; er war wie der schönste Mann, aber nicht mit Fleisch bekleidet, und er sagte zu mir: „Heil dir, du Hochbegnadete!“ Als ich das hörte, wollte ich wissen, was er meinte, und warum er mit einem solchen Gruß kam; ich wusste und hielt mich ja einer solchen Sache oder etwas Gutem unwürdig, aber dass es für Gott nicht unmöglich sei, zu tun, was er will. Da sagte der Engel von neuem: „Das, was in dir geboren wird, ist heilig und wird Gottes Sohn genannt, und so wie es ihm gefallen hat, soll es geschehen.“ Aber nicht einmal da hielt ich mich für würdig und ich fragte den Engel nicht, warum oder wann es geschehen sollte, sondern ich fragte, wie es geschehen könnte, dass ich Unwürdige Gottes Mutter werden sollte. Ich sagte auch, dass ich von keinem Manne wusste. Und der Engel antwortete nur, wie ich sagte: „Für Gott ist nichts unmöglich, denn alles, was er tun will, das geschieht.“

Als ich diese Worte des Engels hörte, verspürte ich die innigste Sehnsucht, Gottes Mutter zu werden, und meine Seele sprach in Liebe: „Siehe, hier bin ich; dein Wille geschehe in mir.“ Bei diesen Worten wurde gleich mein Sohn in meinem Fleisch gezeugt, zu unaussprechlichem Jubel für meine Seele und mein ganzes Wesen. Als ich ihn im Mutterleib hatte, trug ich ihn ohne Beschwerden, ohne Schwere oder Unannehmlichkeit. Ich demütige mich in allem in dem Bewusstsein, dass er, den ich trug, allmächtig war.
Als ich ihn gebar, gebar ich ihn ohne Schmerz und Sünde, wie ich ihn auch unter einem solchen Jubel der Seele und des Leibes zur Welt brachte, dass meine Füße infolge dieser Freude nicht den Boden spürten, auf dem sie standen. Und so wie er zur Freude meiner ganzen Seele in alle meine Glieder einging, so kam er zur Freude aller meiner Glieder und der unbeschreiblichen Freude meiner jubelnden Seele ans Licht, ohne meine Jungfrauenschaft zu beschädigen. Als ich seine Schönheit schaute und betrachtete, tropfte meine Seele wie Tau vor Freude; ich wusste ja, ich bin eines solchen Sohnes unwürdig. Aber als ich die Stellen an seinen Händen und Füßen betrachtete, über die ich von den Propheten gehört hatte, dass sie bei der Kreuzigung von Nägeln durchbohrt werden sollten, füllten meine Augen sich mit Tränen, und das Herz zersprang fast vor Betrübnis.

Als mein Sohn meine weinenden Augen sah, wurde er fast zu Tode betrübt. Als ich dagegen über seine göttliche Macht nachdachte, wurde ich von neuem getröstet, wohl wissend, dass er es so haben wollte, und dass es so geschehen müsse. Ich vereinte meinen ganzen Willen mit dem seinen, und so war meine Freude immer mit Schmerz gemischt. Als das Leiden meines Sohnes bevorstand, ergriffen seine Feinde ihn, schlugen ihn auf die Wange und den Hals, bespuckten und verhöhnten ihn. So wurde er an die Geißelsäule geführt, und er legte selbst seine Kleider ab. Er legte seine Hände selber um den Pfeiler, und seine Feinde banden sie ohne Erbarmen fest. Als er gebunden dastand, hatte er keinerlei Gewand auf sich, sondern stand nackt da, wie er geboren wurde, und schämte sich seiner Nacktheit.

Seine Freunde flohen, und seine Feinde kamen aus allen Richtungen zusammen, stellten sich dort auf und geißelten seinen Körper, der von allen Flecken und Sünde frei war. Beim ersten Schlag fiel ich, die sehr nah dabeistand, nieder wie tot, und als ich das Bewusstsein wiedererlangte, sah ich seinen Leib bis auf die Rippen gepeitscht und gegeißelt, so dass diese sichtbar wurden. Und was noch bitterer war – als die Geißeln herausgezogen wurden (?) wurde sein Fleisch von diesen Geißeln durchpflügt, wie die Erde vom Pflug.

Als mein Sohn so dastand, ganz blutig, ganz zerfleischt, so dass es nichts Ganzes mehr auf ihm gab und nichts mehr, das mehr gegeißelt werden konnte, da wurde der Geist bei einem der Anwesenden erweckt, und der fragte: „Sollt ihr ihn ohne Urteil töten?“ Und er schnitt gleich seine Bande durch.
Danach zog mein Sohn seine Kleider wieder an, und den Platz, wo seine Füße standen, sah ich ganz von Blut bedeckt, und an den Fußspuren meines Sohnes konnte ich sehen, wohin er ging – denn wo er gegangen war, da erschien die Erde blutig. Und sie duldeten kaum, dass er sich ankleidete, sondern trieben ihn an und zerrten ihn, damit er sich beeilen sollte. Als mein Sohn nun fortgeführt wurde, wie ein Räuber, wischte er sich das Blut aus seinen Augen. Als er verurteilt war, legten sie das Kreuz auf ihn, damit er es tragen sollte. Nachdem er es eine kleine Weile getragen hatte, kam ein Mann und nahm es, um es zu tragen. Während mein Sohn an den Platz seiner Pein ging, schlugen ihn einige auf den Hals, andere ins Angesicht. Und er wurde so hart und kräftig geschlagen, dass ich – obwohl ich den nicht sah, der ihn schlug – den Laut des Schlages doch deutlich hörte. Als ich mit ihm an den Platz der Pein kam, sah ich alle Geräte zu seiner Hinrichtung dort bereitliegen.

Und mein Sohn kam da hin und legte selber seine Kleider ab. Die Diener sagten zueinander: „Diese Kleider sind seine; er wird sie nicht wiederbekommen, nachdem er zum Tode verurteilt ist.“ Als mein Sohn mit nacktem Körper dastand, wie er geboren wurde, kam ein Mann angesprungen und reichte ihm ein Kleid, womit er innig froh seine Lenden bedeckte. Dann packten ihn die wilden Henker und streckten ihm auf dem Kreuze aus. Erst befestigten sie seine rechte Hand am Stamm, der mit Bohrlöchern für die Nägel versehen war, und sie durchbohrten die Hand an der Stelle, wo das Bein befestigt war. Danach streckten sie seine andere Hand mit einem Strick aus und befestigten ihn in derselben Weise an dem Holzstamm. Dann kreuzigten sie den rechten Fuß, und darüber den linken Fuß mit zwei Nägeln, so dass alle Sehnen und Adern ausgedehnt wurden und zerplatzten.

Nachdem das getan war, setzten sie die Dornenkrone auf sein Haupt, und die stach das verehrungswürdige Haupt meines Sohnes so heftig, dass seine Augen mit dem fließenden Blut gefüllt wurden, die Ohren verstopft wurden, und der Bart von dem herabfließenden Blute ganz entstellt wurde. Als er so blutig und durchbohrt dahing, bemitleidete er mich, die dastand und weinte, sah mit seinen blutgefüllten Augen auf meinen Neffen Johannes[1] und vertraute ihn mir an. Derweil hörte ich einige sagen, dass mein Sohn ein Räuber war, andere, dass er ein Lügner war, andere, dass keiner es mehr wert war zu sterben, als mein Sohn. Dadurch, das zu hören, erneuerte sich mein Schmerz. Und – wie gesagt – als der erste Nagel in ihm befestigt war, fiel ich beim Laut des ersten Schlages in Ohnmacht und fiel wie tot nieder, mit verdunkelten Augen, zitternden Händen und schwankenden Beinen, und in meinem Schmerz versuchte ich, nicht aufzusehen, bevor er ganz und gar festgenagelt war.

Aber als ich mich erhob, sah ich meinen Sohn elendig hängen, und ich, seine hochbetrübte Mutter, trauernd und verzweifelt, konnte kaum vor Schmerz stehen. Mein Sohn, der mich und seine Freunde in trostlosem Weinen sah, rief mit lauter und trauriger Stimme zu seinem Vater: „Vater, warum hast du mich verlassen?“ Das war, als ob er sagen wollte: „Es ist keiner, der sich meiner erbarmt, außer dir, Vater.“
Da schienen seine Augen halbtot, seine Wangen eingesunken, sein Antlitz schrecklich entstellt, sein Mund offen, seine Zunge blutig; sein Magen lag platt gegen den Rücken eingedrückt, nachdem alle Flüssigkeit verzehrt war, als ob er keine Eingeweide hätte. Sein ganzer Körper war bleich und kümmerlich durch Blutverlust.

Seine Hände und Füße waren sehr hart angespannt; sie waren auseinander gezogen und der Form des Kreuzes angepasst. Sein Bart und seine Haare waren ganz voll Blut. Als mein Sohn so verletzt und blaubleich dahing, war nur das Herz noch frisch, denn es war von der besten und stärksten Natur. Von meinem Fleisch hatte er nämlich den reinsten und bestgefügten Leib erhalten. Seine Haut war so fein und zart, dass das Blut gleich ausfloß, wenn er auch noch leicht gegeißelt wurde. Und selbst das Blut war so frisch, dass es durch die reine Haut zu sehen war. Und obwohl von der besten Natur war, kämpfte das Leben in seinem durchbohrten Leibe mit dem Tod. Dann manchmal stieg der Schmerz von seinen durchbohrten Gliedern und Sehnen bis zum Herzen auf, das ganz gesund und unbeschädigt war, und dies mit unglaublichen Schmerz und Pein quälte. Und manchmal ging der Schmerz vom Herzen hinunter zu den verwundeten Gliedern, und so zog sich der bittere Todeskampf in die Länge.

Als mein Sohn, umgeben von dieser Qual, auf seine weinenden Freunde sah, die lieber diese Plage mit seiner Hilfe leiden oder ewig in der Hölle brennen wollten, als ihn auf diese Weise gepeinigt zu sehen, so überstieg sein Kummer über den seiner Freunde all die Bitterkeit und Trübsal, die er am Leibe oder Herzen ausstand, denn er liebte sie so zärtlich. Da rief er im Übermaß der großen Not seines Leibes in menschlicher Weise zum Vater: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Als ich, seine tiefbetrübte Mutter, diese Stimme hörte, zitterten alle meiner Glieder in der bitteren Trauer meines Herzens, und so oft ich später an diese Stimme dachte, war sie gleichsam gegenwärtig und neu für mich.

Als sich nun der Tod nachte und das Herz durch die Gewalt der Plagen brach, da zitterten alle Glieder, und sein Haupt hob sich etwas und sank darauf wieder herunter. Sein Mund schien offen, und die Zunge ganz blutig. Seine Hände zogen sich von den Stellen der Bohrlöcher etwas zurück, und bekamen von dem Gewicht des Körpers mehr zu tragen. Die Finger und Arme streckten sich etwas aus, und der Rücken drängte sich hart gegen den Holzstamm.
Da sagten einige zu mir: „Dein Sohn ist tot, Maria!“ Aber andere sagten: „Tot ist er, aber er wird auferstehen!“ Als alle so ihres Weges gegangen waren, kam einer und stach seine Lanze so heftig in seine Seite, dass sie beinah auf der anderen Seite wieder herauskam. Und als er den Speer herauszog, war die Spitze rot von Blut. Es schien mir da, als ob mein eigenes Herz durchbohrt wurde, als ich das Herz meines geliebten Sohnes durchbohrt sah.

Dann wurde er vom Kreuze abgenommen, und ich nahm ihn auf mein Knie wie einen Aussätzigen und ganz blauweiß, denn seine Augen waren tot und blutgefüllt, sein Mund kalt wie Schnee, sein Bart war wie Bindfäden, sein Antlitz war erlahmt, und seine Hände waren so starr, dass sie nicht über der Brust gebogen werden konnten, sondern über dem Magen, ungefähr am Nabel.[2] So wie er am Kreuz gehangen hatte, so hatte ich ihn auf dem Knie, und er war gleichsam in allen Gliedern erstarrt. Dann legten sie ihn in ein reines Leinen, und ich trocknete seine verletzten Glieder mit meinem Leinenkleid und drückte ihm die Augen zu und seinen Mund, der sich im Tode geöffnet hatte.
So legten sie ihn ins Grab. O wie gern hätte ich es gehabt, dass man mich lebend ins Grab mit meinem Sohn gelegt hätte, wenn es sein Wille gewesen wäre! – Nachdem dies vollendet war, kam der gute Johannes und führte mich heim. Siehe, meine Tochter, dies hat mein Sohn für dich gelitten!“

[1]. Wörtl.: „Schwestersohn“; der Lieblingsjünger Jesu.
[2]. Die Übersetzung dieser Stelle ist ergänzt nach der entsprechenden Episode in Buch IV, 70, die eine Passionsgeschichte enthält, die dieser in großen Zügen folgt.

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Christi Worte an die Braut darüber, wie er sich freiwillig seinen Feinden, die ihn kreuzigten, übergab, und über die Art und Weise, in Enthaltsamkeit aller Glieder von unzulässigen Regungen zu leben, nach dem Vorbild seiner hochseligen Pein.
11. Kapitel

Christus beschreibt Birgitta sein Leiden und deutet an, wie sie ihm in diesem Leiden ähnlich werden kann, nämlich durch ein frommes und enthaltsames Leben.

Gottes Sohn sprach zur Braut, indem er sagte: „Ich bin der Schöpfer Himmels und der Erde, und es ist mein wahrer Leichnam, der auf dem Altar geweiht wird. Liebe mich von deinem ganzem Herzen, denn ich habe dich geliebt. Und ich überließ mich freiwillig meinen Gegnern, meine Freunde und meine Mutter blieben in bitterstem Schmerz und Weinen zurück. Als ich den Speer, die Nägel, die Geißel und die anderen Martergeräte bereit liegen sah, ging ich nichtsdestoweniger froh daran, zu leiden.

Und als mein Haupt an allen Stellen blutig von der Dornenkrone war, und das Blut nach allen Seiten floß, so hätte ich sogar – falls meine Feinde auch mein Herz berührt hätten, es lieber verwunden und in Stücke reißen lassen, als dich zu verlieren. Deshalb bist du in hohem Maße undankbar, wenn du mich für eine so große Liebe nicht wiederliebst. Denn wenn mein Haupt am Kreuz deinetwegen zerstochen und niedergebeugt war, so soll dein Haupt sich in Demut beugen. Und nachdem meine Augen mit Blut und Tränen gefüllt waren, so sollen deine Augen sich von lustvollen Anblicken enthalten.
So wie meine Ohren mit Blut gefüllt wurden und die Worte zu hören bekamen, die gesprochen wurden, mich zu schmähen, so sollen deine Ohren sich von leichtfertigen und törichten Reden abwenden. So wie mein Mund den bittersten Trank schmecken musste und der Gute ihm verweigert, so soll dein Mund vor dem Bösen verschließen und sich dem Guten öffnen. Und so wie meine Hände mit Nägeln ausgestreckt waren, so sollen deine Taten, die von den Händen ausgeführt werden, sich zu den Armen und nach meinen Geboten ausstrecken. Deine Füße, mit anderen Worten das Verlangen, womit du zu mir gehen sollst, sollen gekreuzigt werden und sich von Genüssen fernhalten. So wie ich an allen Gliedern gelitten habe, so mögen alle diese Glieder zu meinem Dienst bereit sein. Ich verlange nämlich größere Dienste von dir als von anderen, da ich dir größere Gnade erwiesen habe.“

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Wie ein Engel für die Braut betet, und wie Christus den Engel fragt, was er für die Braut begehrt, und was der Braut nützt.
12. Kapitel

Birgittas Schutzengel betet zu Christus für sie, und Chr. antwortet dem Engel, dass er um ihrer Gebete willen ihr Gerechtigkeit und Barmherzigkeit widerfahren lassen wird.

Der gute Engel, welcher der Beschützer der Braut war, wurde gesehen, wie er zu Christus für dieselbe Braut betet. Der Herr antwortete ihm und sagte: „Wer für einen anderen beten will, der soll für sein Wohlergehen beten. Du bist wie ein Feuer, das nie verlischt und beständig von meiner Liebe brennt. Du siehst und weißt alles, wenn du mich siehst. Du willst nicht, was ich nicht will. Sag mir deshalb, was für diese meine neue Braut nützlich ist.“
Der Engel erwiderte: „Herr, du weißt alles.“ Der Herr sagte zu ihm: Ja, alles, was geschehen ist und geschehen wird, ist ewig in mir. Und alles im Himmel und auf Erden weiß und kenne ich, und bei mir gibt es keine Veränderung. Aber damit diese Braut meinen Willen versteht, so sag nun, während sie zuhört, was für sie nützlich ist.“

Der Engel sagte: „Sie hat ein stolzes und hochmütiges Herz, und daher ist eine Rute für sie notwendig, damit sie gezüchtigt wird.“ Da sagte der Herr: „Um was bittest du da für sie, mein Freund?“ Der Engel sagte: „Herr, ich bitte um Erbarmen mit deiner Rute.“ Der Herr sagte: „Um deinetwillen werde ich so mit ihr verfahren, dass ich niemals Gerechtigkeit ohne Barmherzigkeit übe. Deshalb soll mich diese Braut von ihrem ganzen Herzen lieben.“

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Wie der Feind Gottes drei Teufel in sich hat, und über das Gericht, das Christus über ihn fällt.
13. Kapitel

Christus beschreibt Birgitta die Seele eines sündigen Priesters. Nach dem Zusatz von Petrus Olovsson handelt es sich um einen Prior in einem Zisterzienserkloster. Steffen identifiziert ihn mit Abt Ragnvald in Alvastra (Steffen, S. 3-5).

Mein Feind hat drei Teufel in sich. Der erste sitzt im Geschlechtsorgan, der zweite im Herzen, der dritte im Mund. Der erste ist wie ein Schiffer, der Wasser durch den Kiel eindringen lässt; das Wasser steigt so allmählich und füllt das Boot. Daher läuft das Wasser über, und das Boot sinkt. Dieses Boot ist sein Körper, der den Anfechtungen der Teufel und seinen eigenen Lüsten ausgesetzt ist, wie in stürmischen Wogen. Erst ging die Wollust durch den Kiel in seinen Körper ein, d.h. durch die böse Begierde, womit er sich an solchen Gedanken ergötzte. Und nachdem er nicht durch Reue und Buße Widerstand geleistet und das Schiff seines Leibes mit den Nägeln der Enthaltsamkeit zubereitet hat, so stieg das Wasser der Wollust täglich an, während er mit dem Bösen einverstanden war. Daher füllte sich der Bauch des Schiffes mit Begehren, und das Wasser floss über und ertränkte das Schiff mit Wollust, so dass es nicht in den Hafen der Erlösung kommen solle.
Der zweite Teufel, der im Herzen sitzt, ist wie ein Wurm in einem Apfel. Der Wurm frisst zuerst den Kern des Apfels, lässt seinen Schmutz da und kriecht dann im ganzen Apfel herum, bis er ganz verdorben ist. So macht es der Teufel. Erst verdirbt er den Willen und das gute Begehren seines Mannes, die mit einem Kern vergleichbar sind, wodurch die ganze Kraft der Seele und alles Gute seinen Bestand hat, und nachdem in dieser Weise geplündert ist, lässt der Teufel stattdessen weltliche Gedanken und weltliches Begehren in seinem Herzen, das er mehr liebt. Nun treibt der Teufel seinen Leib zu dem, was ihm gefällt, und davon wird seine Stärke und sein Verstand gemindert, und wird von Lebensüberdruss ergriffen. Dieser Mann ist sicher ein Apfel ohne Kern, nämlich ein Mann ohne Herz, denn ohne Herz geht er in meine Kirche, nachdem er keinerlei Gottesliebe hat.

Der dritte Teufel ist wie ein Bogenschütze, der zum Fenster hinaus sieht und auf die Unvorsichtigen schießt. Wie steckt da nicht der Teufel in ihm, der niemals redet, ohne den Teufel zu nennen? Das, was man besonders liebt, wird ja öfter genannt. Seine bitteren Worte, womit er andere verletzt, sind wie Wurfgeschosse, die durch ebenso viele Fenster abgeschossen werden, wie viel Male der Teufel genannt wird. Unschuldige werden von seinen Worten verletzt, und einfältige Menschen nehmen an seinen Worten Anstoß.
Daher schwöre ich in meiner Wahrheit – ich, der ich die Wahrheit bin – dass ich ihn wie eine Hure zum Schwefelfeuer verurteilen werde, wie einen Verräter und einen, der Hinterhalte stellt, zur Zerstückelung aller Glieder und als Verächter meines Herrn zu ewiger Scham. Doch solange seine Seele und sein Leib zusammen sind, ist meine Barmherzigkeit für ihn bereit. Was ich von ihm verlange, das ist, dass er fleißiger im Gottesdienst und in Gebeten ist, keinen Schimpf zu fürchten und keine Ehre zu ersehen, und dass böse Worte nie von seinem Mund ausgehen.“

Erklärung.
Dieser Mann war Prior im Zisterzienserorden. Er hat einen begraben, der im Kirchenbann war. Als er das letzte Begräbnisgebet für ihn gelesen hatte, hörte Frau Birgitta in Ekstase Folgendes: „Dieser Mann hat getan, was er nicht hätte tun sollen, und hat einen Gebannten begraben. Nun sollst du wissen und davon überzeugt sein, dass er der ist, der als erster nach dem Toten begraben werden wird. Denn er hat gegen den Vater gesündigt, der gesagt hat, dass man keine Rücksicht auf die Person nehmen und nicht das Antlitz des Reiches ehren soll. Aber er hat – wegen einer kleinen, vergänglichen Sache – den Unwürdigen geehrt und hat ihn, was er doch nicht sollte, unter die Würdigen versetzt. Er hat gegen meinen Geist gesündigt, der die Gemeinschaft der Gerechten bildet, als er den Ungerechten mit den Gerechten begrub. Er hat gegen mich, den Sohn, gesündigt, denn ich habe gesagt: „Wer mich verschmäht, der wird verschmäht werden.“ Aber er hat den geehrt und erhört, der meine Kirche und meinen Stellvertreter verworfen hat.“ Als der Prior diese Worte zu hören bekam, wurde er von Reue ergriffen, und am vierten Tage danach starb er.

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Christi Worte an die Braut über die Art und Weise und die Ehrfurcht, die sie im Gebet erweisen soll, und über drei Arten von Menschen, die Gott in dieser Welt dienen.
14. Kapitel

Christus beschreibt Birgitta solche Menschen, die ihm mit dem Gedanken an weltliche Vorteile dienen, solche, die ihm mit sklavischer Furcht dienen, und solche, die das aus selbstloser Liebe tun.

Ich bin dein Gott, der ans Kreuz geschlagen wurde, wahrer Gott und wahrer Mensch in einer Person. Ich bin täglich in des Priesters Händen.[1] Wenn du ein Gebet zu mir sprichst, so beschließe immer dein Gebet so, dass du willst, dass immer mein Wille geschehe und nicht der deine. Denn wenn du für die verdammten betest, höre ich dich nicht. Manchmal wünschst du auch, dass etwas geschehen soll, was gegen dein Wohlergehen ist, und deshalb ist es für dich notwendig, deinen Willen mir zu überantworten, denn ich weiß alles und versehe dich nur mit dem, was nützlich ist. Viele beten nicht mit rechter Absicht, und daher verdienen sie nicht, erhört zu werden.

Es gibt drei Arten von Menschen, die mir in dieser Welt dienen. Die erste Gruppe sind die, die wohl glauben, dass ich Gott bin, der Geber aller Dinge und mächtig über alles. Sie dienen mir aber in der Absicht, dass sie Ehre und zeitliche Dinge gewinnen möchten, aber das Himmlische achten sie für nichts und entbehren es mit Freuden, wenn sie statt dessen das Gegenwärtige erlangen. Nach ihrem Willen fällt ihnen irdisches Glück in allem zu. So verpassen sie das Ewige, und mit zeitlichen Vorteilen vergelte ich ihnen das Gute, das sie getan haben, bis zum letzten Scherflein und bis zum letzten Augenblick.

Die zweite Art sind die, die glauben, dass ich der allmächtige Gott und strenger Richter bin, und sie dienen mir aus Furcht vor Strafe, aber nicht aus Liebe zu der himmlischen Herrlichkeit. Wenn sie sich nicht fürchten würden, würden sie mir nicht dienen. Die dritte Art sind die, die glauben, dass ich der Schöpfer aller Dinge und wahrer Gott bin, und glauben, dass ich gerecht und barmherzig bin.

Sie dienen mir nicht aus Furcht vor irgendeiner Strafe, sondern aus himmlischer Liebe. Und sie wollen lieber jede Strafe leiden, wenn sie können, als mich ein einziges Mal zum Zorn zu reizen. Diese verdienen wahrlich, erhört zu werden, wenn sie beten, denn ihr Wille entspricht dem meinen. Aber der, der zu der ersten Gruppe gehört, wird niemals aus dem Ort der Strafe herauskommen und wird nie mein Angesicht sehen. Der, welcher der zweiten Gruppe angehört wird nicht eine so große Strafe erhalten, aber er wird mein Antlitz nicht zu sehen bekommen, sofern er nicht Buße und Besserung für seine Furchtsamkeit tut.

[1]. D.h. in Form des Sakraments.

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Christi Worte an die Braut, womit er sich mit einem großen König vergleicht, und über die beiden Schatzkammern, mit denen die Gottesliebe und die weltliche bezeichnet wird, und über die Jahre, auf diesem Weg des Lebens fortzuschreiten.
15. Kapitel

Christus beschreibt Birgitta die Menschen, die die Genüsse der Welt wählen, und die, die ihn selbst wählen. Er deutet an, was es bedeutet, ihm auf dem Wege des Verzichts nachzufolgen, und wie schlecht sich die verhalten, die seine guten Gaben genießen, aber es ablehnen, ihm zu dienen.

Ich bin mit einem großen und mächtigen König zu vergleichen. Zu einem König gehören vier Dinge. Zum ersten muß er reich sein, zum anderen milde, zum dritten weise und zum vierten liebevoll. Ich bin in Wahrheit König der Engel und aller Menschen. Ich habe auch die vier eben erwähnten Eigenschaften. Erstens bin ich sehr reich, denn ich gebe allen ihre notwendigen Bedürfnisse, habe aber nach dieser Gabe nicht weniger als vorher.
Zweitens bin ich sehr milde, denn ich bin bereit, all denen, die beten, etwas zu schenken. Drittens bin ich sehr weise, denn ich weiß, was für einen jeden nützlich ist. Und viertens bin ich liebevoll, denn ich bin eher bereit, zu geben als ein anderer, der nur begehrt. Ich bin wie zwei Schatzkammern. In der ersten Schatzkammer werden schwere Sachen wie Blei verwahrt, und das Haus, in dem sie sind, ist von scharfen und stechenden Dornen umgeben. Aber der, der zuerst anfängt, diese schweren Sachen zu bewegen und danach lernt, sie zu tragen, für ihn scheinen sie dann so leicht zu sein wie Daunen. Und so werden die Dinge äußerst leicht, die vorher schwer zu sein schienen, und die werden lieblich, von denen man vorher glaubte, sie würden stechen.

In der zweiten Schatzkammer scheint glänzendes Gold und kostbare Steine sowie wohlriechende und süße Getränke zu sein. Gold ist jedoch in Wirklichkeit Schmutz, und die Getränke Gift. Zu diesen führen zwei Wege, aber vorher war es nur ein einziger Weg. An der Weggabelung, d.h. wo die beiden Wege beginnen, stand ein Mann und rief den drei Männern zu, die auf einem anderen Weg vorangingen: „Hört, hört meine Worte, und wenn ihr nicht hören wollt, so seht zumindesten mit euren Augen, dass er wahr ist, was ich spreche. Aber wenn ihr weder hören noch sehen wollt, so fühlt mit den Händen und prüft, das in meinem Worten kein Falsch ist.“
Da sagte der erste von ihnen: „Wollen wir hören und sehen, ob seine Worte wahr sind!“ Der andere Mann sagte: „Es ist eine Lüge, was er sagt.“ Der dritte sagte: „Ich weiß, dass es wahr ist, was er sagt, aber ich kümmere mich nicht darum.“
Was sind diese beiden Schatzkammern anderes, wenn nicht meine Liebe und die Liebe zur Welt? Aber zu den beiden Schatzkammern führen zwei Wege. Entsagung und völliger Verzicht auf den eigenen Willen führt zu meiner Liebe, aber der genuß des Fleisches führt zur Weltliebe. In meiner Leibe scheint für manche eine bleischwere Last zu liegen, denn wenn sie fasten, wachen oder ihr Fleisch zügeln sollen, empfinden sie das, als ob sie Blei schleppen würden, und wenn sie Schmähworte zu hören bekommen oder in Andacht und Gebet verweilen müssen, ist es, als ob sie zwischen Dornen sitzen würden, und sie ängstigen sich zu jeder Stunde.
Wer in meiner Liebe sein will, soll zuerst beginnen, die Last zu wenden, d.h. zu versuchen, durch seinen Willen und beständiges Verlangen das Gute zu tun. Dann mag er ein wenig und ganz allmählich die Last zu heben, d.h. das tun, was er kann, indem er so denkt.“

„Das kann ich gut machen, wenn Gott mir dabei hilft. Dann soll er in dem Begonnenen fortfahren und mit so großer Freude das zu tragen beginnen, was ihm erst schwer zu sein schien, so dass jede Beschwer in Fastenzeiten, Zeiten der Wache oder irgendwelchen anderen Mühen ihm so leicht wie Flaumfedern scheint.

Und an einer solchen Stelle weilen meine Freunde; sie ist von bösen und ermüdenden Dingen wie von Stacheln und Dornen umgeben, aber für meine Freunde ist es der höchste Frieden und lind wie Tau. Der rechte Weg zu dieser Schatzkammer ist, seinen eigenen Willen aufzugeben, und das tut der Mensch, wenn er mein Leiden und meine Liebe betrachtet, nicht nach seinem eigenen Willen fragt, sondern ihm mit allen Kräften widersteht und immer nach dem Höheren strebt. Und obwohl dieser Weg zu Anfang etwas schwer ist, so macht er doch im weiteren Verlauf so viel Freude, dass das, was vorher unmöglich zu ertragen schien, dann am allerleichtesten wird, so dass man mit Recht zu sich selbst sagen kann: „Gottes Joch ist lieblich.“
Die zweite Schatzkammer ist die Welt. Darin gibt es Gold, kostbare Steine und Getränke, die wohlriechend zu sein scheinen, aber, wenn man sie schmeckt, bitter wie Gift sind. Jeder, der dieses Gold trägt, muß, wenn sein Körper schwach wird, die Glieder ihre Kraft verlieren, sein Knochenmark zunichte wird und sein Leib tot zu Boden fällt, das Gold und die Edelsteine verlassen, denn sie nützen ihm dann nicht mehr, als Schmutz. Und die Getränke der Welt, d.h. ihre Genüsse, die scheinen angenehm zu sein, aber wenn sie in den Bauch gelangen, schwächen sie den Kopf, beschweren das Herz und zerstören alle Glieder, und dann verdorrt der Mensch wie Gras, und wenn der Todeskampf naht, werden alle Genüsse bitter wie Gift. Zu dieser Schatzkammer führt der Eigenwille, wenn der Mensch sich nicht darum kümmert, seinen bösen Neigungen zu widerstehen und nicht darüber nachdenkt, was ich vorgeschrieben und getan habe, sondern gleich das tut, was ihm einfällt, mag es nun zulässig oder unzulässig sein.
Auf diesem Wege wandern drei Männer, und mit diesen meine ich alle bösen Menschen, die die Welt und nur ihren eigenen Willen lieben. Zu diesen rief ich, als ich an der Wegegabelung oder am Anfang des Weges stand, denn als ich in menschlicher Gestalt kam, zeigte ich den Menschen gleichsam zwei Wege, nämlich den, dem sie folgen sollten, und den, den sie vermeiden sollten – oder mit anderen Worten, den Weg, der zum Tode führt. Denn vor meiner Ankunft im Fleisch gab es nur einen einzigen Weg, auf dem alle guten und bösen Menschen zum Totenreich wanderten.

Ich bin der, der rief, und ich rief so: „Ihr Menschen, hört meine Worte, die auf den Weg des Lebens führen, denn sie sind wahr, und mit euren eigenen Sinnen könnt ihr fassen, dass es wahr ist, was ich rede. Und wenn ihr sie nicht hört oder sie nicht hören könnt, so seht wenigstens, d.h. mit Glauben und Vernunft, dass meine Worte wahr sind. Denn so wie etwas mit den Augen des Fleisches als sündhaft aufgefasst wird, so können die unsichtbaren Dinge mit den Augen des Glaubens unterschieden und geglaubt werden.
Es gibt reale einfältige Menschen in der Kirche, die wenig Gutes tun, aber dennoch durch den Glauben erlöst werden, mit dem sie glauben, dass ich der Schöpfer und Erlöser aller Dinge sei. Es gibt ja niemanden, der nicht verstehen und glauben kann, dass ich Gott bin, wenn er betrachtet, wie die Erde Frucht bringt und der Himmel Regen gibt, wie die Baume grünen, wie die Tiere jedes in seiner Art bestehen wie die Sterne dem Menschen dienen, und wie manche Sachen und Dinge dem Willen des Menschen entgegenstehen.

An all dem kann der Mensch sehen, dass er sterblich ist, und dass es Gott ist, der all dies anordnet. Denn wenn es Gott nicht gäbe, so würde dies alles in ungeordneter Weise gehen. So ist alles von Gott, und alles ist zum Nutzen des Menschen vernünftig angeordnet. Es gibt nicht das Geringste auf Erden, das ohne vernünftigen Anlaß ist oder besteht. So kann der Mensch, wenn er auf Grund von Schwachheit meine Macht, so wie sie ist, nicht fassen oder verstehen kann, sie doch mit Glauben sehen und daran glauben.
Aber wenn ihr Menschen meine Macht nicht mit eurem Verstand betrachten wollt, so könnt ihr doch mit euren Händen die Taten spüren, die ich und meine Heiligen getan haben. Sie sind nämlich so offenbar, dass niemand bezweifeln kann, dass sie Gottes Taten sind. Wer weckte Tote auf und gab den Blinden Sehkraft, wenn nicht Gott? Wer trieb böse Geister aus, wenn nicht Gott? Was habe ich gelehrt, wenn nicht das, was nützlich für das Wohlergehen der Seele und des Leibes und leicht zu tragen ist?

Aber was der erste Mann sagte, das bedeutet, dass manche sagen: „Wollen wir hören, und prüfen, ob das wahr ist.“ Sie stehen eine Zeitlang in meinem Dienst, nicht aus Liebe, sondern zum Versuch und um andere nachzuahmen; sie übergeben nicht ihren eigenen Willen, sondern führen ihn zugleich mit meinem Willen aus. Sie haben eine gefährliche Stellung, denn sie wollen zwei Herren dienen, obwohl sie keinem von beiden richtig dienen können. Wenn sie gerufen werden, werden sie von dem Herrn entlohnt, den sie am meisten geliebt haben.
Was der zweite Mann sagte, das bedeutet, dass manche sagen: „Es ist Lüge, was er sagt, und die Schrift ist falsch.“ Ich bin Gott und aller Dinge Schöpfer, und ohne mich ist nichts gemacht worden. Ich habe das neue und das alte Gesetz gestiftet; sie gingen aus meinem Munde hervor, und es gibt keine Unwahrheit darin, denn ich bin die Wahrheit. Deshalb werden die, die sagen, dass ich die Unwahrheit gesagt habe und dass die Hl. Schrift falsch ist, niemals mein Antlitz sehen, denn ihr Gewissen sagt ihnen, dass ich Gott bin, da alles nach meinem Willen und meiner Anordnung geschieht.

Der Himmel leuchtet ihnen, und selbst können sie sich nicht erleuchten. Die Erde trägt Frucht, die Luft macht die Erde fruchtbar, alle Tiere haben eine besondere Bestimmung, sogar die Teufel bekennen mich, und gerechte Menschen leiden unglaubliche Dinge aus Liebe zu mir – all dies sehen sie, und doch sehen sie mich nicht. Sie könnten mich auch an meiner Gerechtigkeit erkennen, wenn sie darauf achten würden, wie die Erde die Gottlosen verschlingt und wie das Feuer die Ungerechten verbrannt haben.
Sie könnten mich auch an meiner Barmherzigkeit sehen: Wie das Wasser für die Gerechten aus dem Felsen floß und das Wasser des Meeres unter ihnen zurückwich, als das Feuer es unterließ, ihnen zu schaden, und wie der Himmel und die Erde sie ernährte. Weil sie dies sehen und doch sagen, dass ich lüge, so werden sie niemals mein Antlitz zu sehen bekommen.
Was der dritte Mann sagt, das bedeutet: dass manche sagen: „Wir wissen sehr gut, dass er wahrer Gott ist, aber wir kümmern uns nicht darum.“ Diese werden in Ewigkeit gepeinigt werden, denn sie verachten mich, der ihr Gott und Herr ist. Ist es nicht eine große Verachtung, dass sie meine guten Gaben benutzen und doch verschmähen, mir zu dienen? Denn wenn sie dieses Gute durch ihren eigenen Fleiß und nicht ganz und gar durch mich hätten, so wäre die Verachtung leicht.
Aber die, die beginnen, meine Bürde zu tragen, d.h. freiwillig und mit heißem Verlangen versuchen, das wenige zu tun, das sie können, denen werde ich meine Gnade schenken. Und die, die meine Lasten aufnehmen, d.h. aus Liebe zu mir Tag für Tag in diesem Guten Fortschritte machen, mit denen arbeite ich, und ich werde ihre Stärke und sie entflammen, so dass sie noch mehr wollen.
Aber die, die auf der Stelle sitzen, die sie zu bedrücken scheint, aber doch den höchsten Frieden haben – sie arbeiten geduldig Tag und Nacht und ermüden nicht, sondern glühen mehr und mehr, und das, was sie ausrichten, scheint ihnen gering zu sein. Das sind meine liebsten Freunde, und es sind nur sehr wenige, denn die Getränke der anderen Schatzkammer erquicken die anderen mehr.“

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16. Kapitel

Vor Birgittas Augen streiten sich die Jungfrau Maria und der Teufel um das Recht an der Seele einer noch lebenden Frau. Der Disput, der die kommenden himmlischen Gerichtsszenen vorwegnimmt, endet damit, dass die Jungfrau Maria die Frau aus der Gewalt des Teufels befreit. Nach dem Zusatz von Petrus Olovsson handelt es sich um eine Dirne, die sich von Birgitta zu einem besseren Leben bekehren läßt. Die Frau wird auch in der Lebensbeschreibung der beiden Beichtväter und im Vorwort von Magister Mattias erwähnt. Sie ist wahrscheinlich identisch mit der Margareta, die an ein paar Stellen in den Acta et processus canonizacionis beate Birgitta, S. 19, 585 genannt wird.

Die Braut sah einen Heiligen, der zu Gott sprach und sagte: ”Warum wird die Seele dieser Frau, die du mit deinem Blut erlöst hast, von den Teufeln so misshandelt?“ Der Teufel antwortete gleich. – „Deshalb, weil sie mit Recht mir gehört. „Da sagte der Herr: „Mit welchem Recht gehört sie dir?“ Der Teufel erwiderte: „Es gibt zwei Wege. Der eine führt zum Himmelreich und der andere zur Hölle. Als sie beide Wege schaute, sagte ihr Gewissen und Verstand, dass sie meinen Weg vorziehen sollte, und da sie den freien Willen hatte, den Weg einzuschlagen, den sie wollte, schien es ihr bequemer, ihren Willen darauf zu richten, Sünde zu begehen.
Dann betrog ich sie mit drei Sünden, nämlich Schwelgerei, Geldgier und Geilheit. Daher sitze ich jetzt in ihrem Bauch und ihrer Natur. Und ich halte sie mit fünf Händen fest. Mit der ersten Hand halte ich ihre Augen, so dass sie die geistlichen Dinge nicht gewahr werden kann. Mit der zweiten Hand halte ich ihre Hände, so dass sie keine guten Taten tun mag. Mit der dritten Hand halte ich ihre Füße, so dass sie nicht zu dem gehen mag, was gut ist. Mit der vierten halte ich den Verstand, so dass sie sich nicht schämen mag, zu sündigen.

Und mit der fünften Hand halte ich ihr Herz, so dass sie nicht durch Reue zu dem Richtigen zurückkehren mag.“ Da sagte die hl. Jungfrau Maria zu ihrem Sohn: „Sohn, zwinge ihn, die Wahrheit über die Sache zu sagen, nach der ich ihn fragen will!“ Der Sohn sagte: „Du bist meine Mutter, du bist die Königin des Himmels und die Mutter der Barmherzigkeit; du bist der Trost für die, die im Fegefeuer sitzen, und die Freude für die, die auf Erden umherwandern; du bist die Herrscherin der Engel, du hast den höchsten Platz bei Gott, und du hast ebenso Macht über den Teufel. Befiehl deshalb diesem Teufel, was du willst, o Mutter – so wird er es dir sagen.“

Da fragte die hl. Jungfrau diesen Teufel: „Sag mir, Teufel, welche Absicht hatte diese Frau, ehe sie in die Kirche ging?“ Der Teufel antwortete ihr: „Sie hatte vor, sich von Sünde fernzuhalten.“ Die Jungfrau Maria sagte zu ihm: „Nachdem der Wille, den sie vorher hatte, zur Hölle führte, so sage, wohin der Wille führt, den sie jetzt hat, nämlich ihr Wille, sich von Sünde fernzuhalten.“

Der Teufel sagte widerwillig: „Dieser Wille, sich davon fernzuhalten, führt sie zum Himmel.“ Da sagte Jungfrau Maria: „Wenn du von der Gerechtigkeit die Macht erhalten hast, sie wegen ihres früheren Willens vom Weg der hl. Kirche abzuberufen, so ist es nun gerecht, dass sie jetzt durch den Willen, den sie jetzt hat, zur Kirche zurückgeführt wird. Aber jetzt, Teufel, frage ich dich noch etwas. Sag, welchen Willen sie an dem Punkt hat, an dem sich ihr Gewissen jetzt befindet.“
Der Teufel antwortete: „Sie empfindet in ihrem Sinn Reue und große Trübsal über das, was sie getan hat, und nimmt sich vor, so etwas nie mehr zu begehen, sondern sie will sich bessern, so viel sie kann.“ Da fragte die Jungfrau den Teufel: „Sag mir, können diese drei Sünden, nämlich Geilheit, Schwelgerei und Geldgier, nicht mit diesen drei guten Dingen zusammen sein, nämlich Reue, Trübsal und der Vorsatz, sich zu bessern, in ein und demselben Herzen wohnen?“
Der Teufel erwiderte: „Nein.“ Da sagte die hl. Jungfrau: „Sag mir also, welche von diesen muß aus ihrem Herzen weichen: Diese drei Tugenden oder diese drei Laster? Du sagst ja, dass sie nicht zusammen an ein und demselben Platz wohnen können.“ Der Teufel sprach: „Ich sage, dass die Sünden weichen sollen.“ Da antwortete die Jungfrau: „Also ist der Weg zur Hölle für sie verschlossen, und der Weg zum Himmelreich ist für sie aufgetan.“ Nun fragte die hl. Jungfrau den Teufel weiter: „Sag mir: Wenn ein Räuber draußen vor dem Haus der Braut liegen würde und sie vergewaltigen wollte, was würde dann der Bräutigam machen?
Der Teufel gab zur Antwort: „Wenn der Bräutigam gut und edelgesinnt ist, so muß er sie verteidigen und sein Leben für ihr Leben wagen.“ Da sagte die Jungfrau: „Du bist der schlimmste Räuber, und die Seele ist die Braut meines Sohnes, denn er hat sie mit seinem eigenen Blut erlöst. Du hast sie geschändet und sie mit Gewalt genommen. Aber nachdem mein Sohn der Bräutigam der Seele und Herr über dich ist, geziemt es sich für dich, vor ihm zu fliehen.“

Erklärung
Diese Frau war eine Dirne. Sie wollte zur Welt zurückkehren, denn der Teufel plagte sie Tag und Nacht, so dass er in sichtbarer Gestalt ihre Augen herabdrückte und sie im Beisein vieler aus dem Bett zog. Die heilige Birgitta sagte da im Beisein vieler glaubwürdiger Personen offen: „Weichehinweg, Teufel, denn du hast dieses gottgeschaffene Wesen genug geplagt!“[1]

Nachdem sie das gesagt hatte, lag die Frau eine halbe Stunde mit zur Erde gesenkten Augen da, und als die sich erhob, sagte sie: „Ich habe in Wahrheit den Teufel in widerlichster Gestalt durchs Fenster hinausgehen sehen, und ich hörte eine Stimme, die zu mir sagte: „Du bist in Wahrheit befreit, Frau!“ Nach der Stunde war die Frau von aller Ungeduld befreit, wurde nicht mehr von unreinen Gedanken geplagt und starb einen guten Tod.

[1]. Es handelt sich um einen sog. Exorzismus.

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17. Kapitel

Christus beschreibt Birgitta eine hochmütige und raubgierige Person; nach dem Zusatz von Petrus Olovsson ein Schwedischer Edelmann.

Ich bin Jesus Christus, der mit dir spricht. Ich war als wahrer Gott und Mensch im Schoß der Jungfrau, war aber nichtsdestoweniger mit dem Vater und lenkte alles, obwohl ich bei der Jungfrau war.
Dieser mein elender Widersacher ist wie drei Dinge. Zum ersten ist er wie ein Adler, der in der Luft fliegt, und unter dem andere Vögel fliegen. Zweitens ist er wie ein Vogelfänger, der auf einer mit dickem Leim beschmierten Flöte bläst. Die Vögel werden von seinem Spiel entzückt und fliegen auf die Flöte zu, bleiben aber am Leim kleben.

Drittens ist er ein Hüne, der in jedem Wettkampf der erste ist. Er gleicht dem Adler, weil er in seinem Hochmut nicht duldet, dass manche über ihm sind, und mit den Klauen seiner Bosheit verletzt er alle, an die er kommt. Daher werde ich die Schwingen seiner Gewalt und seines Übermutes abhauen. Ich werde seine Bosheit von der Erde fortnehmen und ihn dem ewig siedenden Kessel übergeben, wenn er sich nicht bessert.
Er gleicht dem Vogelfänger, weil er alle mit leiblichen Worten und Versprechungen zu sich zieht, und weil alle, die zu ihm kommen, so im Verderben stecken bleiben, dass sie nie mehr davon loskommen können. Daher werden die Vögel der Hölle seine Augen zubinden, so dass er nie mehr meine Ehre ohne das ewige Dunkel der Hölle zu sehen bekommt.

Sie werden seine Ohren abhauen, so dass er nicht die Worte meines Mundes hören kann. Sie werden ihm vom Scheitel bis zur Sohle Bitterkeit statt Liebes zufügen, so dass er so viele Qualen ausstehen muß, wie er Menschen ins Verderben geführt hat.

Er ist auch wie ein Hüne, der der Erste in allem Bösen ist, keinem weichen will, sondern sich vornimmt, alle zu unterdrücken. Daher wird er wie ein Hüne in jeder Qual der erste sein; seine Pein wird immer erneuert werden, und sein Weh wird nie ein Ende haben. Dennoch steht meine Barmherzigkeit für ihn bereit, so lange die Seele noch im Liebe ist.“

Erklärung
Das war ein sehr mächtiger Ritter, der die Priesterschaft sehr haßte und ihr Schimpfworte zufügte. Über ihn ist die vorige Offenbarung und ebenso die folgende gemacht. Gottes Sohn sagt: „Du Ritter der Welt, frage die Weisen, was dem hochmütigen Haman[1] geschah, der mein Volk verachtete. Erlitt er nicht einen schimpflichen Tod und Schande? So verhöhnt dieser Ritter mich und meine Freunde. So wie Israel Hamans Tod nicht beweinte, so werden auch meine Freunde nicht über seinen Tod weinen, sondern er wird den bittersten Tod sterben, sofern er sich nicht bessert.“ Es kam auch in dieser Weise.

[1]. Siehe Buch Esther, Kap. 7.

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Bauregeln für das Vadstena-Kloster
18. Kapitel

Christus gibt zum ersten Mal Anweisungen über das Kloster, das Birgitta bauen soll. Es handelt sich um ein Doppelkloster, wo „eine starke Mauer“ die Männerabteilung von der der Frauen trennt. Betreffs der ökonomischen Beiträge zu dem künftigen Kloster sagt Christus, dass diese Spenden nicht aus unrechtmäßig erworbenen Gütern bestehen dürfen.

In meinem Hause soll sich alle Demut finden, die jetzt gänzlich verschmäht ist. Dort (im Kloster) soll zwischen Männern und Frauen ein starke Mauer sein, denn obwohl ich (Christus) alle verteidigen und alle ohne Mauer halten kann, so will ich dennoch als Vorsichtsmaßnahme und wegen der Schlauheit des Teufels, dass eine Mauer beide Wohnhäuser trennen soll. Sie soll stark sein, nicht sehr hoch, sondern mäßig hoch.
Die Fenster sollen sehr einfach und klar sein, das Dach mäßig hoch, so dass dort nichts zu sehen ist, das nicht vor Demut duftet. Denn die, die jetzt mein Haus bauen, sind den Baumeistern gleich, die – wenn der Bauherr bei ihnen eintritt – ihn bei den Haaren packen und ihn unter die Füße treten; den Schmutz schleudern sie in die Höhe, und das Gold trampeln sie unter die Füße.
So tun es viele mit mir. Sie bauen nämlich Schmutz auf, d.h. diese vergänglichen, weltlichen Dinge erheben sie hoch wie zum Himmel, aber um die Seelen, die kostbarer sind als Gold, kümmern sie sich wenig. Wenn ich durch meine Prediger oder durch gute Gedanken zu ihnen eingehen will, so packen sie mich an den Harren und treten mich unter die Füße, d.h. sie schmähen mich und sehen meine Toten und meine Worte verächtlich an wie Schmutz. Sich selber halten sie dagegen für sehr viel klüger. Aber wenn sie für mich und zu meiner Ehre bauen wollen, dann sollen sie erst die Seelen erbauen.

Wer jetzt mein Haus bauen will, soll mit äußerster Genauigkeit darauf achten, dass nicht ein Pfennig dort verwendet wird, der nicht gut und rechtmäßig erworben ist. Es gibt ja viele, die wissen, dass sie unrechtmäßig erworbene Güter besitzen, und trotzdem sorgen sie sich nicht deswegen und haben nicht der Willen, Genugtuung zu leisten und sie denen zurückzugeben, die sie betrogen und ausgeplündert haben, obwohl sie die Dinge zurückgeben und Ersatz leisten könnten, wenn sie wollten. Aber nachdem sie bei sich denken, dass sie dies nicht in Ewigkeit besitzen können, geben sie den Kirchen einen Teil der Güter, die unrechtmäßig erworben sind, als ob sie mich durch dieses Geschenk besänftigen wollten. Aber andere Güter, die wohl erworben sind, bewahren sie für ihre Nachkommen.

Das gefällt mir wahrhaftig nicht. Wer mir mit seinen Gaben gefallen möchte, der mag nämlich zuerst das Verlangen haben, sich zu bessern und dann die guten Werke tun, die er kann. Er sollte auch weinen und das Böse bedauern, das er getan hat und es dann zurückgeben, falls er das kann; und kann er es nicht, so sollte er den Willen haben, das heimtückisch Erworbene zurückzugeben. Dann soll er sich hüten, so etwas nicht mehr zu begehen.
Aber wenn sich keiner findet, dem er das zu Unrecht Erworbenen zurückgeben kann, dann könnte er es mir geben, denn ich kann allen das zurückgeben, was ihnen gehört. Wenn er es nicht zurückgeben kann, sich aber mit dem Vorsatz, sich zu bessern, und mit zerknirschtem Herzen sich vor mir demütig, so bin ich reich genug, es zurückzuzahlen, und ich kann allen Betrogenen ihr Eigentum zurückerstatten, entweder in dieser Welt, oder in der kommenden.
Ich will dir sagen, was das Haus, das ich bauen will, bedeutet. Dieses Haus ist das Klosterleben, und sein Fundament bin ich, der alles geschaffen hat, und durch den alles gemacht ist und Bestand hat. In diesem Hause sind vier Wände. Die erste ist meine Gerechtigkeit, mit der ich die richten werde die diesem Hause feindlich sind. Die andere Wand ist meine Weisheit, mit der ich die Bewohner durch meine Einsicht und meinen Verstand erleuchten werde. Die dritte ist meine Macht, womit ich sie gegen die Ränke des Teufels stärken werde. Die vierte Wand ist meine Barmherzigkeit, die alle die annimmt, die darum bitten. In dieser Wand ist das Tor der Gnade, durch das alle empfangen werden, die darum bitten.

Das Dach des Hauses ist die Liebe, mit der ich die Sünden derer verhülle, die mich lieben, damit sie ihrer Sünden wegen nicht verurteilt werden. Das Dachfenster, wodurch die Sonne eindringt,[1] ist die Betrachtung meiner Gnade, wodurch die Wärme meiner Göttlichkeit zu den Einwohnern eindringt. Daß die Mauer stark und groß sein muß, bedeutet, dass niemand meine Worte abschwächen oder verwerfen soll. Daß sie einigermaßen hoch sein muß, bedeutet, dass meine Weisheit nur teilweise verstanden und erfasst werden kann, aber niemals vollständig. Die einfachen, aber klaren Fenster bedeuten, dass meine Worte – obwohl sie schlicht sind – doch durch sie das Licht der göttlichen Erkenntnis in die Welt eindringt. Das einigermaßen hohe Dach bedeutet, dass meine Worte nicht in einer unbegreiflichen Weise offenbart wurden, sondern in begreiflicher und verständlicher Weise.

[1]. Der mittelalterliche Wohnraum war bekanntlich mit einem Dachfenster versehen.

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19. Kapitel

Christus beklagt sich bei Birgitta über die Undankbarkeit der Menschen im gegenüber und droht mit einem strengen Gericht.

Ich bin der Schöpfer des Himmels und der Erde. Ich habe drei Eigenschaften. Ich bin am mächtigsten, ich bin am weisesten, und ich bin auch am tugendhaftesten. Ich bin nämlich so mächtig, dass die Engel im Himmel mich verehren, die Teufel in der Hölle nicht wagen, mich zu betrachten, und alle Elemente meinem Befehl gehorchen. Ich bin auch so weise, dass niemand meine Weisheit zu ergründen vermag, und habe so große Einsicht, dass ich alles weiß, was schon geschehen ist und noch geschehen soll.

Ich bin dazu so vernünftig, dass nicht einmal der kleinste Wurm oder irgendein anderes Tier, wie hässlich es auch aussehen mag, ohne Ursache erschaffen ist. Ich bin auch so tugendhaft, dass alles Gute wie aus einer guten Quelle aus mir hervorströmt, und alle Süßigkeit von mir wie aus einem guten Weinstock hervorgeht. Daher kann niemand mächtig sein ohne mich, niemand weise oder tugendhaft sein ohne mich. Und deshalb sündigen die Mächtigen der Welt in hohem Maße gegen mich. Ich habe ihnen Stärke und Macht gegeben, damit sie mich ehren sollen, aber sie haben die Ehre sich selber erwiesen, als ob sie sie von sich selber hätten.

Diese Elenden sehen ihre Ohnmacht nicht ein. Denn wenn ich ihnen auch nur die Kleinste Krankheit sende, so würden sie gleich dahinschwinden, und alles würde für sie wertlos sein. Wie sollten sie dann meiner Stärke und den ewigen Strafen widerstehen?
Aber noch mehr sündigen die gegen mich, von denen es jetzt heißt, dass sie weise sind. Denn ich habe ihnen seelische Kräfte, Verstand und Weisheit verliehen, damit sie mich lieben sollen, aber sie verstehen nichts von dem, was nicht zu ihrem zeitlichen Nutzen dient. Sie haben die Augen im Nacken und achten nur auf das, was sie amüsiert, aber sie sind so blind, dass sie mir nicht danken, der ihnen alles gegeben hat – denn niemand, weder die Guten noch die Bösen – könnten etwas kennen und verstehen ohne mich, obwohl ich es zulasse, dass die Bösen ihren Willen auf das richten, was sie begehren,

Niemand kann auch tugendhaft sein ohne mich. Deshalb kann ich jetzt das Sprichwort sagen, was der kleine Mann im allgemein anzuführen pflegt: „Wer geduldig ist, wird von allen verachtet.“ So werde ich nun von den Menschen wegen meiner Geduld für äußerst töricht gehalten, und daher werde ich von allen verachtet. Aber wehe ihnen, wenn diese Zeit meiner Geduld zu Ende ist, und sie mein Gericht zu sehen bekommen. Sie werden dann vor mir wie der Schmutz sein, der in die äußerste Tiefe hinabfällt und nicht aufgehalten wird, ehe er in die tiefste Hölle geraten ist.“

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20. Kapitel

Christus schärft Birgitta ein, welche Enthaltsamkeit und Demut sich für sie in ihrer Eigenschaft als seine Braut geziemt.

Gottes Mutter wurde gehört, wie sie zu ihrem Sohne sagte: „Der Ehrenkönig bist du, mein Sohn, Du bist Herr über alle Herren. Du hast den Himmel und die Erde und alles, was darin ist geschaffen. Es geschehe deshalb all dein Begehren, es geschehe all dein Wille!“
Der Sohn erwiderte: „Es ist ein altes Sprichwort“ „Was der Junge in seiner Jugend lernt, das bewahrt er auch in seinem Alter.“ So hast auch du, Mutter, von Jugend an gelernt, meinen Willen zu befolgen und all deinen Willen um meinetwillen aufzugeben. Daher hast du gut daran getan, zu sagen: „Es geschehe dein Wille.“

Du bist wie kostbares Gold, das man auf einen harten Amboß legt und schlägt, denn du bist mit allen Kümmernissen geschlagen, und durch mein Leiden hast du mehr gelitten, als jeder andere gelitten hat. Denn als mein Herz am Kreuz auf Grund deines gewaltigen Schmerzes brach, wurde damit dein Herz wie von einem schärfsten Eisen verwundet, und du hättest es gern zerrissen werden lassen, wenn das mein Wille gewesen wäre. Aber wenn du mein Leiden hättest lindern und mein Leben gewollt hättest, so hättest du das doch nicht gewollt, wenn es nicht mein Wille gewesen wäre. Daher tust du gut daran, zu sagen: „Es geschehe dein Wille.“
Dann sprach Maria zur Braut (Birgitta): „Du Braut meines Sohnes, liebe meinen Sohn, denn er liebt dich, und ehre seine Heiligen, die in seiner Nähe stehen. Denn sie sind wie unzählige Sterne, deren Licht und Glanz mit keinem anderen Licht der Welt vergleichbar ist. Das Licht der Welt unterscheidet sich vom Dunkel, aber noch mehr unterscheidet sich das Licht der Heiligen vom Lichte dieser Welt. Ich sage dir in Wahrheit, - wenn die Heiligen in ihrer Klarheit so zu sehen wären, wie sie sind, so würde kein menschliches Auge dies ertragen, sondern sein körperliches Sehvermögen verlieren.“

Danach sprach der Sohn der Jungfrau zu seiner Braut (Birgitta) und sagte: „Mein Braut, du musst vier Eigenschaften haben. Erstens musst du zur Hochzeit mit meiner Göttlichkeit bereit sein, worin sich kein fleischliches Begehren findet, sondern die lieblichste geistliche Lust, eine solche, wie es Gott geziemt, sie mit keuscher Seele zu besitzen. Die Liebe zu deinen Kindern, zu deinem zeitlichen Gut oder zu deinen Verwandten soll dich nicht von der Liebe zu mir ablenken. Es soll mit dir nicht so gehen, wie mit den törichten Jungfrauen, die nicht bereit waren, als der Herr sie zur Hochzeit rufen wollte, und deshalb ausgesperrt wurden.
Zweitens sollst du meinen Worten glauben, denn ich bin die Wahrheit, und aus meinem Munde ist niemals etwas anderes als Wahrheit hervorgegangen, und niemand kann in meinen Worten etwas anderes als Wahrheit finden. Manchmal lege ich eine geistliche Bedeutung in das, was ich rede, und manchmal meine ich auch das, was die Worte ausdrücklich sagen, und meine Worte sind bei einer solchen Gelegenheit ohne ein Gleichnis zu verstehen. Daher kann mich niemand wegen Unwahrheit beschuldigen.

Drittens musst du gehorsam sein, so dass du mit Recht Buße und Besserung von all den Gliedern verlangen kannst, mit denen du gesündigt hast. Denn wenn ich auch barmherzig bin, verlasse ich doch nicht die Gerechtigkeit. Daher sollst du denen, denen du Gehorsam schuldest, demütig und froh gehorchen, so dass du nicht einmal das tust, was dir selber nützlich und vernünftig scheint, wenn es gegen den Gehorsam ist. Es ist nämlich besser, um des Gehorsams willen auf seinen eigenen Willen zu verzichten, auch wenn er gut ist, um den Willen des Vorgesetzten zu befolgen, soweit dieser nicht gegen die Erlösung der Seele oder in anderer Weise unvernünftig ist.
Viertens musst du demütig sein, denn du bist in eine geistliche Ehe eingebunden. Du sollst also bei der Ankunft deines Bräutigams demütig und bescheiden sein. Deine Dienerin sei maßvoll und gezügelt, d.h. dein Körper sei enthaltsam und wohlerzogen. Du sollst ja fruchtbar mit geistlicher Saat sein, vielen, zum Nutzen. Denn so wie der kleine Zweig, wenn er auf einen dürren Stamm gepfropft wird, den Stamm zum Grünen bringt, so sollst du durch meine Gnade grünen und Frucht bringen. Meine Gnade wird dich berauschen, und von dem süßen Wein, den ich dir geben werde, wird die ganze Heerschar des Himmels erfreut werden.
Du darfst die Hoffnung auf meine Güte nicht aufgeben. Ich versichere dir, dass – wie Zacharias und Elisabeth in ihren Seelen von unaussprechlicher Freude über das Versprechen eines zukünftigen Kindes erfüllt wurden – so sollst auch du dich über meine Gnade freuen, die ich dir schenken will, und dazu sollen andere durch dich erfreut werden. Mit diesen beiden, Zacharias und Elisabeth, sprach ein Engel, aber ich, der Gott und Schöpfer der Engel und dein Gott, rede selbst mit dir.

Diese beiden gebaren meinen liebsten Freund Johannes, aber ich will mir durch dich viele Söhne gebären, keine leiblichen, sondern geistliche. Ich sage dir in Wahrheit, dass dieser Johannes wie ein Rohr war, voller Lieblichkeit und Honig, denn in seinem Mund drang niemals etwas Unreines ein, und niemals nahm sein Leib etwas über das Lebensnotwendige hinaus auf. Niemals trat auch Samenflüssigkeit aus seinem Körper aus, und daher kann er mit Recht ein Engel und jungfräulicher Mensch genannt werden.“

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21. Kapitel

Christus beklagt sich über einen sündigen alten Mann, der vergisst, die Wohltaten Christi zu betrachten und eigentlich mit mit einem hässlichen Frosch verglichen werden kann. Birgitta soll Christus mehr lieben und sich an seine Liebe erinnern.

Der Bräutigam Jesus redete zur Braut (Birgitta) in einem Gleichnis, in dem er ein Beispiel von einer Kröte aufstellte und sagte: „Es war einmal ein Zauberer, der das erlesenste, glänzende Gold besaß. Zu ihm kam ein einfacher und sanftmütiger Mann und wollte dieses Gold kaufen. Der Zauberer sagte zu ihm: „Du wirst dieses Gold nicht bekommen, wenn du mir kein besseres Gold und in größerer Menge gibst.“
Der Mann sagte: „Ich habe ein solches Verlangen danach, dieses Gold von dir zu bekommen, dass ich eher, als dass ich darauf verzichte, dir geben will, was du verlangst. „Er gab dem Zauberer also besseres Gold und auch in größerer Menge, erhielt von ihm das glänzende Gold und legte es in einen Schrank in dem Gedanken, sich daraus einen Ring für seinen Finger zu machen.
Nach kurzer Zeit kam der Zauberer zu diesem einfachen Mann und sagte: „Das Gold, das du gekauft und in deinen Schrank gelegt hast, ist kein Gold, wie du glaubst, sondern die hässlichste Kröte. Sie ist an meiner Brust aufgezogen und mit meiner Kost genährt. Und damit du siehst, dass dies wahr ist, kannst du den Schrank öffnen – da wirst du sehen, wie die Kröte an meine Brust springt, in der sie aufgezogen ist.“
Als der Mann den Schrank öffnete und sehen wollte, wie sich das verhielt, war die Kröte in dem Schrank zu sehen, und sie sprang dem Zauberer an die Brust. Als die Deiner und Freunde des Mannes das sahen, sagten sie zu ihm: „Herr, dieses kostbarste Gold steckt in der Kröte, und wenn du willst, könntest du leicht das Gold erhalten.“

„Wie sollte ich das können?“ sagte er da.

Sie sagten: „Wenn jemand einen scharfen und glänzenden Spieß nehmen und ihn in den Rücken der Kröte stecken würde – in den Teil des Rückens, wo er etwas ausgehöhlt ist, da könnte er leicht das Gold erhalten. Aber wenn man keine etwas hohle Stelle darin finden könnte, dann müsste man den Spieß mit größter Kraft und Anstrengung in sie hineinstechen, und da würdest du das wiedererhalten, was du gekauft hast.“
Wer ist dieser Zauberer anders als der Teufel, der die Menschen zu weltlicher Lust und Ehre anreizt, die nichts anderes sind als eine Kröte? Denn er verspricht das Falsche als das Wahre und macht, dass das Wahre aussieht, als wäre es falsch. Er beugt dieses kostbarste Gold, nämlich die Seele, die ich durch die Macht meiner Göttlichkeit wertvoller als alle Sterne und Planeten gemacht habe, die ich unsterblich und dauerhaft und angenehmer für mich als alles anderes gemacht habe, und der ich eine ewige Ruhe und Wohnung bei mir bereitet habe.

Ich kaufte sie aus der Gewalt des Teufels mit einem Gold, das besser und von größerem Wert war, als ich meinen Leib für sie gab, unbefleckt von aller Sünde, und eine so bittere Pein ausstand, dass keines meiner Glieder ohne Wunden war. Die erlöste Seele versetzte ich in den Körper wie in einen Schrein, bis ich sie in die Würde meiner Göttlichkeit setzen würde.
Aber jetzt ist die so erlöste Seele des Menschen wie die hässlichste und erbärmlichste Kröte geworden. Sie springt in ihrem Übermut und wohnt in Unreinheit durch ihre Geilheit. Und daher kann der Teufel mit Recht zu mir sagen: „Das Gold, was du gekauft hast, ist kein Gold, sondern eine Kröte, die an der Brust meiner Begierde aufgezogen ist. Trenne daher den Leib von der Seele, so wirst du sehen, dass sie gleich an die Brust meiner Begierde hüpft, wo sie aufgezogen ist.“
Ich antwortete ihm: „Weil die Kröte abscheulich anzusehen ist, scheußlich anzuhören und giftig anzufassen ist und mir nichts Gutes oder irgendeine Freude bringt, sondern nur dich, an dessen Brust sie aufgezogen ist, so mag sie dir gehören, denn dein ist sie mit Recht. Wenn die Tür geöffnet ist, d.h. wenn die Seele vom Leib geschieden ist, so kommt sie also gleich zu dir geflogen, um ohne Ende bei dir zu bleiben.“

So ist des Menschen Seele, von der ich zu dir gesprochen habe. Sie ist nämlich wie die abscheulichste Kröte, voller Unreinheit und Wollust, aufgezogen an der Brust des Teufels. Ihrem Schrein, d.h. dem Leibe, nahe ich mich jetzt durch den Tod. Der Schrein hängt über vier Achsen, die abzufallen drohen, denn sein Leib hat Bestand durch vier Dinge – nämlich Stärke, Schönheit, Weisheit und Sehvermögen, die nun allesamt beginnen, für ihn zu Ende zu gehen. Wenn seine Seele sich vom Leibe trennt, fliegt sie zugleich zum Teufel, von dessen Milch sie ernährt ist, denn sie hat meine Liebe vergessen, mit der ich es auf mich nahm, an ihrer Stelle die Pein zu leiden, die sie verdient hat.

Sie vergibt mir nämlich nicht mit Liebe und nimmt mir durch Kauf das ab, was mir von Rechts wegen zukommt, denn sie müsste mich, der sie erlöst hat, mehr lieben, als irgendeinen anderen. Aber sie findet mehr Behagen am Teufel. Die Stimme ihres Gebets ist mir wie die Stimme der Kröte; ihr Aussehen ist in meinen Augen abscheulich. Ihr Hörvermögen wird niemals meine Freude hören, und ihr vergiftetes Gefühl wird niemals meine Gottheit spüren.
Aber ich bin dennoch barmherzig. Gewiß ist seine Seele unrein, aber wenn jemand sie berührte und nach ihr schauen würde, falls sich da irgendwelche Reue und guter Wille findet, und ein scharfes, glühendes Schwert, d.h. die Furcht vor meinem strengen Gericht, in seinen Sinn stoßen würde, dann würde er trotzdem noch meine Gnade finden, wenn er mir gehorchen würde. Und wenn sich auch keine Reue und keine Liebe bei ihm finden würde, so gäbe es dennoch Hoffnung, falls ihn jemand streng zurechtweisen würde und ihm harte Vorwürfe machte, denn so lange die Seele mit dem Körper lebt, ist meine Barmherzigkeit für alle offen.

Bedenke also, dass ich um meiner Liebe willen gestorben bin, aber niemand gibt mir die Liebe zurück, sondern man spricht mir sogar die Gerechtigkeit ab, denn es wäre ja gerecht, wenn die Menschen umso besser lebten, mit desto größerer Mühe sie erlöst wurden. Aber jetzt wollen sie umso schlimmer leben, mit desto bitterer Pein ich sie erlöst habe; sie wollen umso frecher sündigen, je mehr ich ihnen die Abscheulichkeit der Sünde gezeigt habe.
Schau deshalb und bedenke, dass ich nicht ohne Grund erzürnt bin, denn meine Gnade haben sie in Zorn auf sich verwandelt. Ich habe sie von der Sünde erlöst, und selber verstricken sie sich immer mehr in Sünde. Also magst du, meine Braut, mir das vergelten, was du mir vergelten solltest: Du sollst deine Seele rein für mich bewahren, denn ich starb für dich aus dem Grunde, dass du sie mir rein bewahren sollst.“

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22. Kapitel

Maria erklärt Birgitta, wie nützlich es für gute Menschen ist, in einer schlechten Umgebung zu leben und erinnert sie daran, dass die, die gelegentlich böse sind, sich vielleicht in Zukunft bessern werden.

Die Mutter sprach zum Sohn der Braut und sagte: „Du bist die Braut meines Sohnes. Sag, was du auf dem Herzen hast, und was begehrst!“ Die Braut erwiderte darauf: „O meine Frau, das weißt du so genau, denn du weißt alles!“ Da sagte die heilige Jungfrau: „Obwohl ich alles weiß, will ich es doch aus deinem Munde hören, während die, die hier stehen, es auch hören.“ Und die Braut sagte: „Zwei Dinge fürchte ich, meine Frau. Zuerst fürchte ich meine Sünden, die ich nicht beweine und mit denen ich mich nicht bessere, so wie ich es gern täte. Zum anderen bin ich betrübt darüber, dass die Gegner deines Sohnes so viele sind.“

Da antwortete die Jungfrau Maria: „Gegen das erste gebe ich drei Heilmittel. Bedenke zuerst, dass alles, was atmet, wie die Frösche und übrigen Tiere, manchmal Beschwerden haben, und doch lebt ihr Geist nicht ewig, sondern stirbt mit dem Körper. Dagegen lebt deine Seele und die Seele jedes Menschen ewig. Denke außerdem an Gottes Barmherzigkeit, denn kein Mensch ist so sündig, dass ihm die Sünde nicht vergeben wird, wenn er mit der Absicht betet, sich zu bessern und zu bereuen.

Bedenke drittens, welch eine große Ehre die Seele hat, die ohne Ende mit Gott und in Gott lebt. Und gegen das andere, nämlich dass Gottes Feinde so zahlreich sind, gebe ich dir auch drei Heilmittel. Überlege erstens, dass dein Gott und Schöpfer und der ihre Richter über sie ist, und sie sollen ihn nie mehr verurteilen, obwohl er eine Zeitlang geduldig ihre Bosheit erträgt.

Zweitens, dass sie Kinder der Verdammnis sind, und wie schwer und unerträglich es für sie sein wird, in Ewigkeit zu brennen. Sie sind wie die elendesten Knechte, die das Erbe verlieren werden, während die Kinder es übernehmen werden. Aber nun sagst du vielleicht: Soll man ihnen also gar nicht predigen? Ja, unbedingt. Bedenke, dass es unter den Bösen auch oft Gute gibt, und dass die Pflegekinder oft vom Guten abgehen, wie der verschwenderische Sohn, der in ein fernes Land zog und ein schlechtes Leben führte. Aber manchmal werden sie durch die Predigt von Reue ergriffen, und kehren zum Vater zurück, und sie sind ihm umso willkommener, weil sie vorher Sünder waren.

Daher soll man vor allem ihnen predigen, denn obwohl der Prediger fast alle Menschen böse sieht, denkt er doch bei sich selbst: „Vielleicht gibt es unter ihnen manche, die Kinder meines Herrn werden sollen; ich will ihnen also predigen.“ Dieser Prediger wird den besten Lohn erhalten.
Überlege drittens, dass den Bösen vergönnt ist, zur Prüfung der Guten zu leben, so dass die Guten, wenn sie über die Sünden der Bösen betrübt sind, mit der Frucht der Geduld belohnt werden, wie du es besser durch dieses Gleichnis verstehen wirst: Die Rose duftet lieblich, ist schön anzusehen, und doch wächst sie nur zwischen Dornen, die spitz anzufassen und hässlich anzusehen sind, und die keinen Wohlgeruch besitzen.
So können auch gute und gerechte Menschen, obwohl sie sanft in ihrer Geduld, schön in ihren Sitten und wohlduftend in ihrem guten Beispiel sind, doch nicht ohne die Bösen vervollkommnet oder erprobt werden. Manchmal bewahren die Dornen auch die Rose davor, dass sie vor ihrer Reife abgepflückt werden; so geben die Bösen den Guten Anlaß, nicht in Sünde zu fallen, und manchmal werden sie durch deren Bosheit gezügelt, so dass sie nicht in unmäßige Freude oder in eine andere Sünde geraten.

Und niemals wird der Wein außer mit Hefe in seiner Güte erhalten, und die Guten und Gerechten können auch nicht in den Tugenden bewahrt werden und sich vervollkommnen, wenn sie nicht durch Heimsuchungen und durch Verfolgungen der Bösen erprobt werden. Ertrage du daher willig die Gegner meines Sohnes, denk daran, dass er ihr Richter ist, und dass er, wenn es gerecht wäre, dass sie alle vernichtet würden, sie leicht in einem Augenblick ausrotten könnte. Deshalb magst du sie ertragen, solange wie er sie erträgt.“

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23. Kapitel

Christus tadelt einen Kirchenfürsten mit den strengsten Worten, der ein weltliches Leben führt und es versäumt, seine Untergebenen zu korrigieren. Man hat vermutet, dass das Kapitel auf Papst Clemens VI. (1342-52) anspielt. Auf Birgittas Ermahnung hin hatten zwei ihrer Freunde, Bischof Hemming von Åbo und Prior Petrus in Alvastra um 1346 versucht, diesen Papst zu ermahnen, seine Residenz zurück nach Rom zu verlegen und sich an die Reform der Kirche zu machen. Die Ermahnung hatte zu keinem Erfolg geführt. Das Kapitel darf – wenn die Deutung richtig ist (siehe Steffen, S. 5) als ein Niederschlag von Missvergnügen mit dem ungehorsamen Kirchenfürsten gedeutet werden. – Laurentius, der in der Erklärung spricht, ist ein berühmter Märtyrer der alten Kirche, der 258 in Rom auf einem glühenden Rost zu Tode gefoltert wurde und sowohl in Schweden wie auch in der ganzen übrigen Christenheit verehrt wurde.

Dieser Mann scheint von den Menschen einem gut geschmückten, starken und schönen Mann zu gleichen, tapfer in den Kriegen seines Herrn, aber wenn der Helm von seinem Haupt abgenommen ist, ist er abscheulich anzusehen und unnütz, zu arbeiten. Sein Hirn scheint nämlich leer; er hat die Ohren in der Stirn und die Augen im Nacken, seine Nase ist abgeschnitten und seine Wangen verschrumpft wie bei einem toten Mann; auf der rechten Seite ist sein Kinn ebenso wie die Kiefern und die Hälfte der Lippen ganz und gar fortgefallen, so dass auf der rechten Seite nur allein die Kehle übrig ist, die offen ist.
Seine Brust ist voll von hervorquellenden Würmern. Seine Arme sind wie zwei Schlangen. In seinem Herzen wohnt der schlimmste Skorpion. Sein Rücken ist wie eine verbrannte Kohle. Seine Eingeweide sind stinkend und verfault wie verdorbenes Fleisch. Seine Füße sind tot und untauglich, damit zu gehen.

Ich will dir sagen, was dies bedeutet. Äußerlich scheint er den Menschen mit guten Sitten und Weisheit geschmückt zu sein und scheint tapfer darin, mir zu dienen und mich zu ehren, aber keineswegs ist er so. Wenn der Helm von seinem Haupt genommen wird, d.h. wenn den Menschen gezeigt wird, wie er wirklich ist, würde er schlimmer sein, als alle anderen. Sein Hirn ist leer, die Torheit und Leichtfertigkeit seiner Sitten zeigt guten Menschen mit den deutlichsten Zeichen, dass er einer solchen Ehre unwürdig ist.
Denn wenn ihm meine Weisheit schmecken würde, würde er verstehen, dass er sich mit einem so viel strengeren Lebenswandel als andere schmücken sollte, nachdem er zu größerer Ehre als andere erhöht worden ist. Er hat die Ohren auf der Stirn, denn statt der Demut, die er in seiner hohen Würde haben müsste, um ein Licht für andere zu sein, will er nur sein eigenes Lob und seine eigene Ehre hören, und dadurch wird er hochmütig, so dass er von allen groß und gut genannt sein will.

Er hat die Augen im Nacken, denn sein ganzes Denken ist auf das Gegenwärtige und nicht auf das Ewige gerichtet, wie er den Menschen gefallen könnte, und was dem Nutzen des Fleisches deinen könnte. Seine Nase ist abgeschnitten, denn ihm fehlt alles kluge Urteilsvermögen, mit dem er Sünde und Tugend, Zeitliches und Ewiges, die Reichtümer der Welt und die ewigen, diese kurzen Freuden und die ewigen unterscheiden könnte.
Seine Wangen sind eingefallen, d.h. all die Ehrfurcht, die er für mich haben sollte, und die Schönheit der Tugenden, womit er mir gefallen würde, das alles ist für meinen Dienst erstorben. Denn aus Scheu vor den Menschen, nicht meinetwegen schämt er sich zu sündigen. Ein Teil des Kiefers und der Lippen sind abgefallen, so dass nichts außer der Kehle übrig ist. Denn die Befolgung meiner Taten und die Verkündigung meiner Worte sowie das innige Gebet – das alles ist bei ihm weggefallen, so dass nichts als seine prassende Kehle bei ihm übrig ist. Aber dem Bösen nachzufolgen, und sich in weltlichen Angelegenheiten zu verstricken, das scheint ihm ganz gesund und schön.

Seine Brust ist voll von Würmern, denn in der Brust, wo sich der Gedanke an mein Leiden und die Erinnerung an meine Taten und Gebote finden sollten, da gibt es nur die Sorge um weltliche Dinge und nach dem Irdischen, das wie Würmer an seinem Sinne nagt, so dass er nicht an das Geistliche denken kann. In seinem Herzen, wo ich wohnen möchte und meine Liebe weilen sollte, da sitzt nun der schlimmste Skorpion, der mit dem Schwanz sticht und mit dem Gesicht schöntut, denn aus seinem Munde gehen sehr angenehme und verständige Reden aus, doch sein Herz ist voll von Unrecht und Falschheit. Denn er schert sich nicht darum, dass die Kirche, dessen Arbeiter er doch ist, verdirbt, wenn er nur seinen eigenen Willen durchsetzen kann.
Seine Arme sind wie Schlangen, denn in seiner Bosheit streckt er seine Arme nach den Einfältigen aus und ruft sie zu sich, aber wenn er eine passende Gelegenheit erhalten hat, bringt er sie kläglich zu Fall. Wie eine Schlange ringelt er sich zu einem Ring zusammen, denn er verbirgt seine Bosheit und Ungerechtigkeit, so dass kaum jemand seine heimtückische List entdecken kann.
Er ist in meinen Augen wie die hässlichste Schlange, denn so wie die Schlange verhasster als alle anderen Tiere ist, so ist er für mich widerwärtiger als alle anderen, denn er hält meine Gerechtigkeit für nichts und hält mich für einen Mann, der gar nicht strafen will. Sein Rücken ist wie eine Kohle; er sollte aber doch wie Elfenbein sein, denn seine Taten müssten stärker und reiner als die von anderen sein, so dass er die Schwachen durch seine Geduld und das Beispielseiner guten Lebensweise tragen könnte. Aber jetzt ist er wie eine Kohle, denn er ist nicht imstande, ein einziges Wort zu meiner Ehre zu sprechen, wenn es nicht zu seinem eigenen Nutzen ist. Trotzdem dünkt er sich der Welt gegenüber so stark.

Deshalb wird er fallen, wenn er glaubt, zu stehen, denn er ist in meinen Augen und in denen meiner Heiligen so scheußlich und leblos, wie eine Kohle. Seine Eingeweide sind stinkend, denn seine Gedanken und Begierden stinken für mich wie totes Fleisch, dessen Gestank niemand ertragen kann. So kann auch nichts Heiliges ihn ausstehen, sondern alle wenden sich von seinem Anblick ab und fordern Gericht über ihn.
Seine Füße sind tot. Seine beiden Füße sind nämlich seine beiden Neigungen zu mir – d.h. sein Wille, für seine Sünden Buße zu tun, und sein Wille, Gutes zu tun. Aber diese Füße sind in ihm ganz tot, denn alles Mark der Liebe ist darin verschwunden, und nichts ist geblieben als Knochen der Verhärtung. Und so steht er vor mir. Dennoch kann er, so lange noch die Seele im Körper ist, mein Erbarmen finden.“

Erklärung
Sankt Laurentius zeigte sich und sagte: „Als ich auf der Welt war, hatte ich drei Dinge: Enthaltsamkeit mit mir selbst, Barmherzigkeit mit meinem Nächsten und Liebe zu Gott. Deshalb predigte ich eifrig Gottes Wort, verteilte die Mittel der Kirche klug und ertrug froh Geißel, Feuer und Tod, Aber dieser Bischof tut so, als merkte er nicht die Zügellosigkeit der Priesterschaft, teilt die Mittel der Kirche freigebig an die Reichen aus und hat nur Liebe für sich und die Seinen. Deshalb tue ich ihm kund, dass die leichteste Wolke nun zum Himmel aufstieg, aber Rauch verdunkelt sie, so dass sie von vielen nicht gesehen werden kann. Diese Wolke ist das Gebet der Mutter Gottes für die Kirche. Der Qualm der Gier, der Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit verdunkelt sie so, dass die leichte Wolke der Barmherzigkeit der Gottesmutter nicht ins Herz der Elenden eingehen kann.
Deshalb soll der Bischof sich schleunigst zur gottesfürchtigen Liebe zurückkehren, indem er sich und seine Untergebenen bessert, sie mit seinem Beispiel und seinen Worten ermahnt und sie zu einem besseren Leben anleitet. Sonst wird er die Hand des Richters spüren, und seine Kirche wird mit Feuer und Schwert gereinigt werden und mit Plünderung und Heimsuchung so geplagt werden, saß sich lange Zeit niemand finden wird, der sie tröstet.“

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24. Kapitel

Christus, Maria und die Engel klagen vor Gott Vater über den traurigen Zustand der Kirche.

Der Vater redete, während die ganze Heerschar des Himmels zuhörte: „Ich klage vor euch, dass ich meine Tochter einem Mann anvertraut habe, der sie sehr plagt und ihre Füße so hart in einen Holzstock presst, dass alles Mark aus ihren Füßen hervortritt.

Der Sohn antwortete ihm: „O Vater, sie ist die, die ich mit meinem Blut erlöst habe, und mit der ich mich verlobt habe, aber jetzt wird sie grausam misshandelt.“ Denn redete die Mutter und sagte: „Du bist mein Gott und Herr, und die gesegneten Glieder deines Sohnes waren in meinem Körper, er, der dein wahrer Sohn und mein wahrer Sohn ist. Ich habe dir nichts auf erden versagt. Erbarme dich nun über deine Tochter um meiner Gebete willen.“
Danach sprachen die Engel und sagten: „Du bist unser Herr; in dir haben wir alles Gute, und außer dir brauchen wir nichts. Als deine Braut aus dir hervorging, freuten wir uns alle, aber nun müssen wir mit Recht betrübt sein, nachdem sie in die Hände des niederträchtigsten Mannes übergeben ist, der sie mit Schmähungen und Schimpf überschüttet. Erbarme dich deshalb über sie um deiner großen Barmherzigkeit willen, denn ihr Elend ist so groß, und es gibt niemanden, der sie tröstet und befreit, außer dir, allmächtiger Herr Gott.“

Da antwortete der Vater dem Sohn und sagte: „Mein Sohn, deine Klage ist die meine, dein Wort ist mein Wort, deine Werke sind meine Werke. Du bist in mir und ich in dir auf verschiedene Weise. Es geschehe dein Wille!“ Darauf sagte er zur Mutter des Sohnes: „Nachdem du mir nichts auf Erden versagt hast, so werde ich dir auch im Himmel nichts versagen, und dein Wille soll erfüllt werden.“
Zu den Engeln sagte er: „Ihr seid meine Freunde, und die Flamme eurer Liebe brennt in meinem Herzen. Ich werde meiner Tochter um eurer Gebete willen Barmherzigkeit erweisen.“

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25. Kapitel

Christus kommt von neuem auf die Frage zurück, warum er so lange die Bösen erträgt, und antwortet, das geschehe deshalb, dass die Bösen gleichwohl etwas Gutes getan haben, wofür sie belohnt werden müssten, und dass ihre Bosheit die Guten zu nützlicher Prüfung und Zucht veranlasst.

Ich bin der Schöpfer Himmels und der Erde. Du wolltest wissen, meine Braut, warum ich mit den Bösen so Geduldig bin. Das ist deshalb, weil ich barmherzig bin. Denn meine Gerechtigkeit hat aus drei Gründen Geduld mit ihnen, und meine Barmherzigkeit schont sie aus drei Ursachen. Erstens hat meine Gerechtigkeit mit ihnen Geduld, weil ihre Zeit zu Ende gehen wird. Denn wie ein gerechter König antwortetet, wenn er ein paar Leute gefangen hält, und man ihn fragt, warum er sie nicht aburteilen läßt, dass dies geschieht, weil die Zeit für Gerichtsverfahren noch nicht gekommen ist, wo sie verhört werden können, so dass die Zuhörer besser, darauf Acht geben und sich warnen lassen können, so ertrage ich die Bösen, bis ihre Zeit kommt, damit ihre Bosheit auch anderen bekannt wird.

Habe ich nicht Sauls Verdammung lange vorher vorausgesagt, ehe sie den Menschen bekannt wurde? Und ich habe ihn lange ertragen, auf dass seine Bosheit anderen offenbar wurde. Zweitens habe ich mit den Bösen Geduld, weil sie manche gute Taten vollbracht haben, für die sie bis zum letzten Punkt belohnt werden müssen; es soll nicht einmal das kleinste Gute geben, das sie für mich getan haben, wofür sie nicht belohnt werden – hier sollen sie ihren Lohn erhalten. Drittens, damit Gottes Ehre und seine Geduld offenbar werden sollen. Deshalb habe ich Pilatus, Herodes und Judas ertragen, als sie doch schon verurteilt waren. Und wenn deshalb jemand fragt, warum ich mit dem oder dem Geduld habe, so mag er Judas und Pilatus betrachten.
Ebenso verschont meine Barmherzigkeit die bösen Menschen aus drei Gründen. Erstens aus großer Liebe, denn ihre ewige Pein wird lang. Daher habe ich mit ihnen aus höchster Liebe bis zum letzten Augenblick Geduld, so dass ihre Pein durch diesen lange Zeitaufschub später beginnen soll. Zweitens deshalb, damit sich ihre Natur in den Lastern verzehrt, denn durch die Sünde verzehrt sich die Natur, so dass der zeitliche Tod bitterer empfunden wird, wenn ihre Natur noch frischer ist. Eine frische Natur erleidet nämlich einen langsameren und bitteren Tod.

Drittens zur Vervollkommnung der Guten und zur Bekehrung mancher Böser. Denn wenn gute und gerechte Menschen von den Bösen geplagt werden, so geschieht das, damit diese Guten und Gerechten sich von Sünde fernhalten oder größere Verdienste erwerben. Ebenso leben auch Böse zuweilen zum Nutzen von anderen Bösen. Denn wenn Böse den Fall und die Schlechtigkeit böser Menschen betrachten, denken sie bei sich selbst und sagen: „Was nützt es uns, ihnen zu folgen? Wenn der Herr so geduldig ist, ist es besser, dass wir uns bekehren.“
Und so bekehren sich manchmal die Verirrten zu mir, denn sie schaudern davor, so etwas zu tun, was diese bösen Leute getan haben, und ihr Gewissen sagt ihnen, dass man so etwas nicht tun soll. Deshalb heißt es, wenn jemand von einem Skorpion gestochen wird, so kann er durch das Öl geheilt werden, in dem ein anderes Reptil stirbt. So wird manchmal ein Böser, wenn er den Fall eines anderen bösen Menschen sieht, von Reue gepackt, und er wird geheilt, wenn er die Eitelkeit und Bosheit des anderen Menschen sieht.“

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26. Kapitel

Christus erklärt Birgitta, wie Adam und Evas eheliches Zusammenleben sich gestaltet hätte, wenn sie nicht in Sünde gefallen wären. Er tadelt scharf die egoistischen Berechnungen der modernen Menschen, wenn sie eine Ehe eingehen, und deutet die Beschaffenheit einer rechten, geistlichen Ehe an.

Man sah, wie die Heerschar der Engel vor Gott stand, und die ganze Heerschar sagte: „Preis und Ehre sei dir, Herr Gott, der du bist und ohne Ende gewesen bist. Wir sind deine Diener, und aus dreifachem Anlaß loben und ehren wir dich. Erstens, weil du uns geschaffen hast, damit wir uns mit dir freuen, und weil du uns das unaussprechliche Licht gegeben hast, an dem wir uns ewig erfreuen.

Zweitens, weil alles durch deine Güte und Treue geschaffen und erhalten wird, und alles nach deinem Willen Bestand hat und durch dein Wort bestehen bleibt. Drittens, weil du den Menschen geschaffen hast, um dessentwillen du Menschengestalt angenommen hast. Von dieser Menschengestalt und von deiner reinen, keuschen Mutter, die es verdient hat, dich zu tragen und die die Himmel nicht fassen und umschließen können, rührt unsere höchste Freude. Daher sei deine Ehre und dein Segen über alle Dinge – zur Würde der Engel, die du zu einer so großen Ehre erhöht hast.

Deine unendliche Ewigkeit und Beständigkeit sei über alles, was beständig ist und sein kann. Deine Liebe möge über dem Menschen sein, den du geschaffen hast. Du, Herr, bist der einzige, vor dem man sich um deiner großen Macht willen fürchten muß. Du bist der einzige, nach dem man um all deiner Liebe willen verlangen muß. Du bist der einzige, den man um deiner Unveränderlichkeit willen lieben soll. Deshalb sei dir Lob ohne Ende, unaufhörlich und in alle Ewigkeit, Amen.“
Da antwortete der Herr; „Ihr ehrt mich würdig für jedes geschaffene Wesen. Aber sagt, warum ihr mich für den Menschen lobt, der mich mehr als alle geschaffenen Wesen zum Zorn gereizt hat. Ich habe ihn ja würdiger als alle niedern Lebewesen geschaffen, und für niemanden ertrug ich so schmachvolle Dinge wie für ihn, und keinen habe ich so teuer erlöst, wie den Menschen. Und welches geschaffene Wesen beobachtet seine Ordnung nicht? Nur der Mensch tut das nicht. Er fügt mir größere Trübsal zu, als andere geschaffene Wesen.
Denn so wie ich euch zu meinem Lob und meiner Ehre schuf, so machte ich auch den Menschen mir zur Ehre. Ich gab ihm nämlich einen Leib wie ein geistlicher Tempel, in den ich die Seele wie einen schönen Engel gesetzt habe, denn der Menschen Seele hat Macht und Stärke wie ein Engel. In diesem Tempel war ich, sein Gott und Schöpfer, als der Dritte, damit der Mensch sich an mir freuen und mich genießen möge. Dann machte ich aus seinen Rippen einen anderen Tempel, ihm gleich.[1]

Aber jetzt meine Braut, du, um deretwillen dies gesagt wird, kannst du fragen, wie Kinder von ihnen geboren werden konnten, wenn sie nicht gesündigt haben? Ich antworte dir: Aus göttlicher Liebe und gegenseitiger Zuneigung und fleischlicher Vereinigung, wodurch die beiden untereinander entzündet wurden, würde gewiß das Blut der Liebe im Schoß der Frau ohne irgendwelche Wollust befruchtet sein, und so ist die Frau dann fruchtbar geworden.

Wenn dann das Kind ohne Sünde und wollüstiges Begehren geboren ist, würde ich ihn aus meiner Göttlichkeit heraus die Seele eingepflanzt haben, und so würde die Frau ohne Schmerz das Kind getragen und geboren haben. Wenn das Kind geboren ist, wäre es gleich so vollkommen wie Adam gewesen.
Aber diese Ehre verachtet der Mensch, als er dem Teufel zustimmte und eine höhere Ehre begehrte als die, die ich ihm gegeben habe. Nachdem der Ungehorsam geschehen war, kam mein Engel über sie,[2] und sie schämten sich ihrer Nacktheit, und gleich verspürten sie fleischliches Begehren und litten Hunger und Durst. Da vermissten sie auch mich, denn als sie mich hatten, hatten sie keinen Hunger oder andere fleischliche Lust oder Scham empfunden, sondern ich allein war für sie alles Gute, alles Gute, alle Lieblichkeit und vollkommene Freude gewesen.

Aber als der Teufel sich über ihren Fehltritt und ihren Fall freute, war ich von Mitleid mit ihnen gerührt und übergab sie nicht, sondern zeigte ihnen ein dreifaches Erbarmen. Ich bekleidete sie nämlich, als sie nackt waren, und gab ihnen Brot aus der Erde. Für die Wollust, die der Teufel nach ihrem Ungehorsam bei ihnen weckte, fügte ich durch meine göttliche Macht Seelen in ihre Saat ein. Und das Böse, das der Teufel ihnen eingab, wendete ich für sie ganz zum Guten.

Dann zeigte ich ihnen die Art und Weise, in der sie leben und mich verehren sollten, und versprach ihnen, zusammen zu kommen, denn vor meiner Zulassung und der Verkündigung meines Willens waren sie von Furcht beseelt und schämten sich, zusammen zu kommen. Ebenso hatte ich Mitleid mit ihnen, als sie nach Abels Ermordung eine lange Zeit trauerten und Enthaltsamkeit übten, und tröstete sie. Und als sie nun meinen Willen kennen gelernt hatten, begannen sie wieder, zusammen zu kommen und Kinder zu zeugen, aus deren Geschlecht ich, ihr Schöpfer, versprach, dass ich einmal geboren würde.[3]

Als die Bosheit der Kinder Adams wuchs, zeigte ich den Sündern meine Gerechtigkeit, aber für meine Auserwählten Barmherzigkeit. Dadurch wurde ich besänftigt, so dass ich sie vom Untergang bewahrte und sie erhöhte, nachdem sie meine Gebote beachteten und meinen Versprechungen glaubten. Als dann die Zeit des Erbarmens kam, zeigte ich durch Mose meine Wundertaten, denn ich rettete mein Volk nach meinem Versprechen, ich ernährte sie mit Manna und ging in der Wolkensäule vor ihnen her, gab ihnen mein Gesetz und offenbarte ihnen meine Geheimnisse und die Zukunft durch meine Propheten.

Dann erwählte ich, der alles geschaffen hat, mir eine Jungfrau, die von Vater und Mutter geboren war; von ihr nahm ich menschliche Gestalt an, und von ihr wurde ich gewürdigt, ohne Beischlaf und Sünde geboren zu werden. So wie die ersten Kinder im Paradies durch das Mysterium der göttlichen Liebe, durch die gegenseitige Liebe und Hingabe der Eltern ohne irgendwelche Wollust entstanden sind, so nahm meine Gottheit von einer Jungfrau Menschengestalt an, ohne Beischlaf und ohne Verletzung ihrer Jungfräulichkeit.
Ich kam also ins Fleisch als wahrer Gott und Mensch, ich erfüllte das Gesetz und alle Schriften, so wie sie vorher über mich geweissagt waren, und führte das neue Gesetz ein, nachdem das alte eng und hart zu tragen war; ja es war nichts anderes als ein Abbild dessen, was in Zukunft geschehen sollte. Denn in diesem alten Gesetz war es einem Mann erlaubt, mehrere Frauen zu haben, damit das Volk nicht ohne Nachkommen wäre und sich mit anderen Völkern vermischen sollte. Aber in meinem neuen Gesetz ist er vorgeschrieben, dass ein Mann nur eine Frau haben soll, und es ist verboten, dass er – solange sie lebt – mehrere Frauen hat. Die, die sich mit göttlicher Liebe und Gottesfurcht vereinigen, um Nachkommen zu erzeugen, die sind mein geistlicher Tempel, und bei ihnen will ich als der Dritte wohnen.
Aber die Menschen in dieser Zeit gehen eine Vereinigung aus sieben Gründen ein. Erstens wegen der Schönheit des Gesichts. Zweitens auf Grund von Reichtümern. Drittens aus Übermaß an großer Leichtfertigkeit und Freude am Beischlaf. Viertens, weil es da die Anerkennung durch Freunde und eine maßlose Schwelgerei gibt. Fünftens, weil es da übertriebenen Aufwand an Kleidern und Speisen, an Spiel und Spaß und anderen Nichtigkeiten gibt. Sechstens, um Kinder in die Welt zu setzen – aber nicht, um sie für Gott oder gute Sitten aufzuziehen, sondern für Reichtümer und Ehre. Siebtens kommen sie aus Wollust zusammen, und in ihrem Wollüstigen Verlangen sind sie wie das Vieh.

Sie kommen einträchtig an die Tür meiner Kirche,[4] aber ihr Begehren und innerste Gedanken sind ganz gegen mich gerichtet, und ihren Willen, der darauf aus ist, der Welt zu gefallen, stellen sie über meinem Willen. Denn wenn ihr ganzes Denken auf mich gerichtet wäre und sie ihren Willen in meine Hände übergeben würden und sie die Ehe in der Furcht vor mir eingehen würden, dann würde ich ihnen mein Einverständnis geben und als der Dritte bei ihnen sein. Aber jetzt ist mein Einverständnis, das ihnen das Wichtigste sein sollte, dahin, denn in ihrem Herzen herrscht Wollust, und nicht meine Liebe.
Darauf gehen sie zu meinem Altar, wo sie hören, dass sie ein Herz und eine Seele sein sollen, aber da fliegt mein Herz von ihnen fort, denn sie haben nicht die Wärme meines Herzens und kennen nicht den Geschmack meines Fleisches. Sie suchen nämlich die Wärme, die bald vergehen wird, und trachten nach dem Fleisch, das die Würmer fressen werden. Daher vereinen sich solche Menschen ohne das Band Gott Vaters und die Verbindung mit ihm, ohne die Liebe des Sohnes und ohne die Erquickung des Heiligen Geistes.
Aber wenn die Eheleute ins Bett kommen, dann weicht mein Geist gleich von ihnen, und ein unreiner Geist naht sich stattdessen, da sie nur aus Wollust zusammen kommen und zwischen ihnen an nichts anderes gedacht oder davon gesprochen wird. Doch ist mein Erbarmen noch mit ihnen, wenn sie sich bekehren. Aus großer Liebe sende ich nämlich in ihre Saat eine lebende Seele, die von meiner Macht geschaffen ist, und ich erlaube bisweilen auch, dass von bösen Eltern gute Kinder geboren werden.
Doch werden öfter schlechte Kinder von schlechten Eltern geboren, da solche Kinder der Bosheit der Eltern so weit wie möglich gleichen und ihnen noch mehr gleichen würden, wenn es ihnen von meiner Geduld erlaubt würde. Ein solches Ehepaar wird nie mein Angesicht zu sehen bekommen, wenn es sich nicht bessert. Keine Sünde ist nämlich so schwer, dass sie nicht durch Buße abgewaschen werden kann.

Deshalb will ich mich an die geistliche Ehe wenden, eine solche, wie es Gott gefällt, sie mit keuschem Leib und keuscher Seele zu führen.[5] Da gibt es sieben gute Dinge, die im Gegensatz zu den vorher genannten bösen Dingen stehen. Denn die, welche eine solche Ehe eingehen, begehren keine körperliche Gestalt oder Schönheit und auch nicht den Blick auf das Angenehme, sondern nur auf Gottes Liebe und seinen Anblick.

Ferner begehren sie nicht, etwas anderes zu besitzen, als das, was sie zum Leben brauchen und nur das Lebensnotwendige, nicht zum Überfluß. Drittens vermeiden sie eitle und leichtfertige Worte. Viertens legen sie kein Gewicht darauf, Freunde oder Verwandte zu sehen, sondern ich bin ihre Liebe und ihre Sehnsucht. Fünftens wünschen sie, Demut zu bewahren, inwendig in ihrem Gewissen und nach außen in ihrer Kleidung. Sechstens nehmen sie sich vor, niemals wollüstig leben zu wollen. Siebtens gebären sie Söhne und Töchter für ihren Gott, durch ihren guten Wandel und ihr gutes Beispiel und durch Verkündigung geistlicher Worte.
Sie stehen vor der Tür meiner Kirche, wenn sie ihren Glauben ungetrübt bewahren, und da geben sie mir ihr Einverständnis, und ich das meine mit ihnen. Sie gehen zu meinem Altar, wenn sie geistlich durch mein Fleisch und Blut erquickt werden, bei deren Genuß sie ein Herz, ein Fleisch und ein Wille sein wollen, und ich, wahrer Gott und Mensch, mächtig im Himmel und auf Erden, werde der Dritte bei ihnen sein, und ich werde ihr Herz erfüllen.

Die weltlichen Ehegatten beginnen das Verlangen ihrer Ehe in Wollust wie das Vieh, ja sie sind schlimmer als das Vieh, aber die geistlich gesinnten Gatten beginnen die Ehe in göttlicher Liebe und Gottesfurcht und kümmern sich nicht darum, jemand anderes zu gefallen, als mir. Die ersteren erwecken den bösen Geist zu fleischlicher Begierde, wo es nur so etwas wie Gestank gibt, aber die Letzteren werden von meinem Geist erfüllt und vom Feuer meiner Liebe entzündet, das nie bei ihnen erlöschen wird.

Ich bin ein Gott, drei an Personen, aber eins im Wesen, mit dem Vater und dem Heiligen Geist. So wie es unmöglich ist, dass der Vater vom Sohn getrennt wird, und dass der Geist von ihnen beiden geschieden wird, und wie es unmöglich ist, dass die Wärme vom Feuer getrennt wird, so ist es auch unmöglich, dass solche Gatten von mir getrennt werden; ich bin immer als der Dritte bei ihnen.

Denn einmal wurde mein Leib durch meine Pein verwundet und starb, aber jetzt wird er niemals mehr verletzt oder sterben. So werden die, die mit rechtem Glauben und vollkommenem Willen mit mir leben, mir einverliebt werden und niemals von mir absterben, denn wo immer sie auch stehen, sitzen oder gehen, stets bin ich als der Dritte bei ihnen.“

[1]. D.i. Eva.
[2]. D.h. über Adam und Eva.
[3]. Gemeint ist Christus.
[4]. Die mittelalterliche Trauung erfolgte außen vor der Kirchentür, der unmittelbar darauf die Brautmesse innerhalb der Kirche folgte.
[5]. Die unklare Formulierung dürfte wohl auf Christi Gegenwart und Teilnahme an der Ehe bedeuten, die mit keuschem Lieb und keuscher Seele eingegangen wird. Christus sagt ja später, dass er bei solchen Ehegatten als der Dritte weilt.

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27. Kapitel

Maria schildert Birgitta die Pein ihres Sohnes Christi und ihre eigene Trübsal, als sie das erlebte.

Gottes Mutter sprach zur Braut und sagte: ”Meine Tochter, ich will, dass du wissen sollst, dass – wo auch immer Tanzen stattfindet, da gibt es drei Dinge, nämlich leere Freude, lautes Rufen und unnütze Arbeit. Aber wenn jemand in Sorge oder traurig das Tanzlokal betritt und sein Freund, der da an der Freude des Tanzes teilnimmt, seinen Freund so traurig und betrübt sieht, so verlässt er gleich das Vergnügen, trennt sich vom Tanzen und trauert mit seinem trauernden Freund.

Dieser Tanz ist diese Welt, die immer voller Kummer ist, obwohl sie für törichte Menschen wie Freude aussieht. Auf der Welt gibt es drei Dinge: Leere Freude, leichtfertige Worte und nutzlose Arbeit, denn alles, was der Mann mit seiner Arbeit zustande bringt, lässt er einmal hinter sich zurück. Wer am Tanz der Welt teilnimmt, mag mit mir meine Mühe, meinem Schmerz und meine Trauer betrachten, die von aller Freude der Welt geschieden war, und sich von der Welt unterscheidet.

Beim Tode meines Sohnes war ich ja wie eine Frau, deren Herz von fünf Speeren durchstoßen war. Der erste Speer war seine unverschämte und tadelnswerte Nacktheit, denn ich sah ja meinen liebsten und allmächtigen Sohn nackt an der Geißelsäule stehen, ohne etwas zu haben, um sich zu bedecken. Der zweite Speer war seine Anklage. Denn sie klagten ihn an, indem sie ihn einen Verräter, Lügner und hinterhältig nannten – ihn, von dem ich wusste, dass er rechtschaffen und wahrhaftig war und nie jemandem geschadet hat oder hat schaden wollen.
Mein dritter Speer war seine Dornenkrone, die sein hochheiliges Haupt so schwer verletzte, dass das Blut ihm in den Mund, auf den Bart und in die Ohren floß. Der vierte war seine jammervolle Stimme am Kreuz, mit der er zum Vater rief: „Vater, Vater, warum hast du mich verlassen?“ Das war, als ob er sagen wollte: „Vater, es gibt niemanden, der sich meiner erbarmt, als du.“ Der fünfte Speer, der mein Herz durchbohrte, war sein harter, grausamer Tod.

Die Speere, von denen mein Herz sich durchbohrt fühlte, waren ebenso viele wie die Adern, aus denen sein teures Blut strömte. Die Adern in seinen Händen und Füßen waren ja durchstochen, und der Schmerz in den durchstochenen Sehnen stieg untröstlich zu seinem Herzen auf, und vom Herzen wieder zu den Sehnen. Und obwohl sein Herz ganz frisch und stark war (denn es bestand aus der besten Natur), kämpfte inwendig das Leben mit dem Tode, und so wurde das Leben unter umso bittereren Plagen verlängert. Aber als der Tod nahte und das Herz durch die unerträgliche Pein brach, da erzitterten alle seine Glieder, und das Haupt, das zurückgeneigt war, hob sich etwas; die halbgeschlossenen Augen öffneten sich fast bis zur Hälfte, und ebenso öffnete sich sein Mund, so dass die blutige Zunge sichtbar wurde. Die Finger und die Arme, die gleichsam erlahmt waren, streckten sich aus. Aber als er den Geist aufgab, fiel das Haupt auf die Brust nieder, die Hände sanken etwas von den Nagellöchern herab, und die Füße hatten dadurch eine schwere Last zu tragen.
Da wurden meine Hände gefühllos, die Augen verdunkelten sich, und mein Gesicht erbleichte wie bei einem toten Menschen; meine Ohren hörten nichts mehr, mein Mund konnte nicht mehr sprechen, die Füße wankten, und mein Körper sank zu Boden. Als ich mich wieder erhob und meinen Sohn elender und verachteter als einen Aussätzigen sah, fügte sich mein Wille ganz dem seinen, denn ich wusste, dass dies alles nach seinem Willen geschehen war und nicht hätte geschehen können, wenn er es nicht zugelassen hätte. Ich dankte ihm deshalb für alles, und so war doch etwas Freude mit der Trauer gemischt, weil ich sah, dass er, der nie gesündigt hatte, aus seiner großen Liebe heraus so viel für die Sünder hatte leiden wollen. Mag daher auch ein jeder, der auf Erden lebt, erwägen, wie ich beim Tode meines Sohnes litt, und dies stets vor Augen haben.“

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28. Kapitel

Birgitta muß erleben, wie die Seele eines verstorbenen Adligen zu ewiger Qual wegen seiner Bosheit verurteilt wird. Es ist die erste der himmlischen Gerichtsszenen, die sie erzählt.

Die Braut (Birgitta) sah Gott; er schien zornig zu sein und sagte: „Ich bin ohne Anfang und Ende. Bei mir ist keine Veränderung und gibt es weder Jahr noch Tag, sondern alle Zeit in Dieser Welt ist für mich da, ob es eine Zeit oder kurze Stunde ist. Ein jeder, der mich sieht, sieht und versteht wie in einem Augenblick alles, was in mir ist. Aber weil du, meine Braut, in leiblicher Gestalt bist, kannst du nicht wie ein Geist verstehen und begreifen, und daher werde ich um deinetwillen kundtun, was geschehen ist.
Ich saß als Richter, denn alle Macht zu richten ist mir gegeben, und es kam einmal ein Mann, um vor dem Richtstuhl verurteilt zu werden. Die Stimme seines Vaters dröhnte und sagte zu ihm: „Weh dir, dass du jemals geboren bist!“ Gott sagte das aber nicht, obwohl es ihn gereute, dass er ihn geschaffen hatte, sondern er war wie jemand, der über einen anderen trauert und Mitleid mit ihm hat.

Dann antwortete die Stimme des Sohnes (Christus): „Ich habe mein Blut für dich vergossen und um deinetwillen die bitterste Pein erlitten, aber davon bist du weit getrennt, und sie hat nichts mit dir zu tun.“ Die Stimme des Geistes sagte: „Ich habe alle Winkel seines Herzens untersucht, um zu sehen, ob ich in seinem Herzen irgendwelche Milde oder Liebe finden könnte, aber es ist kalt wie Eis und so hart wie ein Stein, und ich habe nichts mit ihm zu schaffen.“
Diese drei Stimmen wurden nicht gehört, weil es drei Götter geben soll (denn das ist nicht der Fall), sondern nur deshalb, weil du, meine Braut, sonst dieses Mysterium nicht verstehen könntest. Darum wurden diese drei Stimmen, die des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, gleich zu einer einzigen Stimme verwandelt, und diese Stimme dröhnte und sagte: „Auf keinen Fall wird dir das Himmelreich zuteil werden.“

Die Mutter der Barmherzigkeit schwieg und ließ kein Erbarmen aufkommen, denn der, der verurteilt werden sollte, war unwürdig, es zu empfangen, und alle Heiligen reifen mit einer Stimme und sagten: „Dies ist göttliche Gerechtigkeit, dass er auf ewig aus deinem Reich und deiner Freude verwiesen wird.“ Und alle, die im Fegefeuer waren, sagten: „Kein Pein ist bei uns so bitter, dass sie ausreicht, deine Sünden zu bestrafen; größere Plagen müssen auf dich zukommen, und deshalb wirst du von uns getrennt werden.“
Aber da rief der, der verurteilt werden sollte, mit schrecklicher Stimme und sagte: „Wehe, wehe der Saat, die im Leibe meiner Mutter zusammenkam, und woraus ich geschaffen bin!“ Er rief noch einmal und sagte: „Verflucht sei die Stunde, als meine Seele sich mit dem Körper vereinigte, und verflucht sei der, der mir Leib und Seele gab!“ Er rief noch ein drittes Mal: „Verflucht sei die Stunde, da ich lebend aus dem Mutterleib hervorging!“
Da kamen ihm drei gräuliche Stimmen aus der Hölle entgegen und sagten: „Komm zu uns, verdammte Seele, wie flüssiges Kupfer, zu ewigem Tod und ewigem Leben!“ Sie riefen zum zweiten Mal: „Komm, verdammte Seele, du leere, zu unserer Bosheit! Bei uns wird es keinen geben, der dich nicht mit seiner Bosheit und Qual erfüllt!“ Zum dritten Mal riefen sie: Komm, verdammte Seele, schwer wie der Stein, der ständig sinkt und doch nie einen Boden erreicht, da er Ruhe finden könnte. Du wirst hinab in die Tiefe sinken, tiefer als wir, so dass du nicht halten kannst, ehe du ganz tief in den Abgrund gekommen bist.“

Und nun sagte der Herr: „So wie der Mann, der mehrere Frauen hatte und sah, dass eine von ihnen gefallen ist, sich von dieser abwand und sich zu den anderen wandte, die standfest blieben, und sich mit ihnen erfreute, so habe ich mein Antlitz und meine Barmherzigkeit von ihm abgewandt, und ich wende mich an meine Diener und freue mich mit ihnen. Deshalb sollst du, nachdem du seinen Fall und sein Elend gehört hast, mir umso aufrichtiger dienen, wie ich dir größere Barmherzigkeit erwiesen habe.
Fliehe die Welt und ihre Lust! Ich habe ein so bitteres Leiden nicht der Welt zuliebe auf mich genommen, oder weil ich nicht vermocht hätte, es auf eine schnellere Weise zu vollenden – denn das hätte ich gekonnt – nein, weil die Gerechtigkeit verlangte, dass, wie der Mensch mit allen Gliedern gesündigt hat, so muß auch die Buße in allen Gliedern erfolgen. Daher empfand die Gottheit Mitleid mit dem Menschen und entbrannte von so großer Liebe zu einer Jungfrau, dass er durch sie Menschengestalt annahm.
In dieser Menschengestalt ertrug Gott all die Pein, die der Mensch von rechtswegen hätte leiden sollen. Daher sollst du, wenn ich aus Liebe deine Strafe auf mich nahm, in wahrer Demut verbleiben, so wie es meine Diener tun, damit du dich nicht vor jemandem schämst und dich vor nichts fürchtest, außer von mir. Bewache deinen Mund, so dass du niemals reden willst, wenn dies nicht mein Wille ist. Betrübe dich nicht wegen zeitlicher Dinge, denn die sind vergänglich, und ich kann sie reich und arm machen, wie ich will. Setze daher, meine Braut, all deine Hoffnung auf mich.“

Erklärung
Der Mann, von dem hier die Rede ist, war ein Adliger, Domherr und Subdiakon; er erhielt falschen Dispens und verlobte sich mit einer reichen Jungfrau, wurde aber von einem plötzlichen Tod überrascht und gewann so nicht das, was er begehrte.

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29. Kapitel

Maria tadelt Frau Hochmut und ihre Freunde und verspricht stattdessen ihren eigenen Getreuen die Hilfe des Himmels.

Gottes Mutter sprach zur Braut des Sohnes (Birgitta) und sagte: „Es gibt zwei Arten von Frauen. Die eine hat keinen besonderen Namen, denn sie ist unwürdig, einen solchen zu haben. Die andere ist die verkörperte Demut, und sie heißt Maria. Über die erste ist der Teufel Herr, denn er beherrscht sie. Der Ritter dieser Frau sagte zu ihr: „O meine Frau, ich bin bereit, alles für dich zu tun, was ich kann, wenn ich nur ein einziges Schäferstündchen mit dir haben könnte. Ich habe ja starke Kräfte, habe Mannesmut im Herzen, fürchte mich vor nichts und bin bereit, für dich in den Tod zu gehen.“
Sie antwortete ihm: „O mein Diener, du hast eine große Liebe zu mir. Aber ich sitze auf einem hohen Thron, und ich besitze nur diesen einen Thron, und zwischen uns sind drei Tore. Die erste Pforte ist so eng, dass alles, was der Mensch auf dem Leibe hat, von ihr zerrissen wird, wenn er durch diese Pforte eintritt. Die andere hat so scharfe Spitzen, dass sie den Menschen bis auf die Sehnen sticht. Die dritte Pforte ist so glühend heiß, dass es da keine Erquickung für den gibt, der durch diese Pforte eintritt, und er schmilzt sogleich wie Kupfer. Aber ich throne so erhöht, und wer neben mir sitzen will, kann – denn ich habe nur den einen Thorn – in die tiefste Tiefe unter mir stürzen.“ Er antwortete ihr: „Ich will mein Leben für dich geben, und der Sturz bekümmert mich nicht.“

Diese Frau ist der Hochmut, und wer zu ihr kommen will, muß gleichsam durch drei Tore eintreten. Durch das erste Tor tritt der ein, der alles zur Ehre der Menschen und den Hochmut opfert. Und wenn er nichts besitzt, bietet er seinen ganzen Willen auf, einen Anlaß zu finden, und berühmt zu werden. Durch das zweite Tor geht der ein, der alles, was er schafft und alles, was er tut, seine ganze Zeit, seine Gedanken und seine Kräfte, dafür opfert, um den Hochmut verwirklichen zu können. Ja, wenn er sein eigenes Fleisch geben könnte, um zerfleischt zu werden, so würde er das für Ehrenbezeugungen und Reichtümer gerne tun.
Durch die dritte Pforte geht der ein, der niemals stillhält und Ruhe hat, sondern wie ein Feuer in seinem Verlangen brennt, irgendeine Ehre oder etwas zu erlangen, worüber er weltlichen Hochmut empfinden kann. Aber wenn er erreicht, was er begehrt, kann er doch nicht länger in diesem Zustand bleiben, sondern fällt kläglich hin; Der Hochmut dagegen bleibt auf der Welt bestehen.
Aber ich, sagte Maria, die am allerdemütigsten bin, sitze auf einem großen Thron; über mir ist weder Sonne, Mond noch Sterne, auch keine Wolken, sondern eine wunderbare und unsagbar strahlende Klarheit, die aus der herrlichen Schönheit der göttlichen Majestät hervorströmt, unter mir ist weder Erde noch Steingrund, sondern eine unvergleichliche liebliche Ruhe in Gottes Tugend. Um mich herum ist weder eine Mauer oder Wand, sondern stattdessen die ehrenreiche Heerschar der Engel und heiligen Seelen.

Und obwohl ich so hoch oben sitze, höre ich dennoch meine Freunde, die auf Erden sind und Tag für Tag ihre Seufzer und Tränen vor mir ausbreiten. Ich sehe doch, dass ihre Arbeit und ihr Streben höher ist als das von denen, die für ihre Frau Hochmut kämpfen. Daher werde ich sie aufsuchen und sie bei mir auf meinem Thron sitzen lassen, der sehr geräumig ist und alle aufnehmen kann. Aber noch können sie nicht zu mir kommen oder bei mir sitzen, denn es gibt noch zwei Mauern zwischen uns.
Die erste Mauer ist die Welt. Sie ist eng. Deshalb sollen meine Deiner auf der Welt durch mich getröstet werden. Die zweite Mauer ist der Tod. Deshalb werde ich, ihre liebste Frau und Mutter, ihnen im Tode entgegeneilen, so dass sie sogar im Tode Trost und Erquickung spüren werden, und ich werde sie bei mir auf dem Thron der himmlischen Freude sitzen lassen, so dass sie ewig unter grenzenlosem Jubel in den Armen der ewigen Liebe und der ewigen Herrlichkeit bleiben werden.

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30. Kapitel

Christus klagt über die bösen Menschen, die ihn sozusagen von neuem kreuzigen, und ermahnt Birgitta, ihn zu lieben im Hinblick auf die Liebe, die er ihr selbst entgegenbringt.

Ich bin Gott, der alles zum Nutzen des Menschen geschaffen hat, und das sollte dem Menschen dienen und nützen. Aber der Mensch hat alles missbraucht, was ich zu seinem Nutzen geschaffen hatte, und wendet es zu seinem Verderben an. Und außerdem kümmert er sich weniger um Gott und liebt ihn weniger, als die geschaffene Welt.

Die Juden bereiteten mir drei Foltergeräte während meines Leidens. Erstens den Baumstamm, an dem ich, der gegeißelt und mit einer Dornenkrone versehen wurde, festgenagelt wurde. Zweitens das Eisen der Nägel, mit denen meine Hände und Füße festgenagelt wurden. Drittens der Gallentrank, den sie mir zu trinken gaben. Ferner schmähten sie mich und nannten mich einen Toren, des Todes wegen, den ich gern ertrug, und sie nannten mich einen Lügner wegen meiner Lehre.
Solche Leute gibt es jetzt viele auf der Welt, und es gibt wenige, die mir Trost verschaffen. Denn durch ihren Willen, zu sündigen, nageln sie mich am Halse fest. Sie geißeln mich durch ihre Unduldsamkeit (niemand kann nämlich ein Wort für mich ertragen), und sie krönen mich mit dem Dorn ihres Hochmuts, wenn sie höher sein wollen als ich. Sie durchbohren meine Hände und Füße mit dem Eisen der Verhärtung, denn sie rühmen sich ihrer Sünde und verhärten sich, um mich nicht zu fürchten. Als Gallentrank geben sie mir Trübsal. Für die Pein, zu der ich freudig ging, nennen sie mich einen Lügner und Toren.
Nun hätte ich die Macht, sie und die ganze Welt um der Sünden willen zu ertränken, wenn ich wollte. Aber wenn ich diese Leute ertränken würde, denn würden die, die übrig geblieben sind, mir nur noch aus Furcht dienen, und das wäre nicht gerecht, denn der Mensch soll mir aus Liebe dienen. Wenn ich selbst in sichtbarer Gestalt zu ihnen käme, würden es ihre Augen nicht ertragen, mich zu sehen, und ihre Ohren ertrügen es nicht, mich zu hören. Denn wie sollte ein sterblicher Mensch den Unsterblichen sehen können? Wahrlich, in meiner Liebe wollte ich gern noch einmal für die Menschen sterben, wenn das möglich wäre.

Darauf zeigte sich die heilige Jungfrau Maria, und der Sohn sagte zu ihr: „Was willst du, meine auserwählte Mutter?“ Sie sagte: „Mein Sohn, erbarme dich über deine geschaffene Wesen um meiner Liebe willen!“ Er antwortete: „Ich will ihnen noch einmal um deinetwillen Barmherzigkeit erweisen.“
Dann sprach der Herr zur Braut (Birgitta) und sagte: „Ich bin der Gott und Herr der Engel. Ich bin Herr über Tod und Leben. Ich, derselbe, will in deinem Herzen wohnen. Sieh, welch große Liebe ich zu dir habe! Himmel und Erde und alles, was darin ist, können mich nicht fassen, und dennoch will ich deinem Herzen wohnen, das nur ein kleines Stück Fleisch ist. Was sollst du denn noch fürchten, was könnest du noch brauchen, wenn du den allmächtigen Gott in dir hast, in dem alles Gute ist?
Nun muß es in diesem Herzen, das meine Wohnung ist, drei Dinge geben: Ein Bett, in dem wir ruhen können, eine Bank, auf der wir sitzen können, und eine Lampe, von der wir Licht erhalten können. In deinem Herzen muß es nämlich ein Bett geben, um darin zu ruhen, so dass du von bösen Gedanken und weltlichen Begierden Abstand nehmen und stets die ewige Freude betrachten kannst. Die Bank soll dein Ruheplatz sein, um bei mir sitzen bleiben zu können, auch wenn es manchmal geschieht, dass du ausgehst. Es ist ja gegen die Natur, immer nur zu stehen, aber der steht immer, der immer mit der Welt sein will und niemals bei mir sitzen will. Das licht oder die Lampe soll dein Glaube sein, dass ich alles vermag und über alle Dinge allmächtig bin.“

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31. Kapitel

Johannes der Täufer preist Maria und schildert Maria ihre Tugenden.

Die Braut (Birgitta) sah die Himmelskönigin, Gottes Mutter, die eine unbeschreiblich schöne und kostbare Krone auf dem Haupt hatte. Das wunderbar schöne Haar war über die Schultern geschlagen, und sie trug einen goldenen Rock, der in einem unsagbaren Glanz erstrahlte, mit einer blauen Kappe aus Azur oder Klarer Himmelsfarbe.

Als die Braut sich nun über einen so herrlichen Anblick wunderte und in dieser Verwunderung in einer inneren Verzückung ganz hingerissen dastand, zeigte sich ihr plötzlich der hl. Johannes der Täufer, der zu ihr sagte: „Hör genau zu, was dies bedeutet. Die Krone bedeutet, dass sie (Maria) Königin und Herrscherin und Mutter des Königs der Engel ist; das ausgebreitete Haar bedeutet, dass sie rein und eine unbefleckte Jungfrau ist.[1] Die Kappe mit Himmelsfarbe besagt, dass alle zeitlichen Dinge wie tot für sie sind. Der goldene Rock, dass sie vor Gottesliebe brannte und glühte, innerlich und äußerlich.

Aber in die Krone setzt ihr Sohn sieben Lilien, und zwischen diese Lilien setzte er sieben Edelsteine. Die erste Lilie ist ihre Demut, die zweite ihre Gottesfurcht, die dritte ihr Gehorsam, die vierte ihre Geduld, die fünfte ihre Standhaftigkeit, die sechste ihre Milde, (denn sie ist mild und gibt allen, die sie bitten), die siebente ihre Barmherzigkeit in Drangsal (denn in welcher Drangsal sich auch der Mensch befindet, wird ihm geholfen, wenn er sie von ganzem Herzen anruft).
Zwischen diese leuchtenden Lilien setzte ihr Sohn sieben kostbare Edelsteine. Der erste Stein ist ihre makellose Tugendhaftigkeit, denn es gibt in keiner Seele oder keinem Körper eine Tugend, die sie nicht in höherem Maße besitzt. Der zweite Stein ist ihre vollkommene Reinheit, denn diese Himmelskönigin war von ihrem ersten Eintritt in die Welt und bis zu ihrem letzten Tag so rein, dass niemals irgendein Sündenfleck bei ihr anzutreffen war.
Und keiner von den Teufeln konnte bei ihr nicht einmal so viel Unreinheit finden, wie auf eine Nadelspitze passt. Sie war in Wahrheit die allerreinste. Denn für die Ehrenkönigin war es angemessen, nur in dem reinsten Gefäß zu wohnen, die vor allen Engel und Menschen auserwählt und reiner als sie war.

Der dritte Stein war ihre Schönheit, denn Gott wird von seinen Heiligen wegen der Schönheit seiner Mutter gepriesen, und die heiligen Engel und alle heiligen Seelen sind von Freude über ihre Schönheit erfüllt. Der vierte kostbare Stein in der Krone ist die Weisheit der jungfräulichen Mutter, denn sie ist von aller göttlicher Weisheit in Gott erfüllt, und alle Weisheit gelangt durch sie zur Vollkommenheit und Vollendung.

Der fünfte Stein ist ihre Stärke, denn sie ist mit Gott so stark, dass sie alle geschaffenen Dinge zu bezwingen vermag. Der sechste Stein ist ihre Klarheit, denn sie ist so klar, dass die Engel, deren Augen klarer sind als das Licht, von ihr erleuchtet werden, und die Teufel es nicht wagen, in ihre Klarheit hinein zu schauen. Der siebente Stein ist die Fülle aller Freude und aller geistlichen Süßigkeit, die sich bei ihr in so vollem Maße findet, dass es keine Freude gibt, die noch nicht von ihr erhöht wird, und kein Vergnügen, das nicht durch sie und ihren seligen Anblick noch reicher und vollkommener wird, denn sie ist von Gnade erfüllt, und das in höherem Maß, als alle Heiligen.
Sie ist nämlich das Gefäß der Reinheit, in dem das Brot der Engel ruhte, und in dem sich alle Lieblichkeit und Schönheit findet. Diese sieben Steine hat ihr Sohn zwischen die sieben Lilien gesetzt, die in ihrer Krone waren. Daher sollst du, die Braut ihres Sohnes, sie von ganzem Herzen ehren und preisen, denn sie ist in Wahrheit alles Lobes und aller Ehre wert.“

[1]. Nach mittelalterlichem Brauch hatte eine Jungfrau ihr ausgebreitetes Haar unbedeckt (oder, wenn ihre gesellschaftliche Stellung dies erlaubte, mit einem Diadem geschmückt), während verheiratete Frauen, Witwen und Nonnen immer ein Kopftuch trugen.

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32. Kapitel

Christus spricht mit Maria über drei von Dämonen besessene Personen, von denen zwei niemals geheilt wurden, während die dritte durch Birgittas Hilfe befreit wurde.

Du sollst wie der Mensch sein, der zurücklässt, und wie der, der sammelt. Du musst nämlich die Reichtümer der Seele aufgeben und stattdessen Tugenden sammeln, das Vergängliche verlassen und das Ewige sammeln, das Sichtbare verlassen und das Unsichtbare sammeln. Ich will dir nämlich statt der Lust des Fleisches die jubelnde Freude der Seele geben, statt der Freude der Welt die Freude des Himmels, statt der Ehre der Welt die Ehre der Engel, statt des Anblickes der Verwandten den Anblick Gottes, anstatt irdischer Besitztümer mich selbst, den Geber und Schöpfer aller Dinge.
„Antworte mir auf drei Fragen, die ich dir stellen werde. Erstens: Willst du auf dieser Welt reich oder arm sein?“ Sie (Birgitta) antwortete: „Herr, ich will lieber arm sein, denn die Reichtümer tun mir nichts Gutes an; sie bereiten mir nur Kummer und halten mich von Deinem Dienst ab.“

„Sag mir weiter: Hast du nicht in meinen Worten, die du aus meinem Mund gehört hast, etwas gefunden, das deiner Auffassung nach tadelnswert oder falsch ist?“ Sie erwiderte: „Nein, wahrhaftig nicht; alles ist vernünftig.“
„Sag mir drittens: Was behagt dir mehr, die Lust des Fleisches, die du vorher hattest, oder die Lust des Geistes, die du jetzt hast?“ Sie antwortete: „Ich schäme mich in meinem Herzen, an diese einstige fleischliche Lust zu denken; sie ist mir jetzt wie Gift und schmeckt mir ebenso bitter, wie ich sie vorher sehr geliebt habe. Ich will lieber sterben, als jemals zu ihr zurückkehren, und sie hält keinen Vergleich mit dieser geistlichen Lust aus.“
„So erkennst du“, sagte Christus, „in deinem Inneren, dass alles, was ich dir sagte, wahr ist. Warum hast du dich denn geängstigt und bekümmert, dass ich das vorbringe, was – wie ich dir sagte – geschehen wird? Schau auf die Propheten, schau auf die Apostel und die heiligen Lehrer – haben sie etwa etwas anderes als die Wahrheit bei mir gefunden? Deshalb kümmerten sie sich nicht um die Welt und ihr Verlangen.
Oder warum weissagten die Propheten so lange im voraus über zukünftige Dinge, wenn nicht deshalb, weil Gott wollte, dass erst die Worte verkündigt werden sollten, und erst dann die Taten folgen, so dass die Unwissenden über den Glauben unterrichtet werden sollten? Alle Geheimnisse meiner Menschwerdung wurden den Propheten ja im voraus verkündet, und auch der Stern, der die weisen Männer leitete; sie glaubten den Worten des Propheten und verdienten es, zu sehen, was sie glaubten – und als sie den Stern sahen, wurden sie schnell überzeugt. So müssen meine Worte nun erst verkündet werden, damit man später, wenn die Ereignisse eintreffen, ihnen umso sicherer glauben mag.

Drei Dinge zeige ich dir: Erstens das Gewissen eines Mannes,[1] dessen Sünde ich dir offenbart habe und mit den wunderbarsten Zeichen bewiesen habe. Aber warum? Sollte ich ihn nicht persönlich totschlagen können? Oder sollte ich ihn nicht in einem Nu ertränken können, wenn ich wollte? Sicher würde ich das können. Aber damit andere unterrichtet werden können und sich meine Worte als wahr erweisen, so dass ich zeigen kann, wie gerecht und geduldig ich bin und wie unglückselig dieser Mann ist, der vom Teufel regiert wird, will ich noch Geduld mit ihm haben.
Denn von dem Willen, den er zur Sünde hatte, und von der Lust an der Sünde hat sich die Macht des Teufels über ihn so erhöht, dass weder milde Worte oder strenge Drohungen oder Furcht vor der Hölle ihn zurückrufen können. Und das mit Recht, denn nachdem er immer hatte sündigen wollen, wird er, auch wenn er es nicht in die Tat umgesetzt hat, mit Recht dem Teufel auf ewig anheimfallen. Denn die geringste Sünde, an der jemand seine Lust findet und dafür nicht Buße tut, reicht aus, um ihm ewige Verdammnis zu bereiten.

Ich habe dir noch zwei andere Dinge gezeigt. Der Teufel hat den Leib des einen geplagt, war aber nicht in seiner Seele. Er verdunkelte das Gewissen des anderen mit seinen Ränken, aber war dennoch nicht in seiner Seele und hatte Keine Gewalt über sie. Aber nun fragst du vielleicht: Ist nicht das Gewissen und die Seele ein und dasselbe? Soll er nicht in der Seele sein, wenn er im Gewissen steckt? Keineswegs. Der Leib hat ja zwei Augen, mit denen er sieht, und auch wenn er der Sehkraft beraubt ist, kann der Körper dennoch gesund sein. So verhält es sich auch mit der Seele. Denn wenn auch der Verstand und das Gewissen manchmal verwirrt und geplagt wird, wird die Seele doch nicht immer zur Sünde verleitet. Und deshalb hatte der Teufel Macht über sein Gewissen, aber nicht über seine Seele.
Ich will dir einen Dritten zeigen, in dessen Seele und Leib der Teufel ganz regiert. Wenn er dazu nicht von meiner Macht und meiner besonderen Gnade gezwungen wird, kann er niemals aus dem Mann vertrieben werden, oder ihn verlassen. Von manchen Menschen weicht ja der Teufel willig und schnell, aber von anderen nur unwillig und gezwungen. Denn in manche Menschen geht der Teufel wegen der Sünden der Eltern oder wegen eines heimlichen Gottesurteils ein; das geschieht z.B. mit Kindern und Geistesschwachen.
In andere geht er wegen ihres Unglaubens oder wegen einer anderen Sünde ein. Von diesen weicht der Teufel willig, wenn er von denen ausgetrieben wird, die Beschwörungen oder eine solche Kunst verstehen, womit Teufel ausgetrieben werden. Wenn sie eine solche Austreibung um eitler Ehre willen oder wegen eines zeitlichen Gewinns ausüben, dann hat der Teufel Macht, in den einzufahren, der ihn ausgetrieben hat, und noch einmal in den, aus dem er ausgetrieben ist, denn keiner von denen hatte Liebe zu Gott.

Von denen dagegen, deren Seele und Leib er ganz beherrscht, geht er niemals fort, wenn nicht durch meine Macht. Denn so wie Essig, wenn man ihn mit dem süßesten Wein vermischt, alle Süßigkeit im Wein verdirbt und nie mehr davon geschieden werden kann, so geht der Teufel auch nicht aus der Seele dessen heraus, die er besitzt – wenn nicht durch meine Macht.
Was ist dieser Wein anderes, als die Menschenseele, die für mich lieblicher als alle geschaffenen Wesen ist, und die mir so lieb war, dass ich meine Sehnen zerschneiden und mein Fleisch ihretwegen bis auf die Rippen verwunden ließ, und dass ich ihretwegen lieber noch einmal den Tod erleiden würde, als sie verlieren. Dieser Wein wurde mit Hefe aufbewahrt, denn ich habe diese Seele in den Leib gesetzt, in dem sie nach meinem Willen wie in einem verschlossenen Gefäß verwahrt wurde. Aber jetzt ist dieser süße Wein mit dem schlimmsten Essig vermischt worden, nämlich dem Teufel, dessen Bosheit mir bitterer und abscheulicher als jeder Essig ist. Von diesem Mann, dessen Namen ich dir nennen will, soll durch meine Macht der Essig abgesondert werden, so dass ich dir durch ihn meine Barmherzigkeit und Weisheit zeigen kann, aber durch den vorigen mein Gericht und meine Gerechtigkeit.“

Erklärung
Der erste war ein hochadliger und hochmütiger Kantor, der sich ohne Erlaubnis des Papstes nach Jerusalem begab und vom Teufel gepackt wurde. Von diesem vom Teufel besessenen Mann wird auch im Buch 3, Kap. 31 und im Buch 4, Kap. 115 erzählt. Der andere vom Teufel Besessene gehörte zum gleichen Kapitel; er wurde Zisterziensermönch. Der Teufel setzte ihm so zu, dass er kaum von vier Personen gehalten werden konnte. Seine ausgestreckte Zunge glich einer Ochsenzunge. Seine Handschellen brachen auf unsichtbare Weise entzwei. Nach einem Monat und zwei Tagen wurde er von Frau Birgitta geheilt.
Der dritte vom Teufel Besessene war ein Vogt in Östergötland. Als er ermahnt wurde, Buße zu tun, sagte er zu dem, der ihn ermahnte: „Kann der Herr des Hauses nicht da sitzen, wo es ihm behagt? Der Teufel hat mein Herz und meine Zunge – wie könnte ich da Buße tun?“ Er schmähte auch den Heiligen Gottes, und in derselben Nacht starb er ohne Sakramente und Beichte.

[1]. Siehe die nachfolgende Erklärung.

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33. Kapitel

Christus tadelt die weltlichen weisen, d.h. solche Theologen, die sich aus weltlichen Beweggründen Gelehrsamkeit verschafft haben, und gibt das rechte Motiv für alle Forschung an, nämlich die Liebe zu Gott.

Meine Freunde sind wie Scholaren, die drei Dinge besitzen. Erstens Einsicht über die Natur des Gehirns. Zweitens Weisheit ohne menschliche Hilfe, denn ich belehre sie selbst in ihrem Innern. Drittens sind sie voll von Lieblichkeit und Gottesliebe, womit sie den Teufel besiegen. Aber die Menschen belehren sich jetzt auf entgegengesetzte Weise. Erstens wollen sie aus Prahlsucht weise sein, um Reichtümer zu besitzen und zu gewinnen. Drittens wollen sie weise sein, um Ehre und Würde zu erlangen.

Deshalb gehe ich von ihnen fort, wenn sie in ihre Schulen gehen und dort eintreten, denn sie erwerben Gelehrsamkeit der Hoffahrt wegen, und ich habe sie doch Demut gelehrt. Sie gehen aus Gewinnsucht dorthin, aber ich hatte nicht einmal einen Platz, wo ich mein Haupt hinlegen konnte. Sie gehen dorthin, um Würden zu erlangen, indem sie die beneiden, die eine höhere Stellung innehaben als sie selbst, aber ich wurde von Pilatus verurteilt und von Herodes verspottet.
Deshalb gehe ich fort von ihnen, denn sie kehren sich nicht an meine Lehre. Weil ich milde und gut bin, gebe ich einem jeden, was er begehrt. Wer mich um ein Brot bittet, der soll es bekommen. Und wenn jemand um Stroh bittet, soll es ihm gegeben werden. Meine Freunde, die bitten um Brot, denn sie brachten und lehren sich die göttliche Weisheit, in der meine Liebe ist.
Andere bitten dagegen um Stroh, d.h. um weltliche Weisheit. Denn so wie Stroh nicht nützlich für Menschen ist, sondern nur, um die vernünftigen Tiere zu füttern, so liegt auch kein Gewinn in der weltlichen Weisheit, die sie suchen, und keine Erquickung für die Seele, nur ein kleiner Name und leere Freude. Denn wenn der Mensch stirbt, da wird all seine Weisheit ausgelöscht, und sie kann nicht von denen gesehen werden, die sie preisen.

Ich bin wie ein großer Herr, der viele Diener hat, die auf den Wegen ihres Herrn allen das verteilen, was für sie notwendig ist. So stehen gute und böse Engel in meinem Dienst. Denen, die sich meine Weisheit aneignen, d.h. mir dienen, stehen die guten Engel bei, die sie mit Freude und angenehmer Arbeit erquicken. Aber den Weisen in weltlichem Sinne stehen die bösen Engel bei, die ihnen geben, was sie wollen, die sie nach ihrem Belieben formen, ihnen schlechte Gedanken einflößen und sie dazu antreiben, nach vielem zu streben. Aber wenn sie auf mich schauen würden, so könnte ich ihnen ohne solche Mühe Brot und die Güter der Welt in reichem Maß geben, wovon sie jetzt nie satt werden, nachdem sie für das Süße in Bitteres verwandeln.
Aber du, meine Braut, sollst wie ein Käse sein, und dein Leib wie der Käsebottich, in dem der Käse geformt wird, bis er die Form des Bottichs hat. So soll deine Seele, die mir lieb und behaglich wie ein Käse ist, solange im Leibe erprobt und gereinigt werden, bis ihr Leib und ihre Seele einträchtig zusammenpassen und beide dieselbe Form der Enthaltsamkeit haben, so dass das Fleisch dem Geist gehorcht, und der Geist das Fleisch zu allen Tugenden leitet.“

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34. Kapitel

Christus und der Teufel führen ein Zweigespräch, dem Birgitta zuhören darf. Der Teufel drückt seinen Neid auf die reichen geistlichen Gaben aus, die Birgitta zuteil geworden sind, und Christus erklärt, warum er ihr die gegeben hat: Um seine eigene Ehre in aller Demut dem Sünder zu geben und so die Hochmut des Teufels zu beschämen.

Ich bin der Schöpfer Himmels und der Erde, de als wahrer Gott und wahrer Mensch im Mutterleib der Jungfrau war, der gestorben, auferstanden und zum Himmel aufgestiegen ist. Du, meine neue Braut, bist an einen unbekannten Ort gekommen.[1] Deshalb sollst du vier Dinge tun. Erstens, die Sprache des Ortes zu erlernen. Zweitens passende Kleider zu tragen. Drittens, Tage und Zeiten nach den örtlichen Gegebenheiten einzurichten. Viertens, dich an das neue Essen zu gewöhnen.

So sollst du, wenn du von der Unstetigkeit der Welt zur Stetigkeit gekommen bist, eine neue Sprache haben, d.h. Verzicht auf unnötige Worte und manchmal auch auf zulässige, um den Ernst des Schweigens und der Verschwiegenheit zu beobachten. Deine Kleider sollen Demut im Inneren und nach außen sein, so dass du dich in deinem Inneren nicht selbst erhöhst, als wärest du heiliger als andere, und dich nach außen hin nicht scheust, dich vor den Menschen demütig zu zeigen.

Zum dritten bedeutet das Einteilen deiner Zeit, dass wie du früher mehr Zeit für die Erfordernisse und zum Nutzen deines Körpers hattest, so sollst du nun auch eine Zeit für die Seele haben, d.h. dass du niemals etwas gegen mich sündigst. Viertens bedeutet die neue Nahrung Verzicht auf übertriebene Eßlust und Leckereien mit aller Klugheit, so wie die menschliche Natur es ertragen kann. Die Enthaltsamkeit, die das für die Menschennatur mögliche Maß übersteigt, gefällt mir nämlich nicht, denn ich verlange das Vernünftige, und dass die Lust am Genuß gezähmt werden soll.”

Da zeigte sich zu selben Stunde der Teufel. Der Herr sagte zu ihm: ”Du bist von mir geschaffen und hast alle Gerechtigkeit in mir gesehen. Antworte mir nun, ob diese neue Braut (Birgitta) gesetzlich und nach anerkanntem Recht die meine ist. Ich erlaube dir nämlich, ihr Herz zu sehen und zu verstehen, so dass du wissen kannst, was du mir antworten sollst. Liebt sie vielleicht etwas so sehr wie mich, oder will sie etwas im Austausch für mich haben?”

Der Teufel antwortete ihm: “Nichts liebt sie so sehr wie dich, und lieber, als dich zu verlieren, will sie alle Qual erleiden, soweit du ihr die Kraft der Geduld gibst. Ich sehe etwas wie ein brennendes Band von dir zu ihr hinablaufen, und das bindet ihr Herz so fest, dass sie an nichts anderes denken oder etwas anderes lieben kann, als dich.”

Da sagte der Herr zum Teufel: “Sag mir: Wie steht sie in deinem Herzen, oder wie gefällt dir die große Liebe, die ich für sie hege?” Der Teufel sagte: “Ich habe zwei Augen. Das eine ist körperlich (obwohl ich nicht körperlich bin), und mit diesem Auge sehe ich zeitliche Dinge so klar, dass es nichts gibt, das so heimlich oder dunkel wäre, dass es sich vor mir verbergen könnte.

Das andere Auge ist geistig, und es gibt keine Pein, die so klein ist, dass ich sie mit diesem Auge nicht sehen und verstehen kann, zu welcher Sünde sie gehört. Und es gibt keine so kleine oder leichte Sünde, dass ich sie nicht sehen könnte, soweit sie nicht durch Buße getilgt ist. Aber obwohl keine Glieder verletzbarer und empfindlicher sind, als die Augen, wollte ich dennoch gern, dass zwei brennende Fackeln unaufhörlich meine Augen durchdringen, wenn ich dadurch erreichen könnte, dass sie (Birgitta) nicht mit geistlichen Augen sehen könnte.
Ich habe auch zwei Ohren. Das eine ist körperlich, und niemand kann so heimlich und leise sprechen, dass ich es nicht mit diesem Ohr höre und zu wissen bekomme. Das andere ist geistig, und niemand kann einen so heimlichen Gedanken oder solche Begierde nach einer Sünde haben, dass ich es nicht mit diesem Ohr höre, sofern die Sünde nicht durch Buße ausgetilgt ist. Und ich wollte gern, dass die Pein der Hölle, hervorbrechend wie ein Strom und den gewaltigsten Brand erregend, ohne Unterlaß durch meine Ohren fließen würde, wenn ich dadurch erreichen könnte, dass sie (Birgitta) mit ihren geistlichen Ohren nicht hört.

Ich habe auch ein geistiges Herz, und ich wollte gerne, dass es ohne Unterlaß in kleine Stücke zerrissen würde und ständig zur selben Pein erneuert würde, wenn ich dadurch erreichen könnte, dass ihr Herz in der Liebe zu dir erkalten würde. Aber da du gerecht bist, frage ich dich jetzt nach einer Sache, die du mir beantworten magst. Sag mir, warum du sie so sehr liebst! Warum hast du keine heiligere, reichere und schönere Frau ausgewählt?“

Der Herr erwiderte ihm: „Weil die Gerechtigkeit dies verlangte. Du bist ja von mir geschaffen worden und hast alle Gerechtigkeit in mir gesehen. Sag mir, so dass sie darauf hört, welche Gerechtigkeit es war, dass du einen so schweren Fall getan hast, und welches dein Gedanke war, als du gefallen bist!“

Der Teufel erwiderte: „Ich sah in dir drei Dinge. Ich sah deine Ehre und Würde, die alles überragte, und ich dachte an meine eigene Ehre. Daher wurde ich hochmütig und nahm mir vor, nicht dir gleich zu werden, sondern sogar höher zu werden, als du. Zweitens sah ich, dass du mächtiger bist als alle anderen, und deshalb begehrte ich, noch mächtiger zu sein als du. Drittens sah ich, was in Zukunft geschehen würde, und da deine Ehre und Würde ohne Anfang und Ende ist, beneidete ich dich und dachte, dass ich gern beständig von der bittersten Qual geplagt würde, wenn du dadurch sterben könntest, und unter solchen Gedanken stürzte ich, und so kam die Hölle zustande.“
Der Herr antwortete: „Du hast mich gefragt, warum ich sie so sehr liebe. Sicher, weil ich all dein Böses zum Guten wende. Denn weil du hochmütig wurdest und mich, deinen Schöpfer als einen, der dir gleich ist, nicht haben willst, deshalb demütige ich mich in allem, hole Sünder zusammen und stelle mich mit ihnen gleich, indem ich ihnen etwas von meiner Ehre gebe. Zweitens: Weil du ein so schlechtes Verlangen hattest, dass du mächtiger als ich sein wolltest, deshalb mache ich Sünder mächtiger als dich und lasse sie an meiner Macht teilhaben. Drittens: Weil du mich beneidet hast, bin ich so liebevoll, dass ich mich für die Sünder geopfert habe.“

Dann sagte der Herr: „Jetzt, Teufel, ist dein dunkles Herz erhellt. Sage, so dass sie es hört, welche Liebe ich für sie habe.“ Der Teufel sagte: „Wenn es möglich wäre, würdest du gern eine solche Pein in einem jeden Glied besonders erdulden, wie du einmal am Kreuz in allen Gliedern littst, ehe du sie verlieren würdest?“
Da antwortete der Herr: „Wenn ich also so barmherzig bin, dass ich dem, der darum bittet, meine Vergebung nicht verweigere, so bitte auch du mich demütig um Vergebung, und ich werde sie dir schenken.“ Der Teufel erwiderte: „Das tue ich auf keine Fall. Denn als ich fiel, wurde eine Strafe für jede Sünde, für jeden unnötigen Gedanken und jedes unnütze Wort bestimmt, und ein jeder von den Engeln, die gefallen sind, wird seine Strafe erhalten. Deshalb will ich, bevor ich meine Knie vor die beuge, lieber alle Plagen schlucken, so lange mein Mund für die Plagen geöffnet und geschlossen werden kann, so dass ich immer von neuem bereit bin, Plagen zu leiden.“
Da sagte der Herr zu seiner Braut: „Sieh, wie verhärtet der Fürst der Welt ist, und wie mächtig er mir gegenüber durch meine heimliche Gerechtigkeit ist. Ich könnte ihn ja mit meiner Macht in einem Augenblick vernichten, aber ich begehe ihm gegenüber kein größeres Unrecht, als gegen einen guten Engel im Himmel. Aber wenn seine Zeit kommt – sie naht jetzt – so werde ich ihn und seine Anhänger vernichten. Deshalb sollst du, meine Braut, stets in guten Taten Fortschritte machen. Liebe mich von deinem ganzen Herzen; fürchte nichts anderes als mich. Ich bin nämlich Herr über den Teufel und über alles, was es gibt.“

[1]. Damit ist vielleicht Italien gemeint.

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35. Kapitel

Maria spricht mit Birgitta von ihrer Trauer bei Christi Tod. Das Kapitel kann als Ausdruck für die Verehrung des Herzens Maries und für den Glauben an Maria’s Stellung als „Miterlöserin“ gelten, die beide im katholischen Frömmgkeitsleben unserer Tage einen starken Aufschwung erlebt haben.

Maria sagte: „Meine Tochter, betrachte das Leiden meines Sohnes, dessen Glieder für mich wie meine Glieder und wie mein Herz waren. Denn ebenso wie andere Kinder im Leib der Mutter sind, so war er auch in mir. Aber er wurde in der brennenden göttlichen Liebe gezeugt – andere Kinder dagegen aus dem Begehren des Fleisches. Daher sagt der Evangelist Johannes, sein Neffe, treffend: „Das Wort ward Fleisch.“

Denn er kam durch Liebe und war in mir. Das Wort (Gottes) und die Liebe haben ihn in mir geschaffen. Er war ja für mich so wie mein Herz. Als er daher von mir geboren wurde, kam es mir vor, als ob mein halbes Herz geboren würde und von mir ausginge. Und als er litt, empfand ich es, als ob mein Herz leiden würde. Denn wie es sich damit verhält, das zur Hälfte außen und zur Hälfte innen ist, so dass das Innere denselben Schmerz empfindet wie das Äußere, wenn es verletzt wird, so war es mit mir, als mein Sohn gegeißelt und verwundet wurde, denn da wurde gleichsam auch mein Herz gegeißelt und verletzt.
Ich war ihm auch in seiner Pein ganz nahe, und ich wurde nicht von ihm getrennt. Ich stand am nächsten bei seinem Kreuz, und wie es schlimmer wehtut, was dem Herzen näher ist, so war auch seine Qual für mich schwerer, als für andere. Als er vom Kreuz auf mich herabblickte und ich auf ihn, da strömten Tränen aus meinen Augen, wie aus den Adern. Und als er sah, wie ich von Leiden erfüllt war, da spürte er einen solchen Schmerz über meine Qual, dass alle Schmerzen in seinen Wunden gleichsam wegen meiner Schmerzen einschliefen, die er an mir sah. Daher wage ich zu sagen, dass sein Schmerz mein Schmerz war, da sein Herz auch mein Herz war. Denn so wie Adam und Eva die Welt für einen Apfel verkauften, so erlöste mein Sohn und ich die Welt gleichsam mit einem Herzen. Bedenke Daher, mein Tochter, wie es mir beim Tode meines Sohnes ging, und da wird es dir nicht schwer werden, die Welt zu verlassen.“

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36. Kapitel

Birgittas Schutzengel betet zu Christus, dass es Birgitta vergönnt sein möge, rechtzeitig Buße für ihre Sünden zu tun. Christus bewilligt das Gebet und gibt Birgitta Anweisungen für Reue und Buße.

Der Herr antwortete einem Engel, der für die Braut seines Herrn bat: „Du bist wie der Ritter der Herrn, der nie seinen Helm aus Bequemlichkeit abnahm, und der nie aus Furcht die Augen vom Streit abwandte. Du bist standhaft wie ein Berg und brennend wie eine Flamme. Du bist so rein, dass sich kein Fleck in dir findet. Du bittest um Erbarmen für meine Braut. Wenn du auch alles in mir weißt und siehst, sollst du dennoch, während sie zuhört, sagen, um welches Erbarmen du für sie bittest.

Es gibt nämlich drei Arten von Erbarmen. Eins ist das, wobei der Leib gestraft und die Seele geschont wird, wie es mit meinem Diener Hiob geschah, dessen Leib alle Plagen Leiden musste, und dessen Seele bewahrt wurde. Das zweite Erbarmen ist das, wobei die Seele und der Leib von Plagen verschont wird, wie es mit dem König der Fall war, der in allerlei Genuß lebte und weder Plagen am Körper oder der Seele hatte, als er auf Erden lebte.
Das dritte Erbarmen ist das, wobei der Leib und die Seele gestraft werden, so dass man sowohl Beschwerden im Fleisch und Schmerz im Herzen hat, wie es mit Petrus und Paulus und anderen Heiligen war. Denn es gibt drei Situationen der Menschen auf der Welt. Die erste ist die von denen, die in Sünde gefallen sind, sich aber wieder davon erheben; die lasse ich manchmal körperlich leiden, so dass sie erlöst werden können.
Die zweite ist die von denen, die gern in Ewigkeit leben wollten, um auf ewig sündigen zu können, die ihren ganzen Willen auf die Welt gerichtet haben und die, wenn sie einmal etwas für mich tun, es in der Absicht tun, dass ihr zeitliches Glück zunehmen und sich vervollkommnen möge. Denen wird kein körperliches Leid oder großes Herzeleid geschickt, sondern sie dürfen in ihrer Macht und ihrem Willen verharren, denn für das geringste Gute, das sie für mich getan haben, sollen sie hier ihren Lohn erhalten, um dann in Ewigkeit gepeinigt zu werden. Der, dessen Wille beständig auf die Sünde gerichtet ist, für den wird ja die Pein auch beständig sein.

Der dritte Zustand ist der von denen, die sich mehr fürchten, gegen mich zu sündigen und mich zu ergänzen, als dass sie irgendwelche Pein fürchten, und die lieber ewig gepeinigt werden wollen, als dass sie mich bewusst zum Zorn reizen wollen. Denen wird Trübsal des Leibes und des Herzens gegeben, wie Petrus und Paulus und anderen Heiligen, so dass sie hier auf Erden noch bessern können, was sie auf Erden gesündigt haben, oder so, dass sie für eine Zeitlang gereinigt werden, zu größerer Ehre für sie selbst und als Beispiel für andere. Dieses dreifache Erbarmen tat ich in diesem Reich mit den dreien, deren Namen dir bekannt sind. Aber nun, Engel, du mein Diener, sage, um welches Erbarmen du für meine Braut bittest.“

Der Engel sagte: „Um das Erbarmen mit der Seele und dem Leib, so dass sie Besserung für das tun kann, was sie auf Erden gesündigt hat, und keine von ihren Sünden soll vor deinen Richterstuhl kommen.“ „Der Herr antwortete:“ Das mag nach deinem Willen geschehen.“

Dann sagte er zur Braut (Birgitta): „Du bist mein. Deshalb will ich mit dir verfahren, wie es mir gutdünkt. Liebe nichts anderes so wie mich. Reinige dich also jede Stunde von Sünde mit den Ratschlägen, die ich dir anvertraut habe. Verbirg keine Sünde, lasse keine ungeprüft, sieh keine Sünde als leicht an und keine, die man übersehen könnte. Denn an alles, was du übersiehst, werde ich mich erinnern und verurteilen. Vor meinen Richterstuhl soll nämlich keine deiner Sünden kommen, die in deinem Leben mit Buße gestraft ist. Aber die Sünden, für die du keine Buße getan hast, werden im Fegefeuer gereinigt oder mit einer anderen heimlichen Strafe von mir geahndet werden, soweit du sie nicht wiedergutgemacht hast und sie hier gebessert hast.“

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37. Kapitel

Maria beschreibt Birgitta, wie Christus von neuem von denen gekreuzigt wird, die sich nicht von Sünde enthalten wollen, sondern sich verhärten; diese kreuzigen ihn, sagt sie, viel grausamer, als wie es die Juden früher taten.

Die Mutter sprach: „Mein Sohn besaß drei gute Dinge. Erstens hatte keiner einen so feinen und weichen Leib wie er, denn er war aus den beiden erhabensten Naturen geschaffen, nämlich der Gottheit und Menschheit, und so rein, dass – so wie sich kein Fleck in dem klarsten Auge findet, so konnte man auch keinen Fehler an seinem Leibe finden.

Das zweite Gute bestand darin, dass er nie sündigte. Denn andere Kinder tragen manchmal die Sünden ihrer Eltern und ihre eigenen; er dagegen sündigte niemals und trug dennoch die Sünden von allen. Das dritte war, dass manche für Gott sterben und einen herrlichen Lohn dafür erhalten, aber er starb ebenso sehr für seine Widersacher, wie für mich und seine Freunde.

Aber als ihn seine Feinde kreuzigten, machten sie vier Dinge mit ihm. Erstens krönten sie ihn mit Dornen. Zweitens durchbohrten sie seine Hände und Füße. Drittens gaben sie ihm Essig zu trinken. Viertens stechen sie ihn in seine Seite.

Aber nun klage ich darüber, dass mein Sohn von seinen Widersachern, die jetzt auf der Welt sind, grausamer gekreuzigt wird, als wie ihn damals die Juden gekreuzigt haben. Sicher leidet die Gottheit keine Qual und kann nicht sterben; dennoch kreuzigen sie ihn mit ihren eigenen Lastern. Denn wenn ein Mann dem Bilde seines Gegners Kränkung und Schaden zufügt, muß der Schadenverursacher, obwohl das Bild ja keinen Schaden spürt, doch verklagt und für seinen bösen Willen verurteilt werden, Schaden anzurichten, ebenso wie für eine begangene Tat. Ebenso sind ihre Laster, mit denen sie meinen Sohn im geistigen Sinne kreuzigen, hässlicher und schwerer für ihn als die von denen, die ihn körperlich gekreuzigt haben.

Aber nun fragst du vielleicht: Wie kreuzigen sie ihn denn heute? Ja, erstens schlagen sie ihn an das Kreuz, das sie ihm bereitet haben, wenn sie nicht auf die Gebote ihres Herrn und Schöpfers achten, sondern ihn beschimpfen, wenn er sie durch seine Diener mahnt, ihm zu dienen, und verachten das und tun stattdessen das, was ihnen behagt.
Dann kreuzigen sie seine rechte Hand, wenn sie Gerechtigkeit für Unrecht halten und sagen: „Die Sünde ist für Gott nicht so schwer und verhasst, wie das behauptet wird. Gott straft niemanden in Ewigkeit; er droht nur damit, um uns zu erschrecken. Denn warum hat er den Menschen erlöst, wenn er will, dass er vergehen soll?“

Sie beachten nicht, dass die kleinste Sünde, an der der Mensch Freude hat, reicht, um ihm ewige Strafe zu bereiten, und dass Gott auch nicht die geringste Sünde ungestraft lässt, ebenso wie er die kleinste gute Tat nicht unbelohnt lässt. Dafür wird ihre Strafe ewig sein, denn sie haben ja den ständigen Willen, zu sündigen, und mein Sohn, der das Herz sieht, rechnet das für eine Tat. Denn so wie sie den Willen haben, würden sie ihn auch in die Tat umsetzen, wenn es mein Sohn gestatten würde.
Weiter kreuzigen sie seine linke Hand, wenn sie die Tugend zu einem Laster verkehren und bis zum Ende ihres Lebens sündigen wollen, indem sie sagen: „Wenn wir nur an unserem letzten Tage einmal sagen: Erbarme dich über mich, o Gott, so ist Gottes Erbarmen so groß, dass wir Vergebung empfangen.“

Aber das ist keine Tugend: Sündigen zu wollen und sich nicht zu bessern, Lohn ohne Arbeit haben zu wollen, wenn sich im Herzen keine Reue findet, so dass man sich bessern würde, wenn man es nur wegen Krankheit oder wegen eines anderen Hindernisses könnte. Dann kreuzigen sie seine Füße, wenn sie Freude daran haben, zu sündigen, und nicht ein einziges Mal aus ihrem innersten Herzen mit solchen Worten danken: „O wie bitter war deine Pein, Gott; Lob sei dir für deinen Tod!“ – so etwas hört man nie aus ihrem Munde.
Sie krönen ihn mit der Krone der Verhöhnung, wenn sie seine Diener verspotten und es für nichtig halten, ihm zu dienen. Sie geben ihm sogar Galle zu trinken, wenn sie sich über die Sünde freuen und darüber jubeln. Und nicht ein einziges Mal steigt der Gedanke in ihrem Herzen auf, wie schwer und mannigfaltig diese Sünde ist. Sie stechen seine Seite auf, wenn sie den Willen haben, in der Sünde zu beharren.

Ich sage dir in Wahrheit, und das kannst du meinen Freunden sagen, dass solche Menschen in den Augen meines Sohnes ungerechter sind als die, die ihn schlimmer als die verurteilt haben, die ihn kreuzigten, frecher als die, die ihn verkauften, und sie müssen eine größere Strafe erhalten, als sie. Pilatus wusste sehr genau, dass mein Sohn nicht gesündigt hat und nicht verdient hatte, zu sterben. Trotzdem verurteilte er, weil er fürchtete, seine weltliche Macht zu verlieren, und dass die Juden einen Aufruhr machen würden, meinen Sohn notgezwungen zum Tode.
Aber was sollten die zu fürchten haben, wenn sie ihm gedient hätten, und was hätten sie an Ehre und Würde eingebüßt, wenn sie ihn geehrt hätten? Daher werden sie härter bestraft werden, und sie sind in den Augen meines Sohnes schlimmer als Pilatus. Denn Pilatus verurteilte ihn, weil andere darum baten und es wollten – und aus Furcht, wenn sie ihn durch ihre Sünde schmähen, von der sie sich enthalten konnten, wenn sie gewollt hätten.
Sie verzichten aber nicht auf Sünde und schämen sich auch nicht, wenn sie gesündigt haben, denn sie bedenken nicht, dass sie seiner Wohltaten unwürdig sind, dem sie nicht dienen. Sie sind schlimmer als Judas, denn als Judas seinen Herrn verraten hatte, wusste er sehr gut, dass dieser Gott war, und dass er sich schwer an ihm versündigt hatte, aber er verzweifelte und stürzte sich so in die Hölle, weil er sich für unwürdig hielt, noch länger zu leben.

Aber wenn diese Menschen ihre Sünde auch sehr gut kennen, verharren sie trotzdem darin und empfinden im Herzen darüber keine Reue. Sie wollen das Himmelreich mit Gewalt und Macht gewinnen, wenn sie glauben, es durch Taten ohne eine vergebliche Hoffnung zu erlangen, aber es wird nur dem gegeben, der etwas für Gott tut und für ihn leidet.
Sie sind schlimmer als die, die ihn gekreuzigt haben, denn als sie die guten Werke meines Sohnes sahen, nämlich dass er Tote aufweckt und Menschen vom Aussatz geheilt hatte, dachten sie bei sich: „Dieser Mann vollbringt unerhörte und ungewöhnliche Wundertaten, denn mit einem Wort vernichtet er, wen er will; er kennt unsere Gedanken und tut alles, was er will. Wenn er Erfolg hätte, würden wir alle seiner Macht unterworfen und ihm untertänig werden.“
Und um nicht gezwungen zu werden, sich ihm zu unterwerfen, kreuzigten sie ihn aus Missgunst. Aber wenn sie gewusst hätten, dass er der König der Ehre war, hätten sie ihn niemals gekreuzigt. Diese Menschen sehen dagegen täglich seine Werke und seine großen Wundertaten, sie genießen seine Wohltaten und hören, wie sie ihm dienen und zu ihm kommen sollen, aber sie denken bei sich: „Wenn wir alles Zeitliche verlassen müssen und seinen Willen und nicht unserem eigenen folgen sollten, so ist das schwer und unerträglich.“
Daher verachten sie seinen Willen, damit er nicht über ihrem eigenen Willen stehen sollte, und kreuzigen meine Sohn durch ihre Verhärtung, indem sie gegen ihr Gewissen Sünde auf Sünde häufen. Ja, diese Leute sind schlimmer als die, die ihn gekreuzigt haben, denn die Juden taten dieses aus Missgunst und weil sie nicht wussten, dass es Gott war – aber dieses wissen, dass er Gott ist, und in ihrer Bosheit und Vermessenheit, um ihrer eigenen Gewinnsucht willen kreuzigen sie ihn auf geistige Art grausamer, als es die Juden auf körperliche Weise taten, denn sie sind selbst erlöst, aber die Juden waren es noch nicht. Daher, meine Braut, gehorche meinem Sohn und fürchte ihn. Ebenso wie er barmherzig ist, ist er auch gerecht.“

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38. Kapitel

Christus deutet die verschiedene Art der Menschen an, auf die Botschaft der Birgitta zu reagieren.

Der Vater sprach zum Sohn: „Ich kam mit Liebe zur Jungfrau und nahm durch sie deinen wahren Leib an. Deshalb bist du in mir und ich in dir. So wie das Feuer und die Wärme sich nie trennen, so ist es auch unmöglich, die Gottheit von der Menschheit zu trennen.“

Der Sohn erwiderte: „Dir sei alle Ehre und Würde, Vater, dein Wille geschehe in mir, und meiner in dir.“ Der Vater antwortete wieder: „Sieh, mein Sohn, dieses neue Braut (Birgitta) überlasse ich dir wie ein Schaf, es zu führen und aufzuziehen. Du sollst als Besitzer dieses Schafes von ihm Käse zu essen, Milch zu trinken und Wolle erhalten, dich damit zu kleiden. Aber du, meine Braut, musst ihm gehorchen. Dir kommen nämlich drei Dinge zu: Du musst geduldig, gehorsam und willig sein.“
Da sagte der Sohn zum Vater: „Dein Wille ist mit Macht, Macht mit Demut, Demut mit Weisheit, Weisheit mit Barmherzigkeit verbunden; dein Wille geschehe, der ohne Anfang und Ende in mir ist. Ich vertraue mich ihm in meiner Liebe, in deiner Macht und der Führung des Heiligen Geistes an, die nicht drei Götter, sondern ein Gott sind.“

Dann sagte der Sohn zu seiner Braut: „Du hast gehört, wie mich der Vater dir wie ein Schaf anvertraut hat. Du sollst also einfältig und geduldig wie ein Schaf und fruchtbar sein, zu ernähren und zu kleiden. Drei Dinge gibt es nämlich auf der Welt. Das erste ist nackt, das andere durstig, das dritte hungrig. Das erste bedeutet den Glauben meiner Kirche, der nackt ist, denn alle scheuen sich, um vom Glauben und meinen Geboten zu reden, und wenn es einige gibt, die von so etwas reden, so werden sie verachtet und der Lüge beschuldigt.
Daher müssen meine Worte, die aus meinem Mund hervorgehen, diesen Glauben wie mit Wolle bekleiden. Denn wie die Wolle auf dem Leib des Schafes durch die Körperwärme wächst, so gehen meine Worte aus der Wärme meiner Gottheit und Menschlichkeit zu deinem Herzen; sie sollen meinen heiligen Glauben mit dem Zeugnis der Wahrheit und der Weisheit bekleiden und beweisen, dass der Glaube wahr ist, den man jetzt für nichtig hält, so dass die, die bisher zu faul waren, den Glauben mit Taten der Liebe zu umhüllen, nachdem sie meine Liebesworte gehört haben, sich bekehren und wieder dazu gebracht werden, glaubwürdig zu reden und kraftvoll zu handeln.
Das andere bezeichnet meine Freunde, die sich danach sehnen, meine Ehre zu vervollkommnen, und die von meiner Schande betrübt werden. Sie werden von der Süßigkeit in meinen Worten, die sie gehört haben, berauscht werden, und zu größerer Liebe zu mir entzündet werden, und außer ihnen sollen andere, die jetzt (in Sünden) tot sind, zu meiner Liebe entflammt werden, wenn sie hören, welche Gnade ich den Sündern erwiesen habe.

Das dritte bezeichnet die, die in ihrem Herzen denken: „Wenn wir nur Gottes Willen wüssten, und wüssten, wie wir leben sollten, und wenn wir über den guten Weg gut unterrichtet wären, so würden wir gern tun, was wir könnten.“ Diese Menschen hungern gleichsam danach, meinen Weg zu kennen, und niemand sättigt sie, und keiner zeigt ihnen vollkommen, was sie tun sollen, und wenn es jemand zeigt, so lebt doch keiner danach. Deshalb scheinen ihnen die Worte wie tot zu sein, nachdem keiner danach lebt.
Deshalb will ich ihnen selber zeigen, was sie tun sollen, und ich werde sie mit meiner Süße sättigen. Denn zeitliche Dinge, die gesehen werden und die jetzt von fast allen begehrt werden, sind nicht imstande, den Menschen zu sättigen, sondern wecken das Begehren, immer mehr und mehr zu gewinnen. Meine Worte und meine Liebe werden die Menschen satt machen und sie mit überströmender Lieblichkeit erfüllen.

Daher sollst du, meine Braut, die mein Schaf ist, darum bemüht sein, Geduld und Gehorsam zu bewahren. Du bist ja mit aller Gerechtigkeit mein geworden; daher musst du meinen Willen befolgen. Wer den Willen eines anderen befolgen will, muß aber drei Dinge besitzen. Zum ersten soll er einen Willen mit ihm haben. Zweitens ebensolche Taten. Drittens muß er sich von seinen Gegnern trennen. Aber was sind meine Gegner, wenn nicht Hochmut und alle Sünden? Von denen musst du dich zurückziehen, wenn du begehrst, meinen Willen zu befolgen.“

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39. Kapitel

Christus klagt darüber, dass die Menschen ohne einen Gedanken an Vergeltung und Gericht leben, verblendet wie sie sind.

Ich hatte bei meinem Tod drei Dinge. Erstens den Glauben, als ich meine Knie beugte und betete, weil ich wusste, dass mein Vater mich von meinem Leiden erlösen könnte. Zweitens die Hoffnung, als ich geduldig wartete und sagte: „Nicht wie ich will.“ Drittens die Liebe, als ich sagte: „Dein Wille geschehe.“

Ich litt körperliche Not aus der natürlichen Furcht vor dem Leiden, als blutiger Schweiß aus meinem Körper rann. Denn damit sich meine Freunde nicht fürchten sollten, dass sie verlassen sind, wenn sie Trübsal trifft, habe ich ihnen mit meinem Beispiel gezeigt, dass das schwache Fleisch des Menschen stets vor den Plagen flieht.

Aber jetzt kannst du fragen, wie der blutige Schweiß aus meinem austrat. So wie das Blut des Kranken vertrocknet und in allen Adern verzehrt wird, so wurde mein Blut von natürlichem Schmerz über den Tod verzehrt. Mein Vater will ja den Weg zeigen, wodurch der Himmel geöffnet wird, und der ausgeschlossene Mensch eintreten kann, und daher überantwortete er mich dem Leiden aus Liebe, so dass mein Leib nach vollendetem Leiden in Ehren verherrlicht würde.

Denn die Gerechtigkeit ließ es nicht zu, dass meine Menschengestalt ohne Pein zu Ehren käme, obwohl ich das mit der Macht meiner Göttlichkeit gekonnt hätte. Wie sollten die, die nur wenig Glauben, eitle Hoffnung und keine Liebe haben, es deshalb verdienen, an meiner Ehre teilzuhaben? Wenn sie Glauben an die ewige Freude und an die furchtbare Strafe hätten, hätten sie nichts anderes begehrt als mich.

Wenn sie glauben würden, dass ich alles sehe und weiß, dass ich zu allem fähig bin über alle ein Urteil verlange, sollten sie der Welt überdrüssig werden, und dann würden sie sich mehr fürchten, vor mir zu sündigen, als vor Menschen. Und wenn sie eine feste Hoffnung hätten, wäre ihr ganzes Verlangen und ihr Denken auf mich gerichtet sein.
Wenn sie göttliche Liebe hätten, dann würden sie zumindesten in ihrer Seele bedenken, was ich für sie getan habe, wie groß meine Mühe bei der Verkündigung war, wie groß mein Schmerz im Leiden war, und wie groß meine Liebe im Tode war, als ich lieber sterben wollte, als sie auszuliefern. Aber ihr Glaube ist krank und gleichsam in ihnen schwankend; er droht zu fallen, denn sie glauben nur, wenn die Heimsuchung sie nicht ergreift, werden missmutig, wenn ihnen etwas entgegensteht.
Ihre Hoffnung ist eitel, denn sie hoffen, dass die Sünde der Gerechtigkeit und einem gerechten Gericht entschlüpft. Sie hoffen, das Himmelreich für mich zu erhalten und wollen Barmherzigkeit ohne strenge Gerechtigkeit zu erlangen. Ihre Liebe zu mir ist ganz kalt, denn sie werden nie entzündet, mich zu suchen, wenn sie nicht durch Trübsal dazu gezwungen werden. Wie könnte ich mich für solche Menschen erwärmen, die keinen rechten Glauben, keine feste Hoffnung und keine brennende Liebe zu mir haben?

Wenn sie mich anrufen und mir sagen: „Erbarme dich über mich, o Gott“, so verdienen sie ja nicht, erhört zu werden und auch nicht, in meine Herrlichkeit einzugehen, denn sie wollen ihrem Herrn nicht ins Leiden folgen, und deshalb werden sie ihm auch nicht zur Ehre folgen. Kein Ritter kann nämlich seinem Herrn gefallen und nach seinem Fall wieder in Gnaden von ihm aufgenommen werden, wenn er nicht vorher eine demütige Buße für seine Verachtung getan hat.“

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40. Kapitel

Christus deutet an, wie unpassend es ist, im Überfluß zu leben, wenn er, der Herr von allen, im Armut und Entsagung lebte.

Ich bin dein Schöpfer und Herr. Antworte mir auf drei Dinge, nach denen ich dich frage. Wie ist der Zustand in dem Hause, wo die Hausfrau sich als Herrin und ihr Mann sich als Diener kleidet? Soll man so etwas für richtig halten?
Da antwortete sie in ihrem Gewissen: „Nein, Herr, das ist nicht in Ordnung.“ Und der Herr entgegnete: „Ich bin Herr aller Dinge und König der Engel. Ich habe meinen Diener, nämlich meine Menschengestalt, nur nach Nutzen und Bedürfnis gekleidet, denn ich habe auf Erden nichts begehrt, als knappe Kost und dürftige Tracht. Aber du meine Braut, du willst als Herrin leben, willst Reichtum und Ehre haben und in Ehren gehalten werden.

Was nützt nun dies alles? Gewiß ist alles zusammen eitel, und alles muß einmal aufgegeben werden. Der Mensch wurde ja nicht zu solchem Überfluß geschaffen, sondern für die Bedürfnisse der Natur. Aber dieser Überfluß wurde vom Hochmut erfunden, der jetzt wie ein Gesetz gehalten und geliebt wird. Sag mir zum anderen – ist es angebracht, dass der Mann von morgens bis abends arbeitet, und die Frau in einer Stunde all das verbraucht, was gesammelt worden ist?“

Da antwortete sie: „Nein, das ist nicht angebracht; die Hausfrau muß stattdessen nach dem Willen des Mannes leben und handeln.“ Der Herr sagte: „Ich habe gehandelt wie der Mann, der von früh bis spät arbeitet. Denn von meiner Jugend an und bis zu meiner Pein habe ich gearbeitet und den Weg gezeigt, der zum Himmel führt, indem ich predigte und mit guten Taten vervollkommnete, was ich predigte.
Aber die Hausfrau, d.h. die Seele, die mir wie eine Frau gehören sollte, verbraucht diese meine ganze Arbeit, wenn sie in Üppigkeit lebt, so dass ihr nichts von dem Gewinn bringt, was ich tat, und ich finde in ihr keine Tugend, in der ich mich mit ihr ergötzen könnte.
Sag mir drittens – in einem Haus, in dem der Herr verachtet und der Diener geehrt wird, geht es da nicht unpassend und abscheulich zu?“ Sie antwortete: „Ja, gewiß.“

Und der Herr sagte: „Ich bin Herr über alle Dinge. Mein Haus ist die Welt, und der Mensch sollte mit Recht mein Diener sein. Aber ich, der Herr, werde jetzt auf der Welt verachtet, und der Mensch geehrt. Deshalb sollst du, die ich erwählt habe, daran denken, meinen Willen zu tun, denn alles, was auf Erden ist, ist nur wie der Schaum des Meeres und ein eitler Anblick.“

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41. Kapitel

Ebenso wie Kap. 23 richten sich diese Worte Christi an Papst Clemens VI., der durch Bischof Heming und Prior Petrus auf Birgittas Botschaft hören konnte, ohne jedoch davon beeindruckt zu sein; ferner ermahnen sie alle Christgläubigen und außerdem Juden und Heiden, Buße zu tun.

Ich bin der Schöpfer aller Dinge. Ich bin vom Vater vor dem Morgenstern geboren, ich lebe untrennbar im Vater, und der Vater in mir, und ein Geist in uns beiden. Daher sind Vater und Sohn und der Heilige Geist ein Gott, und nicht drei Götter. Ich bin der, der ich Abraham sein ewiges Erbteil versprochen habe, und der durch Mose mein Volk aus Ägypten geführt habe.

Ich bin derselbe, der in den Propheten gesprochen hat. Der Vater sandte mich in den Mutterleib der Jungfrau, aber trennte sich nicht von mir, sondern blieb unzertrennlich bei mir, auf dass der Mensch, der von Gott abgefallen ist, durch meine Liebe zu Gott zurückkehren sollte.

Aber jetzt will ich in deinem Beisein, meine Heerschar, obwohl du alles in mir siehst und weißt, dennoch zur Unterrichtung dieser anwesenden Braut (denn sie kann geistige Dinge nur durch ihre Gleichheit mit körperlichen Dingen erfassen), über diese fünf Männer klagen, die hier stehen, denn sie erzürnen mich auf vielfältige Weise. So wie ich früher unter dem Namen Israel das ganze israelitische Volk verstand, so verstehe ich jetzt mit diesen fünf alle Menschen auf der Welt.
Der erste ist das Oberhaupt der Kirche[1] und seine Priester, der zweite sind die bösen Laien, der dritte sind die Juden, der vierte sind die Heiden, und der fünfte meine Freunde. Aber von dir, Jude, nehme ich alle Juden aus, die heimlich Christen sind und mir im Verborgenen mit aufrichtiger Liebe, rechtem Glauben und vollkommenen Werken dienen. Und von dir, Heide, nehme ich alle aus, die gern auf dem Weg meiner Gebote wandern würden, wenn sie nur wüssten wie, und wenn sie unterwiesen würden, und die mit ihren Taten so viel tun, wie sie wissen und können; sie sollen keinesfalls mit euch zusammen verurteilt werden.
Nun klage ich also über dich, du Oberhaupt der Kirche, der du auf meinem Stuhl sitzt, den ich Petrus und seinen Nachfolgern übergeben habe, um mit dreifacher Würde und Vollmacht darauf zu sitzen: Erstens, damit sie Macht haben, die Seelen zu binden und von Sünde zu lösen, zweitens, dass sie den Bußfertigen den Himmel öffnen, drittens, dass sie den Himmel den Verdammten und denen, die mich verachten, verschließen.

Aber du, die die Seelen erlösen und zu mir führen solltest, du bist in Wahrheit der Verderber der Seelen. Ich habe ja Petrus zum Hirten und Betreuer meiner Schafe eingesetzt. Du dagegen veruntreust und verletzt sie. Du bist schlimmer als Luzifer. Er hegte nämlich Neid auf mich und wünschte, niemanden anderes zu töten als mich, damit er an meiner Stelle herrschen könnte. Du bist aber so viel schlimmer, der du nicht nur mich tötest, indem du mich mit deinen bösen Taten von dir wegtreibst, sondern du tötest durch dein schlechtes Beispiel auch die Seelen.
Ich habe die Seelen mit meinem Blut erlöst und sie dir wie einem treuen Freunde anvertraut, aber du überlässt sie von neuem dem Widersacher, von dem ich sie erlöst habe. Du bist ungerechter als Pilatus. Er verurteilte keinen anderen zum Tode als mich, aber du verurteilst nicht nur mich, der keine Macht besitzt und nichts Gutes wert ist, nein, du verurteilst auch die unschuldigen Seelen, und die Schadenstifter lässt du frei laufen.

Du bist unsanfter als Judas; er verkaufte nur mich, aber du verkaufst nicht nur mich, sondern auch die Seelen meiner Auserwählten um deines schamlosen Gewinns und deines eitlen Namens willen. Du bist niedriger als die Juden. Die haben nur meinen Leib gekreuzigt, aber du peinigst und kreuzigst die Seelen meiner Auserwählten, für die deine Bosheit und deine Übertreibung bitterer als jedes Schwert ist. Und deshalb bist du so wie Luzifer, ungerechter als Pilatus, unsanfter als Judas, niedriger als die Juden. Daher klage ich mit Recht über dich.“
Zu dem anderen, d.h. zu dem Laien, sagte der Herr: „Zu deinem Nutzen habe ich alles geschaffen. Du warst eins mit mir und ich mit dir. Du schenktest mir deinen Glauben und versprachst mit einem Eid, dass du mir dienen würdest. Jetzt bist du aber von mir abgefallen wie ein Mann, der seinen Gott nicht kennt. Du hältst meine Worte für Lügen und meine Taten für Nichtigkeit, und vom meinem Willen und meinen Geboten sagst du, sie seien sehr schwer. Du hast den Glauben gekränkt, den du mir versprochen hast. Du hast deinen Eid gebrochen und meinen Namen verraten. Du hast dich von den Reden meiner Heiligen getrennt und bist gekommen, um den Reden der Teufel zuzuhören; du bist ihr Kamerad geworden.
Du denkst, dass niemand außer dir selbst Lob und Ehre verdient. Alles, was mir gehört und was du für mich tun solltest, das scheint dir schwer, aber das, was dir selbst behagt, scheint dir leicht. Daher klage ich mit Recht über dich, denn du hast den Glauben gebrochen, den du mir in der Taufe und später gegeben hast, und wegen meiner Liebe, die ich dir mit Wort und Tat bewiesen habe, tadelst du mich und nennst mich einen Lügner; für meine Pein nennst du mich einen Toren.“

Zu den dritten, d.h. zu den Juden, sagte er: „Ich habe mein Liebeswerk mit euch begonnen, ich habe euch zum Volke meines Eigentums auserwählt, ich habe euch aus der Knechtschaft herausgeführt, ich gab euch mein Gesetz und führte euch in das Land, das ich euren Vätern versprochen habe, ich schickte euch die Propheten zum Trost. Dann wählte ich mir unter euch eine Jungfrau aus, von der ich Menschengestalt annahm. Aber jetzt klage ich über euch, denn ihr wollt noch nicht glauben, sondern ihr sagt: „Christus ist nicht gekommen, er ist noch immer zu erwarten.“
Zu dem vierten, d.h. zu dem Heiden, sagte der Herr: „Ich habe dich geschaffen und erlöst wie den Christen, und deinetwegen habe ich alles Gute getan, aber du bist wie wahnsinnig, denn du weißt nicht, was du tust – ja wie ein Blinder, denn du weißt nicht, wohin du gehst. Du verehrst nämlich das Geschaffene statt des Schöpfers, das Falsche statt des Wahren, und du beugst deine Knie vor dem, das niedriger ist als du. Deshalb klage ich über dich.“
Zum Fünften sagte er dagegen: „Tritt näher, mein Freund!“ Und er sagte gleich zu der himmlischen Heerschar: „Geliebte Freunde, ich habe einen Freund, mit dem ich mehrere bezeichne. Er ist wie ein Mann, der zwischen bösen Menschen eingesperrt und schwer gefesselt ist. Wenn er sagt, was wahr ist, schlagen sie ihm mit Steinen auf den Mund. Wenn er tut, was gut ist, stoßen sie einen Speer in seine Brust. O meine Freunde und alle Heiligen, wie lange soll ich solche Menschen noch ertragen, wie lange soll ich solche Verachtung aushalten?“
Der hl. Johannes der Täufer antwortete: „Du bist wie der reinste Spiegel, denn in dir sehen und wissen wir alles wie in einem Spiegel, ohne Hilfe von Worten. Du bist die unvergleichliche Süßigkeit, in der wir alles Gute schmecken. Du bist wie das schärfste Schwert, denn du richtest in Gerechtigkeit.“

Da antwortete ihm der Herr: „Wahrlich, mein Freund, du sagst die Wahrheit, denn in mir sehen meine Auserwählten alles Gute und alle Gerechtigkeit, und das sehen auch die bösen Geister, wenn auch nicht im Licht, sondern in ihrem eigenen Innern. Ein Mann, der ins Gefängnis geworfen ist und der vorher die Buchstaben gelernt hat, kennt das, was er gelernt hat, wenn er auch im Dunkeln sitzt, obwohl er unter solchen Umständen ja nicht sehen kann. So ist es mit den Teufeln: Obwohl sie meine Gerechtigkeit in meinem klaren Licht nicht sehen, kennen sie und sehen sie sie doch in ihrem eigenen Innern. Ich bin auch wie ein Schwert, das zwei Dinge trennt. So gebe ich einem jeden, was er verdient.“

Dann sagte der Herr zum hl. Petrus: „Du bist der Gründer des Glaubens und meiner Kirche. Sag nun im Beisein dieser Heerschar, was von Rechts wegen mit diesen fünf Männern geschehen sollte.“ Petrus antwortete: „Lob und Ehre sei dir, Herr, für deine Liebe, die du deiner Erde beweist. Gesegnet seist du von deiner ganzen Heerschar, denn alles, was geschah und noch geschehen wird, lässt du uns sehen und in dir wissen, denn in dir sehen und wissen wir alles.

Das ist die wahre Gerechtigkeit, dass der erste, der auf deinem Stuhl sitzt und die Werke Luzifers tut, den Stuhl schimpflich verlieren soll, auf den er sich erdreistet hat zu sitzen, und Luzifers Pein erleiden soll. Was den zweitens betrifft, ist es gerecht, dass er, weil er von deinem Glauben abgefallen ist, mit dem Kopf nach unten und den Füßen nach oben in die Hölle gestürzt werden soll, weil er dich verachtet hat, der sein Haupt sein sollte, und sich selbst geliebt hat.
Was den dritten betrifft, ist es gerecht, dass er dein Angesicht nicht sehen darf, sondern für seine Bosheit und Gewinnlust bestraft wird, denn die Ungläubigen verdienen es nicht, deinen Anblick zu genießen. Was den vierten angeht, dass er wie ein verrückter Mann eingesperrt wird und an dunkle Plätze überführt wird. Was den fünften angeht, so ist es gerecht, dass ihm Hilfe gesandt wird.“
Als der Herr dies hörte, antwortete er: „Ich schwöre bei Gott Vater, dessen Stimme Johannes der Täufer am Jordan hörte – ich schwöre bei dem Leibe, den Johannes taufte, sah und im Jordan berührte; ich schwöre bei dem Geist, der sich in Gestalt einer Taube am Jordan offenbarte, dass ich über diese fünf Gerechtigkeit walten lassen werde.“

Dann sagte der Herr zum erstens dieser fünf Männer: „Die Strenge meines Schwertes soll deinen Leib treffen; es soll oben in deinem Haupt stecken und so tief und fest in dir haften bleiben, dass es niemals mehr herausgezogen werden kann. Dein Stuhl soll wie ein schwerer Stein versinken, der nicht aufhört, zu fallen, ehe er die äußerste Tiefe erreicht hat. Deine Finger – nämlich deine Beamten – die zum Nutzen der Seelen ausgestreckt sein sollten, aber stattdessen zum Nutzen und Ehren der Welt ausgestreckt sind, die sollen zu der Strafe verurteilt werden, von der David sagt“ „Sein Söhne sollen vaterlos und seine Frau zur Witwe werden, und andere sollen sein Eigentum an sich nehmen[2].“
Wer ist seine Frau, wenn nicht ihre Seele, die von der himmlischen Herrlichkeit ausgeschlossen wird, Gott verliert und wie eine Witwe wird? Seine Söhne, d.h. die Tugenden, die sie zu haben meinen, und meine schlichten, einfältigen Männer, die ihnen unterstehen, sollen von ihnen getrennt werden, ihre Würde und ihre Güter sollen anderen zufallen, und statt Würde sollen sie ewige Scham ernten.
Dann soll ihr Kopfschmuck in den Morast der Hölle versenkt werden, aus dem sie sich nie mehr erheben können. So wie sie durch ihr hohes Ansehen und ihren Hochmut über alle anderen aufgestiegen sind, so werden sie tiefer als andere niedriger in die Hölle sinken, ja so tief, dass es ihnen unmöglich sein wird, sich daraus zu erheben.

Ihre Glieder, nämlich alle die Kleriker, die ihnen folgen und ihnen helfen, sollen von ihnen abgehauen und getrennt werden, so wie man eine Mauer niederreißt, wobei kein Stein auf dem anderen bleibt und der Mörtel die Steine nicht mehr zusammenhält, und Barmherzigkeit soll ihnen nicht widerfahren, denn meine Liebe wird sie niemals wärmen oder sie zu einem ewigen Haus in Himmel erbauen, sondern sie sollen mitsamt ihren Häuptern[3] auf ewig von allem Guten ausgeschlossen und gepeinigt werden.
Aber zu dem zweitens sage ich: Weil du den Glauben nicht bewahren willst, den du mir versprochen hast, und keine Liebe zu mir hegen willst, werde ich ein Tier zu dir senden, das aus einem wild brausenden Strom aufsteigt, und es wird dich verschlingen. Und wie der Strom stets nach unten fließt, so wird dieses Tier dich hinunter in die Tiefe der Hölle schleppen, und so unmöglich es für dich ist, gegen die brausende Strömung anzuschwimmen, so schwer wird es für dich sein, jemals aus der Hölle aufzusteigen.

Zum dritten sage ich: „Weil du, Jude, jetzt nicht glauben willst, dass ich gekommen bin, wirst du mich sehen, wenn ich zum zweitens Gericht komme, aber nicht in meiner Herrlichkeit, sondern in deinem Gewissen, und du wirst erfahren, dass alles, was ich gesagt habe, wahr gewesen ist. Da verbleibt dir dann die Strafe, die du verdient hast.

Zum vierten sage ich: Nachdem du dich nicht darum kümmerst, zu glauben und nichts wissen zu wollen, soll dein Dunkel für dich hell werden, und dein Herz soll erleuchtet werden, so dass du weißt, dass meine Gerichte wahr sind, und doch sollst du nicht zum Licht gelangen.

Zum fünften sage ich: Mit dir werde ich drei Dinge tun. Erstens werde ich dich inwendig mit meiner Glut erfüllen. Zweitens will ich deinen Mund härter und fester als jeden Stein machen, so dass die Steine auf den zurückfallen, der sie geworfen hat. Drittens werde ich dich so gut mit meinen Waffen ausrüsten, dass keine Lanze dir schaden kann, sondern alles vor dir weich wird, wie Wachs am Feuer. Sie daher stark und steh mannhaft fest! Denn wie ein Ritter, der in Kampf auf die Hilfe seines Herrn hofft, solange kämpft, wie noch Lebenskraft in ihm ist, so magst du fest stehen und kämpfen, denn der Herr, dein Gott, wird dir die Hilfe geben, der niemand widerstehen kann. Und weil du klein an Zahl bist, will ich dich ehren und eine Vielzahl aus dir machen.

Seht, meine Freunde, diese Dinge und wisst sie in mir, und so stehen sie auch vor mir. Meine Worte, die ich nun gesagt habe, werden in Erfüllung gehen. Aber die anderen Menschen sollen niemals in mein Reich kommen, solange ich König bin, sofern sie sich nicht bessern, denn der Himmel wird nur denen geschenkt werden, die sich demütigen und Buße tun.“
Da antwortete die ganze Heerschar: „Lob sei dir, Herr Gott, der ohne Anfang und ohne Ende ist.“

[1]. Papst Clemens VI.
[2]. Psalm 109,9.
[3]. D.h. ihren Herren.

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42. Kapitel

Maria beschreibt, dass sie wie ein Spiegel ist, in dem sich die Gottheit wiederspiegelt.

Die Mutter (Maria) sagte: „Ich besaß drei Dinge, mit denen ich meinem Sohn gefiel. Zum erstens die Demut, so dass kein geschaffenes Wesen, weder Engel noch Mensch, demütiger war als ich. Zweitens hatte ich Gehorsam, denn ich bemühte mich, meinem Sohn in allem zu gehorchen. Drittens besaß ich eine besondere Liebe.

Daher bin ich dreifach von meinem Sohn geehrt. Denn erstens bin ich ehrenreicher als Engel und Menschen geworden, so dass es keine Tugend bei Gott gibt, die nicht in mich hineinstrahlt, weil er die Quelle und aller Dinge Schöpfer ist; ich bin dagegen sein geschaffenes Wesen, dem er größere Gnade als anderen verlieh.
Zweitens erhielt ich als Lohn für meinen Gehorsam eine so große Macht, dass es keinen so unreinen Sünder gibt, der keine Vergebung erfährt, wenn er sich mit dem Vorsatz an mich wendet, sich mit einem zerknirschten Herzen zu bessern.
Drittens ist Gott mir um meiner Liebe willen so nah, dass der, der Gott sieht, auch mich sieht, und wer mich sieht, kann die Gottheit und Menschheit in mir sehen, wie in einem Spiegel. Wer Gott sieht, sieht nämlich in ihm drei Personen. Und wer mich sieht, sieht ebenso drei Personen. Denn die Gottheit umschloß mich mit Leib und Seele und erfüllte mich mit aller Tugend, so dass es keine Tugend bei Gott gibt, die nicht auch in mir leuchtet, obwohl Gott selbst der Vater und Geber aller Tugenden ist.

Denn so wie es mit zwei vereinten Körpern geht, dass – was der eine aufnimmt, auch der andere aufnimmt – so tat es Gott mit mir. Es gibt nämlich keine Lieblichkeit, die es bei mir nicht gibt. Es ist, als wenn jemand einen Nusskern hat, und einem anderen einen Teil davon abgibt.
Meine Seele und mein Leib sind klarer als die Sonne, und reiner als ein Spiegel. So wie drei Personen in einem Spiegel zu sehen sind, wenn sie nah zusammenstehen, so können der Vater und der Sohn und der Heilige Geist in meiner Reinheit geschaut werden. Ich hatte ja meinen Sohn mit seiner Göttlichkeit in meinem Schoß. Jetzt wird er in mir wie in einem Spiegel mit Göttlichkeit und Menschlichkeit geschaut, nachdem ich verherrlicht bin. Daher magst du, Braut meines Sohnes, danach streben, meiner Demut zu folgen und nichts als meinen Sohn zu lieben.“

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43. Kapitel

Christus schildert das allmähliche Anwachsen von Tugend und Sünde und ihre schließlichenFrüchte.

Gottes Sohn sprach: „Aus einem kleinen Garten entspringt manchmal ein großer Lohn. Die Dattelpalme hat einen seltsamen Geruch, und ihre Frucht ist ein Stein. Wird er in fetten Boden gesetzt, gedeiht er gut, blüht und setzt Frucht an und wächst zu einem großen Baum. Wird er dagegen in dürren Boden gesetzt, vertrocknet er.

Sehr dürr ist der Boden und arm an guten Dingen bei dem, der Freude an der Sünde hat. Wenn die Saat der Tugenden in ihn eingesät wird, so wird er doch nicht fetter. Fett ist dagegen der Boden eines Menschen, der seine Sünde erkennt und darüber traurig ist. Wenn der Dattelkern darin eingesetzt wird, d.h. wenn die Strenge meines Gerichts und meiner Macht darin eingesät wird, schlägt er mit drei Wurzelfasern in seinem Sinn Wurzel.
Erstens bedenkt dann der Mensch, dass er nichts ohne meine Hilfe tun kann; daher öffnet er auch seinen Mund, um zu mir zu beten. Zweitens fängt er auch an, ein paar kleine Almosen um meinetwillen zu geben. Drittens verlässt er seine weltlichen Geschäfte, um mir zu dienen. Dann beginnt er, durch Fasten Verzicht zu üben und seinen eigenen Willen zu verleugnen, und dies ist der Stamm des Baumes.

Danach wachsen die Zweige der Liebe, wenn er alle, die er kann, zum Guten bewegt. Dann wächst die Frucht, wenn er auch andere unterweist, soweit er kann, und mit aller Frömmigkeit darauf achtet, wie er meine Ehre erhöhen könnte. Eine solche Frucht behagt mir in hohem Maße.
So steigt also der Mensch durch ein kleines Gutes zur Vollkommenheit auf. Wenn er durch eine, wenn auch geringe Frömmigkeit Wurzeln schlägt, wächst der Leib durch Entsagung, werden die Zweige durch Liebe vervielfacht, und die Frucht durch die Predigt vervollkommnet.
In ähnlicher Weise steigt der Mensch durch ein kleines Böses herunter in die größte Verdammnis und die größte Strafe. Du weißt wohl, was die schwerste Last von allem ist, was wächst? Das ist gewiß das Kind, das gezeugt wird, aber nicht geboren werden kann, sondern im Mutterleib stirbt. Dadurch kann ebenso die Mutter zerrissen werden und sterben, und der Vater trägt sie und das Kind zu Grabe und begräbt sie mit der verwesten Leibesfrucht.

So verfährt der Teufel mit der Seele. Die lasterhafte Seele ist ja wie die Frau des Teufels; sie folgt seinem Willen in allem, und sie zeugt Kinder mit ihm, wenn die Sünde ihr behagt und sie sich daran erfreut. Denn so, wie die Mutter empfängt und mit der kleinen Saat schwanger wird, so bringt auch die Seele, wenn sie Gefallen an der Sünde findet, eine große Frucht mit dem Teufel hervor. Wenn dann die eine Sünde zur anderen kommt und täglich erhöht wird, werden die Glieder (des Kindes) geschaffen, und sein Körper gestärkt.
Wenn die Sünden anwachsen, schwillt der Mutterleib an und will gebären, aber vermag es nicht. Die Natur ist nämlich in Sünde verstrickt, und sie würde gern noch mehr sündigen, aber kann es nicht, und das wird ihr vom Herrn nicht zugelassen. Da kommt die Frucht, dass sie ihren Willen nicht durchsetzen kann, und die Stärke und die Freude sind auf und davon; überfall herrscht Schmerz und Kummer.
Wenn sie nun daran verzweifelt, etwas Gutes zu tun, wird der Mutterleib zerrissen, und so stirbt sie, während sie Gottes Gericht schmähte und beschimpft, und vom Teufel, dem Vater des Kindes, wird sie zum Grab der Hölle geführt, wo sie mit der Verderbtheit der Sünde und dem Kind der bösen Lust begraben und in Ewigkeit ruhen wird. Sieh da, wie sich die Sünde daraus vermehrt, dass sie einmal nur ein kleines Böses gewesen ist, und wie sie zur Verdammnis heranwächst!“

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44. Kapitel

Christus klagt darüber, dass die Menschen den Tod und das Gericht vergessen. Er stellt eine erweckende Verkündigung in Aussicht; damit ist wahrscheinlich Birgittas Mission gemeint.

Ich bin der Schöpfer und Herr aller Dinge. Ich habe die Welt erschaffen, und die Welt hat mich verschmäht. Ich höre von der Welt eine Stimme wie von einer Hummel, die auf der Feldmark Honig sammelt. Denn wie die Hummel, wenn sie fliegt, sich plötzlich wieder zu Boden senkt und eine ganz heisere Stimme von sich gibt, so höre ich jetzt diese heisere Stimme auf der Welt sagen: „Ich achte nicht darauf, was hiernach folgt“. Ja, alle rufen: „Ich achte nicht darauf.“

Führwahr, der Mensch kümmert sich nicht darum und gibt nicht Acht darauf, was ich um der Liebe willen tat, indem ich sie durch die Propheten ermahnte und selbst predigte und für sie litt. Sie kümmert sich nicht darum, was ich in meinem Zorn getan habe, als ich über die Bösen und Ungehorsamen herfiel.
Sie sehen, dass sie sterblich sind, und dass der Tod sie unerwartet treffen kann, aber darum kümmern sie sich nicht. Sie hören und sehen meine Gerechtigkeit, die ich gegenüber Pharao und den Einwohnern von Sodom, um ihrer Sünden willen übte, die ich gegenüber Königen und anderen Fürsten übte, und die ich täglich mit dem Schwert und anderen Heimsuchungen walten lasse, aber es scheint, als würden sie all das nicht sehen. Deshalb fliegen sie wie Hummeln dahin, wo sie wollen, und manchmal fliegen sie, als würden sie hüpfen, denn sie überheben sich in ihrem Übermut, aber sie lassen sich dann hastig nieder, indem sie der Wollust und Schwelgerei hingeben.

Sie sammeln auch Süßigkeiten, aber für sich selbst und auf der Erde, denn der Mensch arbeitet und sammelt für den Nutzen seines Leibes, aber nicht zu ehren der Seele und nur für irdische Ehre, aber nicht für ewige. Sie verwandeln das Zeitliche in eine Plage, und das, was zu nichts nütze ist, zu ewiger Strafe. Um der Gebete meiner Mutter willen werde ich deshalb zu diesen Hummeln, von denen meine Freunde ausgenommen sind (denn diese sind nur mit ihrem Leibe auf der Welt), meine klare Stimme senden, die Barmherzigkeit predigen wird, und sie sollen erlöst werden, wenn sie darauf hören.“

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45. Kapitel

Engel, Propheten, Apostel, die Jungfrau Maria und sogar die Dämonen bezeugen Gottes Macht und Herrlichkeit. Die Menschen auf Erden sind die einzigen, die Gott verachten. Deshalb sollen sie streng bestraft werden, sagt Christus. Dennoch will er sie noch einmal warnen.

Die Mutter (Maria) sagte: „Kleide dich, du Braut meines Sohnes, und bleibe standhaft, denn mein Sohn naht sich dir. Sein Fleisch wurde so gepresst, wie in einer Weinpresse. Das Haar meines Sohnes war ausgebreitet, seine Sehnen ausgedehnt, seine Glieder abgebrochen, seine Beine verletzt, seine Hände und Füße durchbohrt. Sein Sinn war betrübt, sein Herz von Trauer heimgesucht, und seine Eingeweide wurden gegen seine Rücken gepresst, denn der Mensch hat mit allen Glieder gesündigt.“

Dann sprach der Sohn, während die himmlische Heerschar dabeistand und zuhörte, und sagte: „Wenn ihr auch alles in mir kennt, rede ich doch für meine Braut, die hier steht. Ich frage euch, ihr Engel, sagt mir: Was ist das, was ohne Anfang war und ohne Ende sein wird? Und was ist das, was alles geschaffen hat und von niemandem geschaffen worden ist? Sagt das und legt Zeugnis dafür ab!“
Die Engel antworteten wie mit einer Stimme und sagten: „Herr, das bis du; wir legen über dich in drei Dingen Zeugnis ab.

Erstens, dass du unser Schöpfer bist und dass du alles geschaffen hast, was im Himmel und auf Erden ist. Zweitens, dass du ohne Anfang bist und ohne Ende sein wirst, und dass deine Herrschaft und deine Macht in Ewigkeit sein wird. Ohne dich ist nämlich nichts gemacht, ja ohne dich kann nichts gemacht werden. Drittens bezeugen wir, dass wir in dir alle Gerechtigkeit und alles sehen, was geschehen ist und noch geschehen wird, und dass alles ohne Anfang und ohne Ende bei dir anwesend ist.“
Dann sagte er zu dem Propheten und Patriarchen: Ich frage euch, wer hat euch aus der Knechtschaft zur Freiheit geführt? Wer hat das Wasser für euch geteilt? Wer hat euch das Gesetz gegeben? Wer hat euch, Propheten, den Geist gegeben, zu reden?“ Da antworteten sie: „Du, Herr. Du hast uns aus der Gefangenschaft herausgeführt. Du hast uns das Gesetz gegeben. Du hast unseren Geist zum Reden erweckt.“

Dann sagte er zur Mutter
(Maria): „Lege das Zeugnis der Wahrheit ab, was du von mir weißt.“ Sie antwortete: „Ehe der von dir gesandte Engel zu mir kam, war ich einsam mit Leib und Seele. Aber seit der Engel zu mir geredet hatte, war dein Leib mit seiner Göttlichkeit und Menschlichkeit in mir, und ich spürte deinen Leib in meinem Leib. Ich trug dich ohne Schmerzen, ich gebar dich ohne Qual. Ich wickelte dich in ärmliche Kleider, ich nährte dich mit meiner Milch, ich war mit dir von deiner Geburt an und bis zu deinem Tod.“

Dann sagte er zu den Aposteln: „Sagt, wer ist er, den ihr gesehen, gehört und vernommen habt?“ Sie antwortete ihm: „Wir haben deine Worte gehört und sie aufgeschrieben, wir haben deinen großen Taten gehört, als du das neue Gesetz gegeben hast. Mit deinem Wort hast du den Dämonen befohlen, und sie sind von dannen gewichen. Mit deinem Wort hast du Tote auferweckt und Kranke geheilt. Wir haben dich in deinem menschlichen Leib gesehen.

Wir sahen deinen Wundertaten in der göttlichen Ehre, die du in Menschengestalt hattest. Wir sahen, wie du deinen Feinden überliefert und ans Kreuz gehängt wurdest. Wir sahen, wie du die bitterste Pein littest und ins Grab gelegt wurdest. Wir vernahmen dich, als du auferstandest. Wir fühlten dein Haar und dein Antlitz. Wir berührten deine Wundmale und deine Glieder. Du hast mit uns gegessen und uns deine Beredsamkeit geschenkt. Du bist in Wahrheit Gottes Sohn und der Sohn der Jungfrau. Wir haben es auch vernommen, als du mit deiner Menschengestalt zur Rechten deines Vaters auffuhrst, wo du in Ewigkeit bist.“
Dann sagte Gott zu den unreinen Geistern: „Wenn ihr auch die Wahrheit in eurem Gewissen verbergt, befehle ich euch doch, zu sagen: Wer hat eure Macht gemindert?“ Sie antwortete ihm: „So wie Diebe nicht die Wahrheit sagen, wenn nicht ihre Füße in den harten Holzblock gepresst werden, so würden auch wir nicht die Wahrheit sagen, wenn uns deine göttliche und furchtbare Macht nicht dazu zwingen würde. Du bist der, der mit deiner Stärke ins Totenreich niederstieg. Du hast unsere Gewalt auf Erden vermindert. Du hast dein rechtmäßiges Eigentum, nämlich deine Freunde, aus dem Totenreich geholt.“
Da sagte der Herr: „Seht – all, die Geist besitzen und keine körperliche Gestalt haben, legen das Zeugnis der Wahrheit über mich ab, aber die, die Geist und Leib besitzen, nämlich die Menschen, widersprechen mir. Manche kennen die Wahrheit, aber kümmern sich nicht darum. Andere kennen sie nicht, und deshalb kümmern sie sich darum nicht und sagen, dass alles falsch sei.“
Wieder sagte er zu den Engeln: „Sie sagen, dass euer Zeugnis falsch ist, dass ich nicht der Schöpfer bin, und dass nicht alle Dinge in mir zu spüren sind. Daher lieben sie die geschaffene Welt auch mehr als mich.“

Zu den Propheten sagte er: „Sie reden gegen euch und behaupten, dass das Gesetz eine Nichtigkeit ist, dass ihr dank eurer Stärke und Klugheit erlöst seid, dass der Geist falsch war, und dass ihr nach eurem eigenen Gutdünken geredet habt.“
Zur Mutter (Maria) sagte er: „Manche sagen, dass du keine Jungfrau bist, manche, dass ich keinen Leib von dir angenommen habe. Andere wissen es, aber kümmern sich nicht darum.“ Zu den Aposteln sagte er: „Sie reden gegen euch, denn sie behaupten, dass ihr Lügner wäret, und dass das neue Gesetz nichts nützen würde und ohne Bedeutung sei. Andere glauben, dass es wahr sei, aber kümmern sich nicht darum. Nun frage ich euch: Wer wird ihr Richter sein?“

Da antworteten ihm alle: „Du, o Gott, der ohne Anfang und ohne Ende ist. Du, Jesus Christus, der mit dem Vater ist. Dir ist die richterliche Macht vom Vater gegeben; du bist ihr Richter.“ Der Herr erwiderte: „Ich, der ich über sie klagte, ich bin nun ihr Richter geworden. Aber obwohl ich alles weiß und vermag, mögt ihr dennoch euer Gericht über sie sagen.“
Sie antworteten ihm: „So wie die ganze Welt am Morgen der Zeiten in der Sintflut vergangen ist, so soll die Welt nun im Feuer vergehen, denn die Bosheit und Ungerechtigkeit ist jetzt größer als damals.“ Der Herr antwortete: „Obwohl ich gerecht und barmherzig bin, werde ich doch nicht ohne Erbarmen richten, und keine Barmherzigkeit ohne Gerechtigkeit üben. Daher werde ich um der Gebete meiner Mutter und meiner Heiligen willen der Welt noch einmal mein Erbarmen zuwenden. Aber wenn sie nicht hören wollen, wird die Gerechtigkeit dann umso strenger folgen.“

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46. Kapitel

Christus beklagt sich über Schmähungen der Menschen und besonders über drei Männer, die ihn in Birgittas Abwesenheit gelästert haben.

Maria sprach zu ihrem Sohn und sagte: „Gesegnet seist du, der ohne Anfang und ohne Ende ist. Du hattest den edelsten und schönsten Leib. Du warst der tapferste und tüchtigste Mann. Du warst das allerwürdigste Wesen.“
Der Sohn antwortete: „Deine Worte, die aus deinem Munde ausgehen, sind mir lieblich und erquicken das Innerste meines Herzens wie der lieblichste Trank. Du bist mir lieber als alle anderen Wesen. Denn wie verschiedene Gesichter in einem Spiegel geschaut werden, aber keines mehr gefällt als das eigene, so liebe ich sicher meine Heiligen, aber dich liebe ich doch mit einer besonderen Liebe, da ich aus deinem Fleisch geboren bin.

Du bist wie eine Myrrhe, deren Duft zur Gottheit aufstieg und die Gottheit herab in deinen Leib führte. Dieser Duft führte deinen Leib und deine Seele zur Gottheit, ob du nun mit Leib und Seele bist. Gesegnet seist du, denn über deine Schönheit freuen sich die Engel. Durch deine Kraft werden alle befreit, die dich mit aufrichtigen Herzen anrufen. In deinem Licht erzittern alle Dämonen, und sie wagen nicht, in deinem Glanze zu verharren, denn sie wollen immer im Dunkel bleiben.

Du gabst mir einen dreifachen Lobpreis, denn du sagtest, dass ich den edelsten Leib hätte, zweitens, dass ich der tapferste Mann war, und drittens, dass ich das allerwürdigste Wesen war, Diesen drei Dingen wird nur von denen widersprochen, die Leib und Seele haben. Sie sagen, dass ich den schändlichsten Körper habe, dass ich der verächtlichste Mann und das elendeste Wesen bin.
Denn was ist schändlicher, als andere zur Sünde zu verlocken? Sie behaupten nun, dass mein Körper zur Sünde verleite, indem sie sagen, dass Sünde nicht so schlimm ist, wie behauptet wird, und Gott nicht in dem Maß missfallen würde. Sie sagen, dass nichts zustande kommt, ohne dass Gott es will, dass es so sein soll, und dass nichts geschaffen ist, außer von ihm[1]. „Warum sollen wir sie (die Sünde) dann nicht begehen, die zu unserem Nutzen geschaffen ist? Die Gebrechlichkeit der Natur verlangt dies jedoch, und so haben ja alle vor uns gelebt und leben noch.“
So reden die Menschen jetzt von mir, und meine Menschengestalt, in der ich, der wahre Gott, unter den Menschen auftrat, als ich ihnen von Sünde abriet und ihnen zeigte, wie schwer sie ist – die nennen sie schändlich, so als hätte ich ihnen zu etwas geraten, was unnütz und schamlos ist. Sie sagen, dass nichts ehrbar außer der Sünde ist, und was ihrem Willen behagt. Sie sagen auch, dass ich der schmählichste Mann bin.

Was ist schändlicher, als dass ein Mann, der die Wahrheit sagt, erleben muß, dass man ihn dann mit Steinen auf den Mund schlägt und ihm ins Gesicht schlägt und er außerdem Schimpfworte hören muß, indem sie sagen: „Wenn er ein Mann wäre, würde er sich rächen. „So verfahren sie mit mir.

Ich rede zu ihnen durch Lehrer und die Heilige Schrift, aber sie sagen, dass ich Lügen spreche. Sie schlagen mich mit Steinen und mit geballten Fäusten auf den Mund, wenn sie Ehebruch, Totschlag und Lügen begehen, und sie sagen: „Wenn er mannhaft wäre, wenn er der allmächtige Gott wäre, würde er eine solche Übertretung strafen.“
Ich ertrage dies aber mit Geduld, und täglich höre ich sie sagen, dass die Pein (in der Hölle) weder ewig noch so bitter ist, wie es heißt, und dass meine Worte unwahr sind. Drittens halten sie mich für das nichtsnutzigste Wesen. Denn was ist im Hause wertloser als Hund und Katze, für die man gern ein Pferd nehmen würde, wenn man tauschen könnte? Aber der Mensch hält mich für wertloser als den Hund; er würde mich auch gar nicht nehmen wollen, wenn er dafür auf den Hund verzichten müsste, und ehe er auf das Hundefell verzichten wollte, will er mich verwerfen und verleugnen.
Gibt es etwas, das dem Sinn so wenig behagt, dass man gar nicht daran denkt und es mehr begehrt, als mich? Denn wenn sie mich höher schätzen würden, als irgendein geschaffenes Wesen, dann würden sie mich mehr als andere Dinge lieben. Aber nun haben sie nichts, was so klein ist, dass sie es nicht höher schätzen, als mich. Über alles sorgen sie sich mehr, als über mich. Sie bekümmern sich über ihre eigenen Verluste oder die ihrer Freunde. Sie sind traurig über ein beleidigendes Wort, sie machen sich keine Sorgen, andere Menschen zu beleidigen, die höher stehen als sie, aber es macht ihnen nichts aus, mich zu beleidigen, den Schöpfer aller Dinge. Welcher Mensch ist so verachtet, dass er nicht gehört wird, wenn er um etwas bittet, und keine Gegengabe erhält, wenn er vorher etwas fortgibt? Ich dagegen bin in ihren Augen äußerst lumpig und verächtlich, denn sie meinen, ich sei nichts Gutes wert, obwohl ich ihnen alles Gute gegeben habe.

Du, meine Mutter, hast mehr von meiner Weisheit erfahren, als andere, und nie ging aus deinem Munde etwas anderes hervor, als Wahrheit. Ich werde mich nun in den Augen aller Heiligen rechtfertigen; erstens gegenüber dem, der sagte, ich hätte den hässlichsten Leib, und ich werde beweisen, dass ich sicher den alleredelsten Körper habe, ohne Makel und Sünde, und er wird von ewiger Schande betroffen werden, die alle zu sehen bekommen.
Was den betrifft, der gesagt hat, dass meine Wort unwahr wären, und dass er nicht gewusst hat, wie weit ich Gott sei oder nicht, will ich beweisen, dass ich in Wahrheit Gott bin, und er wird wie Kot in die Hölle niederfahren. Aber den dritten, der mich für den allerschäbigsten hielt, den werde ich zu ewiger Verdammnis verurteilen, so dass er niemals meine Ehre und meine Freude sehen darf.“
Dann sagte er zur Braut (Birgitta). „Verharre standhaft in meinem Dienst. Du bist wie in eine Mauer hineingekommen, in der du eingeschlossen bist, so dass du nicht fliehen oder das Fundament untergraben kannst. Ertrage also die kleine Trübsal willig, so wirst du später ewige Ruhe in meinen Armen finden. Du kennst den Willen des Vaters, du hörst die Worte des Sohnes, du kennst meinen Geist, du hast Trost und Freude im Gespräch mit meiner Mutter und mit meinen Heiligen. Bewahre deshalb Standhaftigkeit, sonst wirst du meine Gerechtigkeit kennen lernen, durch die du dann gezwungen würdest, das zu tun, wozu ich dich jetzt mild ermahne.

[1]. D.h. auch nicht die Sünde.

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47. Kapitel

Christus schildert das neue Gesetz d.h. die Lehre des Neuen Testaments, und sagt, dass dies nun von den Menschen vergessen ist, und am allermeisten von den Priestern, die mehr nach schnödem Gewinn trachten, als nach der Vermehrung von Gottes Ehre und der Errettung der Seelen. Er spricht eine strenge Drohung über solche Priester aus.

Ich bin der Gott, der früher den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs genannt wurde. Ich bin der Gott, der Mose das Gesetz gab. Das Gesetz war wie in einer Kleidung. Denn wie eine Mutter, die ein Kind im Mutterleib trägt, dem Kinde Kleider beschafft, so habe ich, Gott, das Gesetz beschafft, das nur ein Gewand und ein Schatten und ein Zeichen dessen war, was hernach geschehen würde.

Ich habe mich in die Gewänder dieses Gesetzes gekleidet und eingehüllt. Und wie ein Kind aufwächst, sein altes Kleid ablegt und ein neues anzieht, so habe ich das Gewand des alten Gesetzes abgelegt, als es verbraucht war, und habe das neue Gewand angezogen, nämlich das neue Gesetz, und allen, die sie haben wollten, gab ich Kleider, so wie ich sie habe.
Diese Kleidung ist nicht eng oder schwer zu tragen, sondern überall gut angepaßt. Sie ist nicht dazu da, dass man fasten oder übermäßig arbeiten, sich selber umbringen oder etwas tun soll, was über die Möglichkeiten hinausgeht, sondern sie ist passend und geeignet, Leib und Seele zu zügeln und zu kasteien. Denn wenn der Leib an der Sünde festhält, verzehrt diese Sünde auch den Leib.

In dem neuen Gesetz gibt es nun zwei Dinge. Erstens ein kluges Maßhalten und einen rechten Gebrauch aller Dinge für Leib und Seele. Zweitens die Bereitschaft, das Gesetz leicht zu befolgen, denn wer in dem einen nicht feststehen kann, kann es in einem anderen.

Daraus folgt, dass der, der nicht jungfräulich leben kann, dem steht es frei, eine Ehe einzugehen, und wer fällt, mag sich wieder erheben. Aber dieses Gesetz wird jetzt von der Welt verworfen und verachtet. Die Leute sagen nämlich, dass es eng, schwer und unförmig ist. Sie nennen das Gesetz eng, weil es vorschreibt, dass man sich mit dem begnügen soll, was notwendig ist, und den Überfluß verabscheuen soll. Diese wollen dagegen alles ohne vernünftiges Maß besitzen, indem sie wie das Vieh das begehren, was über die Körperkräfte geht, und deshalb ist ihnen das Gesetz zu eng.
Zweitens sagen sie, dass es schwer ist, denn es sagt, dass man etwas in vernünftigem Maß und nach festen Zeiten genießen soll, aber diese Menschen befriedigen ihre Genusssucht mehr, als was nützlich ist und mehr, als was vorgeschrieben ist.

Drittens sage ich, dass das Gesetz mir unvollkommen ist, denn es gebietet uns, die Demut zu lieben und Gott alles Gute zuzuschreiben. Diese Leute dagegen wollen sich erheben und äußern ihren Hochmut über die guten Dinge, die ihnen Gott gegeben hat. Sieh, so verachtet ist mein Gewand. Ich habe all das Alte vervollständigt und habe so das neue begonnen, denn das alte war sehr schwer, und es war meine Absicht, dass das neue bleiben sollte, bis ich komme, Gerichte zu halten.
Aber sie haben das Gewand schamlos weggeworfen, womit die Seele umhüllt wird, nämlich den rechten Glauben. Dazu häufen sie Sünde auf Sünde, denn sie wollen mich sogar verraten. Sagt David nicht im Psalm: „Der, der mein Brot gegessen hat, dachte an Verrat gegen mich?“[1]

Mit diesen Worten will ich, dass du dich an zwei Dinge erinnern sollst. Erstens, dass er nicht sagt „denke“, sondern „dachte“, als ob es etwas beträfe, was schon vergangen ist. Zweitens, dass er mit diesen Worten nur einen einzigen Menschen bezeichnet, der Verrat geübt hat. Ich sage dagegen, dass diesen meine Verräter sind, die es jetzt gibt, nicht die, die einmal gewesen sind oder die kommen sollen, sondern die, die jetzt leben. Ich sage auch, dass es nicht nur ein einziger Mensch ist, sondern viele.
Aber nun kannst du vielleicht fragen: „Gibt es nicht zwei Brote, ein unsichtbares und geistliches, von dem die Engel und Heiligen leben, und ein irdisches, von dem die Menschen essen? Aber die Engel und Heiligen wollen ja nichts anderes als das, das nach deinem Willen ist, und die Menschen können auch nichts anderes, als was dir behagt. Wie können sie dich dann verraten?“

Ich will dir im Beisein meiner himmlischen Heerschar antworten; sicher weiß und sieht sie alles in mir, aber ich rede deinetwegen, dass du es wissen sollst. Es gibt tatsächlich zwei Brote. Eines ist das Brot der Engel. Die Engel essen mein Brot in meinem Reich, auf dass sie von meiner unsagbaren Herrlichkeit gesättigt werden. Sie verraten mich ja nicht, sondern sie wollen nichts anderes, als was ich will.
Aber mich verraten die, die mein Brot am Altar essen. Ich bin in Wahrheit dieses Brot. Dieses Brot hat drei Eigenschaften: Gestalt, Geschmack und Rundung. Ich bin in Wahrheit dieses Brot. Ebenso wie das Brot habe auch ich drei Eigenschaften: Geschmack, Gestalt und Rundung. Ich habe Geschmack, denn so wie jede Speise geschmacklos und ohne Kraft ist, wenn das Brot fehlt, so ist alles, was es gibt, ohne mich geschmacklos, kraftlos und eitel.
Ich habe ferner die Gestalt des Brotes, weil ich ja von Erde bin. Ich bin ja von meiner jungfräulichen Mutter geboren, aber meine Mutter stammt von Adam ab, und Adam von der Erde. Ich habe auch die runde Form, in der es keinen Anfang und kein Ende gibt. Niemand kann ein Ende oder einen Anfang in meiner Weisheit, Macht oder Liebe sehen oder finden.

Ich bin in allem, über allem und außerhalb von allem. Ja, wenn jemand wie ein Pfeil ohne Aufenthalt und in Ewigkeit fliegen würde, würde er doch ein Ende oder einen Grund von meiner Macht und Tugend finden. Auf Grund dieser drei Eigenschaften – nämlich Geschmack, Gestalt und runder Form, bin ich das Brot, das auf dem Altar zu sehen und zu spüren ist, aber in meinen Leib verwandelt wird, der gekreuzigt wurde.
Denn wie ein trockenes und leicht brennbares Holzstück, wenn es aufs Feuer gelegt wird, schnell verzehrt wird und nichts von der Gestalt des Baumes übrigbleibt, sondern alles zu Feuer wird, so wird bei den Worten „Hoc est corpus meum“, das, was vorher Brot war, gleich mein Leib, aber es wird nicht vom Feuer, sondern von meiner Göttlichkeit wie Holz verbrannt.
Daher wurde ich von denen verraten, die mein Brot essen. Welcher Mord kann abscheulicher sein als der, wenn jemand sich selbst ums Leben bringt? Und welcher Verrat ist niedriger, als wenn zwei mit einem unlösbaren Band vereint sind, wie es mit zwei Eheleuten der Fall ist, und der eine den anderen verrät?
Was tut nun der Mann, wenn er seine Frau verraten will? Ja, er sagt scheinheilig zu ihr: „Laß uns an den und den Platz gehen, damit ich meinen Willen mit dir vollenden kann.“ Sie geht in aller Einfalt mit ihm, zu allem bereit, was ihr Gatte will. Aber wenn er eine Passende Zeit und einen geeigneten Platz findet, wendet er eines dieser drei Mittel an, sie ums Leben zu bringen: Entweder etwas so Schweres, dass es sie mit einem Schlage tötet, oder etwas so Scharfes, dass es gleich in ihre Eingeweide dringt, oder etwas, womit ihr Lebensatem gleich erlischt und erstickt wird.

Wenn nun die Gattin tot ist, denkt der Verräter bei sich selbst: „Nun habe ich etwas Böses getan. Wenn meine Untat allgemein bekannt wird, werde ich zum Tode verurteilt.“ Deshalb geht er hin und legt den Leib der toten Hausfrau an einen heimlichen Platz, damit sein Verbrechen nicht aufgedeckt wird.
So verfahren nun die Priester mit mir, die meine Verräter sind. Sie und ich sind mit einem Band vereint, wenn sie das Brot nehmen und wenn sie es, wenn sie die Worte aussprechen, in meinen wahren Leib verwandeln, den ich von der Jungfrau angekommen habe. Das könnte kein Engel tun, denn nur den Priestern habe ich diese Vollmacht gegeben; ich habe sie zu dem höchsten Amt auserwählt.
Aber nun handeln sie gegen mich wie Verräter, denn sie zeigen mir ein frohes und freundliches Gesicht und führen mich zu einem heimlichen Platz, um mich zu verraten. Diese Priester zeigen ein glattes Gesicht, wenn sie gut und einfältig zu sein scheinen, und sie führen mich vorsätzlich an einen geheimen Platz, wenn sie zum Altar treten. Ich bin dann wie eine Braut oder ein Bräutigam, allen ihren Willen zu tun, aber sie verraten mich.

Erstens legen sie eine Last auf mich, wenn der heilige Gottesdienst, den sie für mich halten, ihnen beschwerlich und zur Last wird. Lieber sprechen sie hundert Worte zur Welt, als ein einziges zu meiner Ehre. Lieber geben sie hundert Mark für die Welt aus, als einen Pfennig für mich. Lieber arbeiten sie hundertfach zu ihrem eigenen Nutzen und den der Welt, als ein Mal für meine Ehre.

Mit dieser schweren Bürde drücken sie mich nieder, so dass ich wie tot in ihrem Herzen bin. Zweitens stechen sie mich wie mit einem scharfen Eisen, das in die Eingeweide dringt. Wenn der Priester zum Altar geht, denkt er nämlich daran, dass er gesündigt hat, und bereut, aber er ist fest entschlossen, von neuem zu sündigen, wenn der Gottesdienst vorüber ist, indem er bei sich selbst denkt: „Wohl bereue ich meine Sünde, aber ich lasse es nicht von mir, womit ich gesündigt habe, um das nicht mehr zu tun.“

Diese Priester stachen mich gleichsam mit dem schärfsten Eisen. Drittens wird gleichsam mein Geist erstickt, wenn sie bei sich denken: „Es ist gut und behaglich, mit der Welt zu leben. Es ist gut, ausschweifend zu leben, und ich kann das nicht aufgeben. Ich will meinen Willen in der Jugend tun; wenn ich alt werde, dann werde ich enthaltsam werden und mich bessern.“ Von diesem abscheulichen Gedanken wird mein Lebensgeist erstickt.

Aber nun kann man fragen, wie ihre Herzen so lauwarm und kühl für mich und alles Gute sind, dass sie sich nie für meine Liebe erwärmen und wieder aufstehen können. Wie eine Flamme nicht aus einem Eisstück auflodern kann, auch wenn es aufs Feuer gelegt wird, sondern das Eisstück stattdessen schmilzt, so können diese Leute, auch wenn ich ihnen meine Gnade schenke und sie ermahnende Worte hören, doch nicht zum Weg des Lebens finden, ohne dass sie verdorren und in allem Guten verkümmern.
So verraten sie mich also, indem sie sich ehrlich zeigen und es doch nicht sind, und weil sie von meiner Ehre belastet und betrübt sind, an der sie doch statt dessen ihre Freude haben sollten, und haben ihren Willen, zu sündigen und nehmen sich vor, bis zuletzt weiter zu sündigen. Und sie vergessen mich gleichsam und versetzen mich an einen geheimen Platz, wenn sie bei sich denken: „Ich weiß, dass ich gesündigt habe, aber wenn ich es unterlasse, das Messopfer zu feiern, stehe ich mit Scham da und werde von allen getadelt.“

Und so gehen sie ungescheut zum Altar und stellen mich vor sich hin und berühren mich, der wahrer Gott und Mensch ist. Ich befinde mich sozusagen mit ihnen an einem geheimen Platz, denn niemand weiß und bedenkt, wie schlecht und ehrlos sie sind, vor denen ich, Gott, wie an einem geheimen Platz liege. Denn auch wenn der schäbigste Mann ein Priester wäre, würde er doch, wenn er die Worte Hoc est Corpus meum ausspräche, meinen wahren Leib weihen, und ich, der wahre Gott und Mensch, würde in seinen Händen liegen.
Aber wenn er mich auf seine Lippen legt, da bin ich nicht durch Gnade mit meiner Gottheit und Menschlichkeit bei ihm gegenwärtig – nein, ich bin fort, und nur die Gestalt und der Geschmack des Brotes bleiben bei ihm. Nicht so, als ob ich für die Bösen ebenso wie für die Guten in Wahrheit anwesend wäre, denn ich bin es kraft der Stiftung des Sakraments. Nein, ich meine, dass dessen Wirkung für die Bösen nicht dieselbe wie für die Guten ist.
Sieh, solche Priester sind nicht meine Priester, sondern wirkliche Verräter, denn sie verkaufen mich, wie es Judas tat, und verraten mich. Ich betrachte Heiden und Juden, aber sehe keine, die schlimmer sind als diese Priester, denn sie sind in derselben Sünde, die den Fall Luzifers herbeiführte.

Nun will ich dir auch ihr Gericht sagen, und wem sie gleichen. Ihr Gericht ist Verfluchung. David verwünschte die, die Gott nicht gehorsam waren, und da er ein gerechter Prophet und König war, verfluchte er sie nicht aus Zorn oder bösem Willen oder Ungeduld, sondern aus Gottes Gerechtigkeit.
So verwünsche ich, der besser ist als David, die, die Priester sind; nicht aus Zorn oder bösem Willen, sondern aus Gerechtigkeit. Verflucht sei daher alles, was sie von der Erde zu ihrem Nutzen nehmen, denn sie preisen ihren Gott und Schöpfer nicht, der ihnen dies gegeben hat. Verflucht sei die Speise und der Trank, der in ihren Mund geht, und der ihren Leib als Speise für die Würmer und ihre Seele für die Hölle nährt.
Verflucht sei ihr Leib, der in der Hölle auferstehen wird, um ewig zu brennen. Verflucht sei die Stunde, die für sie in der Hölle beginnt, und die niemals enden wird. Verflucht seien ihre Augen, mit denen sie das Licht des Himmels gesehen haben. Verflucht seien ihre Ohren, mit denen sie meine Worte hörten, um die sie sich nicht gekümmert haben.
Verflucht sei ihr Geschmack, mit dem sie meine Gaben geschmeckt haben. Verflucht sei ihr Geruch, womit sie die Annehmlichkeiten der Welt gekostet haben, während sie mich vergessen haben, der lieblicher als alles andere ist.

Aber nun kann man fragen: Auf welche Weise sollen sie verflucht werden? Ja, ihre Sehkraft soll verflucht werden, denn sie sollen nicht Gottes Angesicht in mir sehen, sondern das Dunkel und die Pein der Hölle. Ihre Ohren sollen verflucht werden denn sie sollen nicht meine Worte hören, sondern nur die Schreie und den Schrecken der Hölle. Ihr Geschmack soll verflucht werden, denn sie sollen nicht die Freude meiner ewigen Güte, sondern nur das ewige Feuer spüren. Ihr Geruchssinn soll verflucht werden, denn sie sollen nicht den lieblichen Wohlgeruch in meinem Reich vernehmen, der alle Düfte übersteigt, sondern nur den Gestank in der Hölle spüren, der bitterer als Galle und schlimmer ist, als Schwefel.
Sie sollen von Himmel und Erde und von allen unvernünftigen Geschöpfen verflucht werden, denn diese gehorchen Gott und preisen ihn, während sie selbst ihn verachten. Deshalb schwöre ich in meiner Wahrheit (denn ich bin die Wahrheit), dass, wenn sie sterben und in einem solchen Zustand der Sünde sind, wie sie sich jetzt darin befinden, so wird sie niemals meine liebe oder meine Güte umschließen, sondern sie sollen einer Verdammnis ohne Ende anheimfallen.“

[1]. Ps. 41, 10.

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48. Kapitel

Christus setzt seine Klage über die treulosen Priester fort, die er mit abtrünnigen Juden vergleicht. Er deutet an, welchen schrecklichen Einfluß ihr schlechtes Beispiel ausübt, und droht ihnen mit seiner Strafe.

Eine große Heerschar wurde in Himmel sichtbar, und Gott sagte zu ihr: „O meine Freunde, die ihr alles in mir kennt, versteht und schaut, ich rede in eurem Beisein um meiner Braut willen, die hier steht. Seht, wie wenn jemand zu sich selber spricht, so redet meine Gottheit zu meiner Menschlichkeit.

Mose war mit dem Herrn vierzig Tage und Nächte auf dem Berge, und als das Volk sah, dass er so lange fort war, nahmen sie Gold und warfen es in den Schmelzofen, und davon wurde ein Kalb geschmiedet, das sie ihren Gott nannten. Da sagte Gott zu Mose: „Das Volk hat gesündigt. Ich werde es vernichten, wie etwas Geschriebenes aus einem Buche ausgestrichen wird.“
Mose antwortete: „Nein, mein Herr. Bedenke, dass du es aus dem Roten Meer geführt und wunderbare Dinge mit ihm getan hast. Wenn du es jetzt vernichtest – wo ist dann dein Versprechen? Ich bitte dich, tu das nicht, denn dann werden deine Gegner sagen: „Israels Gott ist schlecht, er, der das Volk aus dem Meer herausgeführt hat, aber es dann in der Wüste umkommen ließ.“ Und Gott ließ sich von seinen Worten erweichen.

Ich bin dieser Mose, um in einem Gleichnis zu sprechen. Meine Gottheit redet zur Menschheit, wie Moses, und sagt: „Sieh, was dein Volk getan hat, sieh, wie es mich verschmäht hat. Alle Christen sollen umkommen, und ihr Glaube ausgelöscht werden.“ Meine Menschlichkeit antwortete aber: „Nein, Herr. Bedenke, dass ich das Volk in meinem Blut (am Kreuz) durchs Meer geführt habe, als ich vom Scheitel bis zur Sohle verwundet war. Ich habe ihnen ewiges Leben versprochen; erbarme dich über sie um meines Leidens willen.“

Nachdem sie diese Worte gehört hatte, wurde die Gottheit besänftigt und sagte: „Es geschehe dein Wille, denn alles Gericht ist dir übergeben. Seht, meine Freunde, welche Liebe! Aber nun klage ich vor euch, meine Freunde, Engel und Heiligen, und vor meinen leiblichen Freunden, die aber nur mit Leibe auf der Welt sind, dass mein Volk doch Holz gesammelt hat, ein Feuer angezündet und Gold hineingeworfen hat, so dass ihnen daraus ein Kalb entstand, das sie jetzt als Gott anbeten. Der steht nun wie ein Kalb auf vier Füßen, hat einen Kopf, Hals und Schwanz. Als Moses sich länger auf dem Berge aufhielt, sagte das Volk: „Wir wissen nicht, was ihm passiert ist.“ Und es missfiel im plötzlich, dass er sie aus der Gefangenschaft geführt hatte, und sie sagten: „Laßt uns einen anderen Gott suchen, der vor uns hergehen kann.“
So verfahren nun diese verwünschten Priester mit mir. Sie sagen nämlich: „Warum sollen wir ein strengeres Leben führen, als andere? Was erhalten wir für einen Lohn dafür? Es ist besser für uns, in Frieden zu leben, und so, wie wir wollen. Wollen wir also die Welt lieben, deren wir sicher sind – über seine Verheißung sind wir nämlich unsicher.“

Dann sammeln sie Holz d.h. geben sich mit all ihren Sinnen der Weltliebe hin, und sie zünden ein Feuer an, wenn sie vollkommen entschlossen sind, der Welt zu folgen. Sie brennen, wenn ihre Lust in ihrem Sinne glüht und zum Handeln schreitet. Dann werfen sie Gold hinein, d.h. all die Liebe und Ehrenbezeugung, die sie mir erweisen sollten, die opfern sie jetzt der Welt zu ehren. So entsteht das Kalb, d.h. eine vollständige Liebe zur Welt. Es hat vier Fuße, nämlich Leichtsinn, Ungeduld, übermäßige Freude und Gier.
Denn diese Priester, die mein sein sollten, sind faul, wenn es gilt, mir Ehre zu erweisen, sie sind ungeduldig, etwas um meinetwillen zu ertragen, übertrieben in ihrer Freude und nie zufrieden mit dem, was sie gewonnen haben. Das Kalb hat auch einen Kopf und eine Kehle. Das bezeichnet ihren ganzen Willen, der auf Schwelgerei aus ist; er kann nie gesättigt werden, auch wenn das ganze Meer hineinfließen würde. Aber der Schwanz dieses Kalbes ist ihre Bosheit, denn sie lassen niemanden seine Besitzanteile behalten, wenn sie ihm die nehmen können. Durch ihr schlechtes Beispiel und ihre Verachtung verletzen sie die, die mir dienen, und bringen sie zu Fall.
Das Kalb einer solchen Liebe ist in ihrem Herzen; darüber freuen sie sich und vergnügen sich damit. Sie denken von mir, wie die Israeliten über Mose. „Er ist lange fortgewesen“, sagen sie. „Seine Worte scheinen nutzlos und seine Taten mühselig zu sein. Lasst uns unserem eigenen Willen folgen; unsere Macht und unser Wille sei unser Gott.“

Ja, sie begnügen sich nicht damit; sie vergessen mich ganz und gar, sondern sie halten mich für einen Abgott. Die Heiden haben Bäume, Steine und tote Menschen verehrt. Unter anderem verehrten sie einen Abgott mit Namen Beelzebub, dessen Priester ihm Weihrauch opferten, vor ihm die Knie beugten und ihn mit lauten Rufen priesen. Und alles von ihrem Opfer, das unnütz war, ließen sie auf die Erde fallen, und Vögel und Fliegen verzehrten es. Alles, was nützlich war, behielten dagegen die Priester für sich. Sie verschlossen die Tür um ihren Abgott und behielten den Schlüssel für sich, so dass niemand eintreten sollte.
So handeln die Priester in dieser Zeit gegen mich. Sie opfern mir Weihrauch, d.h. sie reden und predigen schöne Worte, aber zu ihrer eigenen Ehre und um irgendwelche zeitlichen Güter zu gewinnen, aber nicht aus Liebe zu mir. So wie der Weihrauchduft nicht eingefangen werden kann, sondern nur gefühlt und gesehen werden kann, so dienen ihre Worte nicht zum Nutzen der Seelen, so dass sie Wurzel schlagen und im Herzen bewahrt werden – nein, sie werden nur gehört und scheinen für kurze Zeit auch angenehm zu sein.

Sie opfern mir Gebete, aber keineswegs solche, die mir behagen – so wie die, die Lobpreisungen mit dem Munde rufen und doch im Herzen schweigen, stehen sie vor mir und rufen mit dem Mund, während ihre Gedanken um weltliche Dinge kreisen. Wenn sie dagegen mit einer mächtigen Persönlichkeit reden würden, würde ihr Herz dem folgen, was sie reden, so dass sie sich bei der Rede nicht vertun, und so dass man bei ihnen nichts zu beanstanden hätte.

Aber vor mir beten die Priester so wie Menschen, die verwirrten Sinnes sind, die etwas mit dem Munde sprechen, aber etwas anderes im Herzen haben. Niemand, der die Worte solcher Menschen hört, kann sicher sein, was sie beinhalten. Sie beugen vor mir ihre Knie, d.h. sie geloben mir Demut und Gehorsam. Aber in Wahrheit ist ihre Demut wie die von Luzifer; sie sind ihren Begierden gehorsam, und nicht mir. Sie versperren mir sogar die Tür und haben den Schlüssel in eigener Verwahrung. Sie schließen andere Dinge um mich herum auf und lobpreisen mich, wenn sie sagen: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden“, aber sie schließen andere Dinge vor mir zu, wenn ihr eigener Wille in Erfüllung geht, und mein Wille wie der eines eingesperrten und ohnmächtigen Mannes ist, den man weder hören noch sehen kann.
Sie haben den Schlüssel in eigener Verwahrung, wenn sie auch andere durch ihr Beispiel verführen, die gern meinen Willen tun würden, und die ihnen das gern verbieten würden, wenn sie könnten, so dass mein Wille sich nicht durchsetzen und in Erfüllung gehen kann, sondern nur nach ihrem eigenen Willen verlaufen würde.
Weiter verbergen sie im Opfer all das, was für sie notwendig und nützlich ist, und sie verbergen alle Ehrenbezeugungen und alles, was man ihnen schuldig ist, aber den menschlichen Leib, der zu Boden fällt d.h. stirbt, und dem sie doch das beste Opfer bringen sollten, den halten sie für unnütz und überlassen ihn Fliegen, d.h. den Würmern, und um das, wozu sie verpflichtet sind, es für ihn zu tun – darum kümmern sie sich überhaupt nicht und denken nicht daran, wenn es auch die Erlösung seiner Seele betrifft.

Aber was wurde zu Mose gesagt? „Schlag sie tot, die diesen Abgott gemacht haben!“ So wurden damals manche totgeschlagen, doch nicht alle. Ebenso sollen jetzt meine Worte kommen und sie töten – manche sollen durch ewige Verdammnis mit Leib und Seele getötet werden, andere sollen zum Leben gerettet werden, so dass sie sich bekehren und leben; andere sollen zu einem plötzlichen Tod verurteilt werden, denn diese Priester sind mir ganz verhasst.
Womit soll ich sie vergleichen? Sie gleichen der Frucht des Dornbuschs, die äußerlich rot und schön ist, aber im Innern voller Schmutz und Stacheln sind. So treten sie vor mich wie Männer, die rot vor Liebe sind, und den Menschen scheinen sie rein zu sein, während ihr Inneres voll Unreinheit ist. Wenn diese Frucht in die Erde gelegt wird, so wachsen andere Dornen daraus hervor. So verbergen sie ihre Sünden und ihre Bosheit im Herzen wie in der Erde, und sie verwurzeln so im Bösen, dass sie sich nicht einmal scheuen, öffentlich aufzutreten und mit ihrer Sünde zu prahlen.

Daraus nehmen andere nicht nur den Anlaß, zu sündigen, sondern werden auch tief in ihrer Seele verwundet, indem sie bei sich selbst denken: „Wenn Priester so handeln, ist es für uns noch mehr zugelassen.“ Ja, die Priester sind nicht nur wie Früchte des Dornbuschs, sondern auch die Stacheln, denn sie denken nicht daran, mit Tadel und Ermahnung in Berührung zu kommen, und sie meinen, dass niemand weiser ist als sie, und dass sie also alles tun können, wenn sie wollen.
Daher schwöre ich in meiner Gottheit und Menschlichkeit, so dass es alle Engel hören, dass ich die Tür zerbrechen werde, mit der sie meinen Willen eingesperrt haben, und mein Wille wird in Erfüllung gehen, und ihr Wille soll zunichte werden und auf ewige Zeiten in Pein und Qual eingeschlossen werden. Denn wie es früher gesagt worden ist: „Ich werde mein Gericht bei den Priestern und bei meinem Altar beginnen.“

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49. Kapitel

Die schlechten Priester treiben ihn fort, sagt Christus; er wird sich deshalb an die wenden, die bereit sind, ihn zu empfangen.

Gottes Sohn sprach: „Ich habe mich früher mit Mose verglichen. Als er das Volk hinausführte, stand das Wasser recht und links wie eine Mauer. Ich bin in Wahrheit, um in einem Gleichnis zu sprechen, der Mose, der das christliche Volk hinausgeführt hat, d.h. ihnen das Himmelreich geöffnet und ihnen den Weg gezeigt hat. Aber jetzt habe ich mir andere Freunde gesucht, lieber und vertrauter als die Propheten, nämlich die Priester, die meine Worte nicht nur hören und sehen, wenn sie mich selbst sehen, sondern mich auch mit ihren Händen berühren[1], was keiner der Propheten oder Engel tun konnte.

Diese Priester, die ich anstelle der Propheten als meine Freunde wählte, rufen zu mir – aber nicht mit solcher Sehnsucht und Liebe wie die Propheten, nein, die Priester und Propheten rufen mit zwei verschiedenen Stimmen. Die Priester rufen nicht wie die Propheten: „Komm, Herr, denn du bist lieb, sondern sie rufen: „Geh fort von uns, denn deine Worte sind bitter, und deine Taten schwer und bereiten uns Verdruß.“
Höre, was die verfluchten Priester sagen! Ich stehe vor ihnen wie das sanfteste Lamm, von dem sie Wolle nehmen, um sich zu kleiden, und Milch zu trinken, und doch verabscheuen sie mich trotz meiner großen Liebe. Ich stehe wie ein Gast vor ihnen und sage: „Freund, gib mir das Notwendige zum Leben, denn ich brauche es, und du wirst als Entgelt den besten Lohn von Gott erhalten.

Aber obwohl ich mit der Sanftmut des Schafes aufgetreten bin, treiben sie mich weg wie den Wolf, der es auf die Schafe des Bauern abgesehen hat. Anstatt mir Gastfreundschaft zu gewähren, demütigen sie mich wie einen Verräter, der unwürdig ist, eine Herberge zu erhalten, und weigern sich, mich aufzunehmen.
Was soll der weggetriebene Gast tun? Soll er keine Waffengewalt gegen den Bauern anwenden, der ihn vertrieben hat? Keineswegs – das wäre nicht gerecht, denn der Besitzer kann sein Eigentum dem geben oder verweigern, wenn er will. Aber was soll der Gast dann tun?

Ja, er soll dem sagen, der ihn wegjagt: „Freund, nachdem du mich nicht aufnehmen willst, werde ich zu einem anderen gehen, der mir Barmherzigkeit erweist.“ So kommt er zu einem anderen und hört ihn sagen: „Willkommen, Herr – alles, was mein ist, gehört dir! Du sollst nun der Herr sein, und ich will dein Diener und dein Gast sein.“ In einer Herberge, wo ich solche Worte höre, behagt es mir zu sein.
Ich bin gewiß so wie ein Gast, der von den Menschen vertrieben ist, aber obwohl ich die Macht habe, überallhin einzutreten, tue ich das doch nicht um der Gerechtigkeit willen, sondern ich kehre nur bei denen ein, die mich gutwillig und wie einen wirklichen Herrn empfangen, nicht wie irgendeinen Gast, und die mir all ihren Willen anvertrauen.“

[1]. Bei der Kommunion.

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50. Kapitel

Maria betet zu Christus für die Menschen im Fegefeuer und auf Erden. Christus bewilligt ihre Bitten. Das Kapitel ist bemerkenswert für seinen Hinweis auf die Jungfrau Maria als Vermittlerin aller Gnaden, ein Thema, das die Mariologen unserer Tage sehr beschäftigt.

Gottes Mutter sprach zu ihrem Sohn und sagte: „Gesegnet ohne Ende sei dein Name, mein Sohn, mit deiner Gottheit, die ohne Anfang und ohne Ende ist. In deiner Gottheit sind drei wunderbare Dinge enthalten, nämlich Macht, Weisheit und Tugend. Deine Macht ist wie ein gewaltig loderndes Feuer, vor dem alles, was fest und stark ist, wie vertrocknetes Stroh im Feuer anzusehen ist. Deine Weisheit ist wie ein Meer, das so groß ist, dass es nicht geleert werden kann, und das, wenn es ansteigt und überfließt, Täler und Berge bedeckt. So unfasslich und unerforschlich ist deine Weisheit.

Wie weise hast du doch den Menschen geschaffen und ihn über deine ganze geschaffene Welt gesetzt! Wie weise hast du doch die Vögel in der Luft, die Tiere auf der Erde und die Fische im Wasser geordnet, und einem jeden seine Lebenszeit und Ordnung gegeben! Wie wunderbar schenkst du alles Leben und nimmst es wieder! Wie weise gibst du den Unweisen Weisheit und nimmst sie den Übermütigen! Deine Tugend ist wie das Licht der Sonne, die am Himmel leuchtet und die Erde mit ihrem Licht erfüllt. So sättigt deine Tugend das Höchste und Niedrigste und erfüllt alles. Daher seist du gesegnet, mein Sohn, du, der du mein Gott und mein Herr bist!“
Der Sohn antwortete: „Meine liebste Mutter, deine Worte sind mir lieblich, nachdem sie ja aus deiner Seele hervorgehen. Du bist wie die Morgenröte, die in Klarheit hervorbricht. Du hast über alle Himmel gestrahlt; dein Licht und deine Klarheit hat die von allen Engeln übertroffen. Mit deiner Klarheit hast du die wahre Sonne an dich gezogen, nämlich meine Gottheit, so dass die Sonne meiner Gottheit zu dir kam und in dir Fuß fasste. Von ihrer Glut bist du mehr als andere durch meine Liebe erwärmt; von ihrem Glanz bist du mehr als andere durch meine Weisheit erleuchtet.
Das Dunkel der Erde ist durch dich verjagt und sind alle Himmel erleuchtet. Ich sage in meiner Wahrheit, dass deine Reinheit, die mir mehr behagte als alle Engel, meine Gottheit zu dir gezogen hat, dass du den wahren Gott und Mensch in deinem Schoß beherbergst, woraus das Menschengeschlecht Licht erhielt, und die Engel sich erfreuten.

Daher seist du von deinem gesegneten Sohn gesegnet. Deshalb gibt es keine Bitte, die du an mich richtest, die nicht erhört wird, und durch dich sollen alle, die um Erbarmen bitten und den Willen haben, sich zu bessern, Gnade empfangen. Du bist nämlich wie eine üppige Quelle, aus der Erbarmen für die Elenden fließt.“

Die Mutter antwortete dem Sohn: „Alle Tugend und Ehre sei dir, mein Sohn! Du bist mein Gott und mein Erbarmen; von dir stammt alles Gute, was ich habe. Du bist wie die Saat, die nicht gesät wurde, aber dennoch wuchs und hundertfach, ja tausendfach Frucht brachte. Denn alles Erbarmen geht von dir aus, und weil es unzählig und unaussprechlich ist, kann es wohl mit einer Hundertzahl bezeichnet werden, womit alle Vollkommenheit ausgedrückt ist, denn von dir stammt alle Vollendung und Vollkommenheit.“
Der Sohn erwiderte der Mutter: „In Wahrheit, Mutter, du hast gut gesprochen, als du mich mit der Saat verglichst, die nicht gesät wurde, aber dennoch wuchs, denn ich bin mit meiner Gottheit zu dir gekommen, und meine Menschlichkeit wurde nicht durch das Zusammenkommen von Mann und Frau gesät, aber ist trotzdem in dir gewachsen, von der das Erbarmen zu allen fließt; daher hast du gut gesprochen. Da du mit den Lieblichen Worten deines Mundes mir Erbarmen entlockst, sollst du begehren, was du willst, und es wird dir gegeben werden.“
Die Mutter antwortete: „O mein Sohn, da ich Erbarmen von dir empfangen habe, bitte ich um Erbarmen und um Hilfe für die Elenden. Es gibt nämlich vier Plätze. Der erste ist der Himmel, wo die Engel und Seelen der Heiligen nichts anderes brauchen als dich, denn in dir haben sie alles Gute. Der zweite Platz ist die Hölle, und die, die sich dort aufhalten, sind von Bosheit erfüllt und von allem erbarmen ausgeschlossen. Deshalb kann nichts mehr von dem, was gut ist, zu ihnen eingehen.

Der dritte Platz ist das Fegefeuer, und die, die dort weilen, brauchen dreifaches Erbarmen, denn sie werden auf dreifache Weise gepeinigt. Sie werden nämlich durch das Hören geplagt, denn sie hören nichts anderes als Pein, Qual und Elend. Sie werden durch das Sehen geplagt, denn sie sehen nichts anderes als Elend. Sie werden durch das Gefühl geplagt, denn sie spüren die Glut des unerträglichen Feuers und der schweren Pein. Schenk ihnen, mein Herr und Sohn, dein Erbarmen um meiner Gebete willen!“

Der Sohn erwiderte: „Gern will ich ihnen deinetwegen dreifaches Erbarmen schenken. Das Schwere, das sie hören, soll erleichtert werden, das Schwere, das sie sehen, soll gemildert werden; ihre Pein soll gedämpft und milder werden, und alle die, die sich in der schwersten Plage des Fegefeuers befinden, sollen von dieser Stunde an in die mittlere kommen. Die in der mittleren sind, sollen in die leichteste Plage kommen, und die, die in der leichtesten sind, sollen heim zur Ruhe kommen.“
Die Mutter antwortete: „Lob und Ehre sei dir, mein Herr!“ Und sie fügte gleich hinzu: „Der vierte Platz ist die Welt, und ihre Bewohner brauchen drei Dinge. Zum erstens Reue über ihre Sünden. Zum zweiten Buße und Wiedergutmachung. Drittens Kraft, um das Gute zu tun.“
Der Sohn entgegnete: „Jeder, der deinen Namen anruft und Hoffnung auf dich hat sowie den Vorsatz hat, für seine Sünde Buße zu tun und sich zu bessern, dem sollen diese drei Dinge gegeben werden, und das Himmelreich dazu. Ich höre nämlich eine so große Lieblichkeit bei deinen Worten, dass ich dir nichts abschlagen kann, worum du bittest, denn du willst ja auch nur das, was ich will. Du bist wie eine leuchtende und brennende Flamme, mit der die erloschenen Lichter angezündet werden, und die entzündeten genährt werden. Denn von deiner Liebe, die in meinem Herzen aufgestiegen ist und mich zu dir gezogen hat, sollen die, die tot in Sünde waren, neues Leben erhalten, und die, die gegenüber meiner Liebe matt und schwarz wie Rauch waren, sollen neue Kraft empfangen.“

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51. Kapitel

Christus preist seine Mutter und erklärt, wie ihre Tugenden die der Engel und der alttestamentlichen Heiligen übertreffen.

Gottes Mutter sprach zum Sohn und sagte: „Gesegnet sei dein Name, mein Sohn Jesus Christus! Ehre über alles, was geschaffen ist, sei deinem Mannesmut! Ehre sei deiner Göttlichkeit über alle guten Dinge; sie ist ein Gott mit deiner Menschengestalt!

Der Sohn erwiderte: „Meine Mutter, du bist wie eine Blume, die in einem Tal wuchs. Rund um das Tal herum waren fünf hohe Berge, und die Blume wuchs aus drei Wurzeln mit einem geraden Stengel, der keinerlei Knoten hatte. Diese Blume hatte fünf Blätter, voll von aller Lieblichkeit.

Das Tal erhob sich aber mit seiner Blume über diese fünf Berge, und die Blumenblätter breiteten sich über die ganze Himmelshöhe und die Chöre der Engel aus. Du, meine geliebte Mutter, bist dieses Tal um deiner Demut willen, die du im reicheren Maße hattest, als alle anderen. Es erhob sich höher als fünf Berge. Der erste Berg war Mose wegen seiner Macht. Er hatte nämlich durch das Gesetz die Macht über mein Volk, als wäre es in seiner Hand geschlossen. Du hast dagegen den Herrn aller Gesetze in deinem Schoß beschlossen, und daher bist du höher als dieser Berg.
Der zweite Berg war Elias, der so heilig war, dass er mit Leib und Seele in meiner heiligen Stadt aufgenommen wurde. Aber du, meine liebste Mutter, deine Seele wurde aufgenommen und über alle Engelchöre bei Gottes Thron gesetzt, und mit dem ist dein allerreinster Leib; daher bist du höher als Elias.

Der Dritte Berg war Simsons stärke, die die von allen anderen Menschen übertraft. Doch besiegte ihn der Teufel durch seine Tücke, aber du hast den Teufel durch deine Stärke besiegt; also bist du stärker als Simson.

Der vierte Berg war David, der ein Mann nach meinem Herzen und meinem Willen war, aber dennoch in Sünde fiel. Aber du, meine Mutter, bist meinem Willen in allem gefolgt und hast niemals gesündigt.
Der fünfte Berg war Salomo, der voller Weisheit war, aber trotzdem betört wurde. Aber du, meine Mutter, warst voller Weisheit, wurdest aber niemals unweise und ließest dich nie betören. Daher bist du höher als Salomo.
Die Blume wuchs jedoch aus drei Wurzeln, denn du hattest von Jugend an drei Eigenschaften: Gehorsam, Liebe und göttlichen Verstand. Aus diesen drei Wurzeln wuchs der Stengel ohne jeden Knoten; damit ist dein Wille gemeint, der sich niemals beugte und sich bog, außer vor meinem Willen. Die Blume hatte auch fünf Blätter, die über alle Chöre der Engel hinauswuchs. Du, meine Mutter, bist in Wahrheit diese Blume mit fünf Blättern.

Das erste Blatt ist deine Ehrbarkeit; sie ist so groß, dass meine Engel, die ehrbar vor mir sind, deine Ehrbarkeit sehen und finden, dass sie mehr ist als sie, und ihre Heiligkeit und Ehrbarkeit noch überragt. Daher bist du höher als die Engel.
Das zweite Blatt ist deine Barmherzigkeit, die so groß ist, dass du, als du die Not aller Seelen sahst, dich über sie erbarmtest, und die größte Pein bei meinem Tode littest. Die Engel sind zwar voller Barmherzigkeit, und doch empfinden sie niemals Schmerz, aber du, mildeste Mutter, hast dich über die Elenden erbarmt, als du bei meinem Tode alle Pein empfandest, und in deiner Barmherzigkeit wolltest du lieber Pein erdulden, als davon getrennt zu sein. Daher überstieg deine Barmherzigkeit der Engel.
Das dritte Blatt ist deine Milde. Die Engel sind gewiß auch milde und wünschen allen Menschen Gutes, aber du, liebste Mutter, hattest vor deinem Tod den Willen eines Engels in deiner Seele und deinem Leib und hast allen Gutes getan. Und auch jetzt noch weist du keinen ab, der verständig um seinen Nutzen bittet. Daher ist deine Milde höher, als die der Engel.

Das vierte Blatt ist deine Schönheit. Die Engel betrachten nämlich einander ihre Schönheit und bewundern auch die Schönheit deiner Seele alles übertrifft, was geschaffen ist, und die Vornehmheit deines Leibes übertrifft alle geschaffenen Wesen. So übertrifft deine Schönheit auch alle Engel und alles, was geschaffen ist.
Das fünfte Blatt ist deine göttliche Freude, denn nichts erfreute dich außer Gott, so wie die Engel nichts anderes als Gott erfreut. Jeder von ihnen empfindet und spürt seine Freude in sich selbst, aber wie sei deine Freude über Gott sahen, sahen sie in ihrem Inneren, wie ihre Freude in ihnen wie ein Licht in göttlicher Liebe aufflammte. Sie sahen, dass deine Freude wie ein flammender Holzstoß war, der mit dem stärksten Feuer brannte und so hoch war, dass seine Flamme meine Gottheit erreichte. Und deshalb, liebste Mutter, brannte deine göttliche Freude so schön über alle Chöre der Engel.
Nachdem diese Blume fünf Blätter hatte, nämlich Ehrbarkeit, Barmherzigkeit, Milde, Schönheit und die höchste Freude, war sie voll von aller Lieblichkeit. Aber wer die Lieblichkeit schmecken will, mag sich ihr nahen und sie in sich aufnehmen. So war es auch mit dir, gute Mutter. Du warst für meinen Vater ja so lieblich, dass er dich ganz und gar in seinen Geist aufnahm, und deine Lieblichkeit gefiel ihm mehr als alles andere.

Die Blume trägt jedoch den Samen mit Hilfe der Hitze und der Kraft der Sonne; daraus erwächst die Frucht. So nahm die gesegnete Sonne, meine Göttlichkeit, in deinem jungfräulichen Schoß Menschengestalt an. Denn wie die Saat, wo immer sie ausgesät wird, Blumen von derselben Art hervorbringt wie die Saat, so waren meine Glieder in Gestalt und Aussehen wie die deinen, obwohl ich ein Mann und du eine Frau und Jungfrau warst. Ja, dieses Tal wuchst mit seiner Blume höher als alle Berge, als dein Leib mit deiner allerseligsten Seele über alle Engelchöre erhöht wurde.“

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52. Kapitel

Christus ermahnt Birgitta, ihre Offenbarungen durch Matthias, ihren Freund und Lehrer, Erzbischof Hemming von Uppsala und anderen Bischöfen vorzulegen. Auch dem Papst mögen sie vorgelegt werden. – Das geschah auch; die schwedischen Prälaten dürften an den Offenbarungen im Jahre 1345 teilgenommen haben. Bischof Hemming von Åbo und Prior Petrus von Alvastra leiteten sie irgendwann in den nächsten Jahren zu Papst Clemens weiter.

Die heilige Jungfrau sprach zu ihrem Sohn und sagte: „Gesegnet seist du, mein Sohn und mein Gott, der Herr der Engel und der König der Ehre. Ich bitte dich, dass deine Worte, die du gesprochen hast, im Herzen deiner Freunde Wurzel schlagen mögen, und dass ihr Sinn so fest an diesen Worten hängen möge, wie das Pech Noahs Arche zusammenhielt, die weder Sturmwogen noch Winde vernichten konnten. Mögen sie sich über die Welt ausbreiten, wie die lieblichsten Zweige und Blumen, deren Duft sich weit umher verbreitet! Mögen sie auch Frucht bringen und süß sein wie die Dattel, deren Süße die Seele erquickt.“

Der Sohn erwiderte: „Gesegnet seist du, meine liebste Mutter! Mein Engel Gabriel sagte zu mir: „Gesegnet seist du, Maria, vor allen Frauen!“ Und ich lege das Zeugnis über dich ab, dass du gesegnet und erhaben über alle Chöre der Engel bist. Du bist wie eine Blume im Garten; wenn auch viele verschiedene, wohlriechende Blumen sie umgeben, übertrifft sie diese doch an Duft, Schönheit und Tugend. Diese Blumen sind alle von Adam ausgewählt und enden bis zum Ende der Welt; sie wurden im Garten der Welt eingepflanzt und leuchteten und dufteten in mannigfachen Tugenden.
Unter all denen, die gewesen sind und nachher kommen werden, bist du die erste im guten Lebenswandel und im Wohlgeruch der Demut, in der Schönheit der liebenswertesten Jungfräulichkeit und in der Tugend der Enthaltsamkeit. Ich lege Zeugnis über dich ab, dass du bei meinem Leiden mehr warst als irgendein Märtyrer, in deiner Enthaltsamkeit als irgendeiner der Bekenner, in deiner Barmherzigkeit und deinem guten Willen mehr als ein Engel. Daher will ich um deinetwillen meine Worte wie das festeste Pech im Herzen meiner Freunde befestigen. Sie sollen sich ausbreiten wie Wohlduftende Blumen und Frucht tragen, wie die liebliche, wunderbare Dattelpalme.“

Dann sprach der Herr zur Braut (Birgitta): „Sag zu meinem Freunde, deinem Vater[1], dessen Herz nach meinem Herzen ist, dass er diese geschriebenen Worte gewissenhaft dem Erzbischof[2] und dann dem anderen[3] vorlegt. Wenn diese genau unterrichtet sind, soll er sie weiter an den dritten Bischof senden.
Sag ihm auch in meinem Namen: „Ich bin dein Schöpfer und Erlöser der Seelen. Ich bin Gott, den du über alles liebst. Sieh und schau, dass die Seelen, die ich mit meinem Blut erlöst habe, wie die Seelen derer sind, die nichts von Gott wissen, und sie sind vom Teufel so schwer gefesselt, dass er sie mit allen Gliedern wie in einer harten Presse peinigt.

Daher sollst du, wenn meine Wunden in deiner Seele zu spüren sind, und wenn du meine Geißelungen und meine Qual bedenkst, durch deine Taten zeigen, wie sehr du mich liebst. Und meine Worte, die ich mit meinem eigenen Mund gesprochen habe, sollst du zu öffentlicher Kenntnis bringen und sie selbst dem Oberhaupt der Kirche vortragen.

Ich will dir nämlich meinen Geist schenken, so dass du, wo immer zwischen zweien Unstimmigkeit herrscht, sie in meinem Namen und mit der Kraft, die dir gegeben ist, versöhnen kannst, wenn sie glauben. Und außerdem sollst du, um meine Worte weiter zu verdeutlichen, dem Papst das Zeugnis von denen bringen, denen meine Worte gut gefallen.
Meine Worte sind nämlich wie Fett, das umso schneller schmilzt, je größer die Hitze darin ist, aber wenn keine Hitze da ist, so wird das Fett ausgestoßen und gelangt nicht hinunter in die Eingeweide. So ist es auch mit meinen Worten. Denn je mehr der Mensch in meiner Liebe glüht, desto mehr wird er von der Süßigkeit der himmlischen Freude und der innerlichen Liebe gesättigt, und desto mehr entflammt er in Liebe zu mir.
Aber die, denen meine Worte nicht gefallen, die haben so etwas wie Schweinefett im Munde, das ihnen nichts schmeckt, und das sie deshalb gleich ausspucken und es zertreten. So werden meine Worte von manchen verschmäht, weil die Süßigkeit der geistlichen Dinge ihnen nicht schmeckt. Aber der Herr des Landes, den ich zu meinem Glied erwählte und in Wahrheit mir zu eigen machte, er wird dir mannhaft helfen und dich mit den notwendigen Dingen aus recht erworbenen Gütern für die Reise versehen.“

[1]. Magister Matthias.
[2]. Erzbischof Hemming von Uppsala (+1351)
[3]. Bischof Hemming von Åbo (+1366). Dieser brachte mit dem Prior Petrus von Alvastra Birgittas Botschaft an Papst Clemens VI. in Avignon.

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53. Kapitel

Christus klagt darüber, dass die Menschen die Welt mehr lieben als ihn selbst, droht ihnen mit seiner Strafe, aber stellt doch sein Erbarmen mit denen in Aussicht, die sich bekehren. Weiter gibt er denen Ratschläge, die Birgittas Erweckungspredigt an die Menschen ihrer Zeit weitergeben.

Maria sprach zu ihrem Sohn: „Gesegnet seist du, mein Sohn, mein Gott, Herr der Engel! Du bist der, dessen Stimme die Propheten hörten, dessen Leib dann die Apostel sahen, und an dem sich die Juden und deine Gegner vergriffen haben. Du bist ein einziger Gott mit Göttlichkeit, Menschengestalt und dem Heiligen Geist. Denn die Propheten haben nur den Geist gehört, die Apostel sahen deine Gottesehre, und die Juden haben deine Menschengestalt ans Kreuz geschlagen. Daher seist du ohne Anfang und Ende gesegnet.“

Der Sohn erwiderte: „Gesegnet seist du, denn du bist Jungfrau und auch Mutter. Du bist die Bundeslade, die es zur Zeit des alten Bundes gab, und in der sich drei Dinge befanden: Der Stab, das Manna und die Tafeln (des Gesetzes). Mit dem Stab geschahen drei Dinge. Zuerst wurde er in eine ungiftige Schlange verwandelt. Zweitens wurden die Wogen des Meeres durch ihn geschieden. Drittens rief er Wasser aus den Felsen hervor.
Ich, der ich in deinem Mutterleib lag und von dir Menschengestalt annahm, vergleiche mich mit diesem Stab. Erstens bin ich ebenso gefährlich für meine Gegner, wie die Schlange für Mose. Sie fliehen nämlich vor mir, wie vom Anblick einer Schlange, und doch bin ich ohne das Gift der Bosheit und stattdessen voll von aller Barmherzigkeit. Ich lasse mich von ihnen lieb haben, wenn sie wollen. Ich kehre zu ihnen zurück, wenn sie mich suchen. Ich eile ja zu ihnen, wie eine Mutter zu ihrem verlorenen und wiedergefundenen Sohn, wenn sie mich anrufen. Ich erweise ihnen Barmherzigkeit und vergebe ihre Sünden, wenn sie mich anrufen. So handele ich gegenüber denen, und dennoch scheuen sie mich, wie eine Schlange.

Zweitens wurden die Wogen des Meeres durch diesen Stab getrennt, als der Weg zum Himmel, der wegen ihrer Sünde verschlossen war, durch mein Blut und meine Pein geöffnet wurde. Ja, da teilte sich wahrhaftig das Meer, und es wurde ein Weg geschaffen, wo es vorher keinen gab, als alle Schmerzen meiner Glieder auf zum Herzen stiegen, und das Herz von dieser gewaltigen Plage brach.

Als das Volk dann durchs Meer geführt wurde, führte Mose sie nicht gleich ins Land der Verheißung, sondern in die Wüste, damit sie dort geprüft und unterwiesen würden. So ist es auch jetzt: Wenn das Volk meinen Glauben und meine Gebote angenommen hat, wird es nicht gleich ins Himmelreich geführt, nein – es ist notwendig, dass die Menschen in der Wüste, d.h. in der Welt, geprüft werden, wie sehr sie Gott lieben.
Mit drei Dingen reizte aber das Volk Gott in der Wüste zum Zorn. Erstens dadurch, dass sie sich einen Abgott machten und ihn anbeteten. Zweitens, weil sie sich nach den Fleischtöpfen in Ägypten sehnten. Drittens durch ihren Übermut, als sie ohne Gottes Willen auftreten und gegen ihre Feinde kämpfen wollten.

So sündigt auch der Mensch auf dieser Welt gegen mich. Erstens verehrt er einen Abgott, denn er liebt die Welt und was darin ist, mehr als mich, der doch sein Schöpfer ist. Also ist die Welt ihr Gott, und nicht ich. Ich habe ja in meinem Evangelium gesagt: „Da, wo des Menschen Schatz ist, da ist auch sein Herz.“ So ist die Welt des Menschen Schatz, denn dahin drängt sein Herz, nicht zu mir.
Daher sollen diese Menschen ebenso, wie die Juden in der Wüste mit dem Schwert im Leibe gefallen sind, mit dem Schwert der ewigen Verdammnis in der Seele fallen, und sie sollen ewig in der Verdammnis leben. Zweitens haben sie durch ihr Verlangen nach den Fleischtöpfen gesündigt. Ich gab dem Menschen alles Lebensnotwendige, damit er es anständig und maßvoll gebrauchen sollte, aber jetzt will er alles in unmäßiger und unkluger Weise gebrauchen. Denn wenn seine Natur dazu imstande wäre, würde er ohne Unterlaß prassen, trinken ohne Maß und ohne Maß und Grenze nach mehr verlangen und so lange wie möglich sündigen.

Daher wird es mit ihnen gehen, wie mit den Juden in der Wüste: Sie werden eines plötzlichen Todes sterben. Denn was ist dieses geistliche Leben anderes, als ein Augenblick im Vergleich mit der Ewigkeit? Deshalb sollen sie eines plötzlichen leiblichen Todes sterben, aus diesem kurzen Leben entrückt werden und seelisch ohne Ende in Pein leben.
Drittens haben sie in der Sünde durch ihren übermut gesündigt, denn ohne Gottes Willen wollten sie zum Kampf antreten. So wollen die Menschen mit ihrem Hochmut auf zum Himmel steigen, und sie verlassen sich nicht auf mich, sondern auf sich selber, indem sie ihrem Willen folgen und den meinen beiseite schieben. Deshalb sollen sie, wie die Juden von ihren Feinden, seelisch von Teufeln getötet werden, und ihre Pein soll ewig dauern.

Sie hassen mich ja wie eine Schlange, sie verehren einen Abgott statt meiner, trachten in ihrem Verlangen nach anderen Dingen mehr als nach mir und lieben ihren Hochmut, statt meine Demut. Noch bin ich aber so barmherzig, dass ich mich ihnen, wenn sie sich mit reuevollem Herzen zu mir bekehren, wie ein milder Vater wieder zuwenden und sie zu mir nehmen will.
Drittens hat der Felsen durch diesen Stab Wasser gegeben. Der Felsen ist das harte Herz des Menschen, denn wenn es mit meiner Furcht und meiner Liebe geschlagen wird, fließen gleich die Tränen der Reue und der Bußfertigkeit. Keiner ist so unwürdig, keiner ist so schlecht, dass nicht Tränen aus seinen Augen fließen und alle seine Glieder zur Frömmigkeit erweckt werden, wenn er sich zu mir wendet, innerlich mein Leiden betrachtet, meine Macht und Göttlichkeit bedenkt, wie sie die Erde und die Bäume Frucht tragen lässt.

Zum zweiten gab es Manna in der Arche des Mose. So ruhte in dir, meine jungfräuliche Mutter, das Brot der heiligen Seelen und das der gerechten Erdengeschöpfe; es gefällt ihnen nichts, außer meiner Süßigkeit. Für sie ist alle Welt tot, und sie würden gern ohne leibliche Nahrung sein, wenn es mein Wille wäre. Drittens gab es in dieser Arche die Gesetzestafeln. So weilte auch der Herr aller Gesetze in dir. Daher seist du gesegnet vor allem, was im Himmel und auf Erden geschaffen ist.“

Dann sprach er zur Braut (Birgitta) und sagte: „Sage meinen Freunden drei Dinge. Als ich in leiblicher Gestalt auf der Welt war, wählte ich meine Worte so, dass gute Menschen durch sie stärker und eifriger wurden, und böse Menschen besser wurden, was aus der Bekehrung Magdalenas, des Matthäus und vieler anderer hervorgeht. Ich wählte meine Worte so, dass meine Feinde sie nicht widerlegen konnten.
Daher sollen die, durch die meine Worte gesendet werden, eifrig arbeiten, so dass die Guten durch meine Worte eifriger im Guten werden, und die Bösen sich vom Bösen abwenden, und sie sollen sich vor meinen Feinden in Acht nehmen, dass meine Worte nicht behindert werden. Ich tue ja kein größeres Unrecht gegen den Teufel, als gegen die Engel in Himmel. Denn wenn ich wollte, könnte ich meine Worte sehr gut so wählen, dass die ganze Welt sie hören würde. Ich könnte auch die Hölle auftun, so dass man ihre Plagen sähe, aber das wäre nicht gerecht, denn dann würde der Mensch mir nur aus Furcht dienen, und er soll mir doch aus Liebe dienen. Denn niemand anderes als der, der Liebe hat, soll ins Himmelreich eintreten. Ich würde schließlich dem Teufel unrecht tun, wenn ich den, der ihm wegen seiner Sünden mit Recht anheim fallen sollte, von ihm nehmen würde, ohne dass dieser Mensch gute Taten vollbracht hat.

Ich würde auch den Engel im Himmel Unrecht tun, wenn ich den Geist eines unreinen Menschen mit ihm gleichstellte, der rein ist, und der vor Liebe glüht. Niemand soll daher in den Himmel eingehen, der nicht im Fegefeuer wie Gold im Feuer erprobt ist, oder der sich durch gute Taten eine so lange Schulung und Erprobung auf der Welt erworben hat, dass es keinen Fleck mehr bei ihm gibt, der gereinigt werden müsste.
Wenn du nicht weißt, an welche meine Worte gerichtet werden sollen, will ich es dir sagen. Der ist würdig, meine Worte zu hören, der mit seinen Taten verdienen will, ins Himmelreich zu kommen; für ihn und für den, der es mit früheren guten Taten verdient hat, sollen meine Worte zur Verfügung stehen; zu ihnen sollen meine Worte gehen. Die, denen meine Worte gut schmecken, und die demütig hoffen, dass ihr Name im Buch des Lebens eingeschrieben steht – die halten meine Worte. Aber die, denen die Worte nicht behagen, die hören sie wohl an, aber verwerfen sie sogleich und spucken sie aus.“

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54. Kapitel

Ein Engel lehrt Birgitta, zwischen den guten Eingebungen, die von ihm selbst stammen, und den bösen Eingebungen zu unterscheiden, die vom Teufel stammen. – Weiter beschreibt Maria, wie die Frommen seit der Zeit des AT darauf warteten, dass Christus sie aus dem Totenreich befreien würde.

Der Engel sprach zur Braut (Birgitta) und sagte: „Es gibt zwei Geister, einen ungeschaffenen und einen geschaffenen[1]. Der ungeschaffene hat drei Eigenschaften. Erstens ist er warm, zweitens lieblich, drittens rein. Erstens wärmt er, und seine Wärme geht nicht von irgendwelchen geschaffenen Dingen aus, sondern von ihm selbst, denn zugleich mit dem Vater und dem Sohn ist er aller Dinge Schöpfer und allmächtig. Er wärmt, wenn die Seele ganz vor Liebe zu Gott brennt. Zweitens ist er lieblich, denn nichts gefällt der Seele und nichts erscheint ihr lieblich außer Gott und dem Gedanken an seine Taten.

Drittens ist er rein, so dass keine Sünde bei ihm anzutreffen ist und nichts, was böse ist, oder was verändert werden oder vergehen kann. Er wärmt jedoch nicht wie das irdische Feuer, und er bringt nichts zum Schmelzen, wie die sichtbare Sonne, sondern seine Wärme ist die innere Liebe und die Sehnsucht der Seele, die die Seele erfüllt und sie zu Gott hinzieht.
Er ist lieblich für die Seele, nicht wie ein begehrenswerter Wein, ein Genuß oder etwas anderes Weltliches – nein, die Lieblichkeit dieses Geistes ist so grenzenlos, dass keine zeitlichen Freuden damit verglichen werden können, und er ist für die unfassbar, die ihn nicht geschmeckt haben. Drittens ist dieser Geist so rein, wie die Strahlen der Sonne, an der kein Fleck zu finden ist.

Der zweite Geist, der geschaffen ist, hat auch drei Eigenschaften. Er ist brennend, bitter und unrein. Erstens ist er brennend und verzehrend wie ein Feuer, denn die Seele, die er besitzt, entzündet er ganz mit dem Feuer der Wollust und dem bösen Begehren, so dass die Seele an nichts anderes denken kann, als an die Verwirklichung seiner Begierde, und die Folge ist oft, dass er deshalb sein zeitliches Leben sowie alle Ehre und Freude verliert.
Zweitens ist er bitter wie Galle, denn er erfüllt die Seele zu einem solchen Grad mit seiner Lust, dass ihm das ewige Gute als Torheit erscheint, und all das, was von Gott kommt und was seine Pflicht ist festzuhalten, für ihn bitter, ja abscheulich wie Spucke und Galle wird.

Drittens ist er unrein, denn er macht die Seele so elend und so geneigt zur Sünde, dass sie sich vor keiner Sünde scheut, ja auch vor keiner Sünde Abstand nehmen würde, wenn sie das Urteil der Menschen nicht mehr als Gottes Urteil fürchten würde. Deshalb ist dieser Geist so brennend wie ein Feuer, denn er brennt vor Begierde, etwas Böses zu tun, und er entzündet andere ebenso wie sich selbst. Deshalb ist er bitter, denn alles Gute ist für ihn bittest, und er will es auch für andere bitter machen. Daher ist er unrein, denn er freut sich über Unreinheit und will, dass andere gleich wie er werden sollen.

Aber nun würdest du mich fragen: „Bist nicht auch du ein geschaffener Geist, so wie er? Warum bist du dann nicht so?“ Ich antworte dir: Ich bin in Wahrheit vom selben Gott wie er geschaffen, denn es gibt nur einen Gott, den Vater, Sohn und Heiligen Geist, und diese sind nicht drei Götter, sondern ein Gott. Und beide sind wir gut und zum Guten geschaffen, denn Gott hat nur geschaffen, was gut ist.

Aber ich bin wie ein Stern, denn ich bin in Gottes Güte und der Liebe geblieben, in der ich geschaffen bin; er dagegen ist wie eine Kohle, denn er ist von Gottes Liebe abgefallen. Und wie der Stein nichts ohne Klarheit und Glanz ist, und die Kohle nichts ohne schwarze Farbe ist, so ist der gute Engel, der wie ein Stern ist, nichts ohne die Klarheit, d.h. den Heiligen Geist, denn alles, was er hat, das hat er von Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, durch dessen Liebe er glüht, und durch dessen Klarheit er strahlt. Er hält beständig fest an ihm, richtet sich nach seinem Willen, und will niemals etwas anderes, als was Gott ist. So glühend ist er, so rein ist er.
Der Teufel dagegen ist wie eine missgestaltete Kohle und schlimmer, als alle anderen geschaffenen Wesen. Denn ebenso wie er einmal schöner war als andere, so sollte er hässlicher als andere werden, nachdem er sich seinem Schöpfer widersetzt hat. So wie Gottes Engel von Gottes Licht erstrahlt und unaufhörlich von seiner Liebe brennt, so brennt und ängstigt sich der Teufel stets in seiner Bosheit. So wie seine Bosheit unermesslich ist, so sind Gottes Güte und Gottes Gnade unaussprechlich.

Denn niemand auf dieser Welt ist im Teufel so verwurzelt, dass der gute Geist nicht manchmal sein Herz besucht und anrührt, und ebenso ist niemand so gut, dass nicht der Teufel versucht, mit einer Versuchung an ihn heranzukommen. Viele gute und gerecht Menschen werden ja mit Gottes Zulassung vom Teufel versucht, und dies nicht deshalb, weil sie etwas Böses getan haben, sondern darum, dass ihre Ehre größer wird.

Gottes Sohn, der mit dem Vater und dem Heiligen Geist in seiner Göttlichkeit eins ist, wurde ja auch versucht, als er Menschengestalt annahm – wie viel mehr sollten dann nicht seine Auserwählten versucht werden, damit ihre Belohnung umso größer wird! Auch viele gute Menschen fallen manchmal in Sünde, und ihr Gewissen wird zuweilen durch die Falschheit des Teufels verdunkelt, aber durch die Kraft des Heiligen Geistes erheben sie sich von neuem, stärker als vorher, und stehen dann umso fester. Es gibt niemanden, der nicht in seinem Gewissen versteht, wie weit die Eingebung ihn zur Bosheit der Sünde oder zum Guten leitet, soweit er genau nachdenken und sich selbst reinigen will.
Daher sollst du, die Braut meines Herrn, an dem Geist deiner Gedanken nicht zweifeln, ob er gut ist oder böse, denn dein Gewissen sagt dir, was unterlassen werden und getan werden soll. Was mag der Tun, der voll des Teufels ist? Der gute Geist kann nicht in ihn eingehen, weil er voller Bösem steckt. Drei Dinge muß er tun. Erstens muß er eine reine und vollständige Beichte über seine Sünden ablegen. Auch wenn er wegen seines harten Herzens nicht gleich Reue empfinden kann, nützt die Beichte doch so viel, dass der Teufel deshalb mit seinem Betrug aufhört und vor dem guten Geist ausweicht.

Zweitens muß er demütig werden, so dass er Besserung für die Sünden leisten will, die er begangen hat, und das Gute wirken, soweit er kann; da beginnt der Teufel, sich zurückzuziehen.
Drittens muß mit demütigem Gebet Gott anrufen, um den guten Geist zurückzubekommen, von Zerknirschung über begangene Sünden ergriffen werden und wahre Liebe haben, denn die Liebe zu Gott vernichtet den Teufel. Der will lieber hundertmal sterben, als dass der Mensch Gott aus Liebe das allergeringste Gute erweisen würde, so neidisch und boshaft ist er.

Dann sprach die heilige Jungfrau zur Braut (Birgitta) und sagte: „Du neue Braut meines Sohnes, kleide dich in dein Gewand und lege deinen Brautschmuck an, d.h. das Leiden meines Sohnes!“ Sie antwortete ihr: „O meine Frau, du solltest mir diesen Schmuck anlegen.“ Die Jungfrau sagte: „Ja, ich will das tun. Ich will dir auch sagen, wie mein Sohn beschaffen war, und warum er so innig von den Vätern beneidet wurde.

Er stand sozusagen zwischen zwei verschiedenen Städten[2], und eine Stimme aus der ersten Stadt rief ihn zu: „Du Mann, der auf dem Wege zwischen den beiden Städten steht, du bist ein weiser Mann, denn du weißt dich vor drohenden Gefahren in Acht zu nehmen. Du bist auch stark darin, das Böse, das dir zustößt, zu erleiden; du hast auch Mannesmut, denn du fürchtest dich vor nichts. Wir haben uns nach dir gesehnt, und wir warten auf dich. Öffne deshalb unser Tor, denn unsere Feinde belagern es, so dass es nicht geöffnet werden kann.“
Aus der anderen Stadt hörte man eine Stimme, die sagte: „O du mildester und stärkster Mann, höre unsere Klage und unser Weinen! Wir sitzen im Dunkel und leiden unerträglichen Hunger und Durst. Bedenke daher unser Elend und unsere große Not. Wir sind geschlagen wie Heu, das mit der Sense abgemäht ist. Alles Gute vertrocknet in uns; alle unsere Stärke verkümmert. Komm zu uns und erlöse uns, denn dich allein haben wir erwartet, auf dich haben wir gehofft als auf unseren Befreier. Komm und beseitige unsere Not, wende unseren Jammer in Freude und sei unsere Hilfe und Rettung! Komm, du gesegneter, allerwürdigster Leib, der aus der reinen Jungfrau hervorging!“

Diese beiden Stimmen hörte mein Sohn von den beiden Städten, d.h. vom Himmel und aus dem Totenreich. Deshalb erbarmte er sich, öffnete durch sein bitteres Leiden und sein Blutvergießen das Tor des Totenreichs und führte seine Freunde hinaus. Er öffnete zur Freude der Engel auch den Himmel, und führte die aus dem Totenreich Befreiten dorthin[3]. Bedenke das, meine Tochter, und hab es stets vor Augen.

[1]. D.h. den Heiligen Geist und den Teufel.
[2]. Der Himmel und das Totenreich.
[3]. Nach Lehre der Kirche befreite Christus während der Zeit zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung die Frommen aus der Zeit des Alten Testaments, die bis auf die Zeit Christi gewartet hatten, dass die Pforte des Himmels geöffnet werden sollte.

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55. Kapitel

Mit Hilfe eines Gleichnisses schildert Christus, wie die Richter (= Priester), die Verteidiger (= Adlige) und die Arbeiter (= Allgemeinheit) in der von ihm begründeten Stadt (= Kirche) ihm anfangs treu waren, ihn aber in letzter Zeit im Stich gelassen haben, um der Welt zu dienen.

Ich bin wie ein mächtiger Herr, der eine Stadt erbaute und sie nach sich benannte. Dann baute er in der Stadt ein Schloß, und darin waren viele Räume, die für nützliche Zwecke vorgesehen waren. Nachdem er das Schloß gebaut und all seine Sachen geordnet hatte, teilte er sein Volk in drei Teile und sagte: „Meine Wege führen zu fernen Ländern. Bleibt mir treu und arbeitet mannhaft mir zu Ehren. Ich habe ja für euch das Lebensnotwendige und die Verpflegung geordnet, und ihr habt auch Richter, um zu urteilen, und Verteidiger, euch gegen Feinde zu wehren. Ich habe auch Arbeiter gewählt, die euch beköstigen sollen, mir das Zehnte von meiner Arbeit geben und zu meinem Nutzen und meiner Ehre sparen sollen.“

Nachdem eine Zeitlang verstrichen war, geriet jedoch der Name der Stadt in Vergessenheit. Da sagten die Richter: „Unser Herr ist in ferne Gegenden gereist. Laßt uns daher rechte Urteile fällen und gerecht verfahren, so dass wir nicht getadelt werden, wenn unser Herr zurückkehrt, sondern Ehre und Segen heimbringen.“
Die Verteidiger sagten: „Unser Herr hat sich auf uns verlassen und uns die Verteidigung seines Hauses übertragen. Laßt uns daher auf Überfluß in Speise und Trank verzichten, so dass wir zum Kampfe nicht untauglich werden. Laßt uns auch auf überlangen Schlaf verzichten, so dass wir auf Wacht sein können und nicht überrumpelt werden. Seien wir wohl bewaffnet und ständig wachsam, so dass man uns nicht unvorbereitet findet, wenn Feinde kommen. Von uns hängt nämlich in höchstem Grad die Ehre unseres Herrn und die Erlösung unseres Volkes ab.“

Die Arbeiter sagten: „Groß ist unseres Herrn Ehre, und ehrenvoll ist seine Belohnung. Arbeiten wir daher tapfer und bieten ihm nicht nur den zehnten Teil unserer Arbeit an, sondern alles, was von unserem Lebensunterhalt übrig bleibt. Unser Lohn wird umso ehrenreicher sein, je größer er sieht, dass unsere Liebe ist.“

So verging wieder eine Zeit, und der Herr der Stadt und des Schlosses geriet in Vergessenheit. Da sagten die Richter zueinander: „Unser Herr bleibt lange fort. Wir wissen nicht, ob er zurückkehrt oder nicht. Laßt uns also nach eigenem Gutdünken urteilen und tun, was uns richtig erscheint.“
Die Verteidiger sagten: „Es ist ja dumm von uns, zu arbeiten, wenn wir nicht wissen, welchen Lohn wir erhalten werden. Wir sollten uns besser mit unseren Feinden verbünden und mit ihnen zusammen schlafen und zechen, denn wir kümmern uns nicht darum, wessen Feinde sie gewesen sind.“

Die Arbeiter sagten: „Warum sparen wir unser Gold für einen anderen, wenn wir nicht wissen, wer es nach uns bekommen soll? Es ist besser, dass wir es selbst verwenden und darüber nach unserem Gutdünken verfügen. Wir werden den Richtern den zehnten Teil geben und sie dadurch freundlich stimmen; so können wir dann auch tun, was wir wollen.“
Ich bin in Wahrheit wie dieser mächtige Herr, denn ich habe mir eine Stadt – das ist die Welt – erbaut und ein Schloß darin eingerichtet – das ist die Kirche. Der Name der Welt war göttliche Weisheit, denn die Welt hatte diesen Namen schon von Anfang an, denn sie war in göttlicher Weisheit geschaffen. Dieser Name wurde von allen geehrt, und Gott wurde von seinen geschaffenen Wesen in seiner Weisheit gelobt und wunderbar gepriesen. Aber jetzt ist der Name der Stadt entehrt und verändert, und ein neuer Name ist aufgekommen: Menschliche Weisheit. Denn die Richter, die vorher in Gerechtigkeit und Gottesfurcht urteilten, die sind nun von Übermut ergriffen und stellen einfältigen Menschen Fallen. Sie möchten redegewandt sein, um das Lob der Menschen zu gewinnen, und sie reden das, was dem Geschmack des Volkes entspricht, damit sie seine Gunst gewinnen.

Sie tragen alle Worte leise vor, damit sie gut und sanftmütig genannt werden; sie nehmen Geschenke entgegen und verfälschen das rechte Urteil. Sie sind weise zu ihrem zeitlichen Nutzen und für ihren eigenen Willen, aber stumm, wenn es gilt, mich zu loben. Sie treten die Einfältigen unter ihre Füße und bringen sie zum Schweigen. Sie dehnen ihre Habsucht auf alle aus und machen das Rechte zum Falschen. Eine solche Weisheit wird nunmehr geliebt, aber meine Weisheit ist vergessen.
Die Verteidiger der Kirche, die Adlige und Ritter sind, sehen meine Feinde und die Angreifer meiner Kirche, kümmern sich aber nicht darum; sie hören ihre Schmähreden, scheren sich aber nicht darum, sie nehmen die Taten derer, die meine Gebote ergreifen, wahr, aber nehmen das geduldig hin. Sie sehen, wie diese täglich alle Todsünden begehen, als wären sie zulässig, aber das macht ihnen nichts aus, sondern schlafen und gehen mit ihnen um, ja sie verbinden sich eidlich mit deren Gesellschaft.
Die Arbeiter, d.h. das ganze Volk, verschmähen meine Gebote und halten die Gaben und den Zehnten, den sie mir darbringen sollten. Sie bieten stattdessen ihren Richtern Geschenke an und erweisen ihnen Verehrung, damit die Richter ihnen wohlwollend und günstig gestimmt werden. Fürwahr, ich kann getrost sagen, dass das Schwert von mir und meiner Kirche auf der Welt verworfen ist, und an seine Stelle der Geldbeutel getreten ist.“

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56. Kapitel

Christus setzt seine Klage über die Priester, die Adligen und die Allgemeinheit fort. Noch einmal will er sie warnen, und dies soll durch die Botschaft geschehen, die Birgitta empfängt und sie durch ihre priesterlichen Freunde weitervermitteln lässt. Wenn sie nicht auf diese Botschaft hören wollen, haben sie Strafe zu erwarten.

Ich sagte dir vorher, dass das Schwert meiner Kirche verworfen und ein Geldbeutel an seine Stelle getreten ist, der an einem Ende offen und am anderen Ende so tief ist, dass das, was man einlegt, nie den Grund erreicht, und der Beutel niemals voll wird. Dieser Beutel ist die Gier, die alle Maße übersteigt und so mächtig geworden ist, dass man den Herrn verachtet und nichts anderes begehrt, als das Geld und den eigenen Willen.

Ich bin wie ein Herr, der sowohl Vater als auch Richter ist. Wenn er vortreten und (seinen vom Volk angeklagten Sohn) richten soll, sagen die Umstehenden zu ihm: „Herr, tritt eilig vor und fälle das Urteil! Der Herr erwidert ihnen: „Wartet etwas; bis morgen, denn vielleicht bessert sich mein Sohn inzwischen.“
Wenn er am nächsten Tag zurückkommt, sagt das Volk wieder zu ihm: „Tritt vor, Herr, und fälle das Urteil! Warum schiebst du das Urteil so lange auf und verurteilst nicht die Schadenstifter?“
Da antwortet der Herr wieder: „Wartet noch etwas, um zu sehen, ob mein Sohn sich bessert. Aber wenn er dann nicht zur Besinnung kommt, werde ich tun, was gerecht ist.“

So ertrage ich den Menschen geduldig bis zum letzten Augenblick, denn ich bin sowohl Vater als auch Richter. Aber meine Gerechtigkeit ist unwandelbar, und wenn sie auch lange aufgeschoben wird, werde ich doch die Sünder entweder bestrafen, wenn sie sich nicht bessern, oder ihnen auch Barmherzigkeit erweisen, wenn sie sich bekehren.

Ich sagte dir vorher auch, dass ich das Volk in drei Teile geteilt habe, nämlich in Richter, Verteidiger und Arbeiter. Wer wird mit diesen Richtern bezeichnet, wenn nicht die Priester, die die göttliche Weisheit in eine böse und eitle verwandelt haben? So wie es Priester gewöhnlich tun, die viele Worte reden und sie in einige wenige umwandeln, die dasselbe sagen wie die vielen, so haben die Priester in dieser Zeit die Worte meiner zehn Gebote genommen und sie in ein einziges zusammengezogen.

Was ist dieses eine Wort? Ja, das ist: Streck deine Hand aus und gib Geld! Das ist die Weisheit der Priester, schön zu reden und schlecht zu handeln, den Anschein zu erwecken, meine Diener zu sein, aber boshaft gegen mich handeln. Um der Spenden willen lassen sie die Sünder gern in ihren Sünden, und die Einfältigen bringen sie durch ihr schlechtes Beispiel zu Fall. Außerdem hassen sie die, die auf meinem Wege wandeln.

Mit den Verteidigern der Kirche sind die treulosen Ritter gemeint; diese geben ihren Glauben und ihre Gelübde auf und ertragen gern die, die gegen den Glauben und die Satzungen meiner Kirche sündigen. Die Arbeiter, d.h. das ganze Volk, sind wie ungezähmte Stiere, die drei Kennzeichen haben: Erstens wühlen sie die Erde mit ihren Klauen auf, zweitens füllen und sättigen sie ihren Bauch, drittens vollbringen sie ihre Lust nach ihrem Begehren. So trachtet nun das Volk mit all seinem Begehren nach zeitlichen Dingen. Sie stopfen sich voll mit maßloser Schwelgerei und weltlichen Nichtigkeiten und vollenden sinnlos ihre sinnlichen Begierden.

Aber wenn auch meine Feinde zahlreich sind, habe ich unter ihnen doch viele Freunde, wenn auch heimliche. Wie ich einst zu Elias sagte, der glaubte, er sei der einzige Überlebende unter meinen Freunden: „Ich habe siebentausend Mann, die ihre Knie nicht vor Baal gebeugt haben[1], so habe ich auch jetzt, wenn es auch viele Feinde gibt, doch viele heimliche Freunde unter ihnen, die täglich darüber betrübt sind, dass meine Feinde übermächtig sind, und dass mein Name verachtet wird.

Deshalb handle ich um ihrer Gebete willen wie ein liebevoller und guter König, der wohl die bösen Taten der Stadt kennt, aber die Einwohner geduldig erträgt und Briefe an seine Freunde sendet, um sie vor Gefahr zu warnen: Ich sende meine Worte an meine Freunde, und sie sind nicht so dunkel wie die der Apokalypse, die ich dem Johannes auf eine dunkle Weise offenbart habe, dass sie zu der Zeit, die mir gefällt, von meinem Geist gedeutet werden sollen.

Sie sind nicht so geheim, dass sie nicht verkündet werden können, und es ist mit ihnen nicht so, wie mit den geheimnisvollen Dingen, die Paulus sah, aber über die zu sprechen er nicht das Recht hatte, sondern diese Worte sind so offenkundig, dass alle, Groß und Klein, sie verstehen können, und so leicht begreiflich, dass alle, die es wollen, sie erfassen können. Daher werden meine Freunde meine Worte zu meinen Feinden gelangen lassen, so dass sie sich vielleicht bekehren, wenn ihnen ihre Gefahr und das Gericht bekannt werden, und sie ihre Taten bereuen.

Sonst werde ich die Stadt verurteilen, und wie eine Mauer abgerissen wird, so dass kein Stein auf dem anderen bleibt und im Fundament nicht einmal zwei Steine aneinander haften, so wird es mit der Stadt, d.h. der Welt, gehen. Die Richter werden im kräftigsten Feuer brennen. Nun brennt kein Feuer kräftiger als das, was mit etwas Fett genährt wird. Diese Richter waren fett, denn sie hatten mehr Gelegenheit, ihren Willen durchzusetzen, als andere; sie übertrafen andere an Ehre und zeitlichem Überfluß, und sie übertrafen andere an Bosheit und an Ungerechtigkeit. Daher werden sie im heißesten Kessel brennen.

Die Verteidiger wiederum werden am höchsten Galgen aufgehängt werden. Der Galgen besteht ja aus zwei aufrechten Holzbalken und aus einem dritten Balken, der quer über die beiden anderen gestellt ist. Dieser Galgen mit zwei Balken bezeichnet ihre grausige und schwere Strafe, die sich wie aus zwei Balken zusammensetzt.

Die erste ist, dass sie nicht auf meinem ewigen Lohn gehofft, und nicht mit ihren Taten dafür gearbeitet haben. Der andere Balken bedeutet, dass sie an meiner Macht und Güte verzweifelten, indem sie glaubten, dass ich ihnen keine Erfüllung geben könnte oder wollte. Der Querbalken ist ihre böse Gesinnung, die ihren Ausdruck darin fand, dass sie schlecht handelten, obwohl sie sehr gut wussten, was sie hätten tun sollen, und sich nicht scheuten, gegen ihr Gewissen zu handeln. Aber der Strick des Galgens ist das ewige Feuer, das nicht mit Wasser gelöscht werden kann, nicht mit einer Schere zerschnitten werden kann oder vor Alter verlöschen kann.
An diesem Galgen, an dem die grausigste Pein und ein unauslöschliches Feuer herrscht, werden sie hängen und Scham und Reue wie unglückliche Verräter empfinden, weil sie treulos waren. Sie werden Schmähworte hören, nachdem meine Worte ihnen nicht behagten. Wehrufe werden in ihrem Munde sein, nachdem ihnen ihre eigene Ehre und Berühmtheit so teuer war.
An diesem Galgen werden sie von lebenden Raben, die nie gesättigt werden – d.h. den Teufeln – verletzt werden, und obwohl sie verwundet werden, werden sie niemals ganz verzehrt werden, sondern sie werden ewig leben und gepeinigt werden, und ihre Plagegeister werden auch ewig leben. Da wird ein Weh herrschen, das niemals enden wird, und ein Elend, das nie gelindert wird. Wehe ihnen, dass sie je geboren sind! Wehe ihnen, dass ihr Leben so lang geworden ist!

Was schließlich die Arbeiter betrifft, wird ihre gerechte Strafe die der Stiere sein. Die Stiere haben sehr hartes Fleisch und harte Haut, daher besteht ihre Strafe in dem spitzesten Eisen. Dieses spitze Eisen ist der Tod der Hölle, das die peinigen wird, die mich verachtet und ihren eigenen Willen statt meiner Gebote geliebt haben.

Aber mein Brief, d.h. meine Worte, ist aufgeschrieben, und mögen meine Freunde daran arbeiten, dass er klug und geschickt zu meinen Feinden gelangt; sie wollen es vielleicht hören und sich bessern. Aber wenn manche sagen, nachdem sie meine Worte hörten: „Laßt uns noch ein wenig warten; die Zeit kommt nicht – es ist noch nicht seine Zeit“, so schwöre ich bei meiner Gottheit, die Adam aus dem Paradiese trieb und dem Pharao zehn Plagen schickte, dass ich schneller zu ihnen komme, als sie glauben.

Ich schwöre bei meiner Gottheit, die ich zur Erlösung der Menschen ohne Sünde von der Jungfrau annahm, und in der ich im Herzen Trübsal ausstand und körperliche Qual und den Tod erlitt, damit die Menschen leben können, in der ich von den Toten auferstand und zum Himmel aufstieg und zur Rechten des Vaters sitze, wahrer Gott und Mensch in einer Person – dass ich meine Worte in Erfüllung gehen lasse.
Ich schwöre bei meinem Geist, der am Pfingsttag über die Apostel ausgegossen wurde und sie entzündet hat, so dass sie die Sprachen aller Völker sprechen konnten, dass ich sie in meinem Zorn strafen werde, wenn sie sich nicht bessern und als schwache Diener zu mir zurückkehren. Wehe ihnen dann an Leib und Seele! Wehe ihnen, dass sie auf die Welt gekommen sind und auf Erden gelebt haben! Wehe ihnen, denn ihre Wollust war kurz und eitel, aber ihre Pein wird ewig dauern! Dann sollen sie vernehmen, was sie jetzt nicht glauben wollen, nämlich dass meine Worte Worte der Liebe waren. Dann werden sie verstehen, dass ich sie wie ein Vater ermahnt habe, obwohl sie mich nicht hören wollen. Ja, wenn sie meine Worten nicht gutwillig glauben wollten, müssen sie den Taten glauben, wenn sie kommen.“

[1]. 1. Könige 19, 18.

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57. Kapitel

Christus klagt über die schlechten Christen, droht ihnen mit Strafe, stellt aber denen, die Buße tun, Vergebung in Aussicht. Er deutet an, dass er dazu kommt, die unbußfertigen Christen zu verlassen, um sich stattdessen an die Heiden zu wenden – es ist der Kreuzzugsgedanke, der uns schon in Birgittas Offenbarungen begegnet.

Der Sohn sprach zur Braut (Birgitta): „Die Christen handeln mir gegenüber jetzt so, wie die Juden gegen mich gehandelt haben. Die trieben mich aus dem Tempel und waren fest entschlossen, mich zu töten, aber nachdem meine Stunde noch nicht gekommen war, entkam ich ihren Händen. So handeln die Christen jetzt gegen mich. Sie vertreiben mich aus ihrem Tempel (d.h. ihrer Seele, die mein Tempel sein sollte), und sie würden mich gern ums Leben bringen, wenn sie könnten.

In ihrem Mund bin ich wie verfaultes und stinkendes Fleisch; ich scheine ihnen ein Mann zu sein, der die Unwahrheit spricht, und sie beachten mich nicht. Sie kehren mir den Rücken zu, und ich werde ihnen auch den Nacken zuwenden, denn in ihrem Mund ist nichts anderes als Begierde. In ihrem Fleisch wohnt eine tierische Wollust. Nur die Hoffahrt ist in ihren Ohren angenehm, nur weltliche Vergnügen in ihren Augen.
Aber mein Leiden und meine Liebe verabscheuen sie, und mein Leben ist ihnen schwer und hart. Daher werde ich so handeln wie das Tier, das viele Verstecke hat und das, wenn es von Jägern verfolgt und aus dem einen Versteck vertrieben wird, in das andere flieht. So werde ich handeln, denn die Christen verfolgen mich mit ihren bösen Taten und vertreiben mich aus dem Versteck ihres Herzens. Deshalb will ich zu den Heiden gehen, in deren Mund ich jetzt bitter und unappetitlich bin, und ich werde in ihrem Mund lieblicher als Honig sein. Dennoch bin ich noch so barmherzig, dass jeder, der um Verzeihung bittet und sagt: „Herr, ich weiß, dass ich schwer gesündigt habe, und ich will mich gern mit deiner Gnade bessern; erbarme dich über mich um deines bitteren Leidens willen“ – den will ich mit Freude aufnehmen.

Aber zu denen, die sich in ihrer Bosheit verhärten, werde ich kommen wie ein Kämpfer, der drei Eigenschaften hat, nämlich Gefährlichkeit, Stärke und Strenge. Ich werde so gefährlich zu den Christen kommen, dass sie nicht wagen, den kleinsten Finger gegen mich zu rühren. Ich werde auch so stark kommen, dass sie wie Mücken vor mir sein werden. Drittens werde ich so streng zu ihnen kommen, dass sie Weh auf dieser Welt und Weh ohne Ende spüren werden.“

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58. Kapitel

Christus antwortet auf die Ungerechtigkeit und kurzsichtigen Klagen der Menschen über seinen Erlösungsplan.

Die Mutter sprach zur Braut (Birgitta): „Bedenke, du neue Braut, das Leiden meines Sohnes, das an Bitterkeit die Leiden aller Heiligen übertraf. So wie eine Mutter bittere Trübsal empfinden würde, wenn sie ihren Sohn lebendig zerrissen sehen würde, so wurde ich beim Leiden meines Sohnes betrübt, als ich seine bittere Qual sah.“

Dann sprach sie zu ihrem Sohn: „Gesegnet seist du, mein Sohn, du bist so heilig, wie es gesungen wird: „Sanctus, sanctus, sanctus, Dominus Deus Sabaoth“[1]. Gesegnet seist du, denn du bist lieblich, lieblicher, am lieblichsten. Du warst schon heilig, ehe du Menschengestalt annahmst, heilig im Mutterleib, heilig, nachdem du Menschengestalt annahmst. Du warst schon lieblich vor Erschaffung der Welt, lieblicher für die Engel, doch am lieblichsten für mich, als du die Gestalt eines Menschen annahmst.“
Der Sohn erwiderte: „gesegnet seist du, Mutter, vor allen Engel. So wie ich auf dreifache Weise, wie du jetzt gesagt hast, überaus lieblich war, so bin ich für die Bösen bitter, bitterer, am bittersten. Ich bin bitter für die, die sagen, dass ich vieles ohne Ursache geschaffen habe, und schmähend sagen, ich hätte den Menschen für den Tod und nicht zum Leben erschaffen.

O, welch elender und törichter Gedanke! Sollte ich, der am gerechtesten und tüchtigsten ist, die Engel ohne Ursache geschaffen haben? Sollte ich den Menschen mit so vielen guten Dingen bereichert haben, wenn ich ihn zur Verdammnis geschaffen hätte? Keineswegs. Nein, ich habe alles wohl geschaffen, und aus Liebe habe ich dem Menschen alles Gute gegeben. Er hat jedoch all das Gute zum Bösen für sich gewendet.
Ich habe nichts Böses geschaffen, aber der Mensch lenkt seinen Willen in anderer Weise, als er nach Gottes Ordnung sollte, und das ist schlecht. Aber ich bin bitterer für die, die sagen, dass ich dem Menschen den freien Willen gab, zu sündigen, und nicht dazu, Gutes zu tun, die sagen, dass ich ungerecht sei, weil ich manche verurteile und andere gerecht spreche, und die mir die Schuld geben, dass sie böse sind, nachdem ich ihnen meine Gnade entziehe.

Ich bin aber am bittersten für die, die sagen, dass mein Gesetz und meine Gebote äußerst schwer sind, und dass niemand sie zu halten vermag, die sagen, dass mein Leiden keinen Wert für sie habe, und die es deshalb für nichts achten. Daher schwöre ich bei meinem Leben, so wie ich früher durch die Propheten schwor, dass ich mich vor den Engeln und allen meinen Heiligen rechtfertigen werde. Die, für die ich bitter bin, sollen erfahren, dass ich alle Dinge vernünftig und gut erschaffen habe, zum Nutzen und zur Unterweisung des Menschen, und dass nicht einmal der kleinste Wurm ohne Ursache besteht.

Die dagegen, für die ich bitterer bin, sollen erfahren, dass ich den Menschen wohlweislich dem freien Willen zu seinem Nutzen gegeben habe. Und sie mögen wissen, dass ich gerecht bin, der dem guten Menschen das ewige reich schenkt, aber dem Bösen die ewige Strafe. Es würde sich nämlich nicht ziemen, dass der Teufel, der von mir gut geschaffen war, der aber durch seine Bosheit stürzte, Gemeinschaft mit einen guten Menschen haben sollte.

Die bösen Menschen sollen auch erfahren, dass es nicht meine Schuld ist, dass sie schlecht sind, sondern ihre eigene Schuld. Denn wenn es möglich wäre, würde ich gern für einen jeden Menschen eine solche Pein auf mich nehmen, die ich einmal am Kreuz für alle gelitten habe, wenn sie dadurch das verheißene Erbe gewinnen könnten. Aber des Menschen Wille strebt dem meinen stets entgegen. Ich gab ihm die Freiheit, um mir zu deinen, wenn er wollte, und einen ewigen Lohn zu gewinnen. Aber wenn er nicht will, soll er mitsamt dem Teufel gestraft werden, für dessen Bosheit und für die Bosheit seiner Anhänger die Hölle mit Recht geschaffen wurde.

Aber weil ich liebevoll bin, will ich nicht, dass der Mensch mir aus Furcht oder gezwungen wie ein unvernünftiges Tier dient, sondern aus göttlicher Liebe. Niemand kann nämlich mein Angesicht sehen, der mir unwillig oder aus Furcht vor Strafe gedient hat.
Die, für die ich am bittersten bin, sollen in ihrem Gewissen verstehen, dass mein Gesetz sehr leicht und mein Joch sehr angenehm war. Sie sollen untröstlichen Kummer darüber tragen, dass sie mein Gesetz verachtet und die Welt mehr geliebt haben, deren Joch doch drückender und viel schwerer zu tragen ist, als meins.“

Da erwiderte die Mutter: „Gesegnet seist du, mein Sohn, mein Gott, mein Herr! Nachdem du für mich am lieblichsten gewesen bist, bitte ich dich, dass auch andere an dieser Lieblichkeit teilhaben mögen.“ Der Sohn antwortete ihr: „Gesegnet seist du, liebste Mutter! Deine Worte sind hold und voller Liebe. Daher soll ein jeder, der etwas von deiner Lieblichkeit in seinen Mund nimmt und es voll und ganz behält, Gewinn daraus ziehen. Aber wer etwas davon nimmt und es wieder ausspuckt, soll eine umso bitterere Strafe erhalten.“ Da entgegnete die Jungfrau: „Gesegnet seist du, mein Sohn, um deiner Liebe willen!“

[1]. Heilig, heilig, heilig ist der Herr Gott Sebaoth.

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59. Kapitel

Christus schildert mit Hilfe eines Gleichnisses die Priester früherer Zeiten und ihren Eifer um die Seelen sowie die heutigen Priester, die pflichtvergessen und selbstsüchtig sind. Die guten Christen werden ermahnt, den jetzigen beklagenswerten Zustand in der Kirche zu bessern.

Ich bin der, der nie etwas Unwahres gesagt hat. Ich werde auf der Welt wie ein Bauer angesehen, dessen Name verächtlich zu sein scheint. Meine Worte hält man für töricht und mein Haus für einen dürftigen Schuppen. Dieser Bauer hatte eine Frau, die nichts anderes wollte, als das, was mit seinem Willen übereinstimmte, die alles mit ihm teilte, die ihn als ihren Herrn hatte und ihm in allem gehorchte, wie man einem Hausherrn gehorcht.

Der Bauer besaß auch viele Schafe, zu deren Pflege er für 5 Goldmünzen einen Hirten anstellte, um damit den Hirten mit seinem Lebensunterhalt zu versehen. Da dieser Hirte anständig war, verwendete er sein Gold zu seinem Nutzen und zur Nahrung für seinen Lebensunterhalt.

Eine Weile, nachdem dieser Hirte weggegangen war, kam ein anderer und schlechterer. Der kaufte sich eine Hausfrau für das Gold, brachte ihr seine Nahrung, weilte ständig bei ihr und kümmerte sich nicht um die Schafe, die von grausamen Raubtieren kläglich zerstreut wurden. Als der Bauer sah, wie seine Schafe zerstreut wurden, rief er: „Mein Hirte ist mir untreu! Meine Schafe sind von den grausamsten Raubtieren zerstreut; manche sind von den Raubtieren mit Körper und Fell ganz aufgefressen, andere sind getötet, aber ihre Leiber nicht gefressen.“

Da sagte die Frau zu ihrem Mann, dem Bauern: „Mein Herr, es ist ja sicher, dass wir die Körper, die verzehrt sind, nicht wiederbekommen werden, aber die, die nicht angerührt sind, obwohl sie ohne Leben sind, die können wir nach Hause bringen, um sie zu verwerten. Denn wenn wir alles verlieren würden, würde das unerträglich für uns werden.“

Der Mann antwortete ihr: „Aber was sollen wir machen? Die Raubtiere hatten nämlich giftige Zähne, deshalb ist das Fleisch der Schafe ebenso vergiftet, das Fell ist verdorben, und die Wolle verfilzt.“ Die Frau erwiderte: „Wenn alles verdorben und uns alles genommen ist, wovon sollen wir da leben?“ Der Mann antwortete: „Ich sehe an drei Stellen noch lebende Schafe. Manche sind wie tot und wagen aus Furcht nicht zu atmen. Andere liegen in tiefem Schmutz und können sich nicht erheben. Wieder andere liegen in einem Versteck und wagen nicht hervorzukommen. Komm daher, meine Frau, und laß uns die Schafe hochheben, die versuchen aufzustehen, das aber ohne fremde Hilfe nicht fertig bringen, und laß uns sie nützlich verwerten.“

Siehe, ich der Herr bin dieser Bauer, denn von den Menschen werde ich als ein Esel angesehen, der in seinem Stall nach seiner Weise und seinen Sitten aufgezogen wird. Mein Name ist die Einrichtung der heiligen Kirche, aber sie wird nun verächtlich angesehen, denn die Sakramente der Kirche, nämlich die Taufe, Konfirmation, letzte Ölung, Buße und Ehe, werden wie ein Spott empfangen und werden anderen aus Gewinnlust gegeben. Meine Worte werden für töricht gehalten, denn die Worte, die ich mit meinem Munde in Form von Gleichnissen gesprochen habe, die werden nun von geistlichem Verständnis in eine zeitliche Zerstreuung verwendet.

Mein Haus wird als verächtlich angesehen, denn die Menschen lieben die irdischen Dinge statt der himmlischen. Unter diesem ersten Hirten, den ich hatte, verstehen ich meine Freunde, die Priester, die ich früher in der heiligen Kirche hatte, denn mit einem einzigen Wort meine ich mehrere. Denen hatte ich meine Schafe anvertraut, d.h. damit sie meinen hochwürdigen Leib weihen und die Seelen meiner Auserwählten lenken und verteidigen.

Ich gab ihnen auch fünf gute Dinge, kostbarer als alles Geld. Zum ersten Einsicht und Verständnis für alle schwer begreiflichen Dinge, damit sie zwischen Gut und Böse, zwischen Wahrem und Falschem unterscheiden können. Zweitens gab ich ihnen das Verständnis für geistliche Dinge und Weisheit; das ist nun vergessen, und stattdessen wird menschliche Weisheit geliebt. Drittens gab ich ihnen Keuschheit, viertens Mäßigkeit in allen Dingen und Enthaltsamkeit, um den Körper zu zügeln, fünftens Beständigkeit in guten Sitten, Worten und Werken.

Nach diesem erstens Hirten, d.h. meinen Freunden, die früher in meiner Kirche waren, sind nun andere, ungerechte Hirten gekommen, die sich für Gold eine Frau gekauft haben, d.h. anstelle von Keuschheit und dieser fünf guten Dinge haben sie weibliche Körper genommen, nämlich Unmäßigkeit, und deshalb ist mein Geist von ihnen gewichen. Denn wenn sie den festen Willen haben, zu sündigen und ihre Frau zu sättigen, nämlich ihre Wollust zu befriedigen, da ist mein Geist fern von ihnen, da sie sich nicht um den Verlust der Schafe kümmern, damit sie nur ihr böses Verlangen verwirklichen können.

Aber die Schafe, die ganz verzehrt sind, das sind die, deren Seelen in der Hölle sind, und deren Leiber in den Gräbern begraben sind – in Erwartung der Auferstehung zur ewigen Verdammnis. Die Schafe, deren Fleisch noch da ist, aber deren Lebensgeist dahin ist, das sind die, die mich weder lieben noch fürchten oder irgendeine Zuneigung oder Fürsorge für mich empfinden. Von ihnen ist mein Geist weit fort, denn ihr Fleisch ist von den giftigen Zähnen der Raubtiere vergiftet, d.h. ihre Seelen und Gedanken, die durch das Fleisch und die Eingeweide der Schafe symbolisiert werden, sind mir ebenso zuwider und abscheulich zu schmecken, wie vergiftetes Fleisch. Von ihrem Fell, d.h. ihrem Leib, ist alles Gute und alle Liebe verdorrt, und es ist in meinem Reich zu nichts nütze, sondern wird nach dem Gericht dem ewigen Feuer der Hölle überlassen werden. Ihre Wolle, d.h. ihre Taten, sind so völlig unnütz, dass sich nichts darin findet, dessen sie würdig sind, meine Liebe und Gnade zu besitzen.

Was sollen wir da tun, meine Frau? – Mit der Gattin verstehe ich die guten Christen. – Ich sehe an drei Stellen lebenden Schafe. Manche sind wie tote Schafe und wagen aus Furcht nicht, zu atmen. Das sind die Heiden, die gern den rechten Glauben haben wollten, wenn sie nur wüssten wie, aber die nicht zu atmen wagen, d.h. wegen ihrer Furcht nicht wagen, den Glauben zu verlassen, den sie haben, und den richtigen anzunehmen.

Andere Schafe liegen an versteckten Plätzen und wagen nicht, hervor zu kommen. Das sind die Juden; sie leben wie unter einer Decke und möchten gern herauskommen, wenn sie überzeugt wären, dass ich geboren bin. Sie verbergen sich nämlich unter einer Decke, weil sie auf Erlösung durch die Bilder und Zeichen hoffen, mit denen ich im Gesetz verzeichnet bin, und die in mir vollendet sind, und auf Grund dieses nutzlosen Glaubens fürchten sie, sich dem rechten Glauben zu nähern.

Wieder andere Schafe liegen im Schmutz. Damit sind die Christen gemeint, die im Zustand der Todsünde sind. Aus Furcht vor Strafe würden sie sich gern erheben, aber das können sie wegen ihrer schweren Sünden nicht, und weil sie keine Liebe haben. Hilf mir daher, meine Gattin, d.h. die guten Christen! Denn wie Mann und Frau ein Fleisch und ein Glied sein sollen, so ist der Christ mein Glied und ich das seine, denn ich bin in ihm und er in mir. Deshalb, meine Gattin, d.h. ihr guten Christen, eile mit mir zu den Schafen, die noch einen Lebensgeist haben, so dass wir sie aufrichten und sie erquicken. Hab Mitleid mit mir, denn ich habe sie sehr teuer erkauft. Wollen wir sie aufrichten, du mit mir und ich mir dir, du mit dem Rücken, und ich am Kopf. Froh trage ich sie mit meinen Händen. Einmal trug ich sie alle auf meinem Rücken, als er ganz verwundet und am Stamm des Kreuzes festgenagelt war.

O meine Freunde – so zärtlich liebe ich diese Schafe, dass ich noch einmal, wenn es möglich wäre, für jedes Schaf den Tod erleiden wollte, den ich einst für alle am Kreuz erlitten habe, und sie auf diese Weise lieber erlöste, statt sie zu verlieren. Daher rufe ich von ganzem Herzen zu meiner Freunden, dass sie um meinetwillen keine Güter oder keine Arbeit sparen sollten, und wie mir, als ich auf der Welt war, keine Schmähworte erspart blieben, so mögen sie sich nicht scheuen, die Wahrheit über mich zu sagen.

Ich scheute mich ja auch nicht, den verächtlichen Tod für sie zu sterben. Ich stand nackt, wie ich geboren wurde, vor den Augen meiner Feinde. Sie schlugen mich mit Fäusten auf die Zähne. Sie zerrten mich mit den Fingern an den Haaren. Sie geißelten mich mit ihren Geißeln. Sie schlugen mich mit ihren Werkzeugen ans Holz, und so hing ich zwischen Dieben und Räubern am Kreuz.
Daher sollt ihr, meine Freunde, euch in der Arbeit für mich nicht schonen, der ich so etwas aus Liebe zu euch ausgestanden habe. Arbeitet tüchtig und bringt den Notleidenden Schafen Hilfe. Ich schwöre bei meiner Menschengestalt, die im Vater ist, und der Vater in mir, und bei der Gottheit, die in meinem Geist ist; dass die, die mit mir arbeiten und meine Schafe tragen, denen werde ich auf halbem Weg entgegeneilen, um ihnen zu helfen, und ich werde ihnen die kostbarste Belohnung schenken, nämlich mich selbst zu ewiger Freude.“

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60. Kapitel

Christus ermahnt Birgitta, den Magister Mattias ihre Botschaft weitervermitteln zu lassen. Als Kriterium für die Wahrheit ihrer Botschaft soll man sich an Dämonenaustreibungen halten, die durch Birgitta geschehen sind.

Gottes Sohn sprach zur Braut (Birgitta) und sagte: „Ich bin der Gott Israels und der, der mit Mose gesprochen hat. Als Mose zu meinem Volk gesandt wurde, begehrte er ein Zeichen, indem er sagte: „Sonst glaubt das Volk mir nicht.“ Aber wenn das Volk, zu dem Mose gesandt wurde, das Volk des Herrn war, warum glaubte es dann nicht?
Nun musst du aber wissen, dass dieses Volk drei Arten von Menschen hatte. Manche glaubten Gott und Mose. Andere glaubten an Gott, aber misstrauten Mose, weil sie meinten, dass er sich vielleicht aus eigener Einbildung und Vermessenheit erdreistete, so zu reden und zu handeln, wie er es tat.

Andere trauten weder Gott noch Mose. So gibt es auch unter den Christen drei Arten von Menschen, die als die Hebräer bezeichnet werden. Es gibt manche, die richtig an Gott und meine Worte glauben. Es gibt andere, die an Gott glauben, aber meinen Worten misstrauen, weil sie nicht imstande sind, zwischen dem guten und dem bösen Geist zu unterscheiden.

So gibt es wieder andere, die weder an mich noch an dich glauben, durch die ich meine Worte gesprochen habe. Aber wie ich sagte, wenn auch manche der Hebräer dem Mose misstrauten, gingen sie doch alle mit ihm durchs rote Meer und hinaus in die Wüste, und die, die nicht glaubten, beteten dort Abgötter an und reizten Gott zum Zorn, weshalb sie eines jämmerlichen Todes starben. Aber nur die, die einen schlechten Glauben hatten, taten das.

Daher soll mein Freund[1], weil die Menschenseele erst spät zum Glauben kommt, meine Worte weiter zu denen tragen, die ihm glauben. Und diese sollen sie dann an andere weitergeben, die nicht in der Lage sind, zwischen dem guten und dem bösen Geist zu unterscheiden. Aber wenn die, die es hören, ein Zeichen begehren, soll man ihnen den Stab zeigen, wie Mose es tat, d.h. ihnen meine Worte erklären.
Denn wie Moses Stab gerade und schrecklich war (denn er wurde ja in eine Schlange verwandelt), so sind auch meine Worte gerade, und keine Falschheit ist darin anzutreffen. Sie sind schreckenerregend, weil sie das gerechte Gericht verkünden. Man kann auch hervorheben und bezeugen, dass durch ein Wort oder einen Laut aus einem einzigen Mund der Teufel von einem Gottgeschaffenen Wesen wich, der Teufel, der Berge versetzen könnte, wenn er nicht durch meine Macht daran gehindert würde.

Wie ist aber dann seine Macht, wenn er mit Gottes Zulassung vom Laut einer einzigen Stimme vertrieben wurde? Deshalb gehen nun viele Christen (wie die Hebräer, die weder Gott noch Mose glaubten, trotzdem aus Ägypten hinausgingen und das gelobte Land erreichten), gleichsam unwillig mit meinen Auserwählten zusammen. Aber sie verlassen sich nicht auf meine Macht, dass ich sie heilen kann, sie glauben meinen Worten nicht und haben eine falsche Hoffnung auf meine Kraft. Dennoch sollen meine Worte auch ohne ihren Willen in Erfüllung gehen und sich sozusagen zur Erfüllung drängen, bis sie an den Platz kommen, der mir gefällt.“

[1]. Magister Mattias.
 
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