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Inhaltsverzeichnis
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Erklärung des hl. Meßopfers
von P. Martin von Cochem † 1712
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Überarbeitet und
neu heraus-gegeben von Klemens Kiser |
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Kommentiert für heute, da
viele die alte lat. Messe nicht mehr kennen. Kommentare in
[......] |
Früchte der hl. Messe
- nach P. Martin von Cochem
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In der Todesstunde werden die hl. Messen, die du mit Andacht mitgefeiert hast,
dein größter Trost sein. |
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Jede hl. Messe wird dich zum Richterstuhl Gottes begleiten und dort für dich Fürsprache
einlegen. |
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Durch jede hl. Messe bist du imstande, deine Sündenstrafen abzubüßen nach dem Maß
deiner Andacht. |
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Wenn du der hl. Messe mit Andacht mitfeierst, erweist du der hl. Menschheit unseres
Heilandes die größte Ehre. Christus leistet Ersatz für alle deine Nachlässigkeiten
und Vergehen. |
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Er läßt dir alle jene läßlichen Sünden nach, die du entschlossen bist, nach Kräften
zu meiden. Er vergibt dir auch alle Sünden, deren du nicht bewußt bist und die du
niemals gebeichtet hast. Die Gewalt des Teufels über dich ist gebrochen. |
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Den Seelen im Fegfeuer gewährst du den größten Trost. |
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Eine einzige hl. Messe im Leben andächtig angehört, wird dir von größerem Nutzen
sein, als viele, die für dich nach dem Tod aufgeopfert werden. |
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Du wirst vor vielen Gefahren und vor vielem Unglück bewahrt, dem du sonst erlegen
wärest. |
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Durch jede hl. Messe verkürzt du dein Fegfeuer. |
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Jede hl. Messe gewinnt für dich einen höheren Grad der Glorie im Himmel. |
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Der Segen
des Priesters, den du in der hl. Messe empfängst, wird von Gott selbst
bestätigt. |
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Du bist von einer großen Zahl hl. Engel umgeben, die dem anbetungswürdigen
Opfer mit Andacht beiwohnen. |
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Deine zeitlichen Angelegenheiten werden in besonderer Weise vom Himmel gesegnet
sein. |
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Wenn du die hl. Messe mitfeierst und dieselbe zu Ehren eines Heiligen aufopferst,
so danke Gott für die Gnaden, die er ihm erteilt! Du vermehrst dadurch seine Glorie,
seine Freude und seine himmlische Glückseligkeit und ziehst dessen besonderen Schutz
auf dich herab. |
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Jedesmal, wenn du die hl. Messe mitfeierst, opfere dieselbe neben anderen Meinungen
auch zu Ehren eines Tagesheiligen auf! |
Vorwort des Verfassers
Andächtige Seele unter allen Schätzen, welche wir in der Welt haben, ist keiner
herrlicher als das Opfer der hl. Messe, und daß unter allen Schäden, die es auf
der Welt gibt, meines Erachtens kaum einer größer ist als die Unkenntnis dieses
heiligsten Opfers. Der Schatz der hl. Messe ist unschätzbar, und darum ist
auch der Schaden unmeßbar. Von der hl. Messe kann ich sagen, was die Hl. Schrift
von der Weisheit sagt: „Sie ist ein unerschöpflicher Schatz für die Menschen;
wer ihn benützt, wird der Freundschaft Gottes teilhaftig" (Wsh 7,14). Es ist
bitter zu beklagen, daß dieser teure Schatz, durch den sich alle Gläubigen bereichern
könnten, gleichsam in der Erde vergraben liegt und von wenigen erkannt und geschätzt
wird, weil von der hl. Messe wenig geschrieben, wenig gelehrt und wenig gepredigt
wird.
Damit nun die Welt diesen so großen Schaden nicht länger leiden muß, bin ich
entschlossen, mit Hilfe der göttlichen Gnade im vorliegenden Buch klar und nachdrücklich
zu beweisen, daß das hochwürdigste Meßopfer der hohe Gottesdienst ist, durch den
die heiligste Dreifaltigkeit würdig geehrt, die lieben Heiligen hoch erfreut, die
katholische Kirche merklich gestärkt, die elende Welt erhalten und die armen Seelen
im Fegfeuer voll Milde erquickt werden können.
Diesen Beweis habe ich nicht aus mir ersonnen, sondern in der Hl. Schrift, in
den allgemeinen Konzilien, bei den hl. Vätern und den Gottesgelehrten gefunden.
Ja, ich habe alle Bücher, die etwas von der hl. Messe enthielten, soweit sie mir
konnten zu Händen kommen, durchforscht, und was ich von der Würde und dem Nutzen
der hl. Messe gefunden; genau aufgezeichnet. Diese meine Arbeit und den reichen
Schatz, den ich gefunden, lege ich Dir vor, geliebter Leser und geliebte Leserin,
mit der freundlichen Bitte, Du mögest das Buch nur einmal aufmerksam ganz durchzulesen
und bei dir zu überdenken. Alle diese Dinge werden Dir so schön, so tröstlich und
so angenehm vorkommen, daß du dich herzlich darüber freuen und das feste Vertrauen
gewinnen wirst, durch die hl. Messe die Seligkeit zu erwerben. Deswegen nenne ich
dieses Buch: „Meßerklärung über Honig süß", weil alles, was darin steht,
süßer als Honig und kräftiger als Mark ist. Ich wünsche von Herzen, daß dir dies
Buch tief zu Herzen gehe und eine inbrünstige Andacht zur hl. Messe in dir erwecken
möge. Ich empfehle mich ernstlich in alle hl. Messen, die du all dein Lebtag hören
wirst, und bitte, du wollest mich in dieselben tief einschließen
und sie zu meinem Heil dem höchsten Gott aufopfern.
Alles, was ich in dieser Meßerklärung geschrieben habe, unterwerfe ich dem Urteil
der heiligen römisch-katholischen Kirche, der es allein zusteht, die Wahrheit der
katholischen Lehre zu erforschen und gutzuheißen, in deren mütterlichem Schoß ich
zu leben und zu sterben verlange.
[Das Buch hat natürlich Imprimatur.]
Vorwort und Lebensbeschreibung des P. Martin von Cochem
Wer einmal etwas von ihm gelesen hat, der wird den Mann mit dem tiefen Glauben
liebgewinnen. Pater Martin wurde in Cochem an der Mosel am 12. Dez. 1634 geboren.
Alle Kapuziner wurden früher mit dem Heimatort ‘geadelt’. Er trat im dort mit 18
Jahren ins Kapuzinerkloster ein. Der Kapuzinerorden, der die ursprüngliche Strenge
des hl. Franziskus wieder lebte, war damals erst wenige Jahrzehnte in Deutschland,
fand aber eine große Verbreitung. Selbst während des grausamen Dreißigjährigen Krieges
konnte er mehr als 60 Niederlassungen gründen. Neben den Jesuiten hat das Deutsche
Reich maßgeblich den Kapuzinern die Erhaltung und Wiederbelebung des katholischen
Glaubens zu verdanken.
Nach seiner Priesterweihe, die er um 1660 empfing, war Pater Martin sieben Jahre
Lektor im Kloster zu Mainz, d.h. er unterrichtete Philosophie und Theologie, und
gab 1666 einen kleinen Katechismus heraus. Der Verleger erkannte sofort, wie verständlich
das Buch geschrieben war, und schlug ihm vor, sich ganz der Schriftstellerei zu
widmen. Der Wunsch konnte in Erfüllung gehen, als ihm bereits im nächsten Jahr das
Amt des Lektors abgenommen wurde. Bald war nun sein Name in ganz Deutschland bekannt.
Mit eisernem Fleiß sammelte er Material zu immer neuen Büchern, die fast alle bald
neue Auflagen erlebten. Hauptsächlich sind es Gebetbücher, dazu kommen Legenden
d.h. Heiligenbeschreibungen, Beispielsammlungen, Biblische und Kirchengeschichte,
das oft gedruckte „Leben Jesu" und mehrere Bücher von der hl. Messe.
Pater Martin wirkte fleißig in der Seelsorge. 1668 kam er nach Bensheim an der
Bergstraße; dann in ein Kloster bei Rüdesheim, nach Königstein am Taunus und Dieburg
bei Darmstadt. Der Erzbischof von Mainz ihn schätzte ihn sehr und sandte ihn wegen
seiner Gelehrsamkeit, seines Eifers und seiner Frömmigkeit 1682-85 als Visitator
und Missionar vor allem in den Spessart, der durch die Kriege gelitten hatte. Er
mußte in den Kirchen, Schulen, und Privathäusern der Städte und Dörfer Unterricht
erteilen, predigen und auch bei den Geistlichen nach dem Rechten sehen. Das ging
nicht ohne Gefahren. In einer Winternacht hatte er sich einmal mit einem Laienbruder
verirrt, und beide stürzten plötzlich von einem Felsen hinab. Glücklicherweise lag
unten im Tal tiefer Schnee, und so blieben sie unverletzt. Während aber der Begleiter
vor Schrecken und Kälte keinen Laut hervorbringen konnte, begann Pater Martin dankerfüllt
mit lauter Stimme das Te Deum zu singen.
Die folgenden Jahre konnte er sich in den Klöstern seines Ordens wieder der Schriftstellerei
widmen. Als aber 1689 der französische König Ludwig XIV. seine Kriege gegen Deutschland
wieder anfing, mußten die Kapuziner außer Landes gehen, und so begann auch für Pater
Martin eine Zeit rastloser Wanderungen, die ihn bis nach Österreich und Böhmen führten.
Erst 1696 konnte er zurückkehren und versah nunmehr die Seelsorge im Wallfahrtskloster
Walldürn. Hier schrieb er seine Erklärung der hl. Messe, die zu dem Besten
und Tiefsten gehört, was er verfaßt hat. Die Liebe des deutschen Volkes zur hl.
Messe dürfte zum großen Teil auf dieses einst weit verbreitete Buch zurückzuführen
sein. Wie hoch er selbst die hl. Messe schätzte, erkennt man daraus, daß er ungeachtet
seiner vielen Arbeiten keine hl. Messe, der er mitfeiern konnte, versäumte. Wenn
bei Leichenbegängnissen viele Priester zugegen waren, wartete er mit dem Zelebrieren
bis zuletzt, um vorher an den Messen der übrigen Priester teilnehmen zu können.
- Früher zelebrierten alle Priester einzeln, d.h. bei Beerdigungen waren so viele
Messe neben- und hintereinander als Priester da waren. Daher auch die vielen Seitenaltäre.
Das war bei Kerzenschein nicht immer einfach, da man nüchtern zelebrieren mußte
- die Nüchternheit galt ab Mitternacht. Daher waren die Messen nur am Vormittag,
meist in der Frühe.
Bereits über 60 Jahre alt, mußte er nochmals die Mühen einer Visitation im Stift
Trier übernehmen. Erst als 75-jähriger Greis durfte er seßhaft werden. Im Wallfahrtskloster
Waghäusel, das damals zum Bistum Speyer gehörte, beteiligte er sich an der
Pilgerseelsorge und hörte noch mit Hilfe eines Hörrohres Beicht. Er starb am 10.
Sept. 1712.
Pater Martin von Cochem hatte ein äußerst tätiges Leben voll großer Abtötungen
geführt. Jahrelang trank er keinen Wein, aß er weder Fisch noch Fleisch und gönnte
er sich nur 3-4 Stunden Schlaf. 66 Schriften hat er herausgegeben. Aus allen
leuchtet eine glühende Liebe zum dreifaltigen Gott, zum allerheiligsten Altarssakrament
und zur allerseligsten Jungfrau hervor.
Die vorliegende Ausgabe der „Meßerklärung" ist leicht überarbeitet, da manche
Worte und Formulierungen heute nicht mehr bekannt sind. Eine Verkürzung geschah
durch Auslassung von Wiederholungen, Umarbeitung der letzten Kapitel und Wegfall
mehrere Geschichten, durch welche er das Buch verständlicher machen wollte. An den
übrigen braucht sich niemand zu stoßen, ohne sie wäre es kein Cochem mehr. Im übrigen
sei die ausdrückliche Erklärung hinzugefügt, daß der Herausgeber sich dem Urteil
der hl. katholischen Kirche unterwirft.
Diese Ausgabe wurde nach alten Vorlagen des 18. - 20. Jh. leicht überarbeitet. Dieses
Buch wurde nach dem Konzil vernichtet! Es ist eben gut katholisch.
Inhaltsverzeichnis
1. Kap. - Vom Wesen des hl. Meßopfers
1. Die hl. Messe wird auf lateinisch Sakrifizium genannt (wörtlich: heilig
Gemachtes), ein Wort, das sich auf deutsch in seiner ganzen Bedeutung nicht genau
übersetzen läßt. Wir sagen zwar dafür Opfer, aber ein Opfer kann auch viel weniger
sein als ein Sakrifizium. Wenn man zum Beispiel ein Geldstück auf den Altar legt,
so ist dieses ein Opfer, und ein solches Opfer ist um so größer, je größer die Selbstentäußerung
ist, die man bei der Hingabe übt. Das wissen wir aus dem Lob, das der liebe Heiland
der Witwe spendete, die von ihrer Armut alles opferte, was sie hatte (Mk 12,42f.).
Aber ein Sakrifizium war dies keineswegs, denn das ist etwas viel Größeres und Erhabeneres.
In seiner eigentlichen Bedeutung wird als Sakrifizium bezeichnet eine äußere
Gabe, die allein Gott als dem Allerhöchsten dargebracht und von einem rechtmäßig
verordneten und geweihten Priester auf gewisse bedeutungsvolle Weise konsekriert
oder geheiligt wird, zur Anerkennung der höchsten Herrschaft des allmächtigen Gottes
über alle Kreaturen.
Das Sakrifizium wird also Gott geheiligt und jedem anderen Gebrauch entzogen,
weswegen bei der Darbringung gewöhnlich eine Zerstörung der Gabe stattfindet. Hierdurch
wird angedeutet, daß das alles eigentlich Gott gehört und seiner Herrschaft ganz
unterworfen ist, auch der Mensch mit allem, was er ist und was er hat.- Daraus kannst
du nun entnehmen, daß ein Sakrifizium weit mehr ist als ein Opfer. Deswegen werde
ich in diesem Buch das Wort „Sakrifizium" öfter anstatt des Wortes „Opfer" gebrauchen,
damit du beim Lesen dieses Wortes daran denkst, daß es sich um jenes vortreffliche
Opfer und jenen so hohen Dienst handelt, der allein dem unendlichen Gott, aber keiner
einzigen Kreatur gebührt.
2. Daß ein solches Sakrifizium Gott allein zukommt, beweist der hl. Augustinus
aus dem allgemeinen Brauch aller Völker, indem er sagt: „Wer hat jemals dafür
gehalten, daß man ein Sakrifizium einem anderen darbringen soll als einzig demjenigen,
den man als Gott erkannt hat oder dafür hält?" Und an einer anderen Stelle: „Der
Teufel würde von den Seinigen kein Sakrifizium fordern, wenn er nicht wüßte, daß
dieses dem wahren Gott zukäme. (1 Kor 10,20: „Was die Heiden opfern, das opfern
sie den Teufeln und nicht Gott.")
Viele große Herren haben wohl andere Dienste, die Gott erwiesen werden, auch
für sich gefordert; aber es sind doch wenige gewesen, die verlangt haben, daß man
ihnen göttliche Opfer darbringen sollte. Diejenigen aber, welche dies zu verlangen
sich erkühnt haben, wollten sich für Götter halten lassen." Aus diesen Worten des
hl. Augustinus kannst du erkennen, das Sakrifizium ein göttlicher Dienst ist, der
keinem Menschen oder Heiligen oder Engel zukommt.
3. Der hl. Thomas von Aquin sagt, es sei ein Gesetz der Natur, dem allmächtigen
Gott Sakrifizia oder göttliche Opfer darzubringen, und daß der Mensch von Natur
aus, auch ohne besonderes Gebot und Ermahnung, dazu angetrieben werde (STh II,II
85 Art.I).
Das sehen wir an Abel, Noe, Abraham, Job und den anderen Patriarchen, welche
ohne besonderen göttlichen Befehl, aus bloßem Antrieb der Natur göttliche Opfer
verrichtet haben. Aber selbst die Heiden haben, angetrieben durch das natürliche
Licht ihrer Vernunft, den Götzen, die sie für Götter hielten, Opfer dargebracht.
Den Israeliten hat Gott es dann im Gesetz ausdrücklich befohlen, daß sie ihm täglich
und an allen hohen Festtagen Opfer bringen sollten. Nicht bloß gebot er ihnen, daß
sie ihm Lämmer, Schafe, Kälber und Stiere zum Geschenk geben, sondern daß diese
durch die geweihten Priester unter bestimmten Gebeten und Zeremonien aufgeopfert
werden sollten. Diese mußten unter dem Klang der Posaunen und dem Gesang von Psalmen
die Tiere schlachten, ihnen die Haut abziehen, das Blut um den Altar gießen und
das Fleisch auf dem Altar verbrennen. Das waren die jüdischen Sakrifizia
bzw. Opfer, durch die sie Gott dem Allerhöchsten die ihm gebührende Ehre geben und
bezeugen wollten, daß Er der wahre Herrscher über alle Geschöpfe sei.
4. Da nun alle Völker und Nationen neben Gebeten, Gesängen, Almosen, Bußwerken
und anderem Gottesdienst ihre Opfer gehabt haben, durch welche sie dem wahren Gott
oder ihren vermeintlichen Göttern die gebührende Ehre erwiesen, so war es geziemend, daß auch Christus seiner Kirche mit dem wahren Glauben ebenso ein wirkliches Opfer
als äußeren Gottesdienst verordnete, durch das sie Gott die ihm gebührende Ehre
geben und ihm den größten Gefallen erweisen könnte.
Es wird sich ja kein vernünftiger Mensch denken können, daß Christus seiner
Kirche, die er in allen Dingen auf das vollkommenste ausstatten wollte, diesen höchsten
Gottesdienst vorenthalten und sie in einer so hochwichtigen Sache voll Mangel hätte
sein lassen wollen. Dann wäre die Kirche in diesem Stück ja doch geringer gewesen
als das Judentum, das so herrliche Opfer hatte, daß vornehme Heiden aus fernen Landen
kamen, um diesen jüdischen Gottesdienst zu sehen, und daß einige heidnische Könige
die Unkosten, die derselbe erforderte, bestritten haben, wie im zweiten Buch der
Makkabäer zu lesen ist. („Es geschah, daß selbst Könige und Fürsten diesen Ort der
höchsten Ehre würdig hielten und den Tempel mit den reichsten Geschenken verherrlichten,
so daß Seleukus, König von Asien, aus seinen Einkünften allen zum Dienst der Opfer
erforderlichen Aufwand hergab." 2 Makk
3,2f.)
5. Was für ein Opfer nun jenes ist, welches Christus seiner Kirche gegeben hat,
das lehrt uns die heilige katholische Kirche auf dem Konzil von Trient, wo sie sagt:
„Da im Alten Testament nach dem Zeugnis des Apostels Paulus wegen der Schwäche
des levitischen Priestertunis Vollkommenheit nicht möglich war, so mußte nach der
Anordnung Gottes, des Vaters der Barmherzigkeit, ein anderer Priester nach der
Ordnung des Melchisedech aufstehen, unser Herr Jesus Christus, daß er alle,
die geheiligt werden sollten, vollenden und zur Vollkommenheit hinführen könnte.
Dieser unser Gott und Herr wollte einmal sich selbst auf dem Altar des Kreuzes durch
seinen Tod Gott dem Vater opfern, um dort eine ewige Erlösung zu bewirken. Weil
jedoch sein Priestertum nicht durch den Tod erlöschen sollte, so hat er beim
letzten Abendmahl, in der Nacht, da er verraten wurde, seinen Leib und sein
Blut unter den Gestalten von Brot und Wein Gott dem Vater aufgeopfert, beides
unter denselben Gestalten den Aposteln, die er damals zu Priestern des neuen
Bundes einsetzte, zum Genuß dargereicht und ihnen sowie ihren Nachfolgern im
Priesteramt zu opfern vorgeschrieben mit den Worten: Tut dies zu meinem Gedächtnis.
Dadurch hat er sich selbst als den für ewig bestimmten Priester nach der Ordnung
Melchisedechs dargestellt. Das hat er getan, um seiner geliebten Braut, der Kirche,
wie es die menschliche Natur verlangt, ein sichtbares Opfer zu hinterlassen,
durch welches das einmal am Kreuz blutigerweise dargebrachte vor Augen gestellt
werden, das Andenken an dasselbe bis zum Ende der Zeiten lebendig bleiben und seine
heilsame Kraft zu, Nachlaß jener Sünden, die von uns täglich begangen werden, in
Anwendung kommen sollte.
So hat es die katholische Kirche immer verstanden und gelehrt. Und das ist nun
jenes reine Opfer, das durch keine Unwürdigkeit oder Bosheit der Opfernden befleckt
werden kann, wovon der Herr gesagt hat durch den Propheten Malachias, daß er seinem
Namen, der groß werden soll unter den Völkern, an allen Orten als ein reines
Opfer dargebracht werde. Auch der Apostel Paulus spricht nicht dunkel davon,
wenn er den Korinthern (1 Kor 10,20f.) schreibt, es dürften diejenigen, die sich
durch Teilnahme am Tisch der Teufel befleckt hätten, nicht auch teilnehmen am Tisch
des Herrn, wobei er beidemal unter „Tisch" den Altar versteht. Dieses ist schließlich
das Opfer, von dem die verschiedenen Opfer zur Zeit der Naturreligion und des Alten
Testamentes Vorbilder waren; es enthält ja alle jene Güter, die durch jene angedeutet
wurden, denn es ist die vollkommene Vollendung von ihnen allen." (22. Sess. Kap.
1.)
6. Dieses und noch vieles andere sagt die hl. katholische Kirche und befiehlt uns
zu glauben, daß Christus beim letzten Abendmahl nicht allein Brot und Wein in sein
hl. Fleisch und Blut verwandelt, sondern dieses auch Gott dem Vater aufgeopfert,
also das Opfer des Neuen Bundes eingesetzt und in eigener Person dargebracht hat.
Du kannst aus obigen Worten schon ersehen, wie man dieselbe Wahrheit auch aus der
Hl. Schrift erweisen kann. Denn es ist darauf hingewiesen, wie Christus hierdurch
gezeigt hat, daß er ein Priester nach der Ordnung Melchisedechs sei. Von
ihm erzählt die Hl. Schrift (Gen 14,18): „Und Melchisedech, König von Salem, brachte
Brot und Wein, denn er war Priester Gottes des Allerhöchsten." Melchisedech war
Priester des Allerhöchsten. So hat es auch David ausgelegt, da er im Psalm 109,4
sagt: „Der Herr hat geschworen und es wird ihn nicht gereuen: Du bist ein Priester
auf ewig nach der Ordnung des Melchisedech."
Was nun die Hauptaufgabe eines Priesters sei, das legt der hl. Paulus dar, da
er an die Hebräer (8,3) schreibt: „Ein jeder Hohepriester wird aufgestellt zur Darbringung
von Gaben und Opfern," und noch klarer im fünften Kapitel: „Jeder Hohepriester,
aus den Menschen genommen, wird für die Menschen bestellt in ihren Angelegenheiten
bei Gott, damit er darbringe Gaben und Opfer für die Sünden... Niemand nimmt sich
selbst diese Würde, sondern der dazu von Gott berufen wird, wie Aaron. So hat
auch Christus nicht sich selbst die Herrlichkeit beigelegt, Hoherpriester zu werden,
sondern der zu ihm gesagt hat: Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt, wie
er auch an einer anderen Stelle spricht: Du bist Priester auf ewig nach der Ordnung
des Melchisedech." Hebr 5,5.
Darauf spricht der Apostel vom Leiden Jesu und fährt dann fort 5,8-11: Obwohl
er der Sohn Gottes war, hat er aus dem, was er gelitten, Gehorsam gelernt und zur
Vollendung gebracht, ist er für alle, die ihm gehorchen, Urheber des ewigen Heiles
geworden, angeredet von Gott als Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedechs.
Darüber hätten wir noch viel zu sagen, aber es ist schwer darzulegen."
7. Aus diesen Texten folgt ganz klar, daß Christus und Melchisedech Hohepriester
gewesen sind und daß beide dem allerhöchsten Gott Opfer und Gaben dargebracht haben.
Melchisedechs Opfer aber ist dadurch merkwürdig, daß er keine Tiere geopfert hat,
wie es Abraham und die Gottesfürchtigen jener Zeit zu tun pflegten, sondern er hat
auf Eingebung des Hl. Geistes gegen den damaligen Gebrauch Brot und Wein Gott zum
angenehmen Opfer dargebracht, und dadurch hat er verdient, ein Vorbild Christi und
des Opfers des Neuen Testamentes zu werden. Nach dieser Ordnung ist Christus von
Gott dem Vater zum Priester bestellt, nicht nach der Ordnung oder der Weise des
Aaron, der geschlachtete Tiere zu opfern hatte.
Nun ist die Frage, wann Christus sein priesterliches Amt nach der Weise des
Melchisedech ausgeübt habe. Ich antworte: Es ist geschehen beim letzten Abendmahl,
wovon die heiligen Evangelisten sowie der hl. Paulus berichten: „In jener Nacht
da er verraten wurde, nahm Jesus das Brot, segnete und brach es, gab es seinen Jüngern
und sprach: Nehmt hin und eßt, dies ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.
Desgleichen nahm er auch den Kelch, dankte, gab ihnen denselben und sprach: Trinkt
alle daraus, denn dies ist mein Blut des Neuen Testamentes, das für viele wird vergossen
werden zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis." (Bei dem Wort „Andenken"
oder „Gedächtnis" kann darauf hingewiesen werden, daß 3 Mos 2,2 und öfter das Opfer
„Gedächtnis" genannt wird. - Die Einsetzungsworte stehen bei Mt 26,26-28; Mk 4,22-24;
Lk 22,19f.; 1 Kor 2,23-25.)
In diesen Worten hat der Heiland klar zum Ausdruck gebracht, daß er seinen unter
der Gestalt des Brotes vorhandenen hl. Leib und sein im Kelch vorhandenes hl. Blut
dem himmlischen Vater aufopferte zur Vergebung für unsere Sünden.
In diesem Augenblick hat er sein Priestertum „nach der Ordnung des Melchisedech"
ausgeübt und setzt es in derselben Weise fort bis zum Ende der Zeiten, wovon der
hl. Paulus schreibt (1 Kor 11,26): „Sooft ihr dieses Brot eßt und diesen Kelch trinkt,
sollt ihr den Tod des Herrn verkündigen, bis er wiederkommt."
8. So bleibt denn wahr, was die Kirche auf dem Konzil zu Trient beschlossen
hat. Es geht auch aus den Worten des Prophet Malachias (1,10 f.) hervor: „Ich habe
kein Wohlgefallen an euch, spricht der Herr der Heerscharen, und nehme kein Opfer
an aus euren Händen, denn vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang wird mein
Name groß werden unter den Völkern, und an allen Orten wird meinem Namen geopfert
und ein reines (Speise-) Opfer dargebracht werden." Hier ist das hl. Meßopfer
klar und wahr vorhergesagt, wie alle hl. Väter aufs bestimmteste bezeugen.
Denn diese Weissagung ist nicht im Alten, sondern im Neuen Testament erfüllt
worden, wo auch erfüllt wurde, was der ewige Vater seinem Sohn im Psalm 2,7f. versprochen
hat: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt. Begehre von mir, so will ich
dir die Heiden zu deinem Erbe geben und zu deinem Eigentum die Enden der Erde."
Das ist geschehen, als die Heiden durch die Predigt der Apostel zum Glauben bekehrt
wurden.
Die Weissagung des Malachias ist auch nicht vom Opfer Christi am Kreuz zu verstehen,
denn dieses Opfer ist nicht an allen Orten, wie der Prophet es sagt, sondern nur
an einem Ort, nämlich auf dem Kalvarienberg dargebracht worden. Die Weissagung ist
auch nicht vom Lob Gottes, wie die Nichtkatholiken sagen, noch von unseren guten
Werken zu verstehen, denn abgesehen davon, daß das hebräische Wort Speiseopfer bedeutet,
sind unsere Lieder und Werke kein reines, sondern ein gar unreines Opfer, wie jene
selbst zugeben und aus den Worten des Isaias (64,6) erweisen: „All unsere Gerechtigkeit
ist wie ein unsauberes Tuch."
9. Diese Weissagung betrifft also ausdrücklich die hl. Messe. Sie ist das
immerwährende Opfer des Neuen Testamentes, das in sich ganz rein und heilig ist
und an allen Orten und zu allen Zeiten von Christus selbst durch die Hand der Priester
dem himmlischen Vater aufgeopfert wird. Denn Christus ist der eigentliche und
oberste Priester, die Priester aber sind nur seine Diener und leihen ihm ihre
Hände und ihren Mund zur Vollbringung dieses sichtbaren Opfers. Denn weil wir Christus
nicht sehen können, das Opfer aber, damit es die Menschen sehen und hören, sichtbar
sein muß, deswegen nimmt Christus die Hilfe der Priester bei der Darbringung seines
Opfers in Anspruch.
10. Wie schön konnte deshalb schon der hl. Paulus die ersten Christen, die aus
dem Judentum sich bekehrt hatten, trösten, als sie darüber traurig waren, daß sie
nicht mehr an den großen Feiern des Tempels teilnehmen konnten. Da hat er sie darauf
hingewiesen, daß Christus der größte Hohepriester sei, und schließlich hat er im
letzten Kapitel gesagt (13,10): „Wir haben einen Opferaltar, von dem diejenigen
nicht essen dürfen, die dem Zelt dienen." Damit wollte er ihnen sagen, daß wir
doch das Allerhöchste und Schönste, haben, nämlich die hl. Messe.
Nun wenden die Nichtkatholiken wohl ein, daß das Wort „Messe" nicht in der Hl.
Schrift stehe. Das ist wahr, aber das Wort „Dreifaltigkeit" steht auch nicht in
der Hl. Schrift, dennoch sind wir daran zu glauben schuldig. Daß man den Sonntag
feiern und die Kinder taufen soll, steht auch nicht in der Hl. Schrift, dennoch
ist man es zu tun schuldig. Die Hl. Schrift hat andere Bezeichnungen für das hl.
Meßopfer, z.B. Apg 13,2, wo gesprochen wird vom heiligen Dienst, der dem Herrn verrichtet
wurde; aus dem dafür im Griechischen stehenden Worte ist „Liturgie" geworden.
Ferner sagt sie, „das Brot brechen," „den Kelch segnen." Weil die Einsetzungsworte
erwähnen, daß Christus „dankte", so nannte man die hl. Messe sehr bald „Eucharistie",
d.h. Danksagung. Wenn nun auch das Wort „Messe" nicht in der Hl. Schrift vorkommt,
so steht es doch in den uralten Schriften der hl. Päpste und Kirchenlehrer. So schreibt
der hl. Ambrosius: „Ich aber blieb bei meinem Amt und fing an, die Messe
zu lesen. Während ich opfere, erfahre ich" usw. Der hl. Augustinus sagt:
„In der Lesung, die wir in der Messe lesen müssen, werden wir vernehmen." Siehe,
hier brauchen diese beiden uralten Kirchenlehrer, welche dreihundert Jahre nach
Christus gelebt haben, das Wort „Messe" in einer Weise, daß man sieht, daß das Wort
schon damals
ganz allgemein im Brauch war.
11. Daß auch die Apostel die hl. Messe gelesen haben, können wir schon entnehmen
aus dem, was wir vorhin aus der Hl. Schrift erwähnt haben. Auch in ihren Lebens-
beschreibungen ist davon zu lesen, ganz besonders schön in den Märtyrerakten über
den Tod des hl. Apostels Andreas. Als dieser vom heidnischen Richter aufgefordert
wurde, den Götzen zu opfern, antwortete er: „Alle Tage bringe ich dem allmächtigen
Gott ein lebendiges Opfer dar, täglich opfere ich auf dem Altar Gott das unbefleckte
Lamm. Nachdem das gläubige Volk das Fleisch dieses unbefleckten Lammes gegessen
und dessen Blut getrunken hat, bleibt dasselbe stets unversehrt und lebendig." Der
Kanon der hl. Messe besteht nach der Erklärung des Konzils von Trient „teils aus
Worten des Herrn selbst, teils aus Überlieferungen der Apostel und aus frommen Anordnungen
heiliger Päpste" (22. Sess. Kap. 4). Der letzte, der noch einige Worte hinzufügte,
war Papst Gregor I. (†604), so daß der Meßkanon
nun schon 1400 Jahre unverändert geblieben ist. (P. Johannes XXIII. fügte den hl.
Joseph in den Kanon ein. Bis 1969 gab es nur den römischen Kanon.) Nach dem hl.
Jakobus und dem hl. Markus haben noch zwei Liturgien oder Weisen, die hl. Messe
zu feiern, ihren Namen; beide stammen in ihren Grundzügen von diesen Aposteln her.
Eine der schönsten Erklärungen der hl. Messe aus alter Zeit besitzen wir noch in
den Christenlehren, die der hl. Bischof Cyrill von Jerusalem (†386)
zwischen Ostern und Weißem Sonntag an die Neugetauften hielt (Mystagogische Katechese
Nr.5). Aus all dem folgt, daß die hl. Messe von Anfang der Kirche an gewesen und
allezeit für das wahre Opfer des Neuen Testamentes gehalten wurde.
12. Wie sehr die Christen in den ersten Jahrhunderten die hl. Messe geliebt haben,
das kann man besonders in den Katakomben sehen, jenen unterirdischen Gängen
und Kapellen bei und in Rom, wo sie ihre Toten begruben und an den Jahrestagen das
Gedächtnis der Verstorbenen begingen. In Zeiten der Verfolgungen waren das oft die
letzten Zufluchtsstätten: Schließlich drangen die Häscher auch hierhin, und viele
mußten ihr Leben lassen, weil man sie bei der Feier der hl. Messe überrascht hatte.
Wie schwer war dadurch die Teilnahme am hl. Opfer gemacht! In einer Grabinschrift
heißt es deswegen: „O Jammerzeiten, wo wir nicht einmal die hl. Geheimnisse und
unser Gebet in den Höhlen sicher darbringen können!" Aber selbst die Todesgefahr
vermochte es nicht, die Christen von der hl. Messe fernzuhalten.
Der Kaiser Valerian (257-259) hatte verboten, die Katakomben zu betreten. Als Chrysanthus und Daria
und eine eben vom Heidentum bekehrte Christin
es dennoch taten, wurden sie überrascht und lebendig begraben. Wie nun der Jahrestag
ihres Todes herankam, begab sich eine große Zahl von Gläubigen zu ihrem Grab, um
durch die hl. Messe ihr Andenken feierlich zu begehen. Sie wurden entdeckt, und
nun verschütteten die Diener des Kaisers alle Zugänge und stürzten eine Menge von
Steinen, Geröll und Schutt herab, so daß alle Teilnehmer umkamen. Als die Schreckenstage
vorüber und der Kirche Friede wiedergegeben war, wurde die Gruft geöffnet; da fand
man noch die Gebeine der Christen, Männer, Frauen und Kinder. Die Skelette der Altardiener
hielten noch die hl. Gefäße in ihren Händen.
Oh, welchen Eifer haben damals die Christen im Besuch der hl. Messe gezeigt!
Wie lau sind wir dagegen so oft, denen der Besuch derselben so leicht gemacht ist!
Inhaltsverzeichnis
2. Wie die hl. Messe von den Irrlehrern angefochten wurde.
13.
Aus der Verfolgung, welche der leidige Satan gegen das allerheiligste Meßopfer
erweckt hat, ist klar abzunehmen, daß dasselbe sehr heilig und ihm sehr nachteilig
sein müsse, sonst würde er es nicht so gewaltig angefochten haben. In den ersten
Tausend Jahren der Christenheit freilich sind zwar viele Irrlehrer
aufgestanden und haben die Lehre Christi zu vergiften gesucht, aber kein einzige
hat sich getraut, die hl. Messe zu bestreiten, viel weniger sie abzuschaffen. Nach
dem ersten Jahrtausend (um 1050) hat der Irrlehrer Berengar sich unterstanden,
gegen die hl. Messe zu lehren und zu schreiben; er fand aber keinen Anhang, ist
vielmehr seiner falschen Lehre überwiesen und hat dieselbe widerrufen müssen.
14. Dann kamen um 1200 in Südfrankreich die Albigenser auf, welche
so gottlose Ketzer waren, daß sie den Ehestand für unerlaubt, die Unkeuschheit aber
für zulässig hielten. Diese ließen zwar das feierliche Amt an Sonn- und Feiertagen
und sonst in Gegenwart vieler Leute zu; die stille Messe aber, bei welcher wenig
Leute zugegen sind, wollten sie durchaus nicht dulden und verboten sie bei schwerer
Geld- und Körperstrafe. Wie schlimm sie gegen die Priester vorgingen, die trotz
ihres Verbotes doch die hl. Messe feierten, darüber erzählt der fromme Cäsarius
von Heisterbach, der zu jener Zeit gelebt hat (Er starb um 1240), folgende Geschichte:
Obwohl die Albigenser verboten hatten, daß die Priester die Messe lesen, so gab
es dennoch einen frommen Priester, der wegen der besonderen Andacht, die er zum
hochheiligsten Opfer trug, das ungerechte Verbot nicht achtete und die hl. Messe
im geheimen las. Als die Ketzer dies vernommen hatten, ließ die weltliche Obrigkeit
diesen frommen Priester durch den Gerichtsdiener vor den Rat führen, wo man ihm
sagte: „Es ist uns für wahrhaftig angezeigt worden, daß du gegen unser Verbot eine
stille Messe gelesen und einen großen Frevel begangen hast. Deswegen haben wir dich
hierherbringen lassen und wollen von dir hören, ob dem also sei." Der Priester sprach
ohne Scheu:
„Ich antwortete mit den hl. Aposteln, welche, als sie vor dem jüdischen Rat befragt
wurden, ob sie wider dessen Verbot von Christus gepredigt hätten, sagten: Man
muß Gott mehr gehorchen als den Menschen. Darum habe ich trotz eures ungerechten
Verbots die hl. Messe zur Ehre Gottes und zum Lob seiner hl. Mutter gelesen."
Wegen dieser offenen Antwort wurden die Herren so erbittert, daß sie den frommen
Priester gewaltig schlugen, ihn hin und her stießen und ihm schließlich vor allem
Volk die Zunge ausreißen ließen. Diese bittere Pein und Schmach ertrug der fromme
Priester mit großer Geduld, ging mit blutendem Mund vom Richtplatz zur Kirche, kniete
demütig vor dem Altar, auf dem er die hl. Messe gelesen hatte, nieder, klagte der
Mutter Gottes sein großes Leid, und weil er mit der Zunge nicht reden konnte, rief
er sie mit dem Herzen inbrünstig um Hilfe an. Sein Gebet war so wirksam, daß
Maria ihm erschien, ihm seine Zunge wiedergab und sprach: „Wegen der Ehre,
die du Gott und mir durch die hl. Messe erwiesen hast, gebe ich dir deine Zunge
wieder und ermahne dich, auch fernerhin fleißig die hl. Messe zu lesen." Nach
dies er Wohltat dankte er der Mutter Gottes von Herzen und ging dann zu dem noch
versammelten Volk, zeigte ihnen seine neugeschenkte Zunge und machte dadurch die
verstockten Ketzer und Feinde der hl. Messe zuschanden. Für die Wahrheit dieser
Geschichte verbürgt sich der gelehrte Pater Cäsarius mit den Worten, die er seinem
Beispeilbüchlein vorgesetzt hat: „Ich nehme Gott zum Zeugen, daß ich in diesem Büchlein
nichts beschrieben habe, als was ich mit Augen gesehen oder von solchen Männern
gehört habe, welche lieber sterben als eine Lüge aussprechen würden." Solche Geschichten
wirst du bei fünfzig in diesem Buche lesen, durch welche du nicht allein im Glauben
gestärkt, sondern auch zur Andacht gegen das hl. Meßopfer bewegt werden wirst.
15. Volle fünfzehnhundert Jahre wurde das hl. Meßopfer in der Kirche bereits gefeiert,
und nur wenige Irrlehrer hatten es gewagt, diese zu bestreiten. Da trat Luther
auf und unterstand sich, dieses allergöttlichste Geheimnis zu verleugnen, anzufechten
und zu beschimpfen. Das hat er aber nicht aus sich getan, auch nicht gleich zu Anfang
seines Abfalls, sondern mehrere Jahre danach und auf Eingebung des Teufels. Damit
alle Welt dieses erfahre, hat Gott es so gefügt, daß Luther selbst mit eigener
Hand von der Disputation schreibt, welche er mit dem Teufel gehabt habe. Der
Teufel, so erzählt er, sei ihm in der Nacht erschienen, um mit ihm über Messe und
Priesterweihe zu disputieren. Er selbst habe hervorgehoben, daß er rechtmäßig geweiht
sei und mit Eifer und Andacht zelebriert habe. Aber jener habe ihm so zugesetzt,
daß er nicht mehr habe antworten können.
[Ausg. Walch, Bd. 19, S. 1489. Die Abneigung Luthers gegen die hl. Messe stellte
sich schon bald nach seinem Abfall ein, wie es ja auch kaum anders möglich war.
Wie sollte er die Perle des katholischen Gottesdienstes noch geschätzt haben, nachdem
er den Sinn für die übrigen Schönheiten der katholischen Kirche verloren hatte?
Grisar, Luther (1911), Bd. I, S. 401f.]
Und so hat er die hl. Messe abgeschafft, trotzdem er doch wissen mußte, daß der
Teufel alles Gute haßt und keinen Menschen etwas Gutes lehrt. Hätte denn Luther
nicht denken sollen: Wenn die hl. Messe eine Abgötterei wäre, so würde der Teufel
ganz gewiß nicht gegen dieselbe streiten, noch viel weniger sie abschaffen, sondern
sie höchstens befördern und loben, damit desto größere Abgötterei begangen und Gott
desto größere Schmach zugefügt würde?
16. Nun aber hat der Satan auf solche Weise nicht allein den Lutheranern, sondern
auch den Kalvinisten, ja allen nach Luther Abgefallenen das allerheilsamste Opfer
der hl. Messe geraubt und ihnen unersetzlichen Schaden zugefügt, ja ihnen dieses
hochwürdigste Geheimnis so zuwider gemacht, daß sie es für eine Verleugnung des
blutigen Opfers Christi am Kreuz und für eine „verfluchte Abgötterei" ansehen, wie
die Kalvinisten in ihrem Heidelberger Katechismus lehren. O wohl eine grausame Gotteslästerung,
die alle frommen Herzen erzittern macht! Diese Lästerung will ich mit nur einem
Beweis zunichte machen und folgendermaßen umstoßen.
17. Wenn diese ketzerische Lehre richtig wäre, so folgte daraus, daß von den Zeiten
Christi an kein einziger Mensch, nicht einmal ein Apostel oder Märtyrer, selig geworden
wäre. Denn die hl. Apostel und alle! Priester haben die hl. Messe gelesen und
Gott dem Allerhöchsten aufgeopfert; alle hl. Märtyrer und Bekenner haben dieselbe
mit Andacht mitgefeiert und für den höchsten Gottesdienst gehalten. Wenn nun
die hl. Messe eine Abgötterei und Verleugnung des einzigen Opfers Christi gewesen
ist, so haben die hl. Apostel und alle Gläubigen lauter Abgötterei begangen, Gott
den Allerhöchsten schwer beleidigt und sich der ewigen Verdammnis schuldig gemacht.
Gleichwie nun kein vernünftiger Mensch dies behaupten wird, so wird auch keiner
glauben, daß die kalvinistische Lehre wahr sei.
So will ich lieber dem hl. Fulgentius als Calvin und Luther glauben, der
ausdrücklich sagt: „Halte fest daran und zweifle nicht im mindesten, daß der eingeborene
Sohn Gottes für uns Mensch geworden ist und sich für uns dem allmächtigen Gott zum
angenehmen Opfer dargebracht hat, dem jetzt die katholischen Kirche auf der ganzen
Welt das Opfer des Brotes und Weines in Glauben und Liebe darzubringen nicht aufhört."
18. Zu den Irrlehrern sagt, der geistreiche Petrus von Clugny: „Wenn die
Welt eure neue Lehre annehmen wollte, dann würde in dieser Zeit der Gnade geschehen,
was nie in der Zeit des Zornes geschehen ist; denn wenn die Christen zu opfern aufhören
sollten, so würde der Gottesdienst, der allezeit in der Welt gewesen ist, aus der
Welt ganz verbannt werden. Darum, ihr Feinde Gottes, sagt euch die Kirche Gottes,
daß sie ohne Sakrifizium nicht sein könne, und daß sie in ihrem hl. Opfer nichts
anderes als den Leib und das Blut ihres Erlösers darbringe, und was dieser einmal
getan hat mit seinem Sterben, das tut sie allezeit mit ihrem Opfern."
19. Laßt uns also zusehen, daß uns nicht widerfahre, was den armen Irrgläubigen
geschehen ist. Denn diesen hat der leidige Satan zu ihrem größten Nachteil die
hl. Messe gestohlen, uns Katholiken aber hat er verblendet, daß wir sie nicht
recht mehr verstehen und die große Kraft des hl. Meßopfers nicht mehr erkennen sollen.
Ohne Zweifel ist es durch die Arglist des Teufels geschehen, daß man von diesem
höchsten Geheimnis zu selten gepredigt, geschrieben und gelehrt und dadurch bewirkt
hat, daß die Leute die hl. Messe versäumen oder unandächtig hören. Um dieses Übel
zu verhindern, hat die Kirche auf dem Konzil von Trient befohlen, daß die Seelsorger
oft von der hl. Messe predigen sollen.
Dieser Befehl lautet: „Die hl. Kirchenversammlung trägt allen Pfarrern und Seelsorgern
auf, daß sie häufig unter der Feier der Messe entweder selbst oder durch andere
von dem, was in der hl. Messe gelesen wird, einiges auslegen und unter anderem das
Geheimnis dieses hochheiligen Opfers etwas erklären, besonders an den Sonn- und
Festtagen (22. Sess. K 8.)."
Dies sind die Worte dieses Kirchengebotes, dem jeder Seelsorger zu gehorchen schuldig
ist. Wenn sie das unterließen, so würden sie der Kirche Gottes einen unsäglichen
Schaden zufügen. Wenn das christliche Volk von der großen Kraft der hl. Messe
nichts weiß, so liebt, achtet und besucht es die hl. Messe an den Werktagen nicht,
an Sonn- und Feiertagen aber nur unandächtig und oberflächlich oder versäumt diese
ohne Gewissensskrupel. Wenn aber einigemal im Jahr von der großen Kraft und
dem Wert der hl. Messe gepredigt wird, dann würden die Gläubigen dieses köstliche
Kleinod immer höher schätzen, immer herzlicher lieben und andächtiger hören.
Denn es gibt ja in der ganzen katholischen Kirche kein wichtigeres, tröstlicheres
oder nützlicheres Geheimnis. Und wer das einmal erkannt hat, der wird auch an
Werktagen die hl. Messe nicht leicht versäumen.
2. Kap. - Von der Vortrefflichkeit de hl. Messe
1. Wiewohl die Vortrefflichkeit der hl. Messe so groß ist, daß auch der höchste
Engel sie nicht würdig aussprechen kann, so will ich dennoch zur Erkenntnis dieses
Wertes einiges anführen. Der hl. Franz v. Sales ziert in seiner „Philothea
oder Anleitung zu einem frommen Leben" die hl. Messe mit herrlichen Ehrentiteln,
indem er sagt: „Die hl. Messe ist die Sonne der geistlichen Übungen, das Herz
der Andacht, die Seele der Frömmigkeit, die Flamme der göttlichen Liebe, der
Abgrund der göttlichen Güte und ein köstliches Mittel, wodurch Gott seine Gnaden
uns zueignet." O was sind das für schöne Worte, was für herrliche Ruhmestitel! Wie
viele Zeit müßte einer haben, wenn er diese nach ihrer ganzen Bedeutung erklären
wollte! Der hl. Franz von Sales will sagen: Will jemand recht fromm, recht andächtig
und von der Liebe Gottes entzündet werden, so feiere er nur fleißig die hl. Messe
mit, und er hat schon das beste Mittel ergriffen, die göttlichen Gnaden sich zu
erwerben.
2. Der gelehrte Pater Osorius zieht die hl. Messe allem übrigen in der Religion
vor, indem er sagt: „Unter allen Dingen, welche in der Kirche sind, ist das hl.
Meßopfer das allerhöchste und allerkostbarste, weil das allerheiligste Altarsakrament
darin konsekriert und Gott dem Allerhöchsten zu einem hl. Opfer dargebracht wird."
Mit ihm stimmt Fornerus, Weihbischof von Bamberg, überein, der sagt: „Die hl.
Messe übersteigt um viele Stufen die anderen hl. Sakramente an Würde." Und an
einer anderen Stelle: „Majestätisch sind zwar die hl. Sakramente, aber weit majestätischer
ist das hl. Meßopfer; jenes sind Gefäße der Barmherzigkeit für die Lebendigen, dieses
aber ist ein unerschöpfliches Meer der göttlichen Freigebigkeit für die Lebenden
und Verstorbenen." Merke, wie herrlich diese Geisteslehrer das hl. Meßopfer hervorheben.
So wollen wir denn sehen, warum die Messe so vortrefflich sein mag.
3. Erstens erkennt man die hohe Vortrefflichkeit der hl. Messe aus der hochwürdigen
Weihe oder Konsekration der Kirche und Altäre. Wer jemals bei der Weihe einer
Kirche zugegen gewesen ist und verstanden hat, was für Gebete der Bischof gesprochen
und wie viel Zeremonien er gebraucht hat, der wird sich gewiß zum höchsten erbaut
und verwundert haben, wie überaus herrlich und glorwürdig jede Kirche und jeder
Altar geweiht wird. Damit nun auch jene, die das noch nie gesehen haben, dies erkennen,
so will ich die (früheren) Zeremonien hier kurz beschreiben.
Inhaltsverzeichnis
1. Von der Weihe der Kirchen.
Am Tag zuvor müssen sowohl der Bischof wie auch die Gemeinde fasten, um
durch Buße Gottes Segen wirksam zu erflehen. Am Morgen des Weihetages selbst begibt
sich der Bischof mit den Geistlichen, von denen nur ein Diakon in der Kirche bleibt,
an den Ort, wo die für den Hochaltar bestimmten Reliquien aufbewahrt werden, und
betet dort mit ihnen die sieben Bußpsalmen. Darauf begeben sie sich vor die
Kirche, deren Tür geschlossen ist, der Bischof weiht Salz und Wasser, besprengt
damit sich und die Umstehenden, und dann geht er mit der Geistlichkeit und dem Volk
rechts um die Kirche herum und besprengt die Mauern derselben nach oben, fortwährend
sprechend: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes." Ebenso geht
er ein zweites Mal um die Kirche und besprengt die Mauern nach unten; beim dritten
Mal geht er links herum und besprengt die Mauern in der Mitte. Sooft er dabei am
verschlossenen Hauptportal der Kirche anlangt, spricht er ein Gebet, stößt mit dem
Bischofsstab an die Tür und spricht: „Öffnet euch, ihr ewigen Tore, und es wird
einziehen der König der Herrlichkeit." Aus dem Inneren der Kirche fragt dann ein
Diakon: „Wer ist dieser König der Herrlichkeit?" Der Bischof antwortet das erste
und zweite Mal: „Der Herr, stark und mächtig; der Herr mächtig im Kampf." Das dritte
Mal aber antwortet er mit der gesamten Geistlichkeit: „Der Herr der Heerscharen,
er ist der König der Herrlichkeit," und fügt hinzu: „Öffnet, öffnet, öffnet!" Dann
zeichnet der Bischof mit dem Stab das Kreuz auf die Türschwelle und spricht:
„Siehe das Zeichen des Kreuzes, fliehen sollen alle bösen Geister." Dann tritt
der Bischof mit der Geistlichkeit ein mit den Worten: „Der Friede sei diesem Haus!"
4. In der Mitte der Kirche kniet der Bischof nieder und betet den Hymnus „Veni
creator Spiritus - O komm Schöpfer Geist." Darauf folgt die Allerheiligenlitanei
und der Lobgesang des Zacharias, während dessen der Bischof mit dem Hirtenstab
auf den in Kreuzesform mit Asche bestreuten Boden die Buchstaben des lateinischen
und griechischen Alphabets schreibt. Vor dem Hochaltar kniend, spricht er nunmehr
dreimal: „Deus in adjutorium intende," weiht dann mit vielen Kreuzzeichen Wasser
mit Salz, Wein und Asche und fängt an, den Altar zu weihen, indem er mit dem so
geweihten Wasser je ein Kreuz in die Mitte des Altars und an seine vier Ecken zeichnet.
Vom Altar aus geht der Bischof dreimal durch die Kirche und besprengt zuerst die
Wände von unten nach oben, dann den Boden und endlich von der Mitte aus nach den
vier Himmelsgegenden die ganze Kirche. Schließlich bereitet er mit diesem Wasser
Mörtel, mit dem nachher die Reliquien in den Altar eingemauert werden sollen.
5. Die Reliquien werden nun aus der Kapelle geholt, wo sie die Nacht vorher aufbewahrt
wurden, und in feierlicher Prozession zuerst um die Kirche herum und dann in diese
hineingetragen. An der Kirchtüre hält der Bischof eine Ansprache an die Gläubigen,
verliest bestimmte kirchliche Vorschriften und salbt die Kirchentür von außen
mit Chrisam. Dann salbt er das Altargrab mit Chrisam, legt die Reliquien
hinein und verschließt dasselbe mit einem geweihten Stein und genanntem Mörtel.
Darauf inzensiert der Bischof den Altar von allen Seiten und gibt das Rauchfaß einem
Priester, der nun fortwährend räuchernd um den Altar gehen muß, bis der Bischof
die Altarplatte zunächst in der Mitte und an den vier Ecken und dann über die ganze
Oberfläche mit dem hl. Öl gesalbt hat. Nachdem dann noch die Wände der Kirche
an, zwölf mit den sogenannten Apostelkreuzen bezeichneten Stellen gesalbt und inzensiert
sind, kehrt der Bischof zum Altar zurück und zündet darauf gesegneten Weihrauch
an. Die nun folgenden Gebete, Antiphonen und eine herrliche Präfation sprechen davon,
wie der Altar jetzt bereitet sei, daß Christus auf ihn herabsteigen und in der Kirche
seine Wohnung nehmen könne. Dann salbt der Bischof noch den unteren Teil des Altares,
und schließlich wird feierlich die hl. Messe gehalten.
Alle, die an einer Kirchweihe teilnehmen, können sich nicht genug wundern über
die vielfältigen Zeremonien, Salbungen, Weihungen und Gebete. Warum aber dies
alles? Warum verwendet man so viele Mühe, Zeit und Unkosten zur Einweihung einer
Kirche? Einzig damit die Kirche würdig werde, daß in ihr das heiligste Meßopfer
gefeiert und der Altar geheiligt werde, um das allerreinste und allerheiligste Lamm
Gottes geistigerweise auf ihm schlachten zu können.
6. Aus alledem erkennt ein guter Christ, wie hochheilig unsere Kirchen und Altäre
sind und in was für großen Ehren sie gehalten werden sollen. Der Tempel Salomons
war nur ein Schatten und Vorbild unserer Kirchen, dennoch wurde er von Juden
und Heiden hoch in Ehren gehalten. Wie viel mehr sollen denn also unsere so gar
heilig konsekrierten Kirchen geehrt werden! Von der Weihe des Salomonischen Tempels
meldet das dritte Buch der Könige, daß der König Salomon 22.000 Ochsen und 120.000
Widder geopfert habe, welche alle von den Priestern geschlachtet, gereinigt und
stückweise zum Opfern niedergelegt wurden. Während nun Salomon laut betete, siehe,
da fiel Feuer vom Himmel herab und verzehrte die Schlachtopfer. Der ganze Tempel
ward mit Nebel und Rauch erfüllt, und die Majestät Gottes erschien in ihm.
Alles Volk sah das Feuer und die Herrlichkeit Gottes, fiel vor Schrecken auf das
Angesicht und betete Gott von Herzen an. Salomon aber warf sich vor aller Augen
auf die Knie nieder und betete mit lauter Stimme: „Sollte man es glauben, das Gott
wahrhaft wohne auf Erden? Denn wenn der Himmel und die Himmel der Himmel dich nicht
fassen können, wie viel weniger dieses Haus, das ich erbaut habe!" (3 Kg 8, 27)
7. Wer wundert sich nicht darüber, und wer kann die Würde des Tempels genug
begreifen? Und doch war er nur ein Vorbild, ja ein Schatten unserer christlichen
Kirchen. Sein Heiligstes war die Bundeslade, die einst die zwei Gesetzestafeln,
ein Gefäß mit Manna und den blühenden Stab Aarons enthielt. Die jüdischen Opfer
waren Tiere, Brot, Wein, Kuchen u. dgl. Unsere Kirchen aber werden unvergleichlich
heiliger vom Bischof geweiht, mit dem hl. Öl gesalbt, mit geweihtem Wasser besprengt,
mit gesegnetem Weihrauch inzensiert, durch zahlreiche Kreuzzeichen und zuletzt durch
die Feier der hl. Messe geheiligt. Anstatt der Bundeslade haben wir den Tabernakel,
in dem das wahre Manna, das allerheiligste Sakrament, aufbewahrt wird. Wenn
denn der Tempel Salomons angemessenermaßen in Ehren gehalten wurde, wie viel mehr
sind dann unsere konsekrierten Kirchen, in welchen Gott persönlich wohnt, in größten
Ehren zu halten!
8. Unsere Kirchen werden nicht bloß genannt, sondern sind auch in Wahrheit ein
Haus Gottes, in dem Gott persönlich wohnt und allezeit anzutreffen ist. Stets
hat er Tausende von Engeln bei sich, die ihm dienen, ihn anbeten, ihn loben und
ehren und ihm unser Gebet vortragen. Dies wurde vorbedeutet durch die Erscheinung
der Himmelsleiter, welche der Patriarch Jakob nachts im Traum sah. Als er
aufwachte, sprach er: „Wie furchtbar ist dieser Ort! Hier ist nichts anderes als
das Haus Gottes und die Pforte des Himmels" (Gen 28,17). Den Stein, auf dem er
mit dem Kopf gelegen hatte, salbte er mit Öl und richtete ihn auf zu einem Altar,
und als er zurückkam, opferte er Gott auf diesem Stein. Das ist ein Vorbild
der christlichen Kirchen gewesen, in denen der Altarstein mit dem hl. Öl und Chrisam
gesalbt wird, und von denen man in Wahrheit sagen kann: „Wie furchtbar ist dieser
Ort; hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und die Pforte des Himmels!"
Da steigen die Engel auf und ab und bringen unsere Gebete Gott dar. Von unseren
Kirchen hat Gott schon durch den Propheten Isaias sagen lassen: „Ich will sie hinaufführen
auf meinen heiligen Berg und sie erfreuen in meinem Bethaus; ihre Brandopfer und
Schlachtopfer sollen mir angenehm sein auf meinem Altar; denn mein Haus wird ein
Bethaus genannt werden für alle Völker" (Is 56,7).
9. Weil also unsere Kirchen wirklich Gotteshäuser sind, und weil Christus im hl.
Sakrament persönlich darin wohnt, umgeben von Tausenden von Engeln, so können wir
die Kirchen nie genug ehren und nie andächtig genug darin beten. Wenn wir tiefen
Glauben hätten, so würden wir mit größter Ehrfurcht die geweihte Kirche betreten,
mit größter Ehrerbietung Christus im hochhl. Sakrament anbeten und alle Engel,
die zugegen sind, andächtig verehren. So pflegte David es zu tun, da er sagt: „Vor
dem Angesicht der Engel will ich dir lobsingen, will anbeten zu deinem heiligen
Tempel hin und preisen deinen Namen" (Ps 137,1f.).
Wer aber in der Kirche oder gar unter dem Gottesdienst schwätzt, lacht, sündigt,
begeht eine furchtbare Verunehrung gegen Gottes Majestät und gegen sein heiliges
und hochgeweihtes Haus. Wenn du also in die Kirche gehst, so nimm dir vor, kein
unnötiges Wort zu reden oder anzuhören und nicht vorwitzig umherzusehen, sondern
andächtig zu beten, Gott zu verehren, deine Sünden abzubüßen und bei Gott Barmherzigkeit
zu erlangen.
Inhaltsverzeichnis
2. Von der Priesterweihe.
10. Zweitens erkennt man die Vortrefflichkeit der hl. Messe aus der hochheiligen
Weihe der Priester und geistlichen Diener. Ein jeder Geistliche muß sieben Weihen
empfangen, ehe er die Gewalt bekommt, die hl. Messe zu lesen. Durch die vier niederen
Weihen werden die Geistlichen nur erst zum Kirchendienst angenommen und zum Dienst
der Priester bei der hl. Messe bestellt. Keiner von diesen darf den Kelch oder die
Patene, auch nicht das Korporale oder das Purifikatorium mit der bloßen Hand anrühren,
sondern dazu müssen sie erst noch die erste von den drei höheren Weihen, den Subdiakonat,
empfangen. Ähnlich durfte auch im Tempel niemand anders als nur die Leviten die
hl. Gefäße anrühren und reinigen.
Auch fast alle zur hl. Messe notwendigen Sachen werden besonders geweiht
und sollen stets sauber und heil und nicht von geringem Material
sein, da sie zum Dienst Gottes gebraucht werden und zum Teil die heiligen Gestalten
unmittelbar berühren. In diesem Punkt sieht es in manchen Kirchen gar nicht so gut
aus, wie es sein sollte.
11. Die eigentliche Priesterweihe aber geht folgendermaßen vor sich: Die zu Weihenden
werden einzeln aufgerufen und treten vor den Bischof in der Kleidung des Diakons,
wozu sie schon früher geweiht sind, also mit Schultertuch, Albe, Gürtel, Manipel
und Stola angetan. Der Bischof hält ihnen vor, was für ein schweres und heiliges
Amt sie auf sich nehmen wollen, und fragt, ob sie dessen würdig seien. Wenn niemand
etwas dagegen einwendet, kniet der Bischof nieder und betet mit allen Anwesenden
über die auf ihrem Angesicht Liegenden die Allerheiligenlitanei. Danach beginnt
die eigentliche Weihe, zu der sich die zu Weihenden paarweise vor dem Bischof niederknien.
Erst legt der Bischof allen die Hände auf, spricht dann mit ausgebreiteten
Händen ein langes Gebet über sie, legt jedem die Stola so um, wie sie der Priester
trägt, nämlich über der Brust gekreuzt, und danach das aufgerollte Meßgewand. Nachdem
nun noch einmal die Hilfe des Hl. Geistes im Veni Creator angerufen wurde,
setzt sich der Bischof vor den Altar und salbt einem jeden die Hände, zuerst
kreuzweise von einer Hand zur andern, den Daumen und Zeigefinger, dann die ganze
Handfläche und spricht dabei: „O Herr, würdige dich, diese Hände zu heiligen und
zu weihen durch diese Salbung und unseren Segen"; dann macht er das Kreuzzeichen
darüber und fährt fort: „Damit gesegnet sei, was sie segnen, und geweiht, was
sie weihen, und geheiligt im Namen unsers Herrn Jesu Christi." Die gesalbten
Hände werden mit einem weißen Tüchlein zusammengebunden, dann reicht der Bischof
jedem den Kelch mit Wein und Wasser sowie die Patene mit der Hostie dar und spricht:
„Empfange die Gewalt, dem Herrn das Opfer darzubringen und die hl. Messe zu lesen
sowohl für die Lebendigen wie für die Verstorbenen. Im Namen des Herrn."
Nun waschen die Neugeweihten ihre Hände und bringen zusammen mit dem
Bischof das hl. Opfer dar. Zur Opferung gehen die neuen Priester mit einer brennenden
Kerze, dem Sinnbild der Selbsthingabe, zum Altar und übergeben sie dem Bischof,
und dann lesen sie zugleich mit ihm die Messe Wort für Wort. Bei der hl. Kommunion
empfangen sie den Leib des Herrn aus der Hand des Bischofs.
Nachdem so das Opfer dargebracht ist, bekommen sie noch die Gewalt, die Sünden
zu vergeben. Erst beten alle das apostolische Glaubensbekenntnis, und dann legt
der Bischof jedem beide Hände aufs Haupt mit den Worten: „Empfange den Hl. Geist;
welchen du die Sünden vergibst, denen sind sie vergeben, und welchen du sie behältst,
denen sind sie behalten." Zuletzt verspricht noch jeder in die Hand des Bischofs
Gehorsam und wird dann von ihm gesegnet mit den Worten:
„Der Segen Gottes des Vaters, des Sohnes und des Hl. Geistes komme auf dich
herab, auf daß du gesegnet seist in der priesterlichen Weihe und Opfer der Versöhnung
für die Sünden des Volkes opferst dem allmächtigen Gott."
12. Das ist also die Form, in der alle Priester der römisch-katholischen Kirche
geweiht wurden. Warum aber nun dies alles? Warum muß ein Priester so vielmal, mit
so großer Mühe, unter so vielen Gebeten, Salbungen und Zeremonien geweiht werden?
Hauptsächlich darum, daß er genügend gereinigt, geheiligt und würdig gemacht wird,
das allerreinste, allerheiligste, allerhochwürdigste und allergöttlichste Opfer
der hl. Messe der furchtbaren Majestät Gottes aufzuopfern. Wenn du über das alles
noch weiter nachdenkst, wirst du auch die hohe Würde der Priester begreifen.
Inhaltsverzeichnis
3. Was zur Feier der hl. Messe nötig ist.
13. Drittens erkennt man die hohe Vortrefflichkeit der hl. Messe aus den vielfältigen
Sachen, die zu einer jeden hl. Messe vonnöten sind, die will ich nacheinander
hier aufzählen. Zuerst der geweihte Priester, welcher die Person Christi vertritt.
Er tritt mit folgender Kleidung an den Altar:
|
1. |
Das Schultertuch, welches der Priester zuerst über sein Haupt und danach
um die Schultern legt; es bedeutet das Tuch, mit dem die Juden im Haus des Kaiphas
das Antlitz Christi bedeckten und spottweise fragten: „Weissage uns Christus, wer
ist es, der dich geschlagen hat." |
|
2. |
Die Albe; sie bedeutet das weiße Spottgewand, mit dem Christus im Haus des
Herodes bekleidet wurde; |
|
3.
|
der leinene Gürtel, ein Abbild des Strickes, mit dem der Heiland gebunden und
gefangen abgeführt wurde; |
|
4. |
der Manipel, den der Priester am linken Arm trägt; er bedeutet die Bande, mit
denen Christi Arme gebunden wurden; |
|
5. |
Die Stola, die der Priester über die Schultern und kreuzweise vorn übereinander
legt; ein Sinnbild des Kreuzes, das Christus auf seine Schultern genommen; |
|
6. |
die Kasel oder das Meßgewand bedeutet das Purpurkleid, das Christus von den Soldaten
bei der Dornenkrönung angelegt worden ist. Das Kreuz auf der Rückseite besagt, daß
der Priester das Kreuz Christi geduldig auf sich nehmen muß, und den Stab auf der
Vorderseite kann man auf die Geißelungssäule deuten. |
Zweitens ist vonnöten ein konsekrierter Altar, der etwas erhöht stehen soll,
weil er den Kalvarienberg andeutet, auf dem das Kreuzopfer dargebracht wurde.
Für die hl. Messe sind zu seiner Ausstattung nötig:
1. drei Altartücher, welche die Grabtücher Christi versinnbilden,
2. ein Kruzifix, weil Meßopfer und Kreuzopfer dasselbe sind;
3. mindestens zwei Leuchter mit Wachskerzen;
4. das Meßbuch mit einem Kissen oder Pult;
5. die drei Kanontafeln;
Drittens kommt der Kelch, zu dem folgendes gehört:
1. ein Löffelchen, um ein wenig Wasser in den Wein zu mischen;
2. die leinene Palla, mit welcher der Kelch zugedeckt wird;
3. die Patene, ein vergoldeter Teller, auf dem die hl. Hostie liegt;
4. das Kelchtüchlein zum Austrocknen des Kelches;
5. das Velum oder Tuch, mit dem dies alles bedeckt wird;
6. die Bursa für das
7. das Korporale - ein Leinentuch, auf dem die Hostie liegt und der Kelch steht.
Und nun ist noch nicht alles aufgezählt; es kommt noch hinzu der Wein, der reiner
und unverfälschter Traubenwein sein muß; die Hostie aus reinem Weizenmehl; die Meßkännchen
mit dem Teller; das Lavabotüchlein, die Glocke und schließlich die Ministranten!
Alles das ist so notwendig, daß ein Priester sündigen würde, wenn er außer einem
Notfall eines davon weglassen würde. Das magst du an einer schönen Erzählung behalten.
14. Als die Mauren aus Afrika den größten Teil Spaniens unter ihr Joch gebracht
hatten, geschah es, daß ein König, der viele Christen gefangen hielt, sich endlich
ihrer erbarmte, sie sämtlich aus dem Kerker kommen und sich vorstellen ließ. Er
fragte einen jeden, was für ein Handwerk oder eine Kunst er verstünde, und erlaubte
jedem, dasselbe zu üben. Unter den gefangenen Christen war auch ein Priester, der
auf die Frage tiefernst antwortete: „Ich kann den allmächtigen Gott vom Himmel herabrufen."
Der König befahl dem Priester, alle notwendigen Dinge aufzuschreiben, damit er diese
von einem christlichen Ort herholen könne. Als nun alles besorgt war und der Priester
mit der hl. Messe anfangen wollte, bemerkte er, daß er das Kruzifix vergessen hatte.
Da stand er nun in großer Verlegenheit, ob er die hl. Messe lesen solle oder nicht.
Unterdessen rief er die Hilfe Gottes an, und siehe, es erschienen zwei Engel,
glänzend wie die Sonne, und brachten ein schönes hölzernes Kreuz, das sie auf den
Altar stellten, worauf sie dem Priester befahlen anzufangen. Der König fiel auf
sein Angesicht und blieb so lange betend liegen, bis die Engel verschwunden waren.
Er glaubte auch dem Priester und anerkannte die Wahrheit der christlichen Religion.
Diese Geschichte habe ich deswegen erzählt, damit du erkennst, wie von den nötigen
Dingen keines fehlen darf, wenn ein Priester dieses Opfer rechtmäßig verrichten
will.
Inhaltsverzeichnis
4. Von den Zeremonien der hl. Messe.
15. Viertens erkennt man die Vortrefflichkeit der hl. Messe an ihren andächtigen
Zeremonien, von denen ich die wichtigsten hier erwähne. Der Priester bezeichnet
sich sechzehnmal mit dem hl. Kreuzzeichen; er wendet sich sechsmal zum Volk; er
küßt achtmal den Altar; er erhebt seine Augen elfmal zum Himmel; er schlägt an zehnmal
seine Brust; er legt vierundfünfzigmal seine Hände zusammen; er macht einundzwanzigmal
eine kleine Verneigung, siebenmal die größere, achtmal die tiefe Verbeugung. Er
kniet über zehnmal nieder. Er segnet einunddreißigmal das Opfer mit dem Kreuzeichen.
Er legt neunundzwanzigmal beide Hände flach auf den Altar. Er betet vierzehnmal
mit ausgebreiteten Händen, sechsunddreißigmal mit zusammengelegten Händen; er legt
siebenmal die gefalteten Hände auf den Altar, die linke Hand allein neunmal, die
linke Hand elfmal auf die Brust. Er erhebt beide Hände zum Himmel achtmal. Er betet
still elfmal, laut dreizehnmal. Zehnmal deckt er den Kelch ab und zu, und zwanzigmal
geht er hin und her. (Dies gilt für die alte lateinische Messe.)
Zu diesen 350 oft wiederholten Dingen kommen noch 150 andere, einzelne Zeremonien;
zusammengezählt machen sie also 500 aus. Daneben muß jeder Priester noch
400 Rubriken oder Regeln beachten, so muß er neunhundert Dinge beobachten und darf
keines ohne Not unterlassen. Denn sie alle haben ihre tiefe Bedeutung und dienen
zur Erbauung und Andacht. Deswegen hat der hl. Papst Pius V. aufs allerstrengste
kraft des heiligen Gehorsams befohlen, daß jeder Priester nur auf diese Weise Messe
lesen darf, ohne das Geringste daran zu ändern.
Der Priester soll die hl. Messe deshalb auch nicht zu schnell lesen, damit er die
einzelnen Zeremonien recht und würdig vollziehen kann. Außerdem muß er sich auf
die hl. Messe vorbereiten und nach derselben die Danksagung verrichten. Hieraus
magst du nun erkennen, zu wie großem Dank du dem Priester verpflichtet bist, welcher
für dich eine hl. Messe unter Beobachtung so vieler Zeremonien liest. Und wie es
Sitte ist, ihm dafür auch eineUnterstützung für seinen Lebensunterhalt zu gewähren,
so wird das gewiß niemandem auffallen, der das Wort des hl. Paulus kennt: „Wer dem
Altar dient, der soll auch vom Altar leben." (1 Kor 9,13.)
Inhaltsverzeichnis
5. Vom vornehmsten Priester bei der hl. Messe.
16. Die ganze Größe und Würde der hl. Messe wird durch nichts besser erkannt,
als wenn man bedenkt, wer derjenige ist, der dieses Opfer darbringt. Wer meinst
du wohl, daß dieser sein möge? Der Priester, der Bischof, oder der Papst? O nein.
Meinst du, daß es ein Heiliger sei, oder ein Engel, oder Maria? Es ist niemand anders,
als der Priester aller Priester, der Bischof aller Bischöfe, der eingeborene Sohn
des Vaters, Jesus Christus, der vom Vater gesalbte Hohepriester, der ewige Priester
nach der Ordnung des Melchisedech. Dieser gibt dem allerhöchsten Meßopfer solch
hohe Vortrefflichkeit, die alle Vortrefflichkeiten übersteigt und das christliche
Sakrifizium ganz göttlich macht.
17. Daß Christus wirklich der eigentliche Priester bei der hl. Messe ist,
beweise ich aus dem hl. Chrysostomus, der sagt: „Was da vorgesetzt wird,
sind nicht die Werke menschlicher Kraft: der damals bei jenem Mahl wirksam war,
der wirkt das auch jetzt. Wir haben nur den Platz der Diener inne, der aber die
Gaben heiligt und verwandelt, ist Christus selbst. Du nun, wenn du den Priester
opfern siehst, dann glaube nicht, daß er als Priester dies tue, sondern die unsichtbar
ausgestreckte Hand Christi." Mit diesen Worten sagt der hl. Chrysostomus klar,
daß Christus selbst in eigener Person das Wichtigste bei der hl. Messe vollbringt,
daß er vom Himmel herabkommt, Brot und Wein in sein heiliges Fleisch und Blut verwandelt,
sich selbst Gott dem Vater für das Heil der Welt aufopfert und als ein getreuer
Mittler für das Wohl des Volkes bittet, während die Priester nur die Diener Christi
sind, ihm ihren Mund, ihre Stimme und ihre Hände leihen, auf daß Christus durch
ihre Mithilfe dieses göttliche Opfer vollbringe.
18. Wenn aber jemand dem hl. Chrysostomus vielleicht nicht glauben wollte, so
will ich ihm ein Beweis liefern, dem er nicht widersprechen kann noch darf, das
Zeugnis der heiligen, katholischen Kirche, die auf dem Konzil von Trient
sagt, das Kreuzopfer und das Meßopfer sei ein und dasselbe Opfer, „denn es ist ein
und dieselbe Opfergabe, es opfert jetzt ebenderselbe unter dem Dienst der Priester,
der sich damals am Kreuz selbst aufopferte; nur die Weise des Opfers ist verschieden."
(22. Sess. K 2).
Siehe, mit diesen Worten lehrt uns die Kirche und stellt uns zu glauben vor, daß
die Priester nur Diener Christi sind, und daß er sich selbst am Altar ebenso gut
und wirksam aufopfert, als er, am Kreuz hängend, sich aufgeopfert hat. O welch hohe
Ehre und große Gnade, o was für eine Wohltat ist dies für uns, daß unser göttlicher
Heiland sich würdigt, unser Priester, unser Mittler und unser Fürsprecher zu sein
und sich selbst in eigener Person Gott dem Vater für uns darzustellen und aufzuopfern!
19. Höre auch, wie der hl. Paulus dasselbe lehrt, der schreibt: „Auch geziemt
es sich, daß wir einen solchen Hohenpriester hätten, der da wäre heilig, schuldlos,
unbefleckt, nicht aus der Reihe der Sündern, sondern über die Himmel erhoben; der
nicht jeden Tag nötig hat, wie die Hohenpriester, zuerst für seine eigenen Sünden
Opfer darzubringen, dann für die des Volkes; denn dieses hat er einmal getan, da
er sich selbst aufopferte. Denn das Gesetz stellt Menschen zu Hohenpriestern auf,
die Schwachheiten haben; das Wort des Eides aber, das nach dem Gesetz gekommen ist,
den Sohn, den Vollkommenen in Ewigkeit." (Hebr 7,26f.)
Sind dies nicht schöne Worte, mit welchen der hl. Paulus uns vor Augen stellt, wie
hoch der liebe Gott uns geschätzt hat, da er uns keinen gebrechlichen, sündhaften
Menschen, sondern seinen eigenen und einzigen Sohn, welcher die Heiligkeit selbst
und voll aller Tugenden ist, zum Priester und Mittler verordnet hat?
20.
Nun wollen wir denn erwägen, warum Christus sein Opfer keinem Menschen als Priester
hat anvertrauen wollen. Die vornehmste Ursache war, weil dieses sein Opfer ganz
rein und unbefleckt sein mußte, wie der Prophet Malachias geweissagt hat
mit den Worten: „An allen Orten wird meinem Namen ein reines Opfer dargebracht werden"
(Mal 1,11), worüber die Kirche sagt: „Das ist jenes reines Opfer, das durch keine
Unwürdigkeit oder Bosheit der Opfernden kann befleckt werden." (Konzil von Trient,
22. Sitzung Kap. 1)
Wenn die Priester die eigentlich Opfernden wären, so würde ja ganz gewiß das
Meßopfer oft genug befleckt und verunreinigt werden, und man könnte jedesmal in
Zweifel geraten, ob Gott ein angenehmes Sakrifizium geopfert sei. Deswegen hat Gott
Vater gewollt, daß sein heiligster Sohn den Namen und das Amt eines Priesters für
sich selbst beibehalten solle laut seinen eigenen Worten: „Du bist Priester auf
ewig nach der Ordnung des Melchisedech." Die Priester sind die Diener bei diesem
höchsten Opfer. Wie nun ein Diener, wenn er von seinem Herrn einen Dukaten empfängt,
um ihn in einer Kirche zu opfern, dieses Opfer nicht beflecken könnte, selbst wenn
er sich dabei im Stand der Todsünde befände, ebenso können auch die Priester das
hochwürdige Meßopfer, das sie im Namen Christi aufopfern, weder beflecken noch verunreinigen.
21.
Warum hat dann aber Christus keinem Engel oder Heiligen, oder seiner reinsten
Mutter dies anvertrauen wollen? Die sind doch ganz heilig und voller Gnaden und
würden dies reinste Opfer keineswegs verunreinigt, sondern auf die allervortrefflichste
Weise dargebracht haben! Ja, o mein Gott, wie heilig und andächtig würde die
hl. Messe sein, die ein Cherub oder der heiligste Seraph lesen würde! O, was
für eine herzliche Freude und Andacht würden diejenigen haben, die eine solche hl.
Messe mitfeiern und mit eigenen Augen sehen könnten, wie ein solcher Seraph so andächtig,
so ehrerbietig und so aufmerksam die hl. Messe lesen würde! Gewiß würden ihre Herzen
vor lauter Andacht überfließen und mit göttlicher Liebe entzündet werden. Wenn nun
dies bei der heiligen Messe eines Seraphs geschehen sollte, was würde dann geschehen,
wenn die Mutter Gottes selbst ihren lieben Sohn auf dem Altar aufopferte? Sie
hat ja der hl. Mechthild geoffenbart: „Ich habe meinen Sohn am Lichtmeßtag
mit so großer Andacht und Dankbarkeit Gott dem Vater aufgeopfert, daß, wenn die
Andacht aller Heiligen in eines Menschen Herz eingegossen würde, sie dennoch mit
meiner Andacht nicht verglichen werden könnte." Wenn nun Maria dies getan, als sie
noch auf Erden lebte, was würde sie nicht jetzt tun, da sie im Himmel wohnt und
mit Tugenden und göttlichen Gnaden ganz überfüllt ist? O wie kräftig, o wie andächtig,
o wie unergründlich heilig würde jenes Meßopfer sein, welches die glorwürdigste
Mutter Gottes dem allerhöchsten Gott darbringen möchte! Wiewohl nun ein solches
Meßopfer eines großen Heiligen, eines hohen Seraphs oder der allerseligsten Jungfrau
überaus heilig sein würde, so wäre es dennoch dem unendlich heiligen Gott noch nicht
heilig genug, weil ihm ein solches Opfer gebührt, das seiner unendlichen, göttlichen
Majestät ähnlich und gleichförmig ist. Deswegen hat Christus das allerheiligste
Meßopfer keinem Engel, noch einem Heiligen, viel weniger einem sündigen Menschen
anvertrauen wollen und können, sondern sich selbst vorbehalten, auf daß er täglich
seinem mächtigsten Vater zum Heil seiner lieben Gläubigen ein entsprechendes Opfer
darbringen und dasselbe auf so unendliche, hohe und unbegreiflich kräftige Weise
aufopfern könne, daß die allerheiligste Dreifaltigkeit ein unendliches Wohlgefallen
daran haben muß.
22. Hieraus folgt nun, daß jede hl. Messe einen unergründlichen Wert hat, weil
sie von Christus selbst mit solcher Andacht und Ehrerbietung aufgeopfert wird,
daß dieses allen Verstand der Engel und Menschen übersteigt.
Das hat Christus mit folgenden Worten der hl. Mechthild geoffenbart:
„Ich
allein weiß und verstehe vollkommen, wie ich mich täglich auf dem Altar für das
Wohl der Gläubigen aufopfere, was weder Cherubim noch Seraphim noch die himmlischen
Kräfte völlig begreifen können." O mein Gott, wie vortrefflich und unschätzbar muß
dann diese Aufopferung Christi in der hl. Messe sein, daß auch die heiligsten Engel
sie nicht ergründen können! O mein liebster Jesus, wie unerforschlich muß dann diese
deine Aufopferung sein, weil du selbst bezeugst, daß nur du allein mit deinem göttlichen
Verstand sie erfaßt! O, wie glückselig muß dann jeder sein, der die hl. Messe mifeiert
und dadurch verdient, daß du diese unergründliche, allerkräftigste und allerheilsamste
Aufopferung für ihn verrichtest!
23. Beherzige doch diese Worte, lieber Leser, und erwäge tief bei dir, wie viel
dir das Messemitfeiern nützt und einbringt, da in ihr Jesus Christus selbst sich
für dich aufopfert, sich als Mittler zwischen die göttliche Gerechtigkeit und deine
unendliche Ungerechtigkeit hinstellt und die gerechte Strafe, so du mit deinen Sünden
täglich verschuldest, entweder ganz abwendet oder zum wenigsten aufhält. Wenn du
das richtig erkennst, wie sehr würdest du dann die hl. Messe lieben, wie herzlich
danach verlangen, wie andächtig würdest du sie hören, wie ungern würdest du dich
davon abhalten lassen! Ja, du würdest lieber an deinen zeitlichen Gütern Schaden
leiden, als durch Versäumung der so heilsamen Messe deiner Seele so großen Schaden
zufügen. So haben es die ersten Christen getan, welche die Messe so herzlich liebten, daß sie lieber ihr Leben lassen als die hl. Messe versäumen wollten. Woher kam denn
dieser Eifer? Weil sie den hohen Wert der hl. Messe erkannten und ihrer Früchte
gern teilhaftig werden wollten. Dies sollen wir von ihnen lernen und, durch ihr
Beispiel aufgemuntert, neue Lust und Liebe zur hl. Messe schöpfen.
Inhaltsverzeichnis
6. Welch kostbare Gabe in der hl. Messe geopfert wird.
24. Obwohl von den Vorzügen der hl. Messe nun schon viel gesagt ist, so bleibt
dennoch etwas Großes übrig, nämlich die Kostbarkeit der Opfergabe, welche der allerheiligsten
Dreifaltigkeit in der hl. Messe dargebracht wird. Der hl. Paulus schreibt
an die Hebräer (8,3): „Ein jeder Hoherpriester wird aufgestellt zur Darbringung
von Gaben und Opfern; deshalb ist es notwendig, daß auch dieser (nämlich Christus)
etwas habe, das er darbringe." Der hl. Paulus fügt nicht hinzu, was denn Christus
darzubringen habe, und so entsteht nun die Frage, was für ein Opfer Christus dem
himmlischen Vater in seinem Priesteramt aufopfert. Es darf das gewiß nichts Geringes,
sondern muß schon eine kostbare Gabe sein, würdig des Herrn, dem sie aufgeopfert
wird. Denn je größer und höher der Herr ist, um so größer und wertvoller muß
auch die Gabe sein. Würde jemand einem König oder Kaiser eine Handvoll Bohnen
verehren wollen, so würde er schlechten Dank verdienen, ja noch Spott genug davontragen.
Nun aber ist der allmächtige Gott ein Herr von so großer Majestät und Würde, daß
Himmel und Erde gegen ihn weniger sind als eine Handvoll Bohnen gegen den Kaiser.
Höre, was der weise Mann von ihm sagt: „Wie ein Stäubchen an der Waage, also ist
der Erdkreis vor dir, wie ein Tropfen des Morgentaues, der auf die Erde herabfällt."
(Wsh 11,23) Wenn also die ganze Welt nur wie ein Tröpflein Tau gegen Gott zu rechnen
ist, was will man denn in der ganzen weiten Welt finden, das würdig wäre, ihm als
Gabe angeboten zu werden? Was will dann Christus außer Gott finden in dem ganzen
Himmel, das er der hochheiligen Dreifaltigkeit zu einem
würdigen und wohlgefälligen Opfer verehren könne?
25. So höre denn und staune! Etwas gab es, aber auch nur ein einziges im ganzen
Himmel und auf der ganzen Erde, was eine würdige Opfergabe für den unendlichen Gott
sein könnte, nämlich Christi eigene, allerheiligste, unbefleckte, hochgebenedeite
Menschheit, d.h. sein allerheiligster Leib, sein rosenfarbenes Blut und seine
gebenedeite Seele. Diese seine hl. Menschheit ist das Vortrefflichste und Allerwunderbarste,
was die allmächtige Hand Gottes erschaffen hat. Das hat einmal die Muttergottes
der hl. Brigitta geoffenbart mit den Worten: „Die Menschheit Christi ist
das Allerkostbarste, was jemals gewesen und noch wirklich ist." Denn die allerfreigebigste
Hand Gottes hat der menschlichen Natur Christi so viele und große Gnaden, Reichtümer,
Tugenden, Heiligkeit, Weisheit, Vorzüge und Freiheit eingegossen, daß er ihr nicht
noch mehr mitteilen könnte. Nicht, als ob Gott nicht noch Größeres gehabt hätte,
sondern weil die menschliche Natur Größeres nicht mehr aufnehmen konnte.
Obwohl also Maria von unsagbarer Schönheit, Heiligkeit und Hoheit ist, so verschwindet
sie doch gegen die Menschheit Christi wie eine brennende Fackel gegen die hell leuchtende
Sonne. Dieser menschlichen Natur Christi sind alle Engel und Heiligen im Himmel
und alle Menschen auf Erden nächst Gott die höchste Ehre schuldig wegen der hohen
Gnaden und Tugenden, die ihm als dem Haupt der Menschheit in so hohem Grad eingegossen
worden sind wie keinem anderen geschaffenen Wesen.
26. Bei der Erschaffung der Engel hat Gott in seiner Freigebigkeit ihnen unschätzbar
und unzählbar viel Heiligkeit, Vollkommenheiten und Vorzüge verliehen; er hat auch
vielen frommen Menschen manche große Gnaden, Tugenden und Heiligkeit aus lauter
Güte mitgeteilt; über alle aber hat er der allerseligsten Jungfrau Maria sowohl
bei ihrer Erschaffung wie nachher in ihrem heiligen Leben viele unbegreifliche Gnaden,
Privilegien und Vollkommenheiten verehrt und geschenkt.
Und nun zähle all dies zusammen, so viel hat der Hl. Geist der menschlichen Natur
Christi bei der Erschaffung mitgeteilt, nein, noch viel mehr, denn über dieses hinaus
noch viele andere gleichsam unendliche Gnaden, Reichtümer und himmlische Schätze.
Nun urteile selbst, wie unbegreiflich edel, schön, liebenswürdig, verständig und
glorwürdig die heilige Menschheit Christi sein mag, da sie ein unendliches Meer
aller Vollkommenheiten in sich begreift.
27. Diese allerkostbarste und allerhochwürdigste Menschheit Christi ist also
das einzig teuere Opfer, das der höchste Bischof unserer Seelen, der eingeborene
Sohn Gottes, der allerheiligsten Dreifaltigkeit täglich in allen hl. Messen aufopfert.
Mit ihr zugleich opfert er alles dasjenige, was diese heiligste Menschheit in den
dreiunddreißig Jahren seines Wandels hier auf Erden zu größerer Ehre des dreifaltigen
Gottes in herzlicher Liebe getan und mit bitteren Schmerzen gelitten hat, all sein
Fasten, Wachen, Beten, Reisen, seine Bußwerke, Predigten und Abtötungen, all seine
Verfolgungen, seine Verachtung und Verspottung, seine Schmerzen, Geißelschläge,
seine Dornenkrönung und Annagelung, seine Wunden, Leiden und Qualen, all seine Tränen
und Schweißtropfen, seinen Blutschweiß, das Wasser seiner Seite und sein kostbares
Blut. Dieses alles stellt Christus in jeder Messe der hochhl. Dreifaltigkeit vor
Augen und opfert es auf ebenso kräftige und annehmbare Weise, wie er es in seinem
heiligen Leben und Leiden getan hat.
28. Und nun kommt als Hauptsache noch dazu, daß Christus diese seine hl. Menschheit
nicht allein aufopfert, sondern in innigster Vereinigung mit seiner göttlichen Natur.
Denn obwohl im hl. Meßopfer nicht eigentlich die Gottheit, sondern die Menschheit
Christi der heiligsten Dreifaltigkeit aufgeopfert wird, so doch in der Vollkommenheit,
welche sie durch die persönliche Vereinigung mit der Gottheit empfangen hat. Durch
diese Vereinigung ist die menschliche Natur Christi vergöttlicht, mit unendlichen,
göttlichen Schätzen bereichert und von unendlichem Wert und unendlicher Würde geworden.
Daraus kannst du nun schließen, was für ein überaus kostbares Opfer unser Heiland
in jeder hl. Messe dem himmlischen Vater darbringt.
29. Zuletzt ist auch noch wohl zu erwägen, daß Christus seine Menschheit nicht
aufopfert in der Gestalt, in der sie im Himmel ist, sondern in der Gestalt, wie
sie auf dem Altar gegenwärtig wird. Denn im Himmel ist die Menschheit Christi so
glorwürdig und majestätisch, daß auch die hl. Engel davor erzittern.
Auf dem Altar aber ist sie so demütig und erniedrigt, daß ebendieselben hl. Engel
sich gar nicht genug darüber wundern können. Denn hier ist diese göttliche Menschheit
unter der Gestalt der hl. Hostie verborgen, wie mit dem ärmsten Gewand umkleidet,
ja wie in einem engen Gefängnis verschlossen. Denn diese Gestalten umgeben den Leib
Christi und halten ihn so eingeschlossen, daß keine Gewalt ihn davon wieder trennen
kann, solange die Gestalten währen. Der unsterbliche Leib Christi erscheint auf
dem Altar nicht größer, als die Gestalt der hl. Hostie ist, ja, wie das kleinste
Teilchen, das von der größeren Hostie abfällt, weil er in jedem Teil der konsekrierten
Hostie ganz zugegen ist. Weder in solchen kleinen Stücklein noch in der großen
Hostie kann er seine Hände und Füße bewegen oder ein äußerliches Werk tun, nein,
wie in einem Gefängnis liegt er da, all seiner Macht und Kräfte gleichsam beraubt.
30. Was mag der dreifaltige Gott sagen, wenn er diese glorwürdigste Menschheit Christi
in solch demütiger Gestalt anschaut und gleichsam wie ein verächtliches Würmlein
vor seinen Füßen liegend erblickt! O, was für eine gewaltige Ehre empfängt der himmlische
Vater dadurch, da er ja sieht, daß sein Sohn all diese äußerste Erniedrigung zu
desto höherer Ehre des Vaters auf sich nimmt. O, was für eine unbegreiflich große
Kraft und Hoheit empfängt das hl. Meßopfer dadurch! O, was für großes Heil und Nutzen
bekommen dadurch die Menschen, für welche das hochheilige Opfer gefeiert und aufgeopfert
wird! O, was für Trost und Erquickung gewinnen daraus die Seelen im Fegfeuer, für
deren Erlösung diese heilsame Messe gelesen und gehört wird!
31. In dem Buch von den vortrefflichen Männern des Zisterzienserordens ist zu lesen,
wie zu Zeiten des hl. Bernard ein Ordensmann zu Clairvaux gestorben und zu den Leiden
des Fegfeuers verurteilt wurde. Dieser erschien einem alten Pater und bat, die
Priester möchten doch die hl. Messe für ihn lesen. Nach wenigen Tagen erschien
er dem Pater wieder mit fröhlichem Angesicht, wies ihn dann hin auf die hochhl.
Messen, welche die Priester in der Klosterkirche für ihn lasen, und sprach: „Siehe,
das sind die Waffen der Gnade Gottes, wodurch ich errettet worden bin. Ich sage
dir in Wahrheit, daß diesen Waffen der göttlichen Gnade, dieser Kraft der Barmherzigkeit
Gottes, diesem Schlachtopfer des Heilands, gar nichts widerstehen kann als nur einzig
und allein ein unbußfertiges Herz." Dies erwähne ich hier, damit du die Herrlichkeit
der hl. Messe aus diesem Lobspruch desto besser erkennst und sie desto lieber, öfter
und andächtiger hören mögest. Denn die täglichen hl. Messen sind die Waffen der
göttlichen Gnade, die Kraft der göttlichen Barmherzigkeit; sie enthält jenes
Schlachtopfer, dem nichts widerstehen kann, wenn man sie mit Andacht hört. Wir sollen
uns befleißen, unserem treuen Heiland herzlichen Dank zu sagen, daß er sich täglich
und stündlich dem himmlischen Vater aufopfert, und sollen ihm danken, daß er uns
diese kräftigen Waffen gegeben hat, durch die wir Gottes Gnaden erwerben und seine
Barmherzigkeit gleichsam
erzwingen können.
32. Zum größerem Ruhm der hl. Messe wollen wir nun vernehmen, was sich bei der
Einweihung der Wallfahrtskapelle in Einsiedeln nach dem Zeugnis des hl.
Konrad in der Nacht zum 14. Sept. 948 zugetragen hat. Im Leben des hl. Meinrad
ist zu lesen, wie achtzig Jahre nach dessen Tod Eberhard, ein frommer Einsiedler,
all sein ererbtes Vermögen zum Bau des Klosters verwendet und den hl. Bischof Konrad
von Konstanz ersucht hat, die Kapelle einzuweihen.
Als dieser nun in der Nacht vor der Weihe in die Kapelle gehen wollte, um zu beten,
hörte er darin schon, die Antiphonen und Responsorien von der Kirchweihe laut singen.
Als er hineinkam, sah er die Kapelle voller Engel und Christus selbst in bischöflicher
Kleidung, wie er diese einweihte. Hierüber geriet Konrad in solches Staunen,
daß er unbeweglich weiter dort verharrte. Er sah und hörte, wie Christus ganz dieselben
Worte und Zeremonien brauchte, welche die Kirche vorschreibt, und wie die Heiligen
ihm dabei dienten. Maria, zu deren Ehre die Kapelle und der Altar geweiht wurden,
stand auf dem Altar in höchster Herrlichkeit, glänzender als die Sonne und leuchtend
wie der Blitz. Nach Vollendung der Weihe sang der Heiland das Hochamt in größter
Feierlichkeit, und die Chöre der Engel musizierten und sangen dazu so herrlich,
daß der hl. Konrad vor lauter Wonne fast vergangen wäre. Nach vollendeter Messe
verschwand das himmlische Heer und hinterließ ihn voll Freude und Süßigkeit. Als
man dann am nächsten Morgen in ihn drang, die Weihe zu beginnen, da hörten alle
eine Stimme vom Himmel, die dreimal sprach:
„Höre auf, Bruder, die Kapelle ist schon konsekriert." So ließ er dann ab
mit der Weihe und schrieb diese wundersame Sache an den hl. Vater nach Rom. O wären
wir doch bei dem hl. Konrad gewesen und hätten sehen können, was
er gesehen hat: was für Verwunderung, was für Freude, was für Andacht würden wir
empfunden haben! Wir freuen uns auch so, weil wir wissen, daß Christus selbst
alle Tage in der hl. Messe sich selbst aufopfert, und daß wir daran teilnehmen
können, wenn wir nur wollen.
Inhaltsverzeichnis
3. Kap. - Von den Geheimnissen der hl. Messe.
1.
Da ich nunmehr von den Geheimnissen der hl. Messe reden will, drängt es mich,
mit David auszurufen: „Kommt und seht die Werke des Herrn, welche Wunder er auf
Erden gewirkt hat." (Ps 45,9.) Christus hat zwar viele Wunderzeichen hier auf Erden
gewirkt, aber mich dünkt, es sei doch keines höher und größer gewesen, als da er
beim letzten Abendmahl das allerhochwürdigste und allerheiligste Meßopfer einsetzte.
Dasselbe ist ein kurzer Inbegriff aller Wunderwerke Gottes und ein Wunder über alle
Wunder, so daß der hl. Bonaventura sagen und schreiben durfte:
„Die Messe ist in ihrer Weise so voller Geheimnisse wie das Meer voller Tropfen,
die Luft voller Stäublein, das Firmament voller Sterne und der Himmel voller Engel."
Denn in ihr gehen täglich so viele Geheimnisse vor sich, daß ich nicht weiß, ob
die allmächtige Hand Gottes jemals etwas Größeres gewirkt hat.
2. Mit diesen erstaunlichen Worten des hl. Bonaventura, welche die Geheimnisse der
hl. Messe als ganz unzählbar hinstellen, stimmt Pater Sanchez überein, indem
er ausführt: „In der hl. Messe empfangen wir so wunderbare und wahrhafte Schätze,
so kostbare himmlische Gaben, so viele Güter für das gegenwärtige und so gewisse
Hoffnung für das zukünftige Leben, daß wir, um dieses zu begreifen, die Gabe des
übernatürlichen Glaubens haben müssen." Damit will er sagen: Wenn uns nicht Gott
selbst durch seine übernatürliche Offenbarung über die Schätze der hl. Messe unterrichtet
hätte, so würden wir mit unserem einfachen Verstand nichts davon erfassen können.
Dann fährt er fort: „Gleich wie du aus dem Meer oder einem Fluß stets genug Wasser
schöpfen kannst, also kannst du es auch mit der hl. Messe machen. Denn die Unermeßlichkeit
derselben ist so groß, daß sie nie erschöpft, ja nicht einmal vermindert werden
kann." Aus diesem schönen Vergleich kannst du entnehmen, wie voller Gnaden und
Geheimnisse die hl. Messe ist, und wie viele geistliche und leibliche Güter man
täglich daraus schöpfen kann.
3. Das hat der hl. Augustinerpater Johannes von Facundo wohl gewußt, der
keinen Tag die hl. Messe unterließ und sie immer des Morgens in aller Frühe feierte,
weil seine Sehnsucht nach dem Opfer Christi so groß war, daß er nicht länger warten
konnte. Er las aber die Messe so langsam, daß die Meßdiener manchmal vom Altar fortliefen
und keiner bei ihm dienen wollte. Als ihm danach der Prior befahl, nicht mehr Zeit
zu gebrauchen als die übrigen Priester, gehorchte der heilige Mann; nach einigen
Tagen aber fiel er dem Prior zu Füßen und bat, den Befehl zurückzunehmen. Der Prior
wollte erst den Grund wissen, weshalb Johannes so viele Zeit haben wollte, aber
erst auf langes Drängen teilte dieser ihm denselben mit, und nun sprach der Prior
zu einem vertrauten Pater: „Glaube mir für gewiß, daß unser Pater Johannes deswegen
so lange Messe liest, weil Gott ihm die großen Geheimnisse, welche in derselben
vorgehen, zu erkennen gibt, die so hoch sind, daß kein Mensch sie mit seinem Verstand
begreifen kann. Von diesen Geheimnissen hat er mir so große Dinge gesagt, daß ich
vor Schrecken fast außer mir war. Glaube mir sicherlich, daß Christus sich diesem
Pater leiblicherweise zeigt, mit ihm freundlich redet, ihm seine fünf Wunden zeigt
und aus denselben solchen Glanz über den heiligen Mann ausgießt und ihn so erquickt,
daß er ohne Speis und Trank würde leben können. Pater Johannes sieht auch den
Leib Christi wie eine glänzende Sonne und er kennt dessen unendliche Glorie und
Schönheit. Ja, er erkennt auch so hohe und himmlische Dinge, daß kein Mensch sie
recht ergründen oder aussprechen kann. Darum will ich von nun an auch selbst nie
unterlassen, die hl. Messe zu lesen oder zu hören und andere dazu anzutreiben."
Aus diesen Worten können wir klar erkennen, wie voll wunderbarer Geheimnisse
die hl. Messe sein muß. Ein Teil derselben wird schon dadurch begriffen, daß wir
die Vorbilder aus dem AltenTestament betrachten, die in ihr erfüllt, ja gleichsam
erneuert werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Die Vorbilder der hl. Messe.
4. Das erste Vorbild war das Opfer des frommen und gerechten Abel, welcher
aus wahrer Andacht zu Gott, von den Erstlingen seiner Herde Gott zum Bekenntnis
seiner unendlichen Majestät ein Brandopfer dargebracht hat. Daß dieses Opfer dem
lieben Gott gefallen habe, bezeugt die Hl. Schrift (Gen 4,4) mit den Worten:
„Der Herr schaute auf Abel und seine Gaben," wo Theodotion übersetzt: „Der Herr
zündete das Opfer Abels an," indem er etwa Feuer vom Himmel kommen ließ wie
später bei Einweihung des Tempels. In ähnlicher Weise geschieht es auch bei unserem
Meßopfer; wenn nämlich der Priester die Worte der hl. Wandlung über Brot und Wein
ausspricht, so fällt das göttliche Feuer des Hl. Geistes vom Himmel herab, entzündet
gleichsam das Opfer des Brotes und Weines und verwandelt sie in den wahren Leib
und das wahre Blut Christi. Das Opfer Abels hat dem allmächtigen Gott sehr wohl
gefallen, das Opfer der Christenheit aber gefällt ihm unvergleichlich mehr. Denn
wenn ein Priester die hl. Hostie in die Höhe hebt, so spricht der Vater dieselben
Worte wie bei der Taufe Christi: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein
Wohlgefallen habe." (Mt 3,17)
5. Das zweite Vorbild war das Opfer des gerechten Noe, von dem in Gen 8,
20f. geschrieben steht: „Noe aber baute dem Herrn einen Altar und nahm von allen
reinen Tieren und Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar. Und der Herr roch
den lieblichen Geruch und sprach: „Niemals wieder will ich die Erde verfluchen um
der Menschen willen." Wenn nun also der erzürnte Gott solches Gefallen an dem Opfer
des Noe gehabt hat, daß er versprach, die Welt hinfür niemals mit einer Sündflut
wieder zu strafen, wieviel mehr wird ihm dann das Opfer gefallen, in dem der allersüßeste
Geruch der Tugenden und Heiligkeit Christi zum Himmel emporsteigt?
6. Das dritte Vorbild des hl. Meßopfers waren die verschiedenen Opfer des Patriarchen
Abraham, von dem mehrmals in der Hl. Schrift steht: „Abraham erbaute dem Herrn
einen Altar und rief da dessen Namen an." Dasselbe liest man auch von Isaak und
Jakob, die Diener des wahren Gottes waren und nach dem Beispiel
aller Gerechten dem Herrn aller Herren Brand- und Schlachtopfer darbrachten. Alle
Priester des Neuen Testamentes sind diesen großen Dienern Gottes getreu nachgekommen
und setzen das bis auf den heutigen Tag mit heiligem Eifer fort, indem alle, die
nur ein wenig wahre Andacht zu Gott haben, ihm auch täglich das allerhochwürdigste
Opfer aufopfern.
7. Das vierte Vorbild unseres heiligsten Meßopfers war das Opfer des Königs
und Hohenpriesters Melchisedech, der dem allmächtigen Gott zur Danksagung für
den Sieg Abrahams in neuer Art Brot und Wein unter bestimmten Zeremonien und Gebeten
aufopferte. Aber davon wurde schon im ersten Kapitel genug gesagt. So kommen wir
denn zum fünften Vorbild, den Opfern im Gesetz des Moses, die von Gott selbst
waren befohlen worden. Denn vor dieser Zeit hatten die frommen Väter aus freiem
Willen nach Eingebung des natürlichen Verstandslichtes, wann und wo sie wollten,
Opfer Gott dargebracht. Im Gesetz aber hat Gott befohlen, daß die Juden ihm vor
allem drei Opfer darbringen sollten, nämlich Brandopfer, Friedopfer und Sühnopfer.
Täglich sollten sie ihm zwei Lämmlein schlachten und aufopfern, nämlich eins morgens
und eins abends. Alle diese jüdischen Opfer dauerten bis Christus und waren klare
Vorbilder des Kreuzesopfers. Nach dem Leiden Christi aber mußten sie aufhören;
an ihre Stelle trat das Meßopfer als tägliche Erneuerung des Kreuzesopfers.
8. Dieser Opfer von den ersten Zeiten her geschieht ausdrückliche Erwähnung
in jeder hl. Messe, da der Priester bald nach der hl. Wandlung also zum Herrn des
Himmels und der Erde spricht: „Würdige dich, auf diese Gaben mit gnädigem und freundlichem
Angesicht herabzublicken und sie wohlgefällig aufzunehmen, wie du dich gewürdigt
hast, huldvoll die Gaben deines gerechten Dieners Abel und das Opfer unseres Patriarchen
Abraham anzunehmen und jenes, das dir dein Hoherpriester Melchisedech dargebracht
hat, ein heiliges Opfer, eine fleckenlose Weihegabe." Dadurch zeigt die Kirche selbst,
das jene Opfer Vorbilder des hl. Meßopfers waren, wenn dieselben auch nicht im mindesten
an den Wert der hier geopferten Gabe heranreichen können. Möchten nur wir alle
beim hl. Meßopfer dieselbe Andacht haben, mit welcher jene ihr Opfer verrichteten,
damit Gott auch aus unserer
Hand die heiligste Opfergabe in Gnaden aufnehmen könne.
Inhaltsverzeichnis
2. Über die Geheimnisse der hl. Messe.
9. Hier ist nun zu wissen, daß die wichtigsten Geheimnisse des ganzen Lebens
und Leidens Christi in der hl. Messe begriffen und uns vorgestellt werden. Das will
der Psalm 110,4 andeuten, wo es heißt: „Ein Gedächtnis seiner Wunderwerke
hat der gnädige und barmherzige Herr gestiftet." Und damit wir erkennen, daß hiermit
auf die hl. Messe hingewiesen sei, heißt es in Ps 28,6f.: „Ich will bei deinem Altar
sein, o Herr, damit ich die Stimme des Lobes höre und all deine Wunder erzähle."
Hat denn nicht Christus Ähnliches gesagt, als er das hochheilige Meßopfer einsetzte
und seinen Aposteln die hl. Messe zu lesen befahl mit den Worten: „Tut dies zu meinem
Gedächtnis?" Als wollte er sagen: Da ich nun von euch scheiden muß und nach Vollendung
der menschlichen Erlösung zu meinem himmlischen Vater gehen werde, sollt ihr doch
meiner niemals vergessen, sondern mich allzeit in frischem Gedächtnis behalten;
darum setze ich die hl. Messe als das Opfer des Neuen Testamentes ein, in dem
alle Geheimnisse meines ganzen Leben und Leidens eingeschlossen sind und allen
meinen Gläubigen vor Augen gestellt werden.
10.
Daß dieses sich wirklich so verhält, will ich in einem kurzen Überblick beweisen
und erklären. Erstens wird das hochwürdigste Geheimnis der gnadenreichen Menschwerdung
Christi nicht allein dargestellt, sondern gewissermaßen erneuert. Denn gleichwie
die allerseligste Jungfrau Maria zur Vollbringung der Menschwerdung ihren Leib und
ihre Seele darbot und nur durch Überschattung des Hl. Geistes das Wort Fleisch werden
konnte, ebenso bietet der Priester Brot und Wein dar, opfert sie dem allmächtigen
Gott, und der Hl. Geist verwandelt sie durch die Kraft der Wandlungsworte in den
wahren Leib und das wahre Blut Christi. Auf diese Weise wird das allergöttlichste
Geheimnis der Menschwerdung Christi erneuert, und der Priester hat ebensowohl
Christus in seinen Händen, wie Maria ihn in ihrem jungfräulichen Schoß getragen
hat.
11. Das gnadenreiche Geheimnis der Geburt Christi wird ebenfalls erneuert
und uns klar vor Augen gestellt. Denn gleichwie Christus aus Maria der Jungfrau
geboren wurde, so wird er in der hl. Messe aus dem Mund der Priester gleichsam
geboren, und wenn der Priester das letzte Wort der Wandlung ausspricht, so hat
er das liebe Christkind leibhaftig in seinen priesterlichen Händen. Zur Bezeugung
dessen fällt er auf seine Knie und betet seinen eigenen Gott und Schöpfer in seinen
Händen demütig an, hebt ihn dann mit Andacht über sein Haupt in die Höhe und zeigt,
ihn mit Freuden dem anwesenden Volk. Gleichwie die liebe Mutter Gottes ihr neugeborenes
Kindlein in Windeln gewickelt den frommen Hirten gezeigt und es zur Anbetung dargeboten
hat, ebenso zeigt auch der Priester dem Volk dasselbe Christkind, unter den Gestalten
des Brotes wie in Windeln eingehüllt, auf daß alle insgesamt es erkennen und als
ihren Herrn und Gott anbeten. Wer dieses von Herzen tut, der übt eine größere Tugend
als die frommen Hirten. Denn diese sahen die Menschheit Christi vor Augen und glaubten
an seine Gottheit, wir aber sehen nur die Gestalten und glauben dennoch fest, daß
die Gottheit und Menschheit Christi darunter verborgen ist.
12. In der hl. Messe haben wir auch denjenigen gegenwärtig, den die hl. drei
Könige angebetet, der greise Simeon auf seine Arme genommen und den Maria Gott dem
Vater im Tempel aufgeopfert hat. Wir hören auch Christus sein hl. Evangelium
durch den Mund des Priesters verkündigen und können daraus Heil und Nutzen schöpfen.
Wir sehen ferner Christus bei der hl. Messe Wunder wirken, denn da er den Wein in
sein hl. Blut verwandelt, so ist das ein viel größeres Wunder, als da er zu Kana
das Wasser in Wein verwandelte.
Wir sehen ihn weiterhin wiederum sein letztes Abendmahl halten und von neuem
wahrhaft Brot und Wein in sein heiliges Fleisch und Blut konsekrieren. Schließlich
sehen wir bei der Aufhebung auch Christus am Kreuz erhoben und hören ihn mit den
Ohren unseres Geistes für uns bitten und sagen: „Vater, verzeihe ihnen, denn sie
wissen nicht, was sie tun" und wie schwer sie mit ihren Sünden deine Gottheit beleidigen.
Dieses alles sehen wir zwar nicht mit Augen, aber dennoch glauben wir es von Herzen
und verdienen durch diesen unseren festen Glauben um so größeren Lohn, wie Christus
ausdrücklich bezeugt, da er zu Thomas spricht: „Selig sind, die nicht sehen und
doch glauben." (Jo 20,29.) Je höher und unbegreiflicher diese Geheimnisse sind,
um so kräftiger und verdienstlicher ist auch unser Glaube und um so reicher wird
unser Lohn sein im Himmel.
13. In der hl. Messe erfüllt Christus auch sein treues und tröstliches Versprechen,
das er vor seinem Scheiden mit den Worten gegeben hat: „Siehe, ich bleibe bei euch
alle Tage, bis an das Ende der Welt." (Mt 28,20.) Kraft seiner Gottheit ist ja Christus
immer und überall gegenwärtig, und darum ist dies Versprechen zu verstehen von seiner
Menschheit, mit der er in der hl. Messe und in dem hochwürdigsten Sakrament des
Altares zugegen ist. Da weilt er Tag und Nacht persönlich bei uns, ist allezeit
bereit, uns Audienz zu geben, unser Begehren anzuhören und uns in unseren Nöten
beizuspringen. In der hl. Messe aber ist er noch überdies unser Opfer, unser
Mittler und die Versöhnung für unsere Sünden. Denn, weil Christus in der hl. Messe
sein priesterliches Amt ausübt, deswegen steht ihm von Amts wegen zu, wie Paulus
(Hebr 5) sagt, daß er „opfere Gaben und Opfer für die Sünden des Volkes," daß er
sich seinem Vater für das Volk aufopfert, wie er sich ihm am Kreuz aufgeopfert hat.
Daraus erhellt, daß zwischen der hl. Hostie im Tabernakel oder der Monstranz und
in der hl. Messe doch noch ein großer Unterschied ist, obwohl die Gegenwart Christi
dieselbe ist. Denn in der hl. Messe liegt die hl. Hostie zugleich als Opfergabe
vor den Augen des Vaters.
14. Daß nun der liebe Heiland täglich bis zum Ende der Welt bei uns bleiben will,
dafür gibt es verschiedene wichtige Ursachen. Erstens: Weil er das Haupt seiner
Kirche oder seiner Gläubigen und diese sein geistiger Leib sind, dieser Leib aber
nicht bei dem Haupt im Himmel sein kann, so muß denn das Haupt bei dem Leib auf
Erden sein. Zweitens: Weil Christus der Bräutigam und die Kirche die Braut ist,
mit der er sich viel fester und inniger verbunden als weltliche Brautleute,
deswegen treibt ihn seine Liebe an, unaufhörlich bei seiner geliebten Braut zu weilen.
Höre nur, wie der hl. Paulus diese Liebe im Epheserbrief (5,25f.) hervorhebt: „Ihr
Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich selbst
für sie hingegeben hat, um sie zu heiligen und reinigen in der Wassertaufe durch
das Wort des Lebens, um selbst herrlich die Kirche sich darzustellen, ohne Makel,
ohne Runzel oder etwas dergleichen, sondern daß sie heilig und unbefleckt sei."
Alle Menschen sind Glieder der Kirche und werden in der hl. Taufe so schön geziert
wie die lieben Engel. Darum liebt Christus eine solche reine Seele mehr als ein
Bräutigam die allerschönste Braut. Deswegen will er auch bei ihr bleiben alle
Tage bis zum Ende der Welt. Daß aber Christus in so geheimnisvoller, nur für das
Auge des Geistes erkennbarer Weise bei seiner geliebten Braut, der Kirche, bleibt,
geschieht dazu, daß die gläubige Seele Gelegenheit habe, den Glauben
zu üben und täglich größere Belohnung im Himmel zu erwerben.
15. Drittens will Christus bei seiner Kirche bleiben, weil es sich geziemt, daß
er für seine geliebte Braut sorge, ihr die notwendige Nahrung verschaffe und sich
ihres Heils und ihrer Wohlfahrt treulich annehme. Dies alles und noch weit mehr
tut er in der hl. Messe und bei dem geistigen und wirklichen Empfang des hochhl.
Sakramentes und beweist dadurch in der Tat, daß er ein getreuer Liebhaber seiner
geliebten Braut ist, der er alles zu ihrem zeitlichen und ewigen Heile Notwendige
verschafft.
16. O christliche Seele! Wenn du eine Todsünde auf dir hast, so bist du des Teufels
Braut, und der leidige Satan regiert dich. Bist du aber ohne Todsünde und im
Stand der Gnade, so bist du eine Braut Christi und wirst von deinem Bräutigam herzlich
geliebt und in allem, was zu deinem Heil dient, fleißig versorgt. Was für Gnaden
und Wohltaten, meinst du, wird dir dein Bräutigam bei einer einzigen heiligen Messe
erweisen? Wie viele Mittel wird er dir an die Hand geben, um die Tugend zu üben
und deine Seligkeit zu vermehren! Höre und verwundere dich! Ich sage dir ernstlich
und will es dir in diesem Buch gründlich beweisen, daß Jesus aus lauter Liebe dir
in jeder hl. Messe, die du ohne Todsünde mit mittelmäßiger Andacht anhörst, 77 Gnaden
zu verdienen gibt. Auf daß du dies erkennest und
glaubest, will ich dir hier dieselben nacheinander aufzählen.
Inhaltsverzeichnis
3. - Die 77 Gnaden, die aus dem
andächtigen Messehören entspringen.
1. |
Wegen deines
Heiles schickt Gott Vater seinen lieben Sohn vom Himmel herab. |
2. |
Zu deinem
Heil verwandelt der Hl. Geist Brot und Wein in den wahren Leib und das
wahre Blut Christi. |
3. |
Um
deinetwillen kommt der Sohn Gottes vorn Himmel herab und verbirgt sich
in der hl. Hostie. |
4. |
Ja, er
erniedrigt sich so sehr, daß er auch in dem allerkleinsten Teilchen der
hl. Hostie zugegen ist. |
5. |
Wegen deines
Heiles erneuert er das gnadenreiche Geheimnis seiner Menschwerdung. |
6. |
Zu deinem
Heil wird er in jeder hl. Messe wiederum geistiger Weise geboren. |
7. |
Zu deinem
Besten verrichtet er auf dem Altar die Andachten, welche er auf Erden
vollbracht hat. |
8. |
Zu deinem
Heil erneuert er sein bitteres Leiden, auf daß er dich dessen teilhaftig
mache. |
9. |
Zu deinem
Heil stirbt er wiederum geistiger Weise und gibt sein edles Leben für
dich dar. |
10. |
Zu deinem
Heil vergießt er geistiger Weise sein heiliges Blut und opfert es dem
himmlischen Vater für dich auf. |
11. |
Mit diesem
heiligen Blut besprengt er deine Seele und reinigt, sie von ihren
schlimmen Makeln. |
12. |
Für dich
opfert sich Christus zum wahren Brandopfer und gibt der Gottheit so
große Ehre, wie ihrer Würde zukommt. |
13. |
Wenn du
diese Ehre Gott aufopferst, so erstattest du ihm die Ehre, welche du ihm
zu geben unterlassen hast. |
14. |
Für dich
opfert er sich zum Lobopfer und erstattet, was du am Lob Gottes versäumt
hast. |
15. |
Wenn du
dieses Lob Christi Gott aufopferst, so gibst du ihm ein höheres Lob, als
selbst die Engel ihm geben. |
16. |
Für dich
opfert sich Christus zum vollkommensten Dankopfer und erstattet, was du
im Danksagen versäumt hast. |
17. |
Wenn du
diesen Dank Christi Gott aufopferst, so vergiltst du ihm reichlich alle
Wohltaten, welche er dir gezeigt hat. |
18. |
Für dich
opfert sich Christus zum mächtigsten Versöhnungsopfer und macht dir den
erzürnten Gott wiederum zum Freund. |
19. |
Er verzeiht
dir auch alle deine läßlichen Sünden, die du zu meiden willst. |
20. |
Er ersetzt
auch viele von deinen Versäumnissen, die du durch Unterlassung des Guten
begangen hast. |
21. |
Er
verbessert viele von deinen Nachlässigkeiten, die du in Verrichtung des
Guten dir hast zu Schulden kommen lassen. |
22. |
Er verzeiht
dir auch deine unbewußten und vergessenen Sünden, die du niemals
gebeichtet hast. |
23. |
Er opfert
sich zum Opfer der Genugtuung und zahlt einen Teil deiner Schulden oder
Strafen. |
24. |
Durch
eine jede hl. Messe büßest du mehr Strafen ab als durch ein anderes
schweres Bußwerk; |
25. |
weil
Christus dir einen Teil seiner Verdienste schenkt, die du Gott dem Vater
für deine Sünden aufopfern kannst. |
26. |
Christus
opfert sich für dich zum kräftigsten Bittopfer und bittet für dich so
herzlich, als er am Kreuz für seine Feinde gebetet hat. |
27. |
Sein
heiliges Blut schreit für dich mit so vielen Worten, wie Blutströpflein
aus seinem Leib geflossen sind. |
28. |
Seine
heiligen Wunden schreien für dich mit so vielen Stimmen, wie ihrer an
seinem Leib gewesen sind. |
29. |
Wegen dieses
kräftigen Bittopfers erwirbst du das Erbetene weit eher in als außer der
hl. Messe. |
30. |
Das Gebet,
welches du bei der hl. Messe verrichtest, ist viel besser als das,
welches du außer der hl. Messe sprichst. Denn |
31. |
Christus
vereinigt es mit seinen Gebeten und opfert es seinem himmlischen Vater
auf. |
32. |
Deine Nöten
und Gefahren trägt er ihm treulich vor und läßt sich dein Heil ganz
angelegen sein. |
33. |
Alle
gegenwärtigen Engel bitten auch für dich und opfern dem höchsten Gott
dein armseliges Gebet auf. |
34. |
Der Priester
liest in deiner Gegenwart die hl. Messe, durch deren Kraft der böse
Feind von dir abgehalten wird. |
35. |
Der Priester
liest seine Messe auch für dich und opfert sie Gott auf zu deinem
größeren Heil. |
36. |
Wenn du bei
der hl. Messe bist, so bist du geistiger Weise ein Priester, und
Christus verleiht dir die Gewalt, die hl. Messe aufzuopfern, sowohl für
dich, als auch für andere. |
37. |
Wenn du die hl. Messe aufopferst, so verehrst du der heiligsten
Dreifaltigkeit die allerangenehmste Gabe. |
38. |
Du opferst
ihr eine gar teuere Gabe, die mehr wert ist, als Himmel und Erde. |
39. |
Du opferst
ihr eine so kostbare Gabe, sie ebenso viel wert ist wie Gott selbst. |
40. |
Durch diese
Aufopferung erweist du Gott eine so hohe Ehre, als Gott verehrt zu
werden verdient. |
41. |
Durch diese
Aufopferung erfreuest du die allerheiligste Dreifaltigkeit auf
unendliche Weise. |
42. |
Diese so
edle Gabe opferst du als deine eigene Gabe, weil sie dir von Christus
selbst geschenkt wird. |
43. |
Wenn du die
hl. Messe recht mitfeierst, so verrichtest du ein Werk des höchsten
Gottesdienstes. |
44. |
Durch das
Mitfeiern der hl. Messe erweist du der Menschheit Christi den höchsten
Dienst und Gefallen. |
45. |
Dadurch
verehrst du das Leiden Christi auf die beste Weise und machst dich
seiner Früchte teilhaftig. |
46. |
Du kannst
auch dadurch die Mutter Gottes auf die beste Weise verehren und
erfreuen. |
47. |
Alle Engel
und Heiligen kannst du mit dem Mitfeiern der hl. Messe mehr verehren als
durch das Sprechen vieler Gebete. |
48. |
Durch das
andächtige Messehören kannst du an deiner Seele reicher werden als durch
irgendein Ding dieser Welt.
|
49. |
Denn dadurch
verrichtest du eines der allerbesten guten Werken. |
50. |
Du
verrichtest eine hohe Übung des wahren Glaubens und verdienst dadurch
einen hohen Lohn. |
51. |
Wenn du dich
vor der hl. Hostie und dem hl. Kelch niederbeugst, so verrichtest du ein
vortreffliches Werk der Anbetung. |
52. |
Sooft du die
hl. Hostie andächtig anschaust, so oft verdienst du besonderen Lohn im
Himmel. |
53. |
Sooft du
demütig an deine Brust schlägst, so oft erlangst du Verzeihung einiger
Sünden. |
54. |
Wenn du im
Stand der Todsünde die hl. Messe hörst, so bietet dir Gott die Gnade der
Bekehrung an. |
55. |
Wenn du im
Stand der Gnade die hl. Messe hörst, so vermehrt dir Gott wunderbar
seine göttliche Gnade. |
56. |
Bei der hl.
Messe wirst du mit dem Leib und Blut Christi geistiger Weise gespeist
und getränkt. |
57. |
Du wirst
gewürdigt, Christus mit deinen Augen anzuschauen und von ihm angeschaut
zu werden. |
58. |
Du empfängst
auch den priesterlichen Segen, und Christus bekräftigt denselben im
Himmel. |
59. |
Durch das
fleißige Messehören wirst du an zeitlichen und leiblichen Gütern
gesegnet. |
60. |
Dadurch
wirst du vor vielem Unglück bewahrt, in das du sonst gefallen wärst. |
61. |
Du wirst in
deinen Anfechtungen gestärkt, von denen du sonst wärst überwunden
worden. |
62. |
Durch jede
hl. Messe erwirbst du die Gnade, selig zu sterben. |
63. |
Wegen der
mitgefeierten hl. Messen erlangst du Hilfe und Trost in deiner letzten
Not von den Engeln und Heiligen. |
64. |
Bei deinem
Sterben werden dich die mitgefeierten hl. Messen trösten und dir ein
festes Vertrauen auf die göttliche Barmherzigkeit verschaffen. |
65. |
Sie werden
mit dir zum göttlichen Gericht gehen und bei dem strengen Richter Gnade
erbitten. |
66. |
Du wirst
hoffentlich ein kurzes und gelindes Fegfeuer haben, weil du mit den
vielen hl. Messen deine Strafen größtenteils bezahlt hast. |
67. |
Denn
durch jede heilige Messe milderst du dein Fegfeuer mehr als durch
ein anderes schweres Bußwerk. |
68. |
Eine
mitgefeierte hl. Messe in deinem Leben wird dir mehr nützen als
viele, die nach deinem Tod für dich gelesen werden. |
69. |
Im Himmel
wirst du gewiß eine hohe Stufe der Glorie erhalten und ewig besitzen. |
70. |
Denn jede
mitgefeierte hl. Messe erhebt dich höher in den Himmel und vermehrt dir
merklich deine Seligkeit. |
71. |
Für deine
Freunde kannst du nicht kräftiger beten, als daß du die hl. Messe für
sie mitfeierst und aufopferst. |
72. |
Deinen
Wohltätern kannst du durch das Mitfeiern der hl. Messe die von ihnen
empfangenen Wohltaten aufs reichlichste vergelten. |
73. |
Den Elenden,
Kranken und Sterbenden kannst du durch das Messehören am besten Hilfe
und Trost leisten. |
74. |
Vielen,
vielen Sündern kannst du durch Aufopferung der hl. Messe die Bekehrung
erwerben. |
75. |
Durch das
Messehören kannst du allen Christgläubigen großes Heil erbitten. |
76. |
Durch das
Messehören kannst du das ganze Fegfeuer abkühlen und die Armen Seelen
kräftiglich erquicken. |
77. |
Wenn du für
deine Verstorbenen keine Messen lesen lassen kannst, so kannst du sie
durch das Mitfeiern der hl. Messe erlösen. |
Den Beweis für alle diese Gnaden wirst du beim Weiterlesen in diesem Buch finden.
Was dünkt dich nun, andächtige Seele? Was hältst du nun von der hl. Messe?
Meinst du wohl, daß es auch nur ein einziges gutes Werk auf der Welt gibt, durch
welches du so große Gnaden und Früchte erwerben kannst wie durch die hl. Messe?
Meinst du nicht auch, daß das wahr ist, was P. Sanchez sagt: „Wenn
ein Christ sich es nur zunutze zu machen weiß, so kann er durch eine einzige Messe
reicher werden als durch alle von Gott erschaffenen Dinge zusammengenommen." O,
wohl ein großer Schatz ist die hl. Messe! O, glückselig derjenige,
der mit geringer Mühe so große Schätze erwerben kann! Wer will denn nun nicht gerne
Messe mitfeiern? Wer will denn die Messe mutwillig versäumen? O liebe Seele, versäume
sie doch nicht, sondern lasse alles liegen, wie es liegt, und eile zur hl. Messe!
Gedenke, wie du dich betrüben würdest, wenn du an einem Tag 77 Kreuzer - Taler
(Euro) will ich schon gar nicht mehr sagen - verlieren oder verspielen oder verscherzen
solltest. Gewiß würde dich der Verlust aufs tiefste schmerzen und reuen. Wieviel
mehr aber solltest du dich dann betrüben, wenn du an einem Tag ohne Not, ja aus
lauter Faulheit oder Mutwillen die hl. Messe versäumst hast! Du aber versäumst
gar viele Messen und betrübst dich deswegen gar nicht, als wenn dir gar kein Schaden
widerfahren wäre - das klarste Zeichen dafür, daß du den köstlichen Schatz der
hl. Messe nicht erkennst oder nicht achtest. Wenn du aber fleißig in diesem Buch
liest, so wirst du hoffentlich hinfür diesen himmlischen Schatz besser erkennen,
höher achten und eifriger suchen. Das gebe Gott. Amen!
Inhaltsverzeichnis
4. Kap. - In der hl. Messe erneuert Christus seine Menschwerdung
1. Im vorigen Kapitel haben wir die Geheimnisse der hl. Messe nur kurz erwähnt,
jetzt aber wollen wir eins nach dem anderen, erklären und beherzigen, und zwar zuerst
das gar hohe Geheimnis der Menschwerdung Christi. Daß dieselbe in einer jeden hl.
Messe erneuert werde, beweise ich zunächst durch das Zeugnis des gottseligen Lehrers
Marchantius, der sagt: „Was ist die hl. Messe anderes als eine lebendige
und vollkommene Darbietung, ja Erneuerung der Menschwerdung und Geburt, des Lebens,
Leidens und Sterbens Christi sowie der ganzen von ihm vollbrachten Erlösung?"
2.
O, was für eine vortreffliche, o, was für eine fruchtbare und unaussprechliche
Wohltat hat die göttliche Güte dem menschlichen Geschlecht damals erwiesen, als
der Sohn Gottes „wegen uns Menschen und um unseres Heiles willen vom Himmel herabstieg,
durch den Hl. Geist in Maria der Jungfrau Fleisch geworden ist und die Menschheit
annahm." Dieses unbegreifliche Geheimnis betet der Priester an, wenn er beim Credo
zu dem Wort kommt: Et incarnatus est - und er ist Mensch geworden - und nicht bloß
das Haupt beugt, sondern voller Ehrfurcht seine Knie beugt und der göttlichen Güte
für diese tiefste Erniedrigung möglichsten Dank sagt.
3. Die hl. Kirche hat auch die heilsame Anordnung getroffen, daß alle Gläubigen
jedes Jahr durch den ganzen Advent diese hohe göttliche Wohltat beherzigen, andächtig
verehren und der göttlichen Güte dafür herzlich danken sollen, was gewiß auch unsere
höchste Schuldigkeit ist. Denn durch die gnadenreiche Menschwerdung hat Christus
uns so viel Gutes erwiesen, daß wir ihm nicht allein in dieser Zeit, sondern auch
in der zukünftigen langen Ewigkeit nimmermehr genug dafür danken können.
4. Aber Jesus hat in seiner Liebe sich nicht begnügen wollen, nur einmal Mensch
zu werden, sondern auf daß er seinem geliebten Vater mit dem Hl. Geist das herzliche
Wohlgefallen, das sie vorzeiten aus diesem Geheimnis empfingen, täglich und unaufhörlich
erneuern und vermehren könnte, so hat er in seiner unendlichen, göttlichen Weisheit
das höchste Geheimnis der hl. Messe erfunden, durch die er seine wundersame Menschwerdung
so lebhaft erneuert, als wenn sie wirklich wiederum geschähe; ja, sie geschieht
auch wirklich und wahrhaft, wenn auch geistiger Weise.
5. Dies bezeugt der hl. Augustinus mit den Worten: „O hohe Würde der Priester,
in deren Händen Christus wiederum Mensch wird! O himmlisches Geheimnis, welches
der Vater und der Sohn und der Hl. Geist durch die Priester in so wunderbarer Weise
wirken." Der hl. Johannes von Damaskus sagt: „Wenn einer fragt, wie das Brot
in den Leib Christi verwandelt werde, so sage ich: Der Hl. Geist überschattet den
Priester und wirkt dasjenige, was er im Schoß Mariens gewirkt hat." Auch der
hl. Bonaventura bezeugt dies mit den klaren Worten: „Gott scheint nichts Geringeres
zu tun, indem er sich würdigt, täglich vom Himmel auf den Altar zu steigen, als
er getan hat, da er vom Himmel steigend die menschliche Natur annahm."
6. Hier muß ich denn mit dem hl. Augustinus ausrufen: „O große Würde der
Priester, in deren Händen Gott wiederum Mensch wird." O hohe Würde aller Katholiken,
zu deren Heil Jesus Christus täglich in allen hl. Messen wiederum geistiger Weise
Mensch wird! Hier muß ich ausrufen mit Christus selbst: O wohl eine große Liebe
Gottes gegen uns Sünder, „denn hat Gott die Welt so geliebt, daß er seinen eingeborenem
Sohn hingab." (Jo 3,16.) Was ist das für ein süßer Trost für uns armselige Menschen!
Sollen wir uns des nicht herzlich freuen?
7. Der gottselige Thomas von Kempen sagt in der Nachfolge Christi (IV. 2):
„So groß, so neu und so freudig soll es dir erscheinen, wenn du die hl. Messe liest
oder hörst, als wenn am selbigen Tag Christus eben erst in den Schoß der Jungfrau
herverstiegen und Mensch geworden wäre." Sind das nicht tiefe Worte? Wenn denn aber
Jesus in allen Messen geistiger Weise von neuem Mensch wird, warum gehen wir
nicht voller Freuden hin? Warum rufen wir da nicht Christus um Gnade und Barmherzigkeit
an? Die Hauptursache ist, weil wir keinen lebhaften Glauben daran haben und diese
große Wohltat Gottes nicht recht erkennen.
8. Nun wollen wir sehen, auf welche Weise Christus seine Menschwerdung erneuert
und wie viele Wunder er dabei wirkt. Unser heiliger Glaube lehrt uns, daß, wenn
der Priester vor der Wandlung die Hostie in den Händen hält, er nur natürliches
Brot in seinen Händen habe. Sobald er aber die Worte der Wandlung darüber spricht,
im selben Augenblick, wo das letzte Wort ausgesprochen wird, da wird das Brot durch
göttliche Kraft in den wahren Leib Christi verwandelt, und weil ein lebendiger Leib
nicht ohne Blut sein kann, so ist in der hl. Hostie auch das Blut Christi enthalten.
Dann hat der Priester anstatt des Brotes, das er vor einem Augenblick in den Händen
hielt, Jesus Christus, den wahren Sohn Gottes, in seinen priesterlichen Händen.
Das ist freilich ein überaus großes Geheimnis und unergründliches Wunder, in dem
nicht nur eins, sondern viele, große, wunderbare Dinge begriffen sind.
9. Ist es nicht ein Wunder über alle Wunder, daß statt des Brotes der wahre Leib
des Gottmenschen und statt des Weines sein wahres Blut zugegen wird? Ist das nicht
ein Wunder über alle Wunder, daß kein Brot und Wein mehr da ist, aber die
Gestalten von Brot und Wein bleiben? Denn die hl. Hostie hat noch ihre Farbe, ihre
Rundung und ihren Geschmack wie vorher. Und vom Wein ist noch die Farbe, der Geruch
und der Geschmack wie vor der Verwandlung. Ist das nicht ein Wunder über alle Wunder,
daß die äußeren Gestalten wahrhaft bleiben und rein übernatürlicherweise erhalten
werden? Ist es nicht ferner ein Wunder über alle Wunder, daß Christus seinen Leib
so klein und fein machen kann, daß er ganz in einer so kleinen Hostie, ja sogar
in dem kleinsten Teil derselben enthalten ist?
10. Alle diese und noch viele andere große Wunder, die ich der Kürze halber nicht
aufzählen will, wirkt Christus während der Wandlung in jeder hl. Messe zu unserem
Heil und will, daß wir aus dieser großen Wohltat über die Maßen viel Nutzen ziehen.
Dies erkannte die hl. Jungfrau Gertrud gar wohl, nach deren Beispiel auch
du vor der Wandlung bedenken solltest, was für ein großes Wunder dein Gott zu deinem
Heil auf dem Altar wirkt, und ein großes Verlangen erwecken, daß durch deine Mitwirkung
das gegenwärtige Sakrifizium noch mehr zur Ehre Gottes und zum Heile der Gläubigen
gereichen möchte. Dazu könntest du tiefgebeugt mit der hl. Gertrud beten: „O, allerschönster
Jesus, das Werk, welches du jetzt wirken willst, ist so erhaben, daß meine Geringfügigkeit
dasselbe gar nicht anschauen darf. Deswegen versenke ich mich in den Abgrund meiner
Niedrigkeit und will dort, da ja durch diese Wandlung allen Auserwählten Heil zukommen
wird, auch meinen unverdiententen Teil erwarten. O könnte ich doch, o süßester Jesus,
dir bei diesem hohen Werke mithelfen, so wollte ich herzlich gern alle meine Kräfte
anwenden und auch die allerschwerste Mühe nicht scheuen, damit diese Opferung, welche
allen lebendigen und verstorbenen Christen Nutzen bringt, auch voll zur Wirkung
gelangen möchte. Ich bitte dich ganz herzlich, du wollest allen Messelesenden und
Messehörenden Gnade verleihen, damit sie dieses hochwürdigste Opfer zu deiner größeren
Ehre und zum Heil der Gläubigen aufopfern mögen. Amen."
11. Nun wollen wir auch erwägen, eine wie große Gewalt Christus nicht etwa den
Engeln, sondern den Priestern verliehen hat, mit wenig Worten das allergrößte Wunder
zu bewirken und Brot und Wein in sein heiliges Fleisch und Blut zu verwandeln. Beim
sel. Alanus de Rupe heißt es darüber: „Die Macht des Vaters ist so groß,
daß er aus nichts Himmel und Erde hervorgebracht hat; die Macht der Priester
aber hat er so groß gemacht, daß sie den Sohn Gottes selbst zum Sakrament und
Opfer machen und die Schätze des Erlösers durch das Sakrament und Opfer den Menschen
zur Verteilung bringen. Dies ist der größte Teil der Herrlichkeit Gottes, dies ist
die größte Freude der Mutter Gottes, dies ist die Lust der Seligen, dies ist die
beste Hilfe der Lebendigen, und dies ist der größte Trost der Verstorbenen."
O, wundere dich denn höchlichst über die gewaltige Kraft der Wandlungsworte: Gott
empfängt durch das hl. Meßopfer seine allergrößte Ehre und Glorie.
Der Muttergottes kann man keinen größeren Dienst erweisen, als
wenn man ihr zu Ehren die hl. Messe mitfeiert und ihren gleichsam von neuem menschgewordenen
Sohn verehrt; es ist die größte Freude der Seligen, weil
man durch nichts ihre Freuden mehr vergrößern kann, als
wenn man die hl.
Messe zu ihrer Ehre aufopfert, und dies ist auch die beste Hilfe der Lebendigen
und der süßeste Trost der Verstorbenen,
wie du noch später lesen
wirst.
12. Hier muß ich abermals mit Christus ausrufen: „So sehr hat Gott die Welt geliebt,
daß er seinen eingeborenen Sohn hingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren
gehen, sondern das ewige Leben haben." Diese große Liebe hat Gott zum ersten Mal
der Welt erwiesen, als er seinen Sohn vom Himmel sandte, damit er die menschliche
Natur annahm; diese große Liebe erzeigt er der Welt täglich von neuem, indem er
seinen Sohn wieder vom Himmel schickt, um die Menschwerdung zu erneuern. In seiner
ersten Menschwerdung hat Christus den Himmel erfreut und der Welt Heil gebracht,
und dieses tut er auch jedesmal bei der Erneuerung derselben. Durch seine erste
Menschwerdung hat er gewaltige Schätze der göttlichen Gnade erworben, bei der Erneuerung
derselben teilt er diese himmlischen Schätze der göttlichen Gnade den andächtigen
Messelesenden und Messehörenden aus. Dafür will ich ein denkwürdiges Beispiel beibringen.
13. In den Chroniken der Minderbrüder wird erzählt, daß der sel. Johannes von
Fermo oder Alvernia gewohnt war, die hl. Messe mit größter Andacht zu feiern,
und oft so große Süßigkeit darin empfand, daß seine schwachen Kräfte dieselbe nicht
ertragen konnten. Als er einmal am Fest der Mariä Himmelfahrt das Hochamt singen
sollte, empfand er zu Anfang der hl. Messe eine große innerliche Freude, die er
mit keinem Wort aussprechen konnte, so daß er sich fürchtete, er würde wegen derselben
die hl. Messe nicht vollenden können: So kam es auch.
Als er bei der Wandlung die übergroße Liebe Christi erwog, welche ihn einst angetrieben
hat, vom Himmel zu kommen und die menschliche Natur anzunehmen, und welche ihn noch
unaufhörlich antreibt, diese seine Menschwerdung täglich in allen hl. Messen zu
erneuern, da wurde ihm sein Herz so weich und seine Kraft so schwach, daß er die
Worte der Wandlung nicht aussprechen konnte. Die ersten Worte: „Hoc est, hoc est
enim" konnte er endlich sprechen, die übrigen zwei konnte er gar nicht hervorbringen.
Als der Pater Guardian dies bemerkte, eilte er mit einem Pater zum Altar und stellte
sich neben den sel. Pater Johannes, um ihm die Worte aussprechen zu helfen. Endlich
tat er sich genügend Gewalt an, daß er die beiden letzten Worte: Corpus meum mit
größter Anstrengung hervorbrachte, siehe, da erblickte er in der hl. Hostie die
Gestalt eines herzigen Jesukindleins und hielt dasselbe gleichwie neugeboren
in seinen priesterlichen Händen. Dieser Anblick verzehrte die Kräfte des Paters.
Wiewohl er so sehr erschöpft war, daß er seine Glieder nicht bewegen noch seine
Hände erheben konnte, um das hl. Kreuzzeichen zu machen, so brachte er dennoch durch
Hilfe des Guardians mit größter Mühe die hl. Messe so weit, daß er das hochwürdigste
Fleisch und Blut Christi genießen konnte. Sobald dieses geschehen, kam er so sehr
von Kräften, daß er wie tot in die Sakristei getragen werden mußte. Als er endlich
wieder zu sich gekommen war, wurde er um der Liebe Gottes willen gebeten, doch zu
sagen, was ihm am Altar widerfahren sei, und was er in seiner Verzückung gesehen
habe. Auf diese Bitten sagte er: „Als ich vor der Wandlung die Liebe Christi erwog,
welche ihn angetrieben, vorzeiten Mensch zu werden und diese seine Menschwerdung
täglich in allen hl. Messen zu erneuern, da wurde mein Herz weich wie warmes Wachs,
und mein Fleisch schien ohne Gebein zu sein, so daß ich weder auf meinen Füßen stehen
noch die heiligen Worte der Wandlung aussprechen konnte. Nachdem ich sie endlich
mit größter Mühe ausgesprochen, siehe, da sah ich statt der hl. Hostie das allerzarteste
Jesuskindlein in meinen Händen, und ein Blick auf ihn durchdrang mir das Mark meines
Herzens und nahm mir so sehr alle Kräfte meines Leibes, daß ich in eine süße Ohnmacht
sank und in die brennendeste Liebe zu diesem allerschönsten Kindlein ganz verzückt
wurde." Dieses und noch mehr, was er während der Verzückung empfunden hatte, erzählte
der fromme Pater den andächtigen Seelen und bewies ihnen ganz klar, was für eine
unergründliche Liebe Jesus uns armen Sündern erweist, indem er täglich um unseres
Heiles willen seine gnadenreiche Menschwerdung erneuert und uns die Früchte derselben
reichlich zuteilt.
14. Aus diesem Beispiel merke, Gott liebende Seele, was für Wonnen vom Himmel
herabfließen, wenn die Quelle aller himmlischen Wonne vom Himmel auf den Altar herabsteigt.
Solche Freude haben viele heilige Seelen verkostet, und auch du würdest sie gewißlich
verkosten, wenn du nur mit größerer Andacht der hl. Messe mitfeierst. Merke dir,
wie vielen Nutzen uns diese erneuerte Menschwerdung bringen muß, da Jesus dadurch
die Verdienste seiner ersten Menschwerdung den Messemitfeiernden zueignet und austeilt.
Die Gnaden, die er vorzeiten vom Himmel gebracht und der Welt geschenkt hat, bringt
er in allen Messen wieder vom Himmel und schenkt sie allen Anwesenden nach ihrer
Fähigkeit. Durch seine tiefe Erniedrigung versöhnt er den gerechten Zorn Gottes
und hält die wohlverdienten Strafen von uns ab.
Wegen dieser und vieler anderer Wohltaten, die er uns erweist, können wir ihm
nicht genug danken, daß er uns die hl. Messe eingesetzt hat und darin nicht
allein seine Menschwerdung, sondern alle Geheimnisse seines hl. Lebens und Leidens
aufs lebhafteste erneuert. Keinen größeren Dank aber können wir ihm erweisen, als
daß wir täglich oder sooft wir können, die hl. Messe andächtig hören und sie der
hochhl. Dreifaltigkeit zur Danksagung für alle erwiesenen Wohltaten herzlich aufopfern.
5. Kap. - In der hl. Messe erneuert Christus seine Geburt.
1. Von diesem allersüßesten Geheimnis der Geburt Christi singt über den ganzen
Erdkreis die hl. katholische Kirche: „Es triefen die Berge von Süßigkeit und die
Hügel fließen von Milch und Honig." (Joel 3,18.) Ja, wahrhaftig haben an jenem allerheiligsten
Tag, an dem der eingeborene Sohn Gottes mit der menschlichen Natur bekleidet aus
dem Schoß der Jungfrau in diese Welt eintrat, die Berge Süßigkeit geträufelt und
die Hügel sind honigfließend geworden. Denn derjenige, dessen Süßigkeit über Milch
und Honig geht, derjenige, sage ich, der die überreiche Quelle aller Süßigkeit ist,
hat durch seinen Eintritt in die Welt alles versüßt: er hat die wahre Freude
vom Himmel herab gebracht; er hat den Menschen, die guten Willens sind, Frieden
angekündigt; er hat den Betrübten herzlichen Trost eingegossen und hat der Welt
neue Weihe und eine neue Zukunft verliehen.
2. O was für große Freude hatte in jener Nacht der himmlische Vater, als er seinen geliebtesten Sohn, den er von Ewigkeit her gezeugt, jetzt in neuer Weise aus seiner
liebsten Tochter Maria sah geboren werden! O, welche Freude empfand der Sohn Gottes,
als er sah, daß er mit einer so edlen Menschheit bekleidet war, und daß er nun nicht
allein im Himmel einen Vater, sondern auch auf Erden eine Mutter hatte! O, was für
ein Wohlgefallen hatte der Hl. Geist, als er sah, wie jenen, den er von Ewigkeit
durch das feste Band der Liebe mit dem Vater verknüpft hatte, jetzt durch seine
Mitwirkung mit der menschlichen Natur so fest verbunden war, daß er zwei unendlich
weit voneinander verschiedene Naturen in einer Person vereinigte! O, was für Süßigkeit
empfand die allerseligste Jungfrau Maria, als sie ihr neugeborenes Kindlein mit
gläubigen Augen ansah und erkannte, daß es nicht bloß ihr Söhnlein, sondern auch
zugleich wahrhaft Gottes Sohn war.
3. O, wie glückselig waren die damaligen Menschen, welche gewürdigt wurden, das
holdseligste Kindlein, das schönste unter allen Menschenkindern, mit ihren Augen
anzusehen, mit ihren Armen zu umfangen und mit ihrem Mund zu küssen. O, wie begreiflich
würden wir es mit dem hl. Joseph von Cupertino finden, wenn nach dem Besuch
der hl. drei Könige das ganze Judenland nach Bethlehem geeilt wäre, um den neugeborenen
König der Juden zu sehen und sich über dessen engelgleiche Schönheit zu wundern...
4. Wiewohl wir jene glücklich schätzen, sind wir doch noch viel glücklicher, weil
wir dasselbe süße Kind täglich mit den Augen des Glaubens anschauen und der Freuden
seiner Geburt teilhaftig werden können. Der hl. Papst Leo I. sagt: „Es helfen
uns die Worte des Evangelisten und der Propheten, durch welche wir so entzündet
und belehrt werden, daß wir die Geburt des Herrn, bei der das Wort Fleisch geworden
ist, nicht so sehr als vergangen zu ehren, sondern als gegenwärtig anzuschauen scheinen.
Denn was der Engel zu den bei ihren Herden wachenden Hirten gesagt, das hat auch
unser Ohr gehört: Ich verkündige euch eine große Freude, die allem Volk zuteil werden
wird; denn euch ist heute der Heiland geboren" usw. An dieser gnadenreichen Geburt
können wir alle Tage teilnehmen, ja diese gleichsam mit unseren Augen anschauen,
wenn wir nur in die hl. Messe gehen wollen, denn da wird diese wahrhaft erneuert
und zu unserem Heil unaufhörlich fortgesetzt.
5. Dieses vernehmen wir aus den Offenbarungen der hl. Äbtissin Hildegard,
die schreibt: „Als bei der hl. Messe Brot und Wein in das Fleisch und Blut Christi
verwandelt wurden, da erschienen mir auch die Zeichen seiner Menschwerdung und Geburt
wie in einem Spiegel, gleichwie sie am Sohn Gottes, da er auf der Welt war, vollbracht
worden sind." Aus diesem von der Kirche gutgeheißenen Zeugnis erkennen wir, daß
die Geburt Christ bei der hl. Messe erneuert und dem Himmel so lebhaft vorgestellt
wird, wie sie vor zweitausend Jahren geschehen ist.
Willst du wissen, wie Christus wieder geboren wird, so höre, was der hl. Hieronymus
schreibt: „Die Priester bewirken Christus durch ihren geheiligten Mund,"
indem sie die hl. Worte der Wandlung aussprechen. Dies bezeugt auch Papst Gregor
XIII., da er die Priester ermahnt, vor der hl. Messe zu beten: „Ich will die
hl. Messe zelebrieren und den Leib und das Blut unseres Herrn Jesu Christi verwandeln."
6. Das stellt uns auch die Kirche vor Augen, da sie unter der hl. Messe den Lobgesang
zu singen befiehlt, den die lieben Engel in der Christnacht gesungen: „Ehre sei
Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind." Das
ist das Gloria der hl. Messe. Wenn du diesen Gesang singen oder sprechen hörst,
so stelle dir vor, als wenn der Engel wieder sagte, was er zu den Hirten gesprochen:
„Ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute der Heiland geboren, und
ihr werdet das Kind finden in Windeln eingewickelt und in der Krippe liegend." Stelle
es dir so vor, sage ich, als wenn dein Schutzengel zu dir sagte: „Erfreue dich,
mein Kind, denn jetzt in dieser Messe wird dein Heiland zu deinem größten Heil wiederum
geboren, und du wirst ihn mit deinen Augen sehen unter der Gestalt der hl. Hostie."
Wenn auch dein Schutzengel dir dies nicht mit vernehmbaren Worten sagt, so sagt
es dir doch dein wahrer Glaube, und es geschieht wahrhaftig und in der Tat. Soll
dir dies denn nicht eine außerordentliche Freude sein, wenn du dies lebhaft glaubst
und dich gegen das Christkind so verhältst, wie diejenigen, die gewürdigt wurden
es mit eigenen Augen zu sehen?
7.
Im Leben der Kirchenväter lesen wir, wie, Plegus, ein sehr geistreicher
Priester allezeit mit großer Andacht die hl. Messe las und ein besonderes Verlangen
empfand zu wissen, auf was für eine Weise Christus unter den Gestalten des Brotes
und Weines gegenwärtig sei, nicht als ob er an dessen Gegenwart zweifelte, sondern
weil er vor großer Liebe seinen Heiland gerne sehen wollte. Als er nun einmal nach
der hl. Wandlung von großem Verlangen ganz entzündet war, fiel er auf seine Knie
und sprach folgendermaßen: „Ich bitte dich, o allmächtiger Gott, du wolltest mir
Unwürdigsten die Natur des Leibes Christi in diesem Geheimnis zeigen und mir verleihen,
ihn mit Augen anzuschauen und mit meinen Händen zu berühren, wie ihn vorzeiten der
greise Simeon auf seinen Armen getragen hat." Unter diesem Gebet kam ein Engel vom
Himmel zu ihm und sprach: „Steh eilig auf, wenn du Christus sehen willst, denn siehe,
er ist leiblicherweise gegenwärtig, wie ihn seine hl. Mutter auf ihrem Schoß getragen
hat." Hierüber erschrak der ehrwürdige Priester, erhob sein Haupt vom Boden und
sah den Sohn Gottes als ein schönes Knäblein auf dem Korporale liegend, ihn
freundlich anlächelnd und ihm mit beiden Händen zuwinkend, daß er es auf seine Arme
nehmen solle. Er aber wagte vor lauter Ehrerbietung das nicht zu tun, bis der Engel
zu ihm sprach: „Siehe, hier ist derselbe Jesus, den du zuvor in der Gestalt des
Brotes vor dir liegen sahst, in seiner eigenen Gestalt gegenwärtig; fürchte dich
nicht, sondern steh ohne Schrecken auf, nimm ihn auf deine Arme und erfreue dich
in Gott deinem Heiland."
Durch diese Worte ermuntert, stand er auf, nahm das liebe Kindlein auf seine
zitternden Arme, drückte es freundlich an seine Brust und liebkoste es auf die wonnigste
Weise. Nachdem er nun diese Freude genug genossen, legte er das Kindlein wieder
auf das Korporale, fiel abermals auf seine Knie und bat es demütig, daß es die vorige
Gestalt wieder annehmen wolle, auf daß er es genießen und in sein Herz aufnehmen
und die hl. Messe vollenden könne. Nach dem Gebet stand er auf, sah das hochwürdige
Sakrament in seiner vorigen Gestalt der hl. Hostie und genoß es mit ganz besonders
herzlicher Andacht.
8. Dieses Beispiel habe ich deswegen eingefügt, damit du erkennen und fest glauben
sollst, daß wir in der hl. Messe das liebe Christkind wahrhaftig gegenwärtig haben,
nicht nur in der Vorstellung oder geistiger Weise, sondern in der Wirklichkeit und
leiblicher Weise, ebendasselbe Christkindlein, das von der Gottesmutter zu Bethlehem
geboren und von den hl. drei Königen ist angebetet wurde. Sein Angesicht aber bedeckt
es mit den zarten Windeln, das sind die Gestalten der hl. Hostie, welche wir mit
unseren Augen sehen. Das liebe Kind aber, welches darunter verborgen liegt, können
wir zwar mit unseren leiblichen Augen nicht sehen, wir sehen es aber mit unseren
innerlichen Augen des Verstandes, der, durch den wahren Glauben erleuchtet, fest
glaubt, daß Jesus unter diesen Gestalten verborgen ist. Der Ursachen aber, weshalb
er sich nicht sehen läßt, sind viele, unter denen eine der ersten ist, damit wir
Gelegenheit haben, unseren Glauben in einer so hochwichtigen Sache zu üben und in
einer jeden Messe großen Lohn zu verdienen. Auf daß wir aber seine persönliche Gegenwart
desto sicherer glauben sollten, so hat er sich von vielen Christen, ja oftmals auch
von Juden und Heiden sehen lassen. Davon will ich noch ein Beispiel auswählen.
9.
Albert Krantz beschreibt ausführlich, wie Kaiser Karl der Große viele
Jahre gegen die heidnischen Sachsen stritt und sie vom Götzendienst zum christlichen
Glauben bringen wollte. Obwohl er sie oft mit seiner Streitmacht überwunden und
zur Verleugnung ihrer Götzen gezwungen hatte, wurden sie, gereizt durch ihren Herzog
Wittukind immer wieder meineidig und verleugneten den christlichen Glauben. Als
nun Kaiser Karl zum zwölften Mal mit einem mächtigen Heer in der Fastenzeit nach
Sachsen zog und gerade das Osterfest war, befahl er seinem ganzen Heer, daß sie
sich zum Empfang der hl. Sakramente bereiten und das hl. Osterfest mit aller Andacht
im Lager begehen sollten.
Zur selben Zeit bekam den Herzog Wittukind große Sehnsucht, das kaiserliche
Lager zu besichtigen und den christlichen Gottesdienst anzuschauen. Deswegen legte
er seine kostbare Kleidung ab und kleidete sich, auf daß er nicht erkannt werden
sollte, mit schlechten Kleidern, ging ohne Gefährten als Bettler in das Lager und
bat die Soldaten um Almosen. Unterdessen forschte er alles aus und nahm wahr, daß
der Kaiser und seine Soldaten am heiligen Karfreitag betrübt einhergingen, strenge
fasteten, eifrig beteten, am Abend vor Ostern beichteten und am hl. Ostertag kommunizierten.
Als nun die hl. Messe bis zur Wandlung gekommen war, sah er mit leiblichen Augen,
daß der Priester ein überaus schönes Kindlein in seinen Händen hatte, ob dessen
Anblick er eine nie gekannte Süßigkeit in seinem Herzen empfand und die übrige hl.
Messe hindurch kein Auge vom Priester abwandte. Als die Soldaten zum hl. Gastmahl
gingen, sah er mit größter Verwunderung, daß der Priester einem jeden das schöne
Kindlein darreichte, und daß dasselbe von allen und jedem empfangen und genossen
wurde, jedoch nicht auf gleiche, sondern auf gar verschiedene Weise. Denn zu
einigen eilte das liebliche Kindlein mit wunderbarer Freude, zu andern aber wollte
es nicht hineingehen, sondern wehrte sich mit Händen und Füßen und war doch
hineinzugehen genötigt. Das alles sah der Herzog und konnte sich über solch unerhörte
Geheimnisse nicht genug verwundern.
Nach dem Gottesdienst ging er zur Kirche hinaus, setzte sich wieder unter die
Bettler und erbat sich von den Hinausgehenden ein Almosen. Der Kaiser gab jedem
Bettler das Almosen mit eigener Hand. Als auch Wittukind das seinige bekam, nahm
ein Diener wahr, daß er einen krummen Finger hatte, erkannte ihn daran und sagte
es dem Kaiser. Karl ließ ihn in sein Zelt berufen und sprach zu ihm: „Warum gibst
du dich für einen Bettler aus, da du doch der Herzog in Sachsen bist?" Wittukind
war erschrocken, da er fürchtete, er möchte als Spion behandelt werden; dann sprach
er zum Kaiser: „Wollt mir das nicht übel anrechnen, denn ich habe es getan, damit
ich desto freier den Gottesdienst der Christen erforschen könnte." „Was hast du
denn gesehen?" fragte der Kaiser. Jener antwortete: „Ich habe solche Wunderdinge
gesehen, dergleichen ich noch nie gesehen und gehört habe und die ich gar nicht
begreifen kann." Alsdann erzählte er ihm alles, was er am Karfreitag, am Abend
vor Ostern und am Ostertag selbst bei der hl. Messe gesehen hatte, und bat den Kaiser
um die Erklärung dieser Geheimnisse.
Dieser verwunderte sich sehr, daß Gott diesem Heiden die Gnade erwiesen, das liebe
Christkindlein in der hl. Hostie mit Augen zu sehen, was doch so vielen Heiligen
verweigert bleibt. Danach erklärte er ihm die Ursache ihrer Betrübnis am Karfreitag,
wie auch ihres Fastens, Beichtens und Kommunizierens, und rührte ihm sein Herz
dermaßen, daß er sein Heidentum abschwur und nach ausführlichem Unterricht die
hl. Taufe empfing. Er nahm auch einige Priester mit und brachte mit deren Hilfe
nach und nach das Herzogtum Sachsen zu Christus.
10. Aus dieser Geschichte kannst du gleichsam mit Händen greifen, daß das
liebe Christkind unter der Gestalt der konsekrierten Hostie gegenwärtig ist. Seine
wahre, unbeschreiblich schöne Gestalt verbirgt zwar Christus vor unseren sündigen
Augen, aber nicht vor den Augen Gottes und des himmlischen Heeres, sondern ihnen
zeigt er sich in allen hochhl. Messen in solcher übernatürlichen Schönheit, daß
die heiligste Dreifaltigkeit unergründliche Ehre, die Mutter Gottes aber und die
Engel und Heiligen eine unersetzliche Freude und Wonne daraus empfangen.
11. Wenn die lieben Engel dies neugeborene Kindlein anschauen, so fallen sie
demütig auf ihre Knie und beten es ehrfürchtig an. Das deutet der hl. Paulus an,
da er spricht: „Wenn er den Erstgeborenen abermals in die Welt einführt, so sollen
ihn alle Engel Gottes anbeten." (Hebr 1,6.) In der hl. Christnacht hat Gott
seinen Erstgeborenen zum erstenmal in die Welt eingeführt, in allen hl. Messen aber
führt er ihn abermals ein, damit er sich für uns opfere und die Früchte seiner Geburt
uns mitteile. Alsdann beten ihn die Engel an, wie die Kirche in der Präfation singt:
„Deine Majestät loben die Engel, es beten sie an die Herrschaften, die Gewalten
erzittern vor ihr. Die Himmel und die Kräfte der Himmel samt den seligen Seraphim
singen den Lobgesang deiner Herrlichkeit, sprechend: Heilig, heilig, heilig,
ist der Herr, der Gott der Heerscharen; Himmel und Erde sind voll seiner Herrlichkeit."
So sollen wir in ihr Lob mit einstimmen und das süße Kind preisen, das die Verdienste
seiner Geburt allen Mitfeiernden der Messe reichlich austeilt.
Inhaltsverzeichnis
1. Die Freude, die der Himmel
durch die erneuerte Geburt Christi empfängt.
Diese hohen Dinge in ihrer Erhabenheit zu erklären, ist kein menschlicher Verstand
mächtig genug, sondern die Wissenschaft des Engels wird dazu erfordert, der täglich
sieht und erfährt, welch unergründliche Freuden aus dem immerwährenden Lesen der
hl. Messe im Himmel entstehen. Wir können zwar nicht im geringsten begreifen, was
für Freuden die allerheiligste Dreifaltigkeit hat, aber wir wissen aus unserer Glaubenslehre,
daß Gott alle Seligkeit aus sich selbst empfängt und eine göttliche Person sie der
anderen bereitet. Von der unerschaffenen Weisheit, dem Sohn Gottes, sagt die Hl.
Schrift: „Er ist der Glanz des ewigen Lichtes und der makellose Spiegel der Herrlichkeit
Gottes und ein Abbild seiner Güte" (Wsh 7,26).
Dieser Spiegel steht von Ewigkeit her vor den Augen des himmlischen Vaters,
in ihm schaut und erkennt der Vater sich selbst aufs allerklarste und erfreut sich
darüber unendlich. Denn er hat darin gesehen, wie er es auch jetzt sieht und in
Ewigkeit sehen wird, was für ein großer, glorwürdiger, allweiser, allwissender,
allmächtiger, gewaltiger, schöner, reicher, glückseliger und unendlicher Herr er
ist und in alle Ewigkeit bleiben wird. Diese eigene Erkenntnis und die Anschauung
in diesem göttlichen Spiegel macht seine wesentliche und unendliche Seligkeit aus.
Wenn er außerdem nichts mehr hätte, worüber er sich freuen könnte, so wäre er dennoch
in alle Ewigkeit aufs vollkommenste selig und glücklich.
12. Dieser unbefleckte Spiegel ist ihm in der gnadenreichen Geburt Christi auf eine
neue Weise vor Augen gestellt, nämlich mit der allerreinsten menschlichen Natur
bekleidet und mit aller Kostbarkeit der Tugenden und Vollkommenheiten eingefaßt.
Deswegen war - um auf unsere Weise davon zu reden - für den himmlischen Vater die
Anschauung dieses Spiegels eine neue Freude, und der ganze himmlische Hof nahm daran
teil. Deswegen sangen die seligen Geister in lauter Freude auf Erden ihren frohen
Gesang und bereiteten damit den Hirten eine unbegreifliche Wonne. Mit diesem
ihrem Gloria in excelsis zogen die Chöre der Engel in den Stall ein, warfen
sich da vor dem neugeborenen Kind nieder und beteten in tiefster Demut seine höchste
Gottheit an.
13. Dies alles, was in der Christnacht vorgegangen ist, geschieht noch täglich
in jeder hl. Messe: der eingeborene Sohn Gottes wird in den Händen der Priester
wiederum Mensch und aus ihrem Mund von neuem geboren. Durch die Worte der Wandlung
wird kein neuer Christus erschaffen oder seine Person vervielfacht, sondern nur
seine persönliche Gegenwart wird vermehrt und an einem Ort hervorgebracht,
wo seine hl. Menschheit vorher nicht war. Er ist zwar nur ein einziger Christus
und bleibt auch nur ein einziger Christus; dennoch ist er an den verschiedenen Orten
nicht nur geistiger, sondern auch leiblicher Weise wahrhaft gegenwärtig und bleibt
es so lange, wie die Gestalten bleiben. Wenn aber die Gestalten vergehen, so hört
auch die persönliche Gegenwart der menschlichen Natur Christi an diesem Ort auf.
14. Wenn denn nun dieser eingeborene Sohn Gottes von neuem geboren und
dieser sonnenklare Spiegel, geziert mit göttlicher Vollkommenheit, durch die Hand
des Priesters erhoben und Gott aufgeopfert wird: was für Freude und Wonne, meinst
du, wird der himmlische Vater davon empfangen? Gewiß keine geringere, als er in
der hl. Christnacht an seinem lieben Sohn empfunden hat. Denn an beiden Orten sieht
er ein und denselben lieben Sohn, von dem er selbst gesagt hat: „Dies ist mein
geliebter Sohn, an welchem ich mein Wohlgefallen habe" (Mt 3,17). Der Unterschied
aber ist dieser, daß Christus damals mit sterblichem Fleisch bekleidet war, in
der hl. Messe aber mit seinem verherrlichten Leib und mit den fünf allerkostbarsten
Edelsteinen seiner hl. fünf Wunden. Damals war er leiblicher Weise geboren,
diesmal geistiger und doch wahrhafter Weise.
15. Hierbei sollst du auch wissen, daß der himmlische Vater seine Freude nicht
allein im Anschauen dieses göttlichen Spiegels findet, sondern daß dieser sein liebster
Sohn ihm mit kindlicher Neigung entgegenkommt und ihn auf unaussprechliche Weise
erfreut. Diese Seligkeit, welche Gott von der Menschheit Christi zuteil wird,
übersteigt alle Freude, welche er aus allem Lob der Engel und aller Ehre der Heiligen
und aus allem Dienst frommer Menschen empfängt. Denn die hochwürdigste Menschheit
Christi, vereinigt mit der Gottheit zu einer Person und dadurch vergöttlicht, weiß
allein die Gottheit nach ihrer unendlichen Hoheit würdig zu ehren, zu lieben und
zu erfreuen.
Dies kann man aus den Worten entnehmen, die Christus zur hl. Mechthild gesprochen
hat: „Ich allein weiß und verstehe vollkommen, wie ich mich täglich auf dem Altar
für das Heil der Gläubigen aufopfere, welches weder Cherubim noch Seraphim noch
alle himmlischen Kräfte völlig verstehen können." Gleichwie nun Christus allein
dies weiß, so weiß er auch allein, wie er täglich auf dem Altar die hochwürdigste
Gottheit würdig lieben und erfreuen soll. Er verrichtet das mit solch herzlicher
Lieblichkeit, daß weder Cherubim noch Seraphim es verstehen, viel weniger verrichten
können. Das ganze Himmelsheer schaut zwar mit staunenden Augen zu, kann aber diese
Weise und dieses Maß unendlicher Seligkeit nicht begreifen. Da nun dieses täglich
in Hunderttausenden von Messen geschieht, o, wer will es denn ausrechnen oder erklären,
wie viele, wie große, wie hohe Lust der allerheiligsten Dreifaltigkeit aus den täglichen
Messen zuteil wird! O wohl herzliche Freuden!
O, mein liebster Gott, ich gönne dir von Herzen diese Freuden und wünsche innigst,
daß ich dir diese unvermehrbaren Freuden durch meine Andacht vermehren könnte.
Dich bitte ich, o Jesus Christ, du wollest in allen hl. Meßopfern an meiner Statt
die allerheiligste Dreifaltigkeit lieben und erfreuen und alle Liebe und Freude,
die ich ihr zu erzeigen unterlassen habe, überfließend erstatten.
Inhaltsverzeichnis
2. Den Segen, den die Welt
durch die erneuerte Geburt Christi empfängt.
16. Schließlich, wollen wir sehen, was für großen Segen die Welt durch die tägliche
Erneuerung der gnadenreichen Geburt Christi empfängt und erlangt. Von der ersten
Geburt weissagte der Prophet Isaias: „Ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns
geschenkt" (Is 9,6). Eben dieses sage ich auch von der geistigen Geburt Christi
in allen hl. Messen. Welch kostbares Geschenk! Es ist nichts anderes als der
teuerste Schatz des ganzen Himmels, der allerreichste Sohn des allerreichsten himmlischen
Vaters. Dieser kommt in allen hl. Messen aus einem fernen Freudenland, aus dem
himmlischen Paradies und bringt unschätzbare Reichtümer und himmlische Schätze
mit, nämlich göttliche Gnade und Barmherzigkeit, Verzeihung der Sünden, Nachlaß
der Strafen, Besserung des Lebens, die Gnade selig zu sterben, Vermehrung der
himmlischen Seligkeit, wie auch Glück und Segen an zeitlichen Gütern, Bewahrung
vor schädlichem Unglück, Behütung vor Sünde und Schande, ja seinen ganzen göttlichen
Segen. All dieses und vieles andere ist er bereit, allen denen, welche die hl.
Messe mitfeiern, freigebig mitzuteilen und reichlich auszuspenden.
17. Wenn wir aber die Weissagung des Isaias noch besser erwägen, so finden
wir noch mehr darin, was zu unserem Trost uns geoffenbart ist. Denn er sagt ausdrücklich,
das Kind sei uns geboren, der Knabe uns geschenkt. Wenn das ist, so ist er
ja unser eigen, so ist alles, was er hat, unser eigen, so ist alles, was er auf
dem Altar vollbringt, unser eigen. So ist denn auch die Ehre, der Dank, der Dienst,
das Wohlgefallen, das er der hochhl. Dreifaltigkeit erweist, unser eigen. Soll denn
dieses dem Menschen, der bei der hl. Messe ist, nicht ein großer Trost sein, wenn
er daran denkt, daß nicht allein die hl. Messe, sondern auch das liebe Jesulein
ihm zum Eigentum geschenkt worden ist? Wenn du in der hl. Christnacht im Stall zu
Bethlehem gewesen wärst, das süße Christkind auf deine Arme genommen und Gott dem
Vater aufgeopferst hättest mit der Bitte, daß er sich deiner wegen dieses Kindleins
erbarmen wolle, meinst du denn nicht, daß er dich zu Gnaden aufgenommen und dir
alle deine Sünden verziehen hätte? So tue dies doch auch in der hl. Messe, besonders
in der Advents- und Weihnachtszeit; tritt im Geist zum Altar hin, nimm das Kind
auf deine Arme und opfere es Gott dem Vater auf!
18. Nun ist noch ein Punkt zu erklären übrig, nämlich, daß Christus bei seiner erneuerten
Geburt auf dem Altar eine so demütige Gestalt annimmt, daß Himmel und Erde sich
darüber wundern müssen. Von der ersten Menschwerdung und Geburt Christi beschreibt
der hl. Paulus mit nachdrücklichen Worten, wie Christus sich dabei für uns so sehr
erniedrigt habe, indem er sagt: „So sollt ihr gesinnt sein, wie auch Jesus Christus
gesinnt war, der, da er in Gottes Gestalt war, sich selbst entäußerte und Knechtsgestalt
annahm, den Menschen gleich und im Äußeren wie ein Mensch befunden ward. Er hat
sich selbst erniedrigt und ist gehorsam geworden bis zum Tod" (Phil 2,5-8).
19. Das sind sehr denkwürdige und betrachtenswerte Worte, darin uns der hl. Paulus
die unergründliche Demut Christi erklärt und seine Entäußerung vor Augen stellt.
Wer aber die geistige Geburt Christi bei der hl. Messe erwägt, der findet noch eine
weit größere und ganz unermeßliche Demut Christi. Denn bei seiner Geburt
wurde er den Menschen gleich und nahm die Gestalt eines überaus schönen, herzigen
Kindes an. In der hl. Messe aber nimmt er die Gestalt des Brotes an. Ja,
er erniedrigt und entäußert sich so sehr, daß er sich auch in das allerkleinste
Stücklein verbirgt. [Wie ungeziemend ist da die heutige Kommunionpraxis!]
20. Welch unergründliche Demut und unerhörte Entäußerung! Hiervon kann Christus
mit Fug und Recht sagen, was schon David im Psalm 21,7 ihm in den Mund gelegt hat:
„Ich bin ein Wurm und nicht ein Mensch, der Leute Spott und des Volkes Verachtung."
Denn wer achtet ein kleines Stücklein Brot? Wer erweist dem Heiland unter dieser
Gestalt die genügende Ehre und Ehrfurcht? Wo ist die Herrlichkeit, welche seinem
verherrlichten Leib eigentlich zusteht? Wo ist seine gewaltige Allmacht, wo seine
Erhabenheit und Majestät, welche den ganzen Himmel in Zittern und Ehrfurcht versetzt?
Das alles hat er beiseite gesetzt und statt dessen Geringes angenommen. Denn
derjenige, der das Wort des Vaters ist, kann hier kein Wort reden. Derjenige,
der den Himmel erbaut hat, kann hier weder Hand noch Fuß regen; derjenige, den die
Himmel nicht fassen können, wird hier von der Gestalt der kleinsten Hostie umschlossen
wie ein Gefangener. Derjenige, der zur Rechten Gottes auf dem himmlischen Thron
sitzt, der liegt hier wie ein gebundenes Lamm auf dem Altar und ist bereit, noch
einmal geistiger Weise für uns geschlachtet zu werden. O, wohl eine unergründliche
Demut des höchsten Herrn des Himmels und der Erde, o, wohl eine unbegreifliche
Liebe
des treuesten Liebhabers der Menschenkinder!
21.
Daneben unterwirft er sich auch den Priestern, ja nicht allein den frommen,
sondern auch den schlechten, und überliefert sich so in ihre Hände, daß sie ganz
nach ihrem Gefallen mit ihm umgehen können. Ist denn das nicht auch eine unermeßliche
Erniedrigung? Als Christus kam, um sich von Johannes taufen zu lassen, sagte dieser:
„Ich sollte von dir getauft werden, und du kommst zu mir?" (Mt 3,14). Gleicherweise
sollte auch jeder Priester erschrecken, daß der Sohn Gottes sich so ganz in seine
Hände gibt. O freilich ein großes Wunder! Warum aber demütigt sich Christus so,
warum entäußert er sich so sehr? Willst du die Ursache wissen, so höre und verwundere
dich.
22. Eine der wichtigsten Ursachen ist die, daß er durch diese seine äußerste
Erniedrigung den erzürnten Gott versöhnen und dessen gerechte Strafe von den Sündern
abwenden will. Denn es gibt ja doch kein besseres Mittel, seinen Feind zu versöhnen,
als sich vor ihm zu verdemütigen und um Verzeihung zu bitten. Das sehen wir an dem
gottlosesten König Achab. Als diesem der Prophet Elias auf Gottes Befehl geweissagt
hatte, daß der Herr ihn und seine Frau und seine Kinder wegen ihrer schweren Sünden
so hart strafen wolle, daß keines von ihnen soll begraben, daß vielmehr ihre Leiber
von den Hunden und den Vögeln des Himmels sollten gefressen werden, „da zerriß Achab
seine Kleider und zog ein härenes Bußgewand an, schlief im Trauergewand und ging
mit gebeugtem Haupt einher." Da sprach Gott zu Elias: „Hast du Achab nicht gesehen,
wie er sich demütigte vor mir? Weil er sich also demütigte, will ich das Unglück
nicht in seinen Tagen bringen." (3 Kg
21,27f.)
23. Wenn denn nun dieser König Achab, von dem die Schrift sagt, daß er an Gottlosigkeit
nicht seinesgleichen gehabt habe, durch seine Demut und Erniedrigung den allmächtigen
Gott bewogen hat, die angedrohte Strafe nicht über ihn kommen zu lassen, was muß
dann nicht die alleräußerste Demut Christi auf dem Altar bei Gott bewirken; verdemütigt
er sich ja doch hier für die Sünder unendlich mehr als Achab. Denn er legt ja
das Kleid der Glorie ab, verbirgt sich unter der Gestalt der hl. Hostie, geht nicht
etwa nur mit gebeugtem Haupt, sondern liegt auf dem Altar wie ein Schlachtopfer
und ruft von Grund seines Herzens zu Gott dem Vater um Verzeihung der Sünden und
Abwendung der Strafen von den armenSündern. Soll denn Gott nicht zu seinen Engeln
sagen, was er zu seinem Propheten gesagt hat: Habt ihr nicht gesehen, wie sich mein
Sohn vor mir demütigt? Ja freilich, antworten die Engel, wir sehen es und sind erstaunt
über die unendliche Erniedrigung unseres Herrn und Gottes. Da wird ja Gott sagen:
Weil sich denn mein göttlicher Sohn um der Sünder willen so ganz entäußert und vor
mir demütigt, so will ich den Sündern kein Übel zufügen, noch sie wegen ihrer schweren
Laster so strafen, wie sie es verdienten.
24. Höre, Sünder, was Gott spricht, und erkenne, woher es kommt, daß der gerechte
Gott dir dein Leben lang erhält und dich nicht schon längst nach dem Maß deiner
Missetaten gestraft hat. Ich meine, es kommt hauptsächlich daher, weil du oft der
hl. Messe beigewohnt hast und der Abbitte Christi teilhaftig geworden bist. Dieser
hat sich auf dem Altar deiner angenommen, sich an deiner Statt vor Gott verdemütigt
und die verdiente Strafe von dir abgewendet. Deswegen sei deinem treuen Fürsprecher
dankbar und sprich zu ihm von ganzem Herzen:
Gebet.
„Lob und Ehre sei dir, o süßester Jesus, wegen
der unendlichen Liebe,
durch die du dich würdigst, in allen hl. Messen vom Himmel herab zu kommen, Brot
und Wein in dein hl. Fleisch und Blut zu verwandeln, dich unter diesen geringen
Gestalten zu verbergen, durch solche unergründliche Demut den Zorn deines gerechten
Vaters zu versöhnen und die verschuldeten Strafen von uns abzuwenden. Wegen dieser
kostbaren Wohltaten danken wir dir von ganzem Herzen, wir loben, preisen und benedeien
dich aus allen unseren Kräften und bitten alle himmlischen Heerscharen, daß sie
zugleich mit uns dich preisen und erstatten mögen, was uns an Dankbarkeit abgeht.
Wir bitten auch demütig, du wollest die Augen unseres Herzens öffnen, damit wir
die gnadenreichen Geheimnisse, welche du täglich in allen hl. Messen erneuerst,
klar erkennen, würdig ehren und zur Vermehrung unseres Heiles verwenden mögen. Amen."
Inhaltsverzeichnis
6. Kap. - In der hl. Messe erneuert Christus sein Leben.
1. Unter den Dingen, welche die Augen und Ohren erfreuen, sind die Schauspiele,
welche die Ereignisse des Lebens wie lebend darstellen, nicht die geringsten. Denn
daran haben eitle und neugierige Leute solches Vergnügen, daß sie bei Tag und bei
Nacht daran teilnehmen können und dafür teures Geld ausgeben. Wenn wir die Geheimnisse
der hl. Messe recht beobachten und uns vorstellen möchten, wie Christus, gleichsam
mit fremder Kleidung angetan, alle Geheimnisse seines wunderbaren Lebens lebendig
vorstellt und wieder erneuert, so würden wir gewiß beim ersten Glockenzeichen zur
Kirche eilen und mit größter Begierde diesem lieblichen Schauspiel beiwohnen. Vornehmlich
deswegen, sagt Sanchez, „weil die Verdienste Christi in diesem hl. Schauspiel
uns umsonst geschenkt und zugeeignet werden." Nun aber ist es sehr zu verwundern
und zu beklagen, daß, trotzdem man den Schauspielern Geld geben muß, viele dennoch
lieber denen zusehen und mit solchen Possen die edle Zeit vergeuden, als daß
man die Zeit zur hl. Messe verwendet, da doch bei dieser, auch nur durch andächtiges
Zuschauen, uns eine reiche Belohnung gegeben wird.
2. Du möchtest aber sagen: Es ist kein Wunder, daß die vorwitzigen Leute lieber
zu den Schauspielern als zu der Messe eilen, weil in jenen viele lustige Dinge vorgestellt
werden, während in der hl. Messe nichts zu sehen ist, was Ohren und Augen erfreuen
könnte. O, wohl eine große Blindheit der eitlen Menschen, welche keine anderen Augen
als nur unter der Stirn haben, in ihrem Gemüt aber ganz erblindet sind.
Denn wenn sie darin die Augen des Glaubens hätten, so würden sie griße herzliche
Begeisterung bei diesem heiligsten Schauspiele empfinden. Denn die hl. Messe
ist ein kurzer Inbegriff des ganzen Lebens Christi und eine Erneuerung aller Geheimnisse
desselben. Sie ist nicht eine bloße und erdichtete Vorstellung, sondern eine
wirkliche und wahrhaftige Wiederholung dessen, was Christus auf Erden getan und
gelitten hat.
3. Denn in der hl. Messe haben wir dasselbe Christkind, welches die Hirten in
Windeln gewickelt gefunden haben, in geringeren Windeln, nämlich den Gestalten der
hl. Hostie. Den hl. drei Königen war dies Kind zur Anbetung dargestellt und dem
greisen Simeon auf die Arme gelegt; wir haben ebendasselbe auf dem Altar, um es
andächtig anzubeten und mit den Armen der Liebe innig zu umfangen. In der hl.
Messe hören wir ihn das hl. Evangelium predigen; wenn dies auch durch den Mund
des Priesters geschieht, so nützt es uns doch nicht weniger - falls wir es überhaupt
annehmen -, als wenn wir es aus dem Mund Christi gehört hätten. Wir sehen ihn auch
hier ein viel größeres Wunder wirken als zu Kana in Galiläa; denn dort verwandelte
er Wasser in Wein, hier aber Wein in sein heiligstes Blut. Bei der Messe erneuert
er auch sein letztes Abendmahl und konsekriert ebensowohl Brot und Wein, wie er
es damals getan hat. Bei der hl. Messe wird er auch gleichsam wieder geschlachtet,
nicht zwar blutigerweise durch die Hände der gottlosen Schergen, wohl aber unblutigerweise
durch die Hände der geweihten Priester, und dem allmächtigen Gott geopfert. Dazu
sagt Pater Sanchez folgende denkwürdige Worte: „Wer nun hieraus Nutzen schöpfen
will, der kann bei der hl. Messe ebenso Verzeihung der Sünden und himmlische Gnaden
empfangen, als wenn er bei all diesen Geheimnissen persönlich zugegen gewesen wäre."
Daraus erhellt, wie heilsam
die hl. Messe ist und wie viel ein jeder Mensch dabei verdienen kann.
4. Nun wollen wir sehen, auf welche Weise Dionysius der Karthäuser die Erneuerung
der Geheimnisse des Lebens Christi bei der hl. Messe auslegt, da er sagt: „Das
ganze Leben Christi, das er auf dieser Welt zugebracht hat, ist nur ein einziges
hohes Amt der hl. Messe gewesen, in dem er selbst der Altar, der Tempel, der Priester
und das Opfer war."
5. Mit den priesterlichen Gewändern hat er sich bekleidet in der heiligsten Sakristei
des Mutterschoßes Mariens, indem er unser Fleisch angenommen und das Kleid der Sterblichkeit
angelegt hat. Aus dieser Sakristei ist er in der hl. Christnacht ausgegangen und
begann den Introitus oder Eingang, als er in die Welt eintrat. Das Kyrie eleison
hat er gesungen, als er in der Krippe liegend weinte. Das Gloria haben die Engel
gesungen, als sie den Hirten erschienen. Die Tagesgebete hat Christus gebetet, als
er im Gebet die Nacht durchwacht und die göttliche Barmherzigkeit für uns angerufen
hat. Die Lesung hat er gelesen, als er die Schriften des Alten Testamentes auslegte.
Das Evangelium hat er gesungen, als er im Judenland umherzog und sein Evangelium
predigte. Das Offertorium hat er gelesen, da er sich täglich Gott dem Vater zur
Erlösung der Menschheit aufgeopfert und alles zu leiden angeboten hat. Die Präfation
sang er, indem er an unser Stelle Gott unaufhörlich lobte und für die erzeigten
Wohltaten Dank sagte. Das Sanktus hat das hebräische Volk am Palmsonntag gesungen,
da sie sprachen: „Gebenedeit sei, der da kommt im Namen des Herrn, Hosanna in der
Höhe." Die Konsekration vollzog er beim letzten Abendmahl, als er Brot und Wein
in seinen Leib und sein Blut verwandelte.
Die Aufhebung oder Elevation geschah, als er, an das Kreuz genagelt, in die Höhe
gehoben und aller Welt zum Schauspiel vorgestellt wurde. Das Paternoster hat er
gebetet, als er die sieben Worte am Kreuzgesprochen hat. Die Brechung der hl. Hostie
ist geschehen, als seine allerheiligste Seele von seinem Leib schied. Das Agnus
Dei hat der Hauptmann gesprochen, da er, an die Brust klopfend, sprach:
„Wahrlich, dieser war der Sohn Gottes." Die hl. Kommunion geschah, als der hl.
Leichnam ins Grab gelegt wurde. Den Segen am Ende der Messe hat er gegeben, als
er bei seiner Himmelfahrt seine Jünger mit erhobenen Händen segnete.
6. Siehe, das ist das Hochamt und die lange Messe, welche Christus auf Erden gehalten
und seinen Aposteln und Priestern viel kürzer zu halten hinterlassen hat. Davon
sagt Fornerus: „Die Messe ist ein kurzer Abriß des Lebens Christi, worin uns
in einer halben Stunde dargestellt wird, was Christus in den 33 Jahren auf Erden
verrichtet hat." So sind wir denn ebenso glücklich, wenn
nicht noch glücklicher, wie diejenigen, welche mit Christus auf Erden lebten. Denn
diese haben nur eine einzige, und zwar sehr lange Messe gehört oder gesehen, wir
aber können täglich viele Messen hören und mit geringer Mühe die Früchte des ganzen
Lebens Christi erwerben. Damit wir aber noch klarer erkennen, daß Christus alle
Geheimnisse seines Lebens bei der hl. Messe erneuert, so will ich davon eine denkwürdige
Geschichte erzählen.
7.
Weihbischof Thomas von Cantimpré schreibt: „Als ein Priester zu Douai
im Jahre 1254 zur österlichen Zeit in der Kirche des hl. Amatus unter der Messe
die Kommunion austeilte, da sah er, wie eine hl. Hostie auf der Erde im Staub lag.
Hierüber erschrak er sehr, nicht wissend, wie dies geschehen sei, fiel auf seine
Knie und wollte sie mit Ehrerbietung aufheben. Da sah er aber mit großer Verwunderung,
wie dieselbe sich selbst von der Erde erhob und in der Luft schwebte. Er hatte nur
ein einziges Korporale bei der Hand, worauf das Ziborium stand, deswegen nahm er
das Purifikatorium, womit man den Kelch austrocknet, in die Hand, hielt es unter
die hl. Hostie und fing dieselbe damit auf. Dann trug er sie mit Freuden auf den
Altar, kniete demütig davor nieder und bat Christus um Verzeihung wegen der Unehre,
welche ihm widerfahren war. Wie er nun das hochwürdige Sakrament ergriffen anschaute,
sah er, daß die Gestalt der hl. Hostie verschwand und sich in die Gestalt eines
holdseligen Kindleins verwandelte. Das rührte ihn zu Tränen, er brach in lautes
Schluchzen aus, so daß alle Chorherren aus dem Chor eilten und dem Priester zu Hilfe
kommen wollten. Hier sahen alle die Gestalt eines wunderschönes Kindes und wurden
dadurch so gerührt, daß sie vor lauter Freude und Wonne sich nicht zu fassen vermochten.
Das ganze Volk, welches in der Kirche war, eilte hinzu, dies große Wunder zu
sehen und der Gegenwart Christi versichert zu werden. Siehe aber, ein neues
Wunder! Wiewohl die Chorherren ein Kind sahen, so konnten dennoch die Weltleute
dies nicht sehen, sondern sahen statt dessen Christus in seiner männlichen
Gestalt und in seiner göttlichen Majestät.
Welch ein Schrecken und Erstaunen sie überfiel, konnten sie selber nicht sagen noch
ihr Lebtag vergessen. Aus Ehrerbietung schlugen sie vielmal ihre Augen zu Boden,
bald aber erhoben sie dieselben, ihn anzuschauen. Diese herrliche Erscheinung
dauerte eine ganze Stunde. Welche Anmutungen sie in selber Stunde erweckt und
welche Freuden sie in ihrem Herzen empfunden haben, wer will es erklären! O Gott,
hätten auch wir die Gnade gehabt, solches zu sehen! Nachdem nun der Zulauf groß
geworden und Christus seine leibliche Gestalt nach einer Stunde ihren Augen entzogen
hatte, da verschloß der Priester die hochheilige Hostie im Tabernakel, und das Volk
breitete das Wunder allerorten aus."
Als der Weihbischof, der die Geschichte berichtet, das Wunder vernommen hatte,
reiste er von Cambrai nach Douai, kam zum Dekan der Stiftskirche des hl. Amatus
und fragte ihn, ob das Gerücht, welches er von der Erscheinung Christi gehört hatte,
wahr sei. Der Dekan sprach: „Es ist nicht allein wahr, daß Christus in der heiligen
Hostie von vielen ist gesehen worden, sondern daß er noch von vielen in seiner menschlichen
Gestalt wirklich gesehen wird." „Da entstand in mir", schreibt der Weihbischof,
„eine große Begierde, Christus auch zu sehen, und ich bat den Herrn Dekan, daß er
mir auch die hochwürdige Hostie zeigen möchte. Er ging mit mir zur Kirche, und zugleich
mit uns ging eine große Menge Volkes, hoffend, Christus noch einmal zu sehen. Der
Dekan eröffnete den Tabernakel nicht ohne Schrecken, nahm das hochheilige Gut mit
großer Ehrerbietung heraus und gab dem Volk den Segen mit demselben. O Wunder!
Das Volk erhob seine Stimme, brach in Schluchzen aus und schrie: „O Jesus!
O Jesus!" Ich fragte was das Schreien und Weinen bedeute, und sie sagten: „Wir
sehen unsern lieben Heiland mit leiblichen Augen." Ich aber konnte nichts anders
sehen als nur die Gestalt der heiligen Hostie. Deswegen war ich sehr betrübt und
glaubte, daß ich wegen meiner Sünden nicht würdig erachtet würde, meinen Erlöser
anzuschauen. Ich erforschte mein Gewissen genau, und als ich nichts Merkliches fand,
bat ich Christus mit weinenden Augen, daß er mich auch würdigen wolle, sein liebes
Angesicht mit leiblichen Augen anzuschauen. Nach meinem inständigen Gebet ward mir
meine Bitte gewährt, und ich sah mit meinen unwürdigen Augen nicht die Gestalt eines
Kindes, wie viele von dem Volk sahen, sondern ich sah die Gestalt eines vollkommenen
Mannes. Ich sah Christus ganz klar: seine Augen waren überaus klar und lieblich,
sein Haar floß vom Haupt bis auf die Schultern, sein Bart war ziemlich lang und
unter dem Kinn etwas gekrümmt; seine Stirn war glatt und breit, seine Wangen hager
und sein Haupt ein wenig geneigt. In dieser schönen Gestalt sah ich meinen Heiland
Jesus Christus eine gute Weile an und war von diesem Anblick so bewegt, daß mein
Herz vor Größe der Liebe und Süßigkeit fast verging. Nachdem ich längere Zeit der
Freude dieses lieben Bildes genossen hatte, da veränderte sich die liebliche Gestalt
des Angesichtes Christi in eine betrübte Gestalt, und ich sah ihn, wie er in
seinem bitteren Leiden gewesen, mit einer Dornenkrone gekrönt und mit Blut überronnen,
das von seiner Stirne über die Wangen herabfloß. Durch. diesen erbarmenswerten Anblick
wurde ich zu einem solch herzlichen Mitleid bewegt, daß ich heiße, bittere Tränen
weinte und das schmerzliche Leiden Christi in meinem Herzen bedauerte. Ja, es war
mir, als ob die spitzigen Dornen der Krone Christi in meinem Haupt steckten. Auch
das anwesende Volk erhob ein verwirrtes Geschrei, ein jeder auf besondere Weise,
weil ein jeder etwas Besonderes sah und schaute. Einige sahen ihn in demselben
Augenblick in der Gestalt eines lieblichen Kindleins, einige in der Gestalt eines
schönen Knaben, andere in der Gestalt eines erwachsenen Jünglings, andere in der
Gestalt eines wohlgestalteten Mannes und einige in der Gestalt seines Leidens.
Welche Regungen sie aber in ihren Herzen empfunden, welche Anmutungen sie erweckt,
was für Gefühle sie durch ihr Rufen ausgedrückt und wie viel süße und bittere Tränen
sie geweint haben, mag ein jeder selbst erwägen, da es mir unmöglich ist, dies zu
beschreiben."
8. O, wohl ein schönes,, anmutiges und tröstliches Beispiel! O, wäre ich damals
auch zu Douai gewesen. O, hätte ich auch die Gnade dieses frommen Volkes gehabt,
daß ich meinen Gott und Heiland mit meinen Augen in so vielen Gestalten hätte sehen
dürfen! O was für Freude hätte ich gehabt, was für Trost empfangen! - Obwohl ich
dich, o Jesu, in der hl. Hostie niemals gesehen habe, glaube ich dennoch ganz fest,
daß du wahrhaftig darin gegenwärtig bist und deinem himmlischen Vater alle Gestalt,
die du auf Erden gehabt, lebendig vor Augen stellst. Daß dieses dir, dem Allmächtigen,
leicht ist, merke ich mir an diesem Beispiel, in dem ich vernommen, daß in demselben
Augenblick einige dich als Kind, andere als Knaben, andere als Jüngling und andere
als Mann geschaut haben. Einige sahen dich verherrlicht, einige leidend und einige
sterbend, und das in einem einzigen Augenblick. Ebenso tut es Christus in jeder
hl. Messe, in der er sein ganzes Leben und Leiden erneuert und alle Geheimnisse
desselben dem himmlischen Vater, dem Hl. Geist, seiner lieben Mutter, allen
Chören der Engel und allen Scharen der Heiligen ebenso klar vorstellt, als wenn
alles und jedes wirklich wiederum geschähe.
9. Er zeigt ihnen die Gestalt, wie er im Mutterschoß und in der Krippe gelegen,
wie er beschnitten und im Tempel aufgeopfert worden, wie er nach Ägypten geflohen
und das Elend der Verbannung gelitten, wie er gefastet und gepredigt hat und umherzog,
wie er verfolgt, verkauft, verraten, verklagt, gegeißelt, gekrönt, gekreuzigt, getötet
und begraben wurde, wie er schließlich auferstanden und gen Himmel aufgefahren ist.
Mit dieser lebendigen Vorstellung und wahrhaften Erinnerung seines heiligsten Lebens
und Leidens macht er Gott dem Vater und dem Hl. Geist wie auch dem ganzen himmlischen
Heer keine geringere Freude, als er ihnen durch diese Geheimnisse bei seinen Lebzeiten
gemacht hat. Deswegen schöpft der Himmel aus einer jeden Messe unvergleichlich
größere Freude und Wonne als von allen guten Werken dieser ganzen Welt zusammengenommen.
10. Diese Freude entspringt nicht bloß aus der Erinnerung an das Leben und Leiden
Christi, sondern auch aus den Gesinnungen und Anmutungen, welche die Menschheit
Christi bei der hl. Messe gegen Gott zeigt. Denn während jeder Messe ehrt, lobt,
liebt, dankt und verherrlicht Christus die allerheiligste Dreifaltigkeit aus der
ganzen Kraft seiner göttlichen Natur, aus der ganzen Macht seiner menschlichen Natur
und von Grund seines Herzens auf so hohe und unbegreifliche Weise, daß diese
Wirkungen des Lobes und der Liebe alles Lob und alle Liebe der Engel und alle Ehre
und Dienste der Heiligen, welche sie ihm auf Erden geleistet haben, unendlicher
Weise übertrifft. Daraus läßt sich klar erkennen, was für ein hoher Gottesdienst
die hl. Messe ist und wieviel man sowohl durch das Feiern wie auch durch das Anhören
derselben bei Gott erwirken kann. Die übrigen Dienste, die Christus in der hl. Messe
seinem Vater leistet, werden später noch ausführlicher erklärt werden.
11. Zu Ende dieses Kapitels erwäge, wie sehr die hl. Messe uns nützt, und was
für große Verdienste wir dadurch erwerben können. Christus hat 33 Jahre auf Erden
gearbeitet und einen überaus reichen Schatz von Verdiensten gesammelt, nicht für
sich, sondern für uns, seine armen Kinder. Er läßt aber nicht nach zu arbeiten,
sondern fährt noch immer damit fort, wie er selbst bezeugt: „Mein Vater wirkt bis
jetzt, und auch ich wirke" (Jo 5,17), nicht, um mehr zu verdienen, sondern, daß
er uns fähig mache, seine Verdienste zu empfangen.
Deswegen erneuert er in allen Messen sein heiliges Leben
und
verrichtet in jeder, was er in den 33 Jahren vollbracht hat. Das stellt er seinem
Vater vor Augen, auf daß er ihn uns versöhne. Damit erfreut er seinen Vater, auf
daß er ihm den Ärger, den er aus unseren Sünden geschöpft hat, vertreibe. Dies alles
opfert er seinem Vater auf, um unsere Schulden
zu bezahlen. Und wenn wir bei der hl. Messe sind, so schenkt er uns dies alles,
jedem nach seiner Fähigkeit, auf daß wir dadurch unsere Strafen abbüßen.
12.
O, so danke denn deinem treuherzigsten Freunde, der so viel für dich
gearbeitet und dir einen reichen Schatz gesammelt hat! Erkenne seine treuherzige
Freundlichkeit, da er dir diesen teuren Schatz täglich gleichsam umsonst anbietet,
ja sogar schenken will! So versäume denn nicht, täglich zur hl. Messe zu gehen und
durch eine so geringe Mühe einen großen Teil dieses Schatzes zu heben und dir anzueignen.
Wenn du in weltlichen Dingen so leicht reich werden könntest wie an deiner Seele,
du würdest gewiß keine Mühe sparen und keine Zeit verlieren. Wie magst du denn beim
Erwerben der ewigen Reichtümer so saumselig sein und diesen unendlichen Schatz so
leichtsinnig verscherzen! Gott wolle deine Blindheit erleuchten deine Trägheit ermuntern
und dir einen neuen Eifer zu dem so nützlichen Messehören eingießen. Amen.
Inhaltsverzeichnis
7. Kap. - In der hl. Messe erneuert Christus sein Gebet.
1. Der Lieblingsjünger Johannes schreibt in seinem ersten Brief (2,1f.): „Wir
haben einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten, und dieser
ist die Versöhnung für unsere Sünden." Ist das nicht eine treue Versicherung
unseres Heiles? Sagt ja doch die hl. Schrift so ausdrücklich, daß der Sohn Gottes
selbst, der Beisitzer des göttlichen Gerichtes, ja der wahre Richter der Lebendigen
und der Toten, auch zugleich unser Advokat und Fürbitter sei.
2. Hier ist aber nun die Frage, wann und wo Christus dieses sein Amt verrichtet.
Die katholische Kirche glaubt und lehrt, daß Christus nicht allein im Himmel, sondern
auch auf Erden in der hl. Messe für uns bittet und uns Gott anbefiehlt. Das bezeugt
der hochgelehrte Suarez mit den Worten: „Sooft das Meßopfer dargebracht
wird, so oft bittet Christus für jenen, der opfert, und für jene, für die geopfert
wird." Also Christus bittet für den Priester, der die hl. Messe liest, und für
die Leute, die mit ihm dieselbe aufopfern, wie auch für alle, für welche der Priester
und die Leute diese besonders darbringen.
3. Auf welche Weise Christus für diese bittet, beschreibt der hl. Laurentius
Justiniani so: „Wenn Christus auf dem Altar geschlachtet wird, ruft er zu
seinem Vater und zeigt ihm seine Wunden, auf daß er die Menschen durch sein eifriges
Bitten vor der ewigen Strafe bewahre." Das sind fürwahr schöne Worte, welche
uns anzeigen, wie treu Jesus für uns bittet und wie eifrig er sich unserer Sache
annimmt. Auf Erden hat er sich unseres Heiles so angenommen, daß er manche lange
Nacht ohne Schlaf in stetem Beten und Wachen zugebracht hat, wie der hl. Lukas mit
ausdrücklichen Worten bezeugt: „Er ging hinaus auf den Berg, um zu beten, und
er brachte die ganze Nacht im Gebet mit Gott zu." (Lk 6,12.) Daß er das aber
nicht nur einmal, sondern des öfteren getan, ist aus den Worten zu entnehmen:
„Er lehrte bei Tag im Tempel, des Nachts aber ging er hinaus und hielt sich am
Ölberg auf." (Lk 21,37 und 22,39): „Er ging nach seiner Gewohnheit hinaus an
den Ölberg." Daraus ist zu erkennen, daß Jesus den Brauch hatte,
des Nachts an den Ölberg zu gehen und unter freiem Himmel im Gebet zu verharren.
Was meinst du nun aber, was und für wen er gebetet hat? Der hl. Ambrosius
sagt: „Der Herr betet nicht, als ob er für sich bitte, sondern daß er für mich etwas
erhalte." Nicht für sich, sondern für mich und für dich und für alle Menschen
hat der treue Heiland manche Nacht im Gebet zugebracht, damit er uns vor dem
ewigen Verderben bewahren möchte. Weil Christus voraussah, wie viele Millionen Menschen,
für die er den bitteren Tod erlitt, dennoch verdammt würden, so trieb ihm der Untergang
so vieler Seelen viel tausend Tränen aus seinen milden Augen und viel tausend Seufzer
aus seinem mitleidigen Herzen.
4. All diese eifrigen Gebete, welche unser treuer Heiland auf Erden gesprochen
hat, erneuert und wiederholt er in jeder Messe und stellt dieselben Gott dem Vater
so klar vor Augen, als wenn er sie allesamt noch einmal spräche. Desgleichen zeigt
er ihm auch die heißen Tränen, die er für das Heil der Sünder geweint hat; er zählt
ihm vor die herzlichen Seufzer, die ihm die Sorge für die Sünder ausgepreßt hat,
und rechnet ihm die vielen Nächte vor; die er in Wachen und Beten für die Rettung
der Sünder zugebracht hat. Dies alles opfert er zwar für das Heil der ganzen
Welt, vornehmlich aber für das Heil eines jeden, der bei der hl. Messe zugegen
ist. Nun bedenke, wie heilig, wie andächtig und wie kräftig das Gebet sein muß,
das der Heilige aller Heiligen, Jesus Christus, der Sohn Gottes, in eigener Person
aus der ganzen Kraft seiner vergöttlichten Menschheit spricht! Wie heilsam muß dieses
Gebet sein für jene, für die er es spricht, wie angenehm dem himmlischen Vater,
zu dem es gesprochen wird!
5. Weiter wisse, daß Christus auf dem Altar nicht allein für alle Gegenwärtigen
bittet, sondern sich auch, damit seine Bitte desto kräftiger sei, für deren Heil
Gott aufopfert. Wie hoch, wie mächtig, wie kräftig diese Aufopferung sein mag, wer
will's erkennen, ergründen, erklären? Höre, was davon in den Offenbarungen der
hl. Gertrud geschrieben steht: „Bei der Aufhebung der hl. Hostie sah die
hl. Gertrud, wie Christus sein allersüßestes Herz wie einen goldenen Kelch gleichsam
mit seinen eigenen Händen emporhob und seinem Vater vorstellte und sich selbst auf
eine so unaussprechliche und unbegreifliche Weise für seine Kirche aufopferte,
daß dies kein Geschöpf würdig zu begreifen vermag."
6. Merke doch also um Gottes willen, was für ein hohes Geheimnis die hl. Messe
ist, und beherzige, was für ein hochwichtiges, göttliches Opfer sie sei, merke es
dir und staune, weil die hohe Weise dieses Aufopferns kein Mensch, kein Heiliger,
kein Engel, ja auch die allererleuchtetste Mutter Gottes selbst nicht völlig ergründen
kann. Auf daß Christus dieses sein Wort noch mehr erklären und bekräftigen möchte,
hat er dasselbe der hl. Mechthild, Schwester der hl. Gertrud, mit folgenden
Worten geoffenbart: „Ich allein weiß und erkenne vollkommen, wie ich mich täglich
auf dem Altar Gott dem Vater aufopfere für das Heil der Gläubigen; weder Cherubim
noch Seraphim noch alle himmlischen Kräfte können es völlig ergründen."
Aus diesen sehr denkwürdigen Worten entnimm, wie eifrig und kräftig Jesus auf dem
Altar für seine lieben Gläubigen, besonders aber für die Anwesenden nicht allein
bittet, sondern auch sich selbst auf eine so hohe Weise aufopfert, daß selbst die
allerhöchsten himmlischen Geister dies nicht völlig verstehen können. O, was für eine Gnade ist dies für uns, was für ein großes Heil!
7. Neben all diesem ist auch hier wieder zu beachten, daß Christus bei der hl. Messe
sich nicht aufopfert in jener Majestät, in der er im Himmel thront, sondern in
solcher Demut und Erniedrigung, wie keine sonst zu finden ist. Denn auf dem
Altar ist er nicht allein unter der Gestalt der großen Hostie, sondern auch im
allerkleinsten Stücklein zugegen, das von derselben abbröckelt.
8. Unter dieser so geringen Gestalt, in dieser seiner äußerster Erniedrigung schreit
er vom Altar zu Gott im hohen Himmel empor mit allmächtiger Stimme, welche die Wolken
zerteilt und in das Innerste der göttlichen Barmherzigkeit eindringt.
Vom König in Ninive lesen wir beim Propheten Jonas, als er vernommen, daß
die Stadt nach vierzig Tagen untergehen solle, da sei er von seinem Thron aufgestanden,
habe sein königliches Gewand von sich geworfen, ein Bußkleid angetan und dem ganzen
Volk befohlen, Gottes Barmherzigkeit anzurufen. Durch diese seine Demut und Bußfertigkeit
hat er erreicht, daß Gott sein Urteil widerrief und die boshafte Stadt verschonte.
Wenn denn nun dieser heidnische König durch seine Erniedrigung für seine Stadt
Gnade erworben hat, was wird dann Christus, welcher bei der hl. Messe viel mehr
tut, von dem gütigen Gott nicht erhalten?
Denn er steht von seinem göttlichen Thron auf, wirft seine Majestät
gleichsam von sich, zieht das geringe Gewand der Gestalten der hl. Hostie
an und ruft mit aller Macht zu dem allmächtigen Gott um Barmherzigkeit für sein
liebes Volk, gleichsam sprechend:
9. „O lieber himmlischer Vater, siehe an diese meine äußerste Demut und tiefste
Erniedrigung, da ich mich vor dir so sehr verdemütige, daß ich mehr einem Würmlein
als einem Menschen gleich zu sein scheine. Dieses tue ich für die armen Sünder und
Sünderinnen, daß du ihnen verzeihen und sie verschonen wollest.
Sie haben sich gegen dich erhoben, ich aber demütige mich vor dir. Sie haben
dich mit ihren Sünden erzürnt, ich aber will dich mit meiner Demut versöhnen.
Sie haben von deiner Gerechtigkeit Strafen verdient, ich aber will dieselben durch
mein eifriges Bitten von ihnen abwenden. Um meinetwillen also schone ihrer, o liebster
Vater, und strafe sie nicht nach ihrer Schuld. Übergib sie doch nicht dem leidigen
Satan und laß sie nicht ewig verloren gehen. Ich will sie nicht verlieren, denn
sie sind mein und sind durch mein Blut gar teuer erkauft worden. Besonders aber
bitte ich, o liebster Vater, für die anwesenden Sünder und Sünderinnen, für die
ich jetzt noch einmal mein Leben hingebe und mein teures Blut geistiger Weise vergieße,
auf daß du sie durch die Kraft meines hl. Blutes und bitteren Todes vor dem ewigen
Tod bewahrst."
10. O Jesu, wohin bringt dich die Liebe zu deinen Gläubigen, daß du dich ihrer so
treu annimmst, so viel auf dem Altar für sie tust und so eifrig für sie bittest!
Diese deine große Liebe und Treue können wir niemals hoch genug schätzen, viel weniger
auf irgendeine Weise als nur durch fleißige Teilnahme an der hl. Messe vergelten.
Wer wollte denn nicht gerne bei der hl. Messe sein, da er doch weiß, daß Christus
selbst für sein Heil bittet, ja nicht allein bittet, sondern, damit sein Gebet desto
kräftiger sei, sein Leiden erneuert und sich selbst auf so unaussprechliche Weise
zum Opfer hingibt? Wer sollte nicht auf eine solche Fürbitte vertrauen? Wer sollte
nicht nach einem solchen Fürsprecher verlangen?
O wie leicht kannst du
ihn haben, ja, du hast ihn wirklich, wenn du die hl. Messe mitfeierst. Es unterliegt
keinem Zweifel, daß Christus am Kreuz die unter dem Kreuz Stehenden seinem Vater
ganz besonders empfohlen und ihnen die Früchte seines Leidens ganz besonders zugeeignet
hat. Also unterliegt es auch keinem Zweifel, daß Christus bei der hl. Messe für
die Anwesenden dasselbe tut, besonders wenn sie ihn als Fürsprecher anrufen, indem
sie bitten, daß er sich auch für sie aufopfern wolle. Denn alsdann bittet er ebenso
kräftig für sie, wie er am Kreuz für seine Feinde gebetet hat.
Was wird dieses Gebet nicht bewirken? Welch großes Heil wird es uns erwerben?
O welch feste Hoffnung auf die ewige Seligkeit soll uns dies bringen, daß der eingeborene
Sohn Gottes sich würdigt, täglich für uns zu bitten und die gefährdete Sache unseres
Heiles auf sich zu nehmen!
11. Wenn die allerseligste Jungfrau Maria vom Himmel herabkäme, dir erschiene
und tröstlich zu dir sagte: „Fürchte dich nicht, mein liebes Kind, denn ich verspreche
dir, daß ich das gefährliche Geschäft deines Heiles auf mich nehmen, meinen Sohn
inständig bitten und nicht eher zu bitten nachlassen werde, bis er mir verspricht,
daß er dich selig machen wolle" - würdest du dich nicht von Herzen freuen? Würdest
du nicht vor Größe der Freude von Grund deiner Seele ausrufen: „Nun bin ich von
Herzen getröstet! Nun habe ich gar keinen Zweifel mehr an meiner Seligkeit, denn
die Mutter Gottes ist mir erschienen und hat mir aufrichtig versprochen, daß sie
nicht nachlassen wolle zu bitten, bis sie mir das ewige Heil erwerbe." Da hättest
du reichlich Ursache, dich zu erfreuen, wenn dir diese Gnade widerfahren sollte,
und ich würde mich gleichermaßen freuen, wenn die liebe Mutter Gottes mir eine derartige
Wohltat erzeigen und mir ihre machtvolle Fürbitte versprechen wollte.
12. Wenn wir so großes Vertrauen auf die kräftige Fürbitte Mariens setzen, warum
setzen wir dann nicht dasselbe, ja viel größeres Vertrauen auf die allmächtige Fürsprache
des eingeborenen Sohnes Gottes, welcher uns nicht allein verspricht, daß er sich
unseres Heiles annehmen und seinen Vater für uns um Erwerbung der Seligkeit bitten
wolle, sondern in jeder Messe, bei der wir persönlich gegenwärtig sind, wirklich
für uns eintritt und der göttlichen Gerechtigkeit gleichsam Gewalt antut, daß
sie uns nicht nach unserem Verschulden strafen, sondern aus Gnaden selig machen
wolle. Denn er bittet nicht allein, sondern es bitten zugleich, ja rufen seine Tränen
mit so vielen Anmutungen, wie Tränen aus seinen Augen geweint worden sind. Mit ihm
rufen auch seine hl. Wunden mit so vielen Stimmen, wie Wunden an seinem heiligsten
Leib gewesen sind. Mit ihm rufen auch seine Blutstropfen mit so vielen Worten,
als Tropfen aus seinen schmerzlichen Wunden geflossen sind. Mit ihm ruft
auch sein göttliches Herz mit so vielen Bewegungen, wie Seufzer aus demselben
gekommen sind. Die Stimme des hl. Blutes und dieses Rufen der Wunden, der Tränen
und des Herzens ist allmächtig, es übersteigt die Wolken, zerteilt die Himmel
und durchdringt das Herz des himmlischen Vaters. Was wird denn dieses Rufen und
Flehen nicht erhalten? Was für Gnaden wird es uns nicht erbitten, was für Übel nicht
von uns abwenden?
13. Wenn du also wohl weißt, daß Christus in der hl. Messe für alle Anwesenden
ganz besonders bittet, warum gehst du dann nicht in die hl. Messe, auf daß auch du seines Gebetes teilhaftig wirst? Du klagst und seufzt ja oft, daß du nicht
andächtig beten könntest: warum gehst du denn nicht zur hl. Messe, daß Christus
da für dich oder an deiner Statt bete und deinen Mangel ersetzt? Er lädt dich doch
so freundlich ein: „Kommt alle zu mir, die ihr mit Mühe und Arbeit beladen seid,
ich will euch erquicken" (Mt 11,28). So rief er, da er noch auf Erden war. Vom
Altar aus aber scheint er zu rufen: „Kommt alle zu mir, die ihr nicht andächtig
beten könnt, und ich will für euch beten." Warum erfüllst du denn nicht den Wunsch
Christi, o armseliger Mensch, warum eilst du nicht zu ihm in der hl. Messe?
Du läufst ja in der Not gern zu den Leuten, ihnen dein Elend zu klagen und sie
um ihr Gebet für dich anzusprechen. Wenn du auf das Gebet der Menschen vertraust,
warum vertraust du nicht vielmehr auf das allerkräftigste Gebet Christi?
Du steckst ja wirklich in großer Not, und deine größte Not ist die augenscheinliche
Gefahr der Verdammnis. Davon sprachen die Jünger zu Jesus: „Wer kann wohl selig
werden?" Er antwortete: „Bei den Menschen ist es unmöglich, nicht aber bei Gott"
(Mk 10,26f.). Da du also aus dem Mund Christi, hörst, daß es dir nicht möglich sei,
aus eigener Kraft selig zu werden, so fliehe doch in dieser größten Gefahr täglich
zur hl. Messe, auf daß Christus für dich bete und dir die Seligkeit beim Vater ausbitte.
14. Du möchtest aber sagen: „Ach, ich armseliger Mensch, ich verdiene nicht
und bin nicht würdig, daß Christus für mich bittet." So denke nicht, sondern sei
versichert, daß, wenn du Christus bei der Messe nur mit einem Seufzer ansprichst,
er ganz gewiß für dich bittet, ja gleichsam bitten muß. Denn so spricht der hl.
Paulus: „Jeder Hohepriester wird für die Menschen bestellt in ihren Angelegenheiten
bei Gott, damit er Gaben und Opfer für die Sünden darbringe." (Hebr 5,1). Weil
Christus vom himmlischen Vater zu unserem höchsten Priester bestellt wurde, und
weil er in der hl. Messe sein priesterliches Amt verwaltet, deswegen muß er von
Amtes wegen für sein Volk bitten. Das tut er nicht bloß für alle insgemein, sondern
auch für jeden insbesondere; gleichwie er für alle insgemein uns für jeden insbesondere
gelitten hat, und gleichwie er jetzt für alle insgemein und für jeden insbesondere
sorgt. Darum hast du gar nicht am Gebet Christi für dich zu zweifeln, sondern bist
dessen, wenn du die hl. Messe mitfeierst, versichert und vergewissert.
15. Aus allem Gesagten hast du nun genugsam vernommen, wie kräftig und eifrig
unser Heiland auf dem Altar für uns bittet, und wie heilsam für uns Arme dieses
sein hl. Gebet ist. Nun ist nur noch nötig, daß du dein Gebet mit dem Gebet Christi
vereinst oder ihn bittest, daß er es mit seinem Gebet vereinigen wolle. Das
beweist Weihbischof Fornerus: „Die Gebete", sagt er, „die von jenem, der
die hl. Messe andächtig hört und sie Gott für sich aufopfert, mit dem Meßopfer vereinigt
werden, gehen allen anderen, auch viele Stunden währenden noch so eifrigen Gebeten
und himmlischen Beschauungen gleichsam unendliche Meilen weit vor, und zwar durch
die Kraft der Verdienste des Leidens Christi, das seine Macht in der hl. Messe durch
einen wunderbaren Überfluß der Gnaden und himmlischen Güter beweist." Diese seine
Meinung bekräftigt Fornerus mit folgendem Beweis: „Denn gleichwie das Haupt der
edelste Teil des Körpers ist und alle Glieder an Würde übertrifft, so übertrifft
auch das Gebet Christi, der unser Haupt ist und in der hl. Messe für
uns betet, das vereinigte Gebet aller Christen, die Glieder Christi sind."
16. Wenn nun ein Mensch sein armseliges Gebet bei der hl. Messe mit dem alleredelsten
Gebet Christi vereinigt, so wird es verbessert und geadelt, gleichwie ein kupferner
Pfennig, der in flüssiges Gold getaucht wird. Es wird zugleich mit dem göttlichen
Gebet Christi in den Himmel getragen und Gott als eine edle Gabe dargeboten.
Hieraus folgt, daß ein geringes Gebet, bei der hl. Messe gesprochen, viel besser
ist als ein eifriges, zu Hause gesprochen. Deswegen handeln die Geistlichen,
die ihr Breviergebet, und die Laien, die ihre gewöhnlichen Gebete zu Hause verrichten,
wenn sie unterdes die hl. Messe hören könnten, sehr unweise und berauben sich selbst
vieler Verdienste. Denn wenn sie dieselben bei der hl. Messe beteten und die Meinung
machten, zugleich die hl. Messe zu hören, und nur zur Wandlung in ihren Gebeten
aufhörten, um den Leib und das Blut Christi anzubeten und aufzuopfern, so würden
sie doch viel mehr verdienen, als wenn sie zu Hause oder auf dem Feld beten. Denn
sie werden aller Gnaden, die in diesem Buch geschrieben sind, teilhaftig und sammeln
sich einen großen Schatz von Verdiensten im Himmel.
Inhaltsverzeichnis
8. Kap. - In der hl. Messe erneuert Christus sein Leiden.
1. Unter allen Geheimnissen des Lebens Christi ist keines nützlicher zu erwägen
und würdiger zu verehren als eben das bittere Leiden und Sterben, durch das wir
erlöst wurden. Hiervon reden die hl. Väter ganz großartig und versprechen jenen,
die das Leiden Christi fleißig verehent, reichliche Vergeltung von Gott. Obwohl
es viele nützliche Andachtsübungen zum bitteren Leiden gibt, so meine ich doch,
daß keine besser und würdiger sei als eben das andächtige Mitfeiern der hl. Messe.
Denn auf dem Altar ist es wahrhaftig gegenwärtig, deswegen kann man es da am besten
betrachten und vor Augen stellen.
1. Wie in der hl. Messe das Leiden Christi erneuert wird.
2. Daß das Leiden Christi bei der Messe erneuert wird, können wir ja mit Augen
sehen und mit Händen greifen. Denn was wir all das sehen, sind lauter Kreuze
und Kreuzzeichen: In den Altarstein sind fünf Kreuze eingehauen, die mit wohl
mehr als hundert Kreuzzeichen vom Bischof konsekriert worden sind. Auf dem Altar
steht ein Kruzifix, auf der Hostie steht ein Bild des Gekreuzigten und ebenso im
Meßbuch vor dem Kanon. Auf dem Schultertuch steht ein Kreuz, auf dem Manipel, auf
der Stola und auf der Kasel oder dem Meßgewand ist ein Kreuz, auch am Kelch und
auf der Patene siehst du das Kreuz. Der Priester bezeichnet sich selbst mit dem
Kreuzzeichen sechzehnmal, das Opfer aber neunundzwanzigmal. Was bedeuten denn diese
vielen Kreuze und Kreuzzeichen anders als eben, daß das blutige Kreuzopfer Christi,
d.h. sein bitteres Leiden und Sterben, vorgestellt, wiederholt und erneuert wird?
3. Christus hat beim letzten Abendmahl gesprochen: „Tut dies zu meinem Andenken."
Aber dieses Andenken ist nicht bloß eine Erinnerung, sondern auch eine Erneuerung
des Leidens Christi, denn so lehrt die katholische Kirche auf dem Konzil von Orient
(Sitzung 22, Kan. 2): „Wenn jemand sagt, das Meßopfer sei nur ein Opfer des Lobes
und Dankes oder nur eine bloße Erinnerung an das am Kreuz vollbrachte Opfer, der
sei im Bann." Und im Kap. 2 sagt sie: „In diesem
göttlichen Opfer, das in der hl. Messe vollzogen wird,
ist eben
derselbe Christus enthalten und wird unblutiger Weise
geschlachtet,
der sich selbst auf dem Altar des Kreuzes ein Mal blutiger Weise
dargebracht hat." Wenn wir kein anderes Zeugnis als
nur dieses einzige hätten, sollte es uns schon genug sein und uns allen Zweifel
benehmen. Was die katholische Kirche lehrt und uns zu glauben vorlegt, das
müssen wir fest glauben und dürfen dem nicht im geringsten widersprechen. Nun
aber sagt die Kirche, daß derjenige, der sich vorzeiten am Kreuz blutiger und
schmerzlicher Weise aufgeopfert hat, in der hl. Messe wahrhaft gegenwärtig ist
und wiederum unblutiger Weise, also ohne Schmerzen zum Schlachtopfer wird.
4. Zum Beweis fügt die Kirche noch folgende Worte hinzu: „Denn es ist ebendasselbe
Schlachtopfer und ebenderselbe Opfernde durch den Dienst der Priester, der sich
damals selbst am Kreuz hingab, nur die Weise zu opfern ist verschieden." Als wollte
die Kirche sagen: In beiden Opfern, d.h. im Kreuzesopfer und im Meßopfer, ist
dasselbe Opferlamm, das geopfert und geschlachtet wird, und es ist derselbe,
der beide Opfer verrichtet, nämlich Christus. Die Art und Weise aber, wie er
in beiden Fällen das Opfer vollbringt, ist verschieden; denn am Kreuz hat er sich
selbst blutiger Weise geopfert, geschlachtet durch die Hände der gottlosen Schergen;
auf dem Altar aber opfert er sich selbst unblutiger Weise, geistig geschlachtet
durch die Hände und den Dienst der Priester.
5. Dieses Wort „schlachten", auf Latein immolare, braucht die Kirche gar
oft im Meßbuch, und auch der hl. Augustinus braucht es an der Stelle: „Christus
ist an und für sich zwar nur einmal geschlachtet worden, aber dennoch wird er im
Sakrament oder der hl. Messe alle Tage für das Volk geschlachtet." Dieses Wort,
sage ich, ist sehr beachtenswert, weil es in der Hl. Schrift vom Schlachten der
Tiere zu den Opfern im Alten Bund weit über hundertmal gebraucht wird.
Wenn nun die Kirche dasselbe Wort bei der hl. Messe braucht, so will sie damit
anzeigen, daß Christus unter der hl. Messe nicht allein mit den bloßen Worten des
Priesters, auch nicht allein mit der bloßen Aufhebung des Sakraments geopfert werde,
sondern daß er in der hl. Messe wie ein Lamm geistiger Weise gemartert, getötet
und geschlachtet wird, wie wir noch weiter beweisen wollen.
6. Der hl. Cyprian sagt: „Das Leiden Christi ist das Sakrifizium, welches
wir aufopfern", als wollte er sagen: Wenn wir die hl. Messe lesen, so erneuern wir
das, was beim Leiden Christi geschehen ist. Noch klarer sagt es der hl. Gregor:
„Obwohl Christus jetzt nicht mehr stirbt, so leidet er doch durch das Meßopfer in
geheimnisvoller Weise wiederum für uns."
7. Solcher Zeugnisse könnte ich gar viele beibringen, will mich aber der Kürze
halber auf das beste beschränken, nämlich auf das der unfehlbaren hl. Kirche, die
am neunten Sonntag nach Pfingsten im Stillgebet betet: „Verleihe uns, o Herr, daß
wir diese Geheimnisse würdig begehen, denn so oft das Gedächtnis dieser Opfergabe
gefeiert wird, so oft wird das Werk unserer Erlösung geübt." Hier ist nun die Frage,
was das Werk unserer Erlösung sei. Das wissen die Kinder zu beantworten. Denn wenn
du sie fragst: Wodurch sind wir erlöst worden? so antworten sie: Durch das Leiden
Christi. Wenn nun die Kirche sagt, daß das Werk der Erlösung in allen Messen vollzogen wird, so folgt daraus, daß das Leiden Christi in allen Messen
wieder erneuert wird. Das ist natürlich nicht so zu verstehen, als ob wir durch
die Messe von neuem erlöst würden, sondern daß die Kraft der Erlösung durch die
hl. Messe uns zugeeignet wird.
Schließlich höre noch ein schönes Wort von Molina: „Die hl. Messe übertrifft
die anderen Opfer unermeßlich, weil sie nicht bloß eine Vorstellung, sondern das
Werk unserer Erlösung ist, voll von Geheimnissen und wirklich vollbracht."
Diese Zeugnisse können einem jeden genug beweisen, daß die hl. Messe eine
Erneuerung des Leidens Christi ist und daß das sanftmütige Gotteslamm wieder zum
Opfer gebracht wird. Wenn Christus dabei auch nicht leiblicher oder schmerzlicher
Weise mehr leiden kann, so zeigt er doch dem himmlischen Heer die erbarmenswerte
Gestalt, die er bei seiner Geißelung, Dornenkrönung und Kreuzigung gehabt, so lebendig,
als wenn er dies noch einmal wirklich in der Tat für die Welt litte.
Inhaltsverzeichnis
2. Warum Christus in der hl Messe
sein Leiden wahrhaft erneuert.
8. Im Vorigen Teil diese Kapitels ist zur Genüge gezeigt worden, daß Christus
in der hl. Messe seien Leiden wahrhaft erneuert. Vielleicht ist aber manchem die
Ursache davon nicht recht bekannt, und darum wollen wir diese in diesem Abschnitt
genauer auseinanderzusetzen versuchen. Der hochgelehrte und tieffromme Pater
Dionysius aus dem Karthäuserorden gibt dafür schöne Gedanken an die Hand, indem
er im Namen Christi folgendes ausführt: „Das Opfer der hl. Messe wird täglich für
eure Versöhnung und Reinigung und für euer Heil in der Kirche dargebracht. Denn
mit solch brennender Liebe habe ich euch geliebt, so freigebig war ich gegen euch
gesinnt, daß es mir nicht genug war, einmal mich euch zu widmen und einmal für euch
geopfert zu werden, sondern in dem abgrundtiefen Quell meiner unendlichen Weisheit
habe ich dieses tiefe Geheimnis erfunden, um unaufhörlich bei euch zu bleiben, mich
euch anzubieten und geopfert zu werden."
9. Siehe doch, welche Liebe der Heiland zu uns hegt, daß er bei uns bleibt und von
unserer Mitte aus sich immer wieder dem Vater opfert, wie er es einst am Kreuzgetan
hat! Dadurch wird sein Flehen zum Vater dringender und dringender auch sein Rufen
zu uns, daß wir alles das uns zueignen lassen, was er uns am Kreuz an wunderbaren
Gnaden erworben hat. Aus Liebe zu uns Menschen hat er drei Stunden in bitterer Qual
am Kreuz gehangen. Um das wieder gutzumachen, was unser so vielfacher Ungehorsam
Schlimmes anrichtet, ist der Sohn Gottes gehorsam geworden bis zum Tod, ja bis zum
Kreuzestod, so gehorsam, daß er nicht bloß den bitteren Tod, sondern sogar den
schimpflichsten und qualvollsten Tod auf sich genommen hat. Darum hat ihn Gott
auch erhöht und ihm einen Namen gegeben, daß in seinem Namen sich beugen die Knie
derer, die im Himmel, auf der Erde und unter der Erde sind (Phil 2). Er hat seine
Herrlichkeit angetreten, ist auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel,
dort thront er zur Rechten des Vaters. Dort haben wir ihn als „Fürsprecher beim
Vater, Jesus Christus den Gerechten" (1 Jo
2,2). Dort zeigt er dem Vater seine Wundmale.
Aber seitdem das Wort Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat, hat sein Bleiben unter uns nicht aufgehört. Nicht bloß im Himmel zeigt er seine Wundmale,
sondern aus der Mitte derer, für die er Mensch geworden ist und gelitten hat, ruft
er immer wieder zum Vater um Gnade und Barmherzigkeit. O wie viele Menschen mögen
wohl durch dieses Flehen gerettet sein und bis zum Ende der Zeiten noch gerettet
werden, die ohne dieses Opferleben Christi auf Erden das Heil nicht erlangt, hätten!
Geistigerweise am Kreuz hängend, ruft er zum Vater um Gnade; uns selbst aber
ruft er auf, daß wir sein Leiden betrachten und seine Liebe immer mehr zu verstehen
suchen, um im vollsten Maß all dessen teilhaftig werden zu können, was er uns durch
sein bitteres Leiden verdient hat.
Das ist also das Mittel, das er in seiner unendlichen Weisheit zur Rettung der
Seelen erfunden hat: das allerheiligste, allerhochwürdigste und allergöttlichste
Meßopfer, in dem er täglich, ja unaufhörlich für uns leidet und mit allmächtiger
Stimme zu Gott um Gnade und Barmherzigkeit ruft.
10. Hiervon schreibt Pater Bollandus im Leben der hl. Jungfrau Coleta (6.März),
wie diese große Dienerin Gottes eine besondere Liebe zur hl. Messe trug und diese
jeden Tag mit größter Andacht mitzufeiern pflegte. Als nun einmal der Priester bis
zur Wandlung gekommen war, fing sie plötzlich an, laut aufzuschreien und zu sagen:
"O mein Gott! O Jesus! O ihr Engel und Heiligen! O ihr Menschen und Sünder! Seht
und hört Zeichen und Wunder!" Nach der Messe fragt der Priester, weshalb sie denn
so erbärmlich gerufen und geweint habe. „Was hast du denn gesehen?" fragte er. Sie
antwortete: „Obwohl solche Dinge so hoch und so göttlich sind, daß es sich nicht
geziemt, davon zu reden, so will ich dennoch auf unsere Weise etwas davon verständlich
zu machen suchen. Als Euer Hochwürden das hochhl. Sakrament emporhoben, sah ich
Christus wie am Kreuz hängend, mit blutenden Wunden etwa folgendes zu Gott rufend:
Siehe an, mein Vater, die Gestalt, die ich am Kreuz gehabt und für die Welt erlitten
habe! Siehe an meine Wunden, siehe an mein vergossenes Blut, beherzige mein Leiden,
beherzige meinen Tod! Dies alles habe ich deswegen gelitten, damit die armen Sünder
gerettet werden und nicht verloren gehen möchten. Nun aber willst du sie wegen
ihrer Sünden verdammen und dem Teufel übergeben. Wer vergilt mir dann mein Leiden,
wer vergilt mir dann meinen bitteren Tod? Von den Sündern in der Hölle werde ich
keinen Dank zu gewärtigen haben, die werden vielmehr mich und mein Leiden ewig verfluchen.
Wenn sie aber selig würden, so würden sie mich ewiglich preisen und mir Dank sagen
für mein bitteres Leiden. Darum bitte ich dich, o liebster Vater, verschone doch
die armen Sünder um meinetwillen, und wegen meines bitteren Leidens bewahre sie
vor der ewigen Verdammis."
11. Aus diesen Worten vernimmst du, wie treulich der liebe Heiland bei der Messe
für uns bittet und zum himmlischen Vater um Barmherzigkeit ruft. Denn da die Messe
eine Erneuerung des Leidens Christi ist, deswegen muß auch bei derselben das vorgehen,
was am hl. Kreuz geschehen ist. Damals rief Christus mit lauter Stimme:
„Vater verzeihe ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." Ebenso ruft er auch
bei der hl. Messe vom Altar aus, und zwar für die Sünder der ganzen Welt, besonders
aber für die jene, welche die hl. Messe mitfeiern. Diese seine Stimme ist nicht
matt oder schwach, sondern allmächtig und von einer unendlichen Kraft. Denn sie zerteilt die Wolken, durchdringt den Himmel und dringt ein in das väterliche
Herz. Hier erfüllt Christus das Amt eines Fürsprechers, wovon der hl. Johannes
spricht: „Wir haben einen Fürsprecher beim Vater, Jesus Christus, den Gerechten,
und dieser ist die Versöhnung für unsere Sünden" (1 Jo 2,1f.).
Hier erfüllt er auch, was der hl.. Paulus sagt: „Jesus Christus, der gestorben
ist, der auch auferstanden ist, der zur Rechten Gottes sitzt, bittet für uns"
(Röm 8,34). Er bittet zwar im Himmel für uns, vornehmlich aber auf dem Altar, weil
er da sein priesterliches Amt verwaltet.
12. Diesem gibt auch Zeugnis der hl. Laurentius Justiniani, er sagt: „Während
Christus auf dem Altar geopfert wird, ruft er zu seinem Vater und zeigt ihm die
Wundmale seines Körpers, auf daß er durch seine Fürbitte die Menschen vor der ewigen
Pein bewahre." O, wie viel Gutes erwirkt Christus mit seinem Gebet am Altar! Wie
oft wären Land und Leute zugrunde gegangen, wenn Christus sie nicht durch sein Gebet
erhalten hätte! Wie viele Tausende wären jetzt in der Hölle statt im Himmel,
wenn nicht Christus sie durch seine allmächtige Fürbitte davor bewahrt hätte!
Nun denn, Sünder, Sünderin, gehe gern und oft zur hl. Messe, auf daß du der
Fürbitte Christi teilhaftig und vor vielem Übel bewahrt wirst! Was du nicht durch
dich erhalten kannst, kannst du durch diesen deinen allmächtigen Fürbitter bei Gott
erlangen.
13. Aus dem Gesagten dürfte nun die erste Ursache, warum Christus sein Leiden
in der hl. Messe erneuert, klar sein: er will nämlich so kräftig, wie er am Kreuz
getan, für uns bitten und durch Vorweisen seines Leidens seinen Vater zur Barmherzigkeit
bewegen. Nun wollen wir noch einen zweiten Grund vorbringen, der uns ebenfalls
sehr nutz- und trostreich ist, nämlich damit uns durch das hl. Meßopfer die Verdienste
seines schmerzlichen Kreuzesopfers zugeeignet werden möchten.
Um dieses besser zu verstehen, sollst du wissen; daß Christus in seinem ganzen
Leben, besonders aber am Kreuz, einen unendlichen Schatz von Verdiensten erworben
hat, die er damals nur jenen Gläubigen austeilte, die zum Empfang dieses Schatzes
fähig waren. Diesen Schatz teilt er noch täglich bei vielen Gelegenheiten aus,
vorzüglich aber bei der hl. Messe. Hierüber spricht ein christlicher Geisteslehrer:
„Was am Kreuz ein Opfer der Erlösung war, das ist in der hl. Messe ein Opfer
der Zueignung, durch welches der Wert und die Kraft des Kreuzesopfers einem jeden
Menschen besonders zugeeignet wird." Dieses sind sehr schöne und trostreiche Worte,
über die jeder Gerechte und Sünder sich herzlich freuen soll. Wir arme Sünder haben
die Gnade nicht gehabt, dem Kreuzesopfer Christi auf dem Kalvarienberg anwesend
zu sein und dort uns der Früchte desselben teilhaftig zu, machen; wenn wir aber
an der hl. Messe mit Andacht teilnehmen, so wird uns der Wert und die Kraft des
Kreuzesopfers oder des Leidens Christi zugeeignet, einem jeden nach seiner Andacht.
14. Nun merke, was das für ein Nutzen ist, daß der göttliche Heiland sein Leiden
für uns erneuert und uns dasselbe schenkt und zueignet. Warum meinst du, daß er
das tut? Weil wir es ganz als unser eigen betrachten und zu unserem größten Nutzen
Gott aufopfern sollen. Was dieses Opfern bringt, das kannst du bei der hl. Mechthild
lernen, zu der Christus sagte: „Siehe, ich schenke dir alle Bitterkeit meines
Leidens zu eigen, auf daß du dieselbe mir wiedergibst und opferst, als ob es
deine eigene wäre. Wer nun dieses tut, dem gebe ich es doppelt wieder.
Und wie oft er mir es wiederum opfert, immer gebe ich es ihm
verdoppelt wieder. Und das ist dasjenige, was ich gesagt habe: er wird es
hundertfältig wiederbekommen und das ewige Leben besitzen" (Mt 16,29). Sind das
nicht tröstliche Worte? Sind wir bei der hl. Messe nicht überaus glücklich, daß
Christus uns einen so großen Schatz schenkt und wir ihn so leicht vermehren und
vergrößern können? Sooft du ihm etwas von seinem Leiden aufopferst, so
oft bekommst du dasselbe vermehrt wieder. Das ist ja
ein schneller Verdienst, ein leichtes Mittel, reich zu werden!
15. Noch eine dritte Ursache finde ich, warum Christus in der hl. Messe
sein Leiden erneuern wollte, nämlich damit seine Gläubigen, die seinem Kreuzesopfer
nicht dabei sein konnten, an der hl. Messe teilnehmen und dabei ebensoviel erwirken
können, als wenn sie bei seinem Kreuz gestanden hätten, insofern sie beides mit
gleicher Andacht täten. Pater Molina sagt darüber: „Christus hat angeordnet,
daß seine Kirche stets dasselbe Opfer darbringen sollte, das er am Kreuz dargebracht
hat, nicht freilich in blutiger, sondern unblutiger Weise, trotzdem aber so, daß
es dasselbe sein sollte in der Wesenheit und in allem, was der Wesenheit folgt.
Indem ich sage, dasselbe Opfer, so sage ich, daß der hl. Messe innewohnt eine Unendlichkeit
der Gnaden und Vorzüge. Denn weil die Messe ebendasselbe Opfer ist wie das Kreuzopfer,
so muß sie ja dieselbe Kraft und Verdienste haben und Gott dem Vater so angenehm
sein, wie es das Kreuzopfer war. Daß aber die hl. Messe wirklich und wesentlich
dasselbe Opfer ist, folgt daher, weil die Opfergabe dieselbe und der eigentliche
Priester derselbe ist, weil sie ferner ebendemselben Gott aufgeopfert wird und weil
auch die Ursache zum Opfer dieselbe ist. Der Unterschied besteht einzig und allein
darin, daß die hl. Messe auf eine andere Weise vollbracht wird als das Kreuzesopfer.
Denn damals wurde Christus unter Blut und Schmerzen geopfert, jetzt aber unblutig
und ohne Schmerzen."
16. Beherzige doch diese hohen und nachdrücklichen Worte, mein lieber Leser,
und achte darauf, was für ein unschätzbares Opfer die hl. Messe ist, welch hohen
Wert sie hat und welch gewaltige Kraft sie besitzt. Denn nicht allein geistreiche
Lehrer, sondern die katholische Kirche selbst sagt es, daß das Kreuzesopfer und
Meßopfer ein Opfer seien (Trient Sitzung 22, Kap. 2). So muß ja daraus folgen, daß
man durch das Messehören Christus ebenso großen Gefallen erweisen und ebenso großes
Verdienst erwerben kann, als wenn er auf dem Kalvarienberg unter dem Kreuz gestanden
hätte, wenn er nur bei der Messe solche Andacht haben könnte wie unter dem Kreuz.
Sind wir denn nicht über die Maßen glücklich, indem wir täglich dem Leiden Christi
beiwohnen und der süßen Früchte desselben teilhaftig werden können? Sind wir
denn nicht über die Maßen glücklich, weil wir gleichsam leiblicher Weise bei unserem
gekreuzigten Jesu stehen, ihn mit unseren Augen anschauen, mit unserem Mund ihn
anreden, ihm unsere Not klagen und Hilfe und Trost von ihm erwarten dürfen?
O ihr Christen, achtet diese Gnade, die Christus euch täglich erweist, sehr hoch!
O ihr Christen, versäumt diese Gnade, die euch Christus täglich erweist, niemals!
O ihr Christen, macht euch des Schatzes, den euch Christus täglich anbietet, täglich
teilhaftig!
Inhaltsverzeichnis
9. Kap. - In der hl. Messe wird Christi Tod erneuert.
1. Nach dem Zeugnisse des hl. Johannes hat Christus gesagt: „Eine größere Liebe
hat niemand als diese, daß er sein Leben hingibt für seine Freunde." (Joh 15,13.)
Weil nämlich niemand etwas Köstlicheres oder Angenehmeres hat als sein Leben, so
kann er einem auch nichts Kostbareres mehr geben. Die Liebe Christi gegen uns Menschen
ist unvergleichlich größer gewesen, weil er seine Seele hingegeben hat nicht für
seine Freunde, sondern für seine ärgsten Feinde, und zwar nicht eine gewöhnliche,
sondern die allerheiligste, alleredelste Seele.
Er sagt: „Ich gebe mein Leben ein für meine Schafe." (Jo 10,15.) Diese Worte
scheinen etwas Besonderes zu bedeuten. Denn er sagt nicht: Ich will mein Leben einsetzen
oder ich habe es eingesetzt, sondern ich setze es ein. Als wollte er sagen: Ich
tue es immer, unaufhörlich gebe ich mein Leben für meine Gläubigen hin. Dieses nun
tut er täglich bei der hl. Messe, in der er seinen Tod erneuert. Wie das geschieht
will ich erklären.
2. Früher pflegte man in der Fastenzeit das Leiden Christi in einem Passionsspiel
darzustellen. Dabei wurde ein junger Mann an ein Kreuz geheftet, der nach langem
Hängen endlich zu sterben schien und sich so ohnmächtig stellte, als wenn er vor
lauter Todesschmerzen bereits seinen Geist aufgäbe, so daß die Umstehenden zu lauter
Mitleid bewegt wurden. Nicht so geschieht es bei der Messe, da hier niemand die
Person des sterbenden Heilands vertritt. Er hat dieses keinem Engel oder Heiligen
anvertrauen wollen, weil nur er allein es kann. Damit Gott und der ganze Himmel
täglich vor Augen haben, wie erbarmungswürdig er am Kreuz gestorben ist, stellt
er selbst in allen Messen ihnen seinen Tod vor, wie er ihn am Kreuz gelitten hat.
Das will ich zunächst wieder mit einer Geschichte erklären und danach aus der Lehre
der Theologen beweisen.
3. P. Cäsarius
aus dem Kloster Heisterbach schreibt: Bei uns war ein Mönch
namens Gottschalk. Als dieser vor 6 Jahren in der Christnacht an einem Seitenaltar
zelebrierte, sah er nach der Wandlung an Stelle der hl. Hostie ein so schönes
Kindlein in seinen Händen, daß auch die Engel an solcher Schönheit ihre Freude
haben mußten. Nicht lange danach erkrankte er, und vor seinem Tod offenbarte er
seinem Obern diese Erscheinung. Dieser erzählte dies dem Pfarrer Adolf von Deifern,
der seufzend erwiderte: Warum offenbart Gott solche Dinge den heiligen und im Glauben
vollkommenen Männern, vielmehr sollte er uns armen Sündern solche Erscheinungen
zukommen lassen, damit unser schwacher Glaube gestärkt würde. Als er nun nicht lange
danach bei der hl. Messe die hl. Hostie brechen wollte, siehe, da sah er darin ein
überaus schönes Knäblein sitzen und ihn freundlich anlächeln. Hierüber erschrak
er anfangs gar sehr, und er mußte sich erst ein wenig erholen, bis er das Kindlein
mit Freuden anzuschauen wagte. Nach einer Weile wollte er wissen, was auf der
anderen Seite der Hostie sein möchte, drehte diese um und sah Christus am Kreuz
bangend, wie er gleich darauf sein Haupt neigte und seinen Geist aufzugeben
schien. Dieser Anblick ging dem Priester so tief zu Herzen, daß er Tränen vergoß.
Die Gestalt des sterbenden Heilands blieb lange vor seinen Augen, und lange stand
er da, ohne zu wissen, ob er mit der hl. Messe einhalten oder fortfahren sollte. Unterdessen verschwand die Gestalt des sterbenden Heilands,
und der Priester vollendete die hl. Messe unter vielen Tränen.
Das Volk wollte wissen, was ihm geschehen sei, und warum er so langsam Messe gelesen
habe. Deshalb stieg er auf die Kanzel, erzählte ihnen die Erscheinung des Christkinds
und wollte ihnen auch die Gestalt des sterbenden Christus erklären. Aber sein Herz
war so weich, daß er kaum ein verständliches Wort hervorbringen konnte, deswegen
stieg er von der Kanzel, brachte mehrere Tage in Reue über seine Sünden und Betrachtung
des bitteren Leidens zu und erzählte vielen frommen Leuten die gehabte Erscheinung.
Diese blieb ihm all sein Lebtag so tief ins Herz eingedrückt, daß er sein Leben
besserte, seine begangenen Sünden abbüßte und seinen Pfarrkindern fortan mit dem
besten Beispiel voranleuchtete.
4. Aus dieser Erzählung können wir einigermaßen entnehmen, auf welche Weise
unser treuer Erlöser seinen bitteren Tod Gott und dem ganzen Himmel bei der hl.
Messe vor Augen stellt, nicht um sie zu betrüben, sondern ihnen die große Liebe,
mit der er einen so gar bitteren Tod zur Erlösung der Welt gelitten hat, zu erkennen
zu geben. O, wenn wir auch die Gnade haben möchten wie jener Priester, wie gerne
würden wir zur Messe gehen, wie andächtig würden wir die Messe hören, und was für
ein herzliches Mitleiden würden wir mit unserem Erlöser haben! Sehen wir dieses
auch nicht mit den Augen unseres Kopfes, so sehen wir es doch mit den Augen unseres
Verstandes und halten es fest durch den Glauben unseres Herzens. Sooft wir diesen
Glauben erwecken, so oft tun wir Christus einen großen Dienst und verdienen jedesmal
einen sehr großen Lohn. Auf daß wir aber dieses desto fester glauben, so gibt uns
Christus bei der hl. Messe einige klare Andeutungen seines Todes, welche von den
Gottesgelehrten folgendermaßen erklärt werden.
5. Als Christus beim letzten Abendmahl die Konsekration vornahm, da wollte er dies
nicht auf einmal, nicht unter einer Gestalt tun, sondern er wollte zweimal und unter
zweierlei Gestalten konsekrieren, um uns seinen Tod aufs lebendigste vor Augen zu
stellen. Er hätte ja über das Brot sprechen können: dies ist mein Leib und mein
Blut. Wenn er aber dieses getan hätte, so wäre die Gestalt des Brotes keine klare
Vorstellung seines bitteren Todes gewesen. Darum wollte er durch die Wandlungsworte
zuerst das Brot allein in seinen hl. Leib verwandeln und danach den Wein ebenso
allein in sein hl. Blut und beides so getrennt seinen Jüngern zu essen und zu trinken
geben. So hat er es auch seiner Kirche hinterlassen, daß die Priester zunächst das
Brot in seinen Leib verwandeln und zur Anbetung emporheben, und danach den Wein
in sein hl. Blut konsekrieren und emporheben, und auf diese Weise dem Volk ein klares
Bild seines Todes vor Augen stellen sollen.
6. Hierüber schreibt der hl. Gregor von Nazianz also: „Zögere nicht, für
mich zu beten, wenn du durch das Wort (bei der Wandlung) das Wort (d.h. den Sohn
Gottes) herabzieht, wenn du in unblutiger Scheidung den Leib und das Blut des Herrn
schlachtest mit dem Opfermesser seines Wortes." Die Wandlungsworte sind also deswegen,
weil durch sie Christi Leib und Blut unter den getrennten Gestalten gegenwärtig
wird, das geistige Schwert, durch welches das Opferlamm auf dem Altar geschlachtet
wird. Wie beim Tod Christi sein Blut ganz von seinem Leib getrennt wurde,
so
wird auch beim Meßopfer durch die sakramentale Trennung des Blutes von seinem hl. Leib sein Tod dargestellt.
7. Weiterhin sagt sehr schön unser P. Gervasius: „Was in der hl. Messe geopfert
wird, ist Christus, aber nicht in der Gestalt, in der er im Himmel ist, sondern
wie er unter den Gestalten des Brotes und Weines ist, unter denen er wie tot erscheint.
Denn er ist da in einem solchen Zustand, daß er weder Hand noch Fuß bewegen, noch
durch seine Glieder ein lebendiges Werk verrichten kann, obwohl er die Werke der
Seele, nämlich die des Verstandes und des Willens, übt." Nicht wie ein Lebendiger
in seiner himmlischen Gestalt, sondern wie leblos erscheint hier unserem Blick der
verherrlichte Christus.
8. Wie diese Darstellung und Erneuerung des bitteren Todes Christi dem allmächtigen
Gott gefällt, mag keine menschliche Zunge genug erklären und auslegen, etwas weniges
können wir wohl davon reden und verstehen. Denn indem Christus in der hl. Messe
dem himmlischen Vater seinen Tod vor Augen stellt, zeigt und opfert er ihm auch
wieder den schweren Gehorsam, den er ihm bereitwillig geleistet hat. Er war ihm
zwar in allem vollkommen gehorsam, gleichwohl aber verlangte kein Gehorsam von ihm
so Furchtbares und seiner Natur Widerstrebendes wie dieser, daß er sein edles Leben,
welches ihm über alle Maßen lieb war, lassen und den allerbittersten Tod erleiden
sollte. Diesen harten Gehorsam beschreibt der hl. Paulus mit den Worten: „Er hat
sich selbst verdemütigt und ist gehorsam geworden bis zum Tod, ja bis zum Tod am
Kreuz." Auf daß wir aber auch wissen sollten, wie angenehm dieser harte Gehorsam
dem Vater gewesen sei und wie reichlich er ihn belohnt habe, fügt er hinzu: „Deswegen
hat Gott ihn auch erhöht und ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist."
(Phil 2,8f.). Diesen vortrefflichen Gehorsam opfert Christus seinem Vater bei der
hl. Messe auf und zugleich mit diesem auch die heroischen Tugenden, mit denen er
gestorben ist und welche er in seinem Sterben geübt hat, nämlich seine höchste Unschuld,
seine tiefste Demut, seine unüberwindliche Geduld und seine heiße Liebe, die er
nicht allein zu seinem Vater, sondern auch zu seinen Kreuzigern, zu seinen Feinden
und zu den undankbaren Sündern trägt.
9.
Er zeigt ihm auch die überbitteren Schmerzen, die er im Sterben gelitten hat,
die harten Todesstöße, die sein Herz empfunden, die Todesangst, die er ausgestanden,
den grausamen Schrei, den er getan hat, und endlich den allergrimmigsten Stoß, welcher
sein Herz gebrochen hat. Dies alles stellt er ihm so lebhaft dar, als wenn es eben
jetzt geschähe und von neuem wiederholt würde, und erneuert dadurch das unendliche
Wohlgefallen, welches Gott damals am freiwilligen Tod seines allerliebsten Sohnes
hatte, als er sah, wie bereitwillig er denselben ihm zulieb und zu seiner größeren
Ehre auf sich nahm. Wie nun Christus damals den Zorn seines Vaters gestillt, den
Sündern Barmherzigkeit erworben und die Welt mit Gott versöhnt hat, so tut er dies
immer wieder in allen hl. Messen und erwirbt uns so großes Heil, daß wir ihm nie
genug dafür danken können.
10. Laßt uns dieses nun genauer betrachten und aus den Zeugnissen der Geisteslehrer
vernehmen, wie viel uns dieser erneuerte Tod Christi nütze. Ich verweise zuerst
auf den hl. Papst Gregor, der sagt: „Dieses Schlachtopfer bewahrt die Seelen
in besonderer Weise vor dem ewigen Untergang, indem es den Tod des eingeborenen Sohnes Gottes durch dieses heilsame Geheimnis darstellt."
O, wohl ein tröstlicher Spruch für alle diejenigen, welche sich wegen ihrer Sünden
vor der ewigen Verdammnis fürchten. Sagt ja doch der hl. Gregor, der mit der Taube
als dem Sinnbild des Hl. Geistes abgebildet wird, der geistliche Tod Christi
bei der hl. Messe habe solche Kraft, daß er die Seelen in besonderer Weise vor dem
ewigen Tod bewahre. Willst du denn also vor dem ewigen Tod bewahrt werden, so
höre fleißig die hl. Messe, verehre den bitteren Tod Christi, und opfere ihn Gott
auf zur Bewahrung deiner Seele vor dem ewigen Tod.
11. Sehr denkwürdig ist auch, was der gelehrte Mansi schreibt: „Weil der
eingeborene Sohn des Allerhöchsten, der sich auf dem Altar des Kreuzes zum blutigen
Schlachtopfer dargebracht hat, in der hl. Messe wiederum aufgeopfert wird, so folgt
daraus unfehlbar der Schluß, daß die Zelebration einer hl. Messe an sich denselben
Wert habe wie der Tod unseres Erlösers." Daß dies wahr ist und wie dieser kostbare
Spruch zu verstehen sei, wirst du aus dem folgenden vernehmen.
12. Überaus tröstlich spricht der Kardinal Hosius: „Wiewohl wir Christus
in der Messe nicht wiederum töten, so eignen wir uns seinen Tod doch nicht anders
zu, als wenn er jetzt den Tod auf sich nähme. In dem blutigen Kreuzesopfer war sein
Tod blutig, bei dem unblutigen Meßopfer ist er unblutig und geistig. Den noch bringt
er die Wirkungen des blutigen Todes in derselben Weise hervor, als wenn er wirklich
im gegenwärtigen Augenblick stürbe." Sind das nicht wunderbare und überaus denkwürdige
Worte, daß nämlich der erneuerte oder geistige Tod Christi ebensoviel bewirkt und
uns ebensoviel nütze, wie uns der leibliche und schmerzliche Tod Christi genützt
hat? Dies behauptet der Kardinal und fügt noch folgende Worte hinzu:
„Der Tod Christi und seine Früchte wird uns in der hl. Messe so zugeeignet, als
wenn Christus wirklich sterben würde." Wenn nun dem so ist, o, was für eine gewaltige
Kraft muß dann die hl. Messe haben und wie viel Gutes muß sie demjenigen bringen,
der sie andächtig mitfeiert! Wenn du auf dem Kalvarienberg bei deinem sterbenden
Christus gewesen wärst, o, was für Heil, was für Gnaden und was für geistige Güter
würdest du davongetragen haben! Ebenso viele und ebenso große Güter könntest du
bei jeder hl. Messe erwerben und davontragen, wenn du dich nur ebenso verhieltest,
wie du dich bei deinem sterbenden Christus verhalten hättest.
13. Nun merke, was der Abt Rupertus hiervon sagt: „So wahr als Christus am
Kreuz hängend allen, die ihn erwartet haben, Verzeihung der Sünden erwirkt hat,
ebenso wahr erwirkt er unter den Gestalten des Brotes und Weines dieselbe Verzeihung
der Sünden." Wie das geschieht, wird im 15. Kapitel erklärt. Aus diesem Ausspruch
aber können wir den Trost schöpfen, daß wir durch andächtiges Mitfeiern der hl.
Messe einen guten Teil von den Strafen für unsere Sünden abbüßen und auslöschen
können.
14. Gar schön sagt ferner P. Segneri: „Das Kreuzopfer war die Ursache, daß
alle Sünden vernichtet werden konnten; das Meßopfer aber ist die Ursache, daß die
Kraft des vergossenen Blutes Christi diesem und jenem besonders zugeeignet wird.
Der Tod und die Marter Christi haben den Schatz angesammelt, das Meßopfer aber
teilt denselben aus. Der Tod Christi ist eine Schatzkammer für alle; die Messe aber
ist der Schlüssel, welcher dieselbe öffnet." Das sind ja tröstliche Worte, die allen jenen, die an Verdiensten arm sind, Mut machen sollen, fleißig
zur Messe zu gehen und durch dieselbe ihre Armut zu bereichern. Denn wenn du
zur Messe kommst, dann übergibt dir Christus den Schlüssel zu seiner überreichen
Schatzkammer und erlaubt dir, hineinzugehen und, soviel als du tragen kannst,
d.h. entsprechend der Größe deiner Andacht, herauszunehmen und dir zuzueignen,
15. Pater Segneri fährt weiter und sagt: Merkt deswegen, was es heißt, Messe
lesen und Messe hören. Es ist ebensoviel, als bewirken, daß derselbe Gott, der für
alle Menschen insgemein gestorben ist, für mich und für dich und für einen jeden,
der bei der hl. Messe ist, wiederum stirbt, geradeso als wenn er für einen jeden
den Tod erlitte." Nimm doch diese Worte zu Herzen, mein lieber Leser, und bedenke
doch, was für eine Liebe dir Gott erweist, wenn du ihm zulieb zur Messe gehst.
Er vergilt dir diesen Dienst so reichlich, daß er noch einmal sein Leben für dich
dargeben und dir die Verdienste seines Todes schenken will. Er stirbt für dich geistiger
Weise und ist auch bereit, für dich noch einmal leiblicher Weise zu sterben, wenn
es sein könnte und nötig wäre.
16. Denn die Muttergottes sagte zu einem großen Diener Gottes: „Mein Sohn
liebt die Messehörenden so sehr, daß er für einen jeden, wenn es nötig wäre, so
vielmal sterben würde, wie er andächtige Messen sein Lebtag gehört hat." Das sind
so wunderbare Worte, daß man sie kaum glauben möchte, gleichwohl sind sie der unendlichen
Liebe Christi entsprechend, die ihn antreibt, täglich nicht nur einmal, sondern
vieltausendmal geistiger Weise für die Sünder zu sterben. Lerne hieraus, daß du
täglich mit Andacht die hl. Messe besuchst und es dir so vorstellst, als wenn du
mit Christus auf den Kalvarienberg gingst und bei ihm in seinem Leiden und Sterben
sein wollest.
Das lehrt dich der gottselige Thomas von Kempen, der sagt: „Wenn du Messe
liest oder hörst, so soll dir das so groß und neu zu sein scheinen, als wenn Christus
am selbigen Tage zum ersten Male am Kreuzhangend litte oder stürbe" (Nachfolge Christi
4,2). Ja, er leidet und stirbt wahrhaftig geistiger Weise für einen jeden, der die
Messe mitfeiert, und zwar mit derselben Liebe, mit der er für alle Sünder zusammen
leiblicher Weise gestorben ist.
17. O Gott, was ist das für eine Liebe und Gnade, daß Jesus Christus, der Sohn
Gottes, für alle Messe Mitfeiernden gleichsam wieder stirbt! O, was für ein großer
Nutzen entspringt uns hieraus! Was für ein großes Heil können wir dadurch erlangen,
welch reiche Verdienste erwerben! Wenn du auf dem Kalvarienberg gewesen wärst und
hättest Gott die grausamen Todesschmerzen seines sterbenden Sohnes aufgeopfert,
meinst du nicht, daß er dir alle deine Sünden verziehen hätte, wie dem reuigen Schächer?
Ohne allen Zweifel hätte der mildreiche Vater dir reuevollem Sünder vollkommenen
Ablaß all deiner Schulden und Strafen wegen des allerbittersten Todes seines liebsten
Sohnes von Herzen erteilt. Nun, so tue dies denn auch bei der hl. Messe, weil dein
Jesus da ja. leiblicherweise gegenwärtig ist und die traurige Gestalt seines Hinscheidens
annimmt!
Inhaltsverzeichnis
10. Kap. - In der hl. Messe wird die Blutvergießung
Christi erneuert.
1. Der hl. Apostel Paulus berichtet, wie es im Alten Testament Brauch
war, mit dem Blut der Schlachtopfer das Volk zu besprengen und dadurch alles zu
reinigen und zu heiligen. Seine Worte lauten: „Als Moses alle Gebote des Gesetzes
dem Volk vorgelesen hatte, nahm er das Blut von Stieren und Böcken mit Wasser und
purpurroter Wolle und Ysop und besprengte das Buch selbst und alles Volk und sprach:
Dies ist das Blut des Bundes, den Gott mit euch geschlossen hat. Auch das Zelt und
alle Gefäße zum Dienst besprengte er gleichfalls mit dem Blut. Und mit Blut wird
nach dem Gesetz fast alles gereinigt, und ohne Blutvergießen gibt es keine Vergebung"
(Hebr 9,19-22). Diese Blutvergießung und Besprengung war eine Vorbedeutung der Ausgießung
des göttlichen Blutes Christi, durch das wir viel besser von unseren Sünden gereinigt
werden als die Juden von den ihrigen. Denn so sagt der hl. Paulus: „Wenn das Blut
der Böcke und Stiere und die Bestreuung mit der Asche einer Kuh die Verunreinigten
heiligt, so daß sie leiblich rein werden, wie viel mehr wird das Blut Christi, der
im Hl. Geist sich selbst als ein unbeflecktes Opfer Gott dargebracht, unser Gewissen
reinigen von toten Werken, damit wir dem lebendigen Gott dienen?" (Hebr 9,13f.)
2. Hier möchte aber jemand sagen: Christus hat sein Blut bei seinem Leiden vergossen;
wir waren aber damals noch nicht geboren, deswegen sind wir dieser großen Gnade
beraubt worden. Betrübe dich nicht darüber, mein lieber Christ, denn das hl. Blut
Christi ist damals ebenso für uns vergossen worden, wie für die damaligen Gläubigen.
Außerdem aber hat Christus noch ein anderes Mittel erfunden, kraft dessen er noch
täglich sein hl. Blut vergießt und unsere Seelen damit besprengt und reinigt. Willst
du wissen, wann und wo dies geschieht, so sage ich dir: in jeder hl. Messe und das
will ich dir ausführlich beweisen.
3.
Als ersten Zeugen führe ich den hl. Augustinus an, der sagt: „Da (in der
hl. Messe), wird das Blut Christi für alle Sünder vergossen." Diese Worte sind so
klar, daß sie keiner Auslegung bedürfen, und dieser Zeuge ist so zuverlässig, daß
ihm niemand widerspricht. Als zweiter Zeuge diene der hl. Chrysostomus mit
folgenden Worten: „Das Lamm Gottes wird für dich geschlachtet, das Blut fließt
geistiger Weise vom Altar. Das Blut, welches im Kelch sich befindet, wird zu
deiner Reinigung aus der unbefleckten Seite geschöpft." Diese Worte sind sehr bedenkenswert,
weil damit gesagt wird: wenn der Priester die Worte der Wandlung über den Kelch
ausspricht, so schöpft er gleichsam das rosenfarbene Blut aus der Seite Christi,
das aus dieser hl. Seite in den Kelch fließt und aus dem Kelche geistiger Weise
auf die Seelen der Gegenwärtigen gesprengt wird.
4. Die Worte der Wandlung lauten also: „Dies ist der Kelch meines Blutes usw.,
das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden." Diese Worte
hat Christus gesprochen und damit den Wein in sein Blut verwandelt. Diese Worte
sprechen auch alle Priester auf Befehl Christi. Sie sprechen dieselben aber nicht
narrativ, als wollten sie am Altar nur erzählen, was Christus getan hat (denn wenn
ein Priester dieses täte, so würde er nicht konsekrieren), sondern sie sprechen
diese Worte assertiv, bestimmend, d.h. das soll jetzt wahr werden, wie es ja auch wirklich wahr wird, daß der Wein in das wahrhaftige Blut Christi verwandelt wird.
5. Nun aber sagt der Priester nicht allein: „Dies ist der Kelch meines Blutes,"
sondern er sagt auch: „das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der
Sünden." Gleichwie nun die ersten Worte unfehlbar erfüllt werden, gerade so muß
es auch mit den folgenden Worten der Fall sein. Daraus folgt also, daß das hl. Blut
in der hl. Messe wahrhaft vergossen wird. „Für euch und für viele," d.h. für
euch Anwesende und für viele Abwesende, d.h. für jene, welche die hl. Messe
bestellt haben, ferner für diejenigen, welche gerne dabei wären, wenn sie es nur
könnten, aber wegen Krankheit, Gefangenschaft, wichtiger Geschäfte oder weiter Entfernung
gehindert sind, in die Kirche zu kommen, und darum die hl. Messe zu Hause Gott aufopfern
oder sich wenigsten darin empfehlen. Auch für diese vielen wird das Blut Christi
in der hl. Messe vergossen zur Vergebung der Sünden.
6. Ist das nicht ein hohes Geheimnis, eine unbegreifliche Liebe Christi gegen
uns arme Sünder? Sollen wir es denn glauben dürfen, daß der göttliche Heiland, welcher
sein teures Blut bis auf den letzten Tropfen vergossen hat, dasselbe aber- und abermals
alle Tage und Stunden vergießen will? O wirklich eine große Gnade, ein großes Heil
widerfährt denen, die der hl. Messe beiwohnen. Denn das Blut Christi wird für sie
vergossen, und zwar zur Vergebung ihrer Sünden. „Denn sooft das Blut Christi
vergossen wird, wird es zur Vergebung der Sünden vergossen," sagt der hl.
Ambrosius. Wer wollte denn nicht gerne zur hl. Messe hineilen, da er versichert
ist, daß er dort Verzeihung der Sünden erlangt?
7. Hier mögest du noch etwas tiefer bedenken, was für eine Gnade uns widerfährt,
da wir das hochheiligste Blut Christi wahrhaft in der hl. Messe bei uns haben.
Es gibt kein größeres oder kostbareres Heiligtum in der ganzen katholischen Kirche,
da ein einziges Tröpflein vom Blut Christi infolge seiner Vereinigung mit der göttlichen
Natur mehr aufwiegt und wert ist als alle Schätze der ganzen Welt, ja auch des ganzen
reichen Himmels. Dies allerteuerste Blut haben wir in der hl. Messe nicht allein
gegenwärtig, sondern haben es auch zu eigen, und es gehört uns so, wie einem ein
geschenktes Gut nur immer gehören kann. Denn weil Christus in der hl. Messe unser
eigen ist, wie im fünften Kapitel gesagt worden, so ist auch sein hl. Blut unser
eigen, und wir können es wie unser Eigentum Gott aufopfern.
Inhaltsverzeichnis
1. Wie das hl. Blut in der hl. Messe ausgesprengt wird.
8. Im ersten Teil dieses Kapitels haben wir vernommen, daß das hl. Blut in allen
hl. Messen vergossen wird, von der Besprengung aber haben wir bisher noch nichts
weiter gesagt. Wisse also, daß, gleichwie das allerheiligste Blut in der hl. Messe
wahrhaft vergossen wird, es geradeso über alle Anwesende geistiger Weise auch ausgesprengt
und über ihre Seelen ausgegossen wird. Dafür haben wir ein klares Vorbild im Alten
Testament, wovon Paulus (Hebr 9) berichtet, daß Moses das vergossene Blut der Opfertiere
über alles Volk ausgegossen und dabei gesagt hat: „Dies ist das Blut des Bundes,
den Gott mit euch geschlossen hat."
Fast ebendieselben Worte hat Christus beim letzten Abendmahl über den Kelch
gesprochen: „Dieses ist der Kelch meines Blutes, des neuen und ewigen Testamentes"
usw. Der hl. Paulus fügt noch hinzu: „So mußten die Vorbilder der himmlischen Dinge durch dergleichen gereinigt werden, das Himmlische selbst aber erfordert
vorzüglichere Opfer" (Hebr 9,23). Als wollte er sagen: Die jüdische Synagoge, die
ein Vorbild der katholischen Kirche war, wurde durch Besprengung mit dem Blut von
Böcken und Kälbern gereinigt, die katholische Kirche aber wird mit dem Blut des
Gotteslammes gereinigt. Nun kann aber nichts mit Blut oder Wasser gereinigt
werden, es werde denn damit benetzt oder besprengt. Weil denn also unsere Seelen
in der Messe durch das Blut Christi gereinigt werden, so müssen sie damit auch besprengt
werden. Dafür führe ich folgende Beweise an.
9. Der hl. Chrysostomus sagt: „Wenn du bei der hl. Messe siehst, wie der
Herr als Schlachtopfer daliegt, wie der Priester vor dem Opfer steht und betet,
wie das dabeistehende Volk mit dem rosenfarbenen Blut besprengt wird, glaubst du
dann noch unter Menschen zu weilen und dich auf Erden zu befinden?" Hier sagt also
dieser vortreffliche Kirchenlehrer, daß das Volk bei der hl. Messe mit dem Blut
Christi besprengt wird. Mit ebenso klaren Worten aber spricht es schon der Apostel
Johannes aus, indem er schreibt: „Christus hat uns geliebt und uns von unseren
Sünden mit seinem Blut gewaschen." (Offb 1,5). Siehe, hier sagt der hl. Johannes,
daß Christus uns nicht allein mit seinem hl. Blut besprenge, sondern sogar uns darin
wasche.
10. Ich will aber noch ein klares Zeugnis des hl. Paulus heranziehen, der sagt:
„Ihr seid herangetreten zu Jesus, dem Mittler des Neuen Bundes, und zur Besprengung
mit seinem Blut, welches besser spricht als das des Abel" (Hebr 12,24). Hier
frage ich nun: Wann treten wir zu Jesus, zu unserm Mittler und Fürsprecher, wenn
nicht bei der hl. Messe, ganz besonders, wenn wir diese so vollständig mitfeiern,
daß wir in derselben auch die hl. Kommunion empfangen? Denn in der hl. Messe übt
er das Amt eines Priesters, ja des allerhöchsten Priesters, und dessen Amt ist es
ja, für das Volk zu bitten. Wenn wir denn also in der hl. Messe zu ihm als zu unserm
Mittler treten, so treten wir zugleich zu der „Besprengung des Blutes", welche in
der hl. Messe geschieht, freilich nicht leiblicher, sondern geistiger Weise. Das
heißt: Nicht unsere Körper werden mit dem Blut Christi besprengt, sondern unsere
Seelen. Bei seinem Leiden vergoß Christus sein hl. Blut, und es floß auf die Hände
und das Gewand der Schergen, ja gar auf die Steine und die Erde. In der hl. Messe
vergießt er ebendasselbe Blut, dies fließt aber nicht auf die Erde noch auf die
Körper, sondern auf die Seelen der Anwesenden. Ja, gleichwie Moses das jüdische
Volk mit dem Blut der Opfer und der Priester das christliche Volk mit Weihwasser
besprengt, auf dieselbe Weise besprengt Christus die Seelen mit seinem Blut.
11. Diese geistige Besprengung nützt uns viel mehr als die leibliche. Das
ergibt sich schon daraus, daß die Schergen samt den umstehenden Juden mit diesem
göttlichen Blut an ihren Händen und Gesichtern besprengt und trotzdem nicht dadurch
gereinigt oder bekehrt, sondern vielmehr verhärtet und verbittert wurden. Wenn aber
der leidende Jesus damit ihre Seelen besprengt hätte, so würden sie ohne Zweifel
dadurch erweicht, bekehrt und gereinigt worden sein. Also würde es auch uns wenig
nützen, wenn bei der hl. Messe unsere Leiber mit dem Blut Christi besprengt würden,
gar viel aber nützt es uns, wenn das an unserer Seele geschieht, weil dieselbe dadurch gereinigt und geheiligt und über die Maßen schön geziert
wird.
12. Höre, was die hl. Magdalena von Pazzi hierüber sagt: „Wenn die Seele
dieses Blut empfängt, so erwirbt sie solche Würde, als wenn sie mit einem kostbaren
Kleid angetan wäre, ja, sie glänzt und leuchtet so schön, daß, wenn du den Glanz
deiner mit diesem Blut besprengten Seele schauen könntest, du ihr fast göttliche
Ehre erweisen möchtest!" O, wohl denkwürdige Worte! Glückliche Seele, die mit solcher
Schönheit geziert ist! Glückselig das Auge, das eine solche Schönheit schauen durfte!
Ach lieber Leser, gehe doch oft in die hl. Messe, damit du in derselben mit dem
Blut Christi besprengt und mit kostbaren Kleidern angetan wirst, in welchen du ewiglich
vor allen Engeln und Heiligen glorwürdig erscheinst. Auf daß aber dein Glaube hieran
noch mehr gestärkt werde, will ich ein denkwürdiges Beispiel erzählen.
13. Zur Zeit des Papstes Urban IV. war um das Jahr 1263 in Bolsena*nördlich
von Rom ein Priester, der, als er in der hl. Messe die Worte der Wandlung
über die hl. Hostie ausgesprochen hatte, durch Eingebung des Teufels zu zweifeln
anfing, ob denn auch die hl. Hostie der wahre Leib Christi sei. Er dachte und
sprach bei sich: „Ich sehe ja nichts daran, fühle und merke nichts daran. So ist
es denn nicht wahr, daß es Christus sei, sondern es ist nur Brot." Gleichwohl fuhr
er in der Messe fort und hob die konsekrierte Hostie in die Höhe. Nun siehe und
höre Wunder, was nun geschah: Die erhobene hl. Hostie fing an, von Blut zu fließen,
gleichwie ein zarter Regen von den Wolken herab träufelt. Der Priester aber war
bei diesem Anblick so erschrocken, daß er nicht wußte, was er tun oder lassen sollte.
Er blieb eine Weile mit der erhobenen Hostie gleichsam in Verzückung dastehen und
sah, wie das rosenfarbene Blut so mild aus der hl. Hostie floß. Das anwesende
Volk, welches dieses sah, wurde so bewegt, daß es anfing, laut aufzuschreien:
„O hl. Blut, was bedeutet dies? O göttliches Blut, wer ist die Ursache deiner Vergießung?"
Andere schrieen: „O rosenfarbenes Blut, fließe auf unsere Seelen und reinige uns
von unsern Makeln! O kostbares Blut, tilge aus unsere Sünden und rufe zu Gott um
Barmherzigkeit!" Der eine schlug auf seine Brust, der andere weinte heiße Tränen.
Durch dieses verwirrte Geschrei des Volkes kam der Priester wieder zu sich und wollte
die hl. Hostie auf das Korporale niederlegen. Er sah aber, wie dasselbe mit dem
hl. Blut so befeuchtet war, daß er kaum ein trockenes Plätzchen finden konnte, um
sie darauf niederzulegen.
Da gingen ihm die Augen auf, er erkannte seinen Fehler und bereute seinen Unglauben
von ganzem Herzen. Nach der Kommunion faltete er das blutbefleckte Korporale zusammen,
versteckte es, so gut er konnte, und wollte dieses große Wunderzeichen verheimlichen.
Das Volk aber kam nach der Messe zu ihm, fragte ihn, was unter derselben geschehen
sei, und wollte wissen, ob es wirklich wahr sei, was es gesehen hatte. Da ward
der Priester genötigt, das hl. Korporale zu zeigen. Und als nun das andächtige
Volk dasselbe voller Blut sah, da ward es innerlich so erschüttert, daß es auf seine
Knie fiel, an seine Brust schlug, bitterlich weinte und die göttliche Barmherzigkeit
herzlich anrief.
Die Geschichte von diesem Wunder verbreitete sich weit und breit, von allen Seiten
strömten zahlreiche Gläubige nach Bolsena und wollten das große Wunder sehen.
[Mit der Darstellung des Wunders von Bolsena hat Raffael eine der Stanzen des
Vatikans geschmückt. Das wunderbare Korporale wird in einem besonderen Reliquienschrein
im Dom zu Orvieto aufbewahrt.]
14.
Als Papst Urban IV. dieses erfahren hatte, befahl er dem Priester zu
ihm kommen und das Korporale mitzubringen. Der Priester kam mit großer Angst, fiel
vor dem Papst und den versammelten Kardinälen und Geistlichen nieder und bat unter
Tränen wegen seiner begangenen Sünde um Barmherzigkeit. Der Papst fragte, was er
denn Böses getan habe. Nun erzählte er alles und zeigte das blutige Korporale.
Da fiel der Papst samt allen Kardinälen und Geistlichen auf die Knie, küßten
zur Verehrung des hl. Blutes das Korporale und wurden im Anschauen desselben
tief bewegt. Der Papst ließ dem hl. Blut zu Ehren eine herrliche Kirche zu Bolsena
erbauen und befahl, daß das Korporale dort mit Ehren aufbewahrt und jährlich an
dem Tag, da dieses Wunder geschehen, in einer feierlichen Prozession herumgetragen
werden soll. Dieses Wunder war eine von den Hauptursachen, daß das Fest des hl.
Fronleichnams für die ganze Kirche eingesetzt wurde.
15. Was zu Bolsena vor mehreren hundert Jahren sichtbar geschehen, geschieht
noch täglich in allen Kirchen bei allen hl. Messen: wenn der Priester Gottes bei
dem höchsten Gottesdienst die hochwürdigste Hostie und den Kelch emporhebt, so fließt
das rosenfarbene göttliche Blut aus beiden gleichwie ein feiner Regen aus den Wolken
herab, nicht auf die Erde, auch nicht auf die Häupter der Menschen, sondern auf
die Herzen, auf die Seelen und auf die Gemüter der Anwesenden, nicht allein auf
die Frommen, sondern auch auf die Unfrommen. Die Frommen reinigt, schmückt und ziert
es, es macht sie fruchtbar an guten Werken, es labt sie in ihren Schwachheiten,
es lindert ihre Anfechtungen und wirkt viel Gutes bei jedem nach dessen besonderen
Fähigkeiten. Die unfrommen Seelen aber sucht es fromm zu machen, die verstockten
Herzen sucht es zu erweichen, die sündigen Gemüter sucht es zu bekehren, und allen
Feinden Gottes bietet es die Gnade und Freundschaft Gottes an. Wenn aber der Sünder
so sehr verstockt ist, daß er die Gnade Gottes nicht annehmen will, so ruft das
hl. Blut dennoch für ihn zu Gott und hält die gerechte Strafe Gottes auf.
16. Siehe, wie viel Gutes dies gnadenreiche Blut sowohl bei den Sündern wie bei
den Frommen bewirkt, wie nützlich es sowohl für die Sünder wie für die Gerechten
ist, daß sie fleißig in die hl. Messe gehen. Denn diese reinigt es von ihren Sünden,
wie der hl. Johannes sagt: „Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns
von unseren Sünden" (1 Jo 1,7). Die Sünder möchte es auch gern reinigen, weil
sie aber nicht wollen, so bereitet es sie nach und nach darauf vor. So beherzige
denn, o gottliebende Seele, was für eine große Gnade dir widerfährt, indem du in
einer jeden hl. Messe wahrhaftig mit dem kostbaren Blut Jesu Christi besprengt,
gereinigt und geziert wirst. O könntest du dich selbst sehen in solcher Zierde und
Schönheit, wie herzlich würdest du dich freuen, wie innig würdest du Gott danken,
wie eifrig würdest du zur hl. Messe eilen und wie andächtig ihr beiwohnen! Wenn
du auf dem Kalvarienberg unter dem Kreuz gestanden hättest und mit einem Blutströpflein
Christi wärest besprengt worden, solltest du das nicht für eine große Gnade schätzen?
Nun aber ist es ganz gewiß: wenn du der hl. Messe beiwohnst, so stehst du geistiger Weise wahrhaftig unter oder beim Kreuz und wirst geistiger Weise, an deiner Seele
mit dem Blut Christi besprengt. Wenn du nun bei der Messe ebenso große Andacht hättest,
wie du unter dem hl. Kreuz erweckt haben würdest, so würde dir die Besprengung des
hl. Blutes ebenso nützen, wie die auf dem Kalvarienberg dir genützt hätte.
Inhaltsverzeichnis
2. Wie das hl. Blut für uns ruft.
17. Unter allen Gnaden und Wohltaten, welche wir bei der hl. Messe empfangen,
ist eine der hauptsächlichsten, daß das göttliche Blut Christi, wenn es auf
dem Altar vergossen wird, für uns zum Himmel ruft und Barmherzigkeit von Gott
erbittet. O wie nützlich und heilsam ist dieses Rufen für die Sünder ! Wie mächtig
hält es die schweren Strafen Gottes von ihnen ab! Alle schweren Sünden, die wir
begehen, schreien ja zu Gott um Rache und fordern seinen Zorn gegen uns heraus,
wie wir aus der hl. Schrift klar erkennen. Denn in Gen 18,20 heißt es: „Das Geschrei
von Sodoma und Gomorrha hat sich gemehrt und ihre Sünde ist sehr schwer geworden."
Aus diesen Worten entnehmen wir, daß die schweren Sünden zu Gott um Rache rufen.
Ähnlich schreibt der hl. Jakobus (5,4): „Siehe, der Lohn der Arbeiter, welcher von
euch vorenthalten worden, schreit, und ihr Geschrei ist zu den Ohren des Herrn der
Heerscharen gekommen." Beim Propheten Isaias nennt Gott alle Sünden ein Geschrei,
denn es heißt dort: „Ich hoffte, daß sie Recht täten und siehe, da war Unrecht;
daß sie Gerechtigkeit übten, und siehe, da war Geschrei" (Is 5,7). Hieraus merken
wir, welch ungeheures Geschrei aller Sünden unaufhörlich zu Gott emporsteigt und
seinen gerechten Zorn gegen die Welt herausfordert.
18. Wer ist es nun, der diesen unendlichen Zorn Gottes besänftigt und die furchtbare
Rache abwendet? Nichts im Himmel und auf Erden ist dazu tauglicher als die Stimme
des kostbaren Blutes Jesu Christi. Denn wenn auch das Geschrei der vielen Sünden
so ungeheuer ist, daß es bis in den hohen Himmel empor schallt, so ist doch die
Stimme des vergossenen Blutes Christi viel mächtiger, weil sie allmächtig und
unendlich ist und nicht allein die Luft, sondern davon den ganzen Himmel weit und
breit anfüllt und das Herz unseres Gottes durchdringt. Wiewohl das ungeheure und
abscheuliche Geschrei der vielen grausigen Laster und Ungerechtigkeiten sein Herz
gewaltig erzürnt, so ist doch die Lieblichkeit der Stimme des vergossenen Blutes
Christi so unendlich groß und schön, daß es allen Verdruß und Widerwillen aus dem
Herzen Gottes vertreibt und dasselbe mehr besänftigt, als es von dem Geschrei der
Sünden erzürnt worden ist.
19. Du möchtest aber fragen: Wie kann denn dieses hl. Blut zum Himmel schreien?
Ich frage hinwieder: Wie konnte das vergossene Blut Abels zum Himmel schreien?
Dennoch sagt Gott zu Kain: „Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu
mir von der Erde" (Gen 4,10). So war denn diese Stimme nicht leiblich, sondern geistig,
aber so mächtig, daß sie von der Erde bis zum Himmel hinaufstieg, das Herz des Vaters
durchdrang und ihn zur Rache für diesen Brudermord aufrief. Ebenso ist auch die
Stimme des vergossenen Blutes Christi in der hl. Messe geistig, aber so mächtig,
daß sie den erzürnten Gott zur Barmherzigkeit zwingt. Daß nun dieses kostbare Blut
Christi bei der hl. Messe zu Gott ruft, will der hl. Paulus sagen in den Worten: „Ihr seid herangetreten zu Jesus, dem Mittler des Neuen Bundes, und
zur Besprengung des Blutes, das besser ruft als das des Abel" (Hebr 12,24).
Sein Blick rief nicht, als es noch seinem hl. Leib angehörte, aber als es bei seinem
bitteren Leiden schmerzlich und unschuldig vergossen wurde, schrie es mit allmächtiger
Stimme um Barmherzigkeit für die Sünder.
20. Auch wenn dies kostbare Blut in der hl. Messe vergossen wird, schreit es
mit gewaltiger, durchdringender Stimme zu Gott dem Allmächtigen, auf folgende Weise:
„Siehe doch und erwäge, o gerechter Gott, wie ich, das allerkostbarste Blut deines
eingeborenen Sohnes, so schmählich, so schmerzlich, so reichlich bin vergossen worden.
Siehe und beherzige, wie gewaltig und wie grausam ich verunehrt, verflucht und mit
Füßen getreten bin. Dies alles habe ich mit höchster Geduld gelitten deswegen, damit
die Sünder durch mich sollten gereinigt und selig gemacht werden. Du aber, o strenger
Gott, willst sie wegen ihrer Sünden verdammen und in den Abgrund der Hölle stürzen.
Wer vergilt mir denn die Schmach, die ich ertragen? Wer bezahlt mir dann meine Beleidigungen?
Die Sünder in der Hölle werden es gewiß nicht tun, sondern werden mich mit teuflischem
Haß verfluchen. Wenn sie aber durch mich selig würden, so würden sie mich ewig preisen
und mir allen möglichen Dank erweisen. Höre deswegen, o barmherziger Gott, mein
gerechtes Geschrei, und meinetwegen verleihe den Sündern die Gnade der Bekehrung
und Besserung ihres Lebens. Den Gerechten verleihe um meinetwillen Vermehrung der
Gnaden und Standhaftigkeit in allem Guten."
21. Wenn nun das heilige Blut Christi in dieser Weise zu Gott ruft, sollte es dann
möglich sein, daß Gott ein solches Rufen ausschlagen würde? Denn wenn das unschuldig
vergossene Blut Abels mit einer so mächtigen Stimme von der Erde zum Himmel rief,
daß es Gott selbst zur Rache wider den Brudermord gezwungen hat, wie Gott ja selbst
bekennt: „Die Stimme von deines Bruders Blut schreit zu mir von der Erde, deswegen
sollst du verflucht sein auf der Erde, die ihren Mund aufgetan und deines Bruders
Blut von deiner Hand empfangen hat" (Gen 4,10f.) Wenn also das Blut Abels so viel
vermochte, was wird dann nicht das allerunschuldigst vergossene Blut Christi vermögen,
wenn es täglich bei der hl. Messe wiederum vergossen und Gott aufgeopfert wird?
Der hl. Paulus schreibt: „Ihr, seid hinzugetreten zu der Blutvergießung, welche
besser schreit als das Blut Abels." Denn dieses schrie um Rache, das Blut Christi
aber schreit um Barmherzigkeit. Nun aber ist Gott mehr zur Barmherzigkeit geneigt
als zur Rache, wie die Kirche in einem Gebet sagt: „O Gott, dem es eigentümlich
ist, sich allzeit zu erbarmen und zu verschonen." Und der hl. Petrus sagt: „Der
Herr hat Geduld (mit den Sündern) und will nicht, daß jemand verloren gehe, sondern
daß alle sich zur Buße wenden" (2 Petr 3,9). So wird ja das Blut Christi viel leichter
Barmherzigkeit erlangen, als das Blut Abels
Rache erzwungen hat.
22. Dies göttliche Blut hat bei der Beschneidung, am Ölberg, bei der Geißelung,
Dornenkrönung und Kreuzigung zu Gott um Versöhnung der Welt geschrien und hat das
erhalten: „Christus hat die Welt mit Gott versöhnt" (vgl. 2 Kor 5,18). Dieses hl.
Blut schreit auch bei der hl. Messe, nicht nur mit einer Stimme, sondern mit so
vielen Stimmen, wie Blutstropfen vergossen worden sind. Es ruft mit durchdringender, allmächtiger Stimme, es ruft aus aller seiner menschlichen und göttlichen Kraft;
es ruft nicht allein in einer, sondern in viel tausend täglichen Messen. Und es
ruft nicht allein, sondern mit ihm rufen auch die Wunden Christi mit so vielen Worten,
als Wunden am Leibe Christi waren. Es ruft mit ihm auch das Herz Christi mit so
vielen Bitten, als Bewegungen in diesem Herzen waren. Und endlich ruft auch der
Mund Christi mit so vielen Bitten, als Seufzer ihm entflohen sind. Wie sollte es
nun möglich sein, daß dieses fünffache, mächtige Geschrei - aus dem Blut Christi,
aus dem Herzen Christi, aus dem Mund Christi, aus den Wunden Christi, aus der Seele
Christi das Herz des himmlischen Vaters, und wenn es schon von Stahl und Diamant
wäre, nicht durchdringen sollte! Das kostbare Blut Christi ist von einer solchen
Kraft, daß ihm alles, was im Himmel und auf Erden ist, weichen muß, und daß
ihm selbst die göttliche Gerechtigkeit keine billige Bitte versagen kann.
23. Hier muß ich die Geschichte vom wunderbaren Korporale zu Walldürn erzählen,
obwohl es in unserem Vaterland genug bekannt ist
[war]
und in der Fronleichnamsoktav
fleißig von Pilgern besucht wird. Im Odenwald, früher Erzbistum Mainz, liegt das Städtlein Walldürn, wo im Jahr 1330 der Pfarrer Otto, bei der hl. Messe nach der
Wandlung den Kelch aus Unachtsamkeit umgestoßen hat, so daß das hl. Blut
auf das Korporale floß. Aber siehe, bald sah er in der Mitte des Korporales Christus
am Kreuz hängend und zu beiden Seiten von diesem Kruzifix elfmal das dornungekrönte
und mit Blut überronnene Haupt Christi, so natürlich und kunstvoll, daß kein
Maler dergleichen mit Farben hätte darstellen können. Darüber erschrak der Pfarrer
so sehr, daß er erzitterte und große Strafe von Gott und von seiner Obrigkeit befürchtete.
Als die Messe aus und alles Volk gegangen war, brach er einen Stein aus dem
Altar, steckte das Korporale hinein und verschloß das Loch, so gut er konnte. Gleichwohl
fand er keine Ruhe mehr in seinem Gewissen und nahm sich die Sache so zu Herzen,
daß er darüber in eine tödliche Krankheit fiel. Da er nun den Tod herankommen fühlte,
ließ er einen benachbarten Pfarrer rufen und erzählte ihm, wohin er das blutige
Korporale versteckt habe. Nach dessen Tod suchte dieser Pfarrer dasselbe und zeigte
es dem Volk, wobei er erzählte, was geschehen war. Zur Bestätigung des Wunders brachte
er das Korporale der geistlichen Obrigkeit und auf deren Befehl nach Rom zum damaligen
Papst Urban V., der das Wunder bestätigte und allen Wallfahrern einen Ablaß verlieh.
24. Hier entsteht nun die Frage, warum Gott gewollt, daß das verschüttete Blut
in Gestalt eines Kruzifixes und elfmal das Haupt Christi erscheinen sollte. Unter
anderem meine ich, um anzuzeigen, daß das vergossene Blut Christi um Barmherzigkeit
zu Gott rufe, da dieses durch nichts klarer dargestellt werden konnte, als, indem
so oft das Haupt mit dem Mund erschien. Vielleicht waren aus dem Kelch elf Tropfen
auf das Korporale gefallen. Da riefen diese zu Gott nicht um Rache und Strafe, sondern
um Gnade und Barmherzigkeit, sowohl für den Pfarrer wie für das Volk, das dieses
hl. Blut besuchen und verehren würde, wir erfahren es ja noch zu jetziger Zeit,
daß die größten Sünder, welche ihre Sünden viele Jahre nicht mehr gebeichtet haben,
dort vor dem hl. Blut zu wahrer Reue und aufrichtiger Beichte gelangen. Man kann
zwar jetzt die hl. Häupter nicht eben klar mehr sehen, aber wenn man nahe bei dem unversehrten Korporale steht, so sieht man noch deutliche Flecken.
25. Wenn der Priester den Kelch opfert, so spricht er „Wir opfern dir, o Herr, den
Kelch des Heiles, indem wir deine Milde anflehen, daß er vor dem Angesicht deiner
göttlichen Majestät mit dem Geruch der Lieblichkeit emporsteige." Mit diesen Worten
opfert er den Kelch deswegen, weil der Wein, der darin ist, in das Blut Christi
verwandelt werden soll, das als Opfer von überaus lieblichem Geruch zu Gott emporsteigen
soll. Der hl. Paulus sagt: „Christus hat uns geliebt und sich für uns alle als Schlachtopfer
hingegeben, Gott zum lieblichen Geruch" (Eph 5,2). Als dies kostbare Schlachtopfer
am Kreuz dargebracht und sein Blut so schmerzlich vergossen wurde, da stieg ein
so lieblicher Geruch zum Himmel hinauf, daß dadurch der schlimme Geruch, der von,
den schändlichen Götzenopfern und von den Sünden der Menschen aufgestiegen war,
ganz vertilgt und vertrieben wurde. Denn Gott hatte größeres Wohlgefallen am
Gehorsam Christi, als er an den Sünden der Menschen Mißfallen hatte. Deswegen
sollst auch du bei der hl. Messe das Blut Christi Gott aufopfern, damit es ihm zum
angenehmen Duft emporsteige und alles wegnehme, was du durch deine Sünden schmutzig
und häßlich gemacht hast.
[Heilige können z.T. die Sünde riechen...]
26. Als der erblindete Patriarch Isaak seinen Sohn Jakob, der mit den Kleidern
des Esau angetan war, küssen wollte, da sagte die Hl. Schrift: „Da Isaak den Duft
seiner Kleider roch, segnete er ihn alsobald" (Gen 27,27) und wünschte ihm alles
Wohlergehen an allen zeitlichen Gütern. Ebenso bewirkt der angenehme Geruch des
Blutes Christi so viel, daß der liebe Gott einem frommen Menschen, der ihm dasselbe
bei der hl. Messe aufopfert, ganz gewogen wird und ihm seinen göttlichen Segen samt
besonderer Vermehrung seiner Gnade und himmlischer Güter mitteilt. Auch alle Heiligen
erfreuen sich daran, weil der Duft dieses hl. Opfers gleichsam den ganzen Himmel
durchweht und alle seine Bewohner herzlich erquickt und erfreut. Unterlasse es
also nie, bei der hl. Messe das kostbarste Blut andächtig anzubeten, herzlich anzurufen
und nachdrücklich aufzuopfern.
Inhaltsverzeichnis
11. Kap. - Die hl. Messe ist das vorzüglichste Brandopfer.
1. Im Alten Bund hatte Gott durch seinen Diener Moses hauptsächlich
vier Arten von Opfern angeordnet, nämlich
1. Brandopfer zur Anerkennung und
Anbetung der höchsten Majestät Gottes;
2. Lob- und Dankopfer für die von Gott empfangenen
Wohltaten;
3. Bittopfer, um neue Wohltaten von Gott zu erlangen;
4. Sühnopfer zum Nachlaß der Sünden und Sündenstrafen.
Jede Art wurde auf besondere Weise dargebracht,
und man konnte
nicht zweierlei Opfer auf einerlei Weise verrichten.
2. Vom Anfang der Welt bis auf Christus sind dem allmächtigen Gott unzählbare
Brandopfer dargebracht worden, die ihm nach Zeugnis der Hl. Schrift lieb und angenehm
waren. Nach dem Gesetz des Moses mußten die Juden täglich zwei einjährige, fehlerlose
Lämmer als Brandopfer darbringen, eines morgens, das andere am Abend, am Sabbat
aber morgens und abends jedesmal zwei Lämmer. An jedem Neumondtag mußte der Monat
geheiligt werden durch ein Brandopfer von sieben Lämmern, zwei Rindern und einem
Widder, ebensoviel mußten sie zu Ostern und Pfingsten sieben Tage nacheinander opfern und zum Laubhüttenfest sogar sieben Tage hindurch
mehr als das Doppelte. Außer diesen Hauptfesten gab es noch andere, und neben diesen
teuren gebotenen Opfern brachte noch jeder nach seiner Andacht Rinder, Kälber, Schafe,
Lämmer, Widder, Tauben, Wein, Brot, Weihrauch, Salz und Ölkuchen, alles zu dem obengenannten
vierfachen Opferzweck.
3. Dies alles beschreibe ich, damit du weißt, was für teure, mühselige und unsaubere
Opfer die Patriarchen und jüdischen Priester früher hatten. Gleichwohl haben sie
mit diesen ihren teuren und mühseligen Opfern Gott nur geringe Ehre erwiesen und
geringen Lohn verdient, wie der hl. Paulus im Brief an die Hebräer öfter hervorhebt.
Wenn es trotzdem heißt, sie seien „Gott zum lieblichsten Geruch" gewesen, so waren
sie das nur als Vorbilder des blutigen Opfers Christi. Daraus nimm ab, wie bedauerlich
die Juden waren und wie glückselig wir Christen sind. Denn der gütigste Jesus
hat uns ein Brandopfer hinterlassen, das nichts kostet, leicht zu opfern ist und
dennoch der göttlichen Majestät das angenehmste, dem Himmel das erfreulichste, der
Welt das nützlichste und dem Fegfeuer das tröstlichste ist.
4. Wenn einer alle Schlachtopfer, die vom Anfang der Welt bis auf Christus geopfert
worden, alle zusammen mit eigener Hand und höchster Andacht geschlachtet, verbrannt
und Gott aufgeopfert hätte, so hätte ein solcher ohne Zweifel Gott durch diese viel-tausendmal
tausend Opfer einen großen Dienst und besondere Anbetung erwiesen. Aber dieser Dienst
und Gefallen wäre in keiner Weise mit demjenigen zu vergleichen, welcher der göttlichen
Majestät entspringt aus einer einzigen hl. Messe, von einem armen Priester gefeiert
und aufgeopfert von einem einfältigen Laien. Auf daß du dies glaubst, will ich dir
erklären, was für eine Bedeutung ein Brandopfer hat und wie diese Bedeutung noch
bei weitem höher durch die hl. Messe erfüllt wird.
5. Das jüdische Brandopfer war bestimmt zur Anerkennung der höchsten Majestät
Gottes. Sollen wir das christliche Opfer mit dem Brandopfer vergleichen, so muß
es ebenfalls sein ein Sakrifizium, für Gott allein bestimmt, in dem eine sichtbare
Gabe von einem rechtmäßigen Priester zur Anerkennung der höchsten Herrschaft Gottes
über alle Geschöpfe dargebracht und geheiligt wird. Der hl. Thomas von Aquin
sagt (STh II II. q. 86): Durch diese Anerkennung bezeugt der Mensch, daß Gott
ist der erste Anfang alles Bestehens und das letzte Ziel und Ende aller Seligkeit
sowie der höchste Herrscher aller Dinge. Zur Bezeugung alles dessen und unserer
schuldigen Untertänigkeit geben wir ihm eine sichtbare Gabe, die seiner höchsten
Majestät angemessen ist, ganz und gar hin.
6. Dieses hochbedeutungsvolle Opfer hat Gott sich ganz allein vorbehalten und
nie einem anderen zugestehen wollen. Bei Isaias (42,8) spricht er: „Ich bin der
Herr, das ist mein Name; meine Ehre gebe ich keinem anderen, meinen Ruhm nicht
den Götzenbildern", ähnlich heißt es ja auch im ersten der zehn Gebote. Hieraus
erkennt man die Hoheit und Würde des Opfers, weil man es keinem Geschöpf, nicht
der Muttergottes und nicht allen Heiligen zusammen aufopfern kann, sondern es muß
ganz allein Gott als dem Allerhöchsten dargebracht und aufgeopfert werden. Er hat
uns erlaubt, daß wir seine lieben Heiligen loben, lieben, ehren, anrufen, vor ihnen niederknien, ihnen Weihrauch und Kerzen anzünden und allerhand äußere und
innere Dienste erweisen mögen; er hat uns aber niemals erlaubt, daß wir ihnen eine
Messe oder ein Brandopfer aufopfern. Daher sagt das Konzil zu Trient: „Wiewohl
die Kirche zu Ehren und zum Gedächtnis der Heiligen zuzeiten einige Messen zu lesen
pflegt, so lehrt sie dennoch, daß nicht jenen das Opfer dargebracht werden darf,
sondern allein Gott, der sie gekrönt hat, weshalb der Priester nicht sagt: ich opfere
dir, Petrus oder Paulus, das Sakrifizium auf, sondern, indem er Gott für ihre Siege
Dank sagt, ruft er ihre Fürbitte an, damit diejenigen für uns einzutreten sich würdigen
mögen im Himmel, deren Gedächtnis wir auf Erden feiern" (Sitzung 22, Kap. 3).
Die Kirche lehrt also, daß man keinem Heiligen die Messe aufopfern darf, sondern
nur Gott. Tun wir das um eines Heiligen willen, so tragen wir zu dessen größerer
Ehre im höchsten Maße mit bei.
7. Nun wollen wir erklären, wie und in welcher Meinung die Brandopfer gefeiert
wurden, um daraus ihren hohen Wert zu erkennen. Im Alten Testament hatten sie ihren
Namen daher, daß bei ihnen alles Fleisch auf dem Altar verbrannt wurde, was bei
den anderen Opfern nicht geschah; bei diesen wurde vielmehr nur ein Teil verbrannt
und das übrige von den Priestern und den Opfernden gegessen. Beim Brandopfer
wurde deshalb alles verbrannt, um zu bezeugen, daß Gott alles zustehe und seiner
Ehre und seinem Dienst alles geopfert werden muß. Wenn er dieses nach strengster
Gerechtigkeit fordern wollte, so könnte er mit gutem Recht das Leben der Menschen
als Opfer fordern, ähnlich wie er Abraham befohlen, daß er seinen Sohn Isaak opfern
sollte. Er war aber zufrieden, als er den bereitwilligen Gehorsam Abrahams sah.
Im Gesetz hatte er auch befohlen, man solle ihm die erstgeborenen Kinder aufopfern,
und als Begründung hinzugefügt: „Heilige mir die Erstgeburt, denn alles ist mein"
(2 Mos 13,2); er begnügte sich aber damit, daß die Mütter ihm die Kinder zum Tempel
brachten und sie auslösten.
8. So mußte ihm auch der Sohn Mariens als der Erstgeborene aufgeopfert werden,
aber wenn ihn seine Mutter auch mit fünf Sekel auslöste, war er doch damit nicht
zufrieden, sondern das Kindlein mußte in seinem Herzen sprechen: „Schlachtopfer
und Gaben hast du nicht gewollt, einen Leib aber hast du mir bereitet; an Brandopfern
und Sühnopfern hast du kein Wohlgefallen: Siehe, ich komme, o Gott, deinen Willen
zu erfüllen" (Hebr 10,5f.). So bot er schon beim Eintritt in die Welt seinen
Leib als Opfer an, und seine Mutter, wenn sie ihn auch losgekauft hatte, mußte ihn
dennoch später hergeben, daß er gepeinigt, geschlachtet und getötet würde, auf daß
durch diesen kostbaren Tod alle Menschen von der Schuldigkeit, ihr Leben Gott hinzuopfern,
befreit würden. Davon spricht der hl. Paulus (2 Kor 5,14f.): „Ist einer für alle
gestorben, so sind alle gestorben, und für alle ist Christus gestorben."
Weil nämlich sein Leben viel edler war als das Leben aller Menschen zusammen- genommen,
so ist sein Tod allein viel mehr wert als der Tod aller Menschen. Weil nun
Christus in jeder Messe Gott wieder als Opfer dargebracht wird, so empfängt der
himmlische Vater mehr Ehre aus einer Messe, als wenn alle Menschen ihm
ihr Leben als Opfer bringen würden.
9. Das hl. Meßopfer ist unter allen Werken der Andacht und Gottseligkeit darum das
allervorzüglichste, weil wir darin nicht so sehr mit Worten als vielmehr durch das Werk bezeugen, daß wir zu seiner Ehre unser Leben hinzugeben verpflichtet
sind. Es ist dasselbe, als wenn vorzeiten ein jüdischer Priester beim Opfer etwa
gesagt hätte: „Gleichwie ich hier das Lamm Gott zu Ehren schlachte, so könnte auch
Gott als der höchste Herr, wenn er wollte, uns allesamt vernichten. Denn er ist
durchaus würdig, daß unser Leben ihm zu Ehren hingegeben würde, was ich durch das
Schlachten dieses Opferlammes bezeuge, an dessen Stelle eigentlich mein eigenes
Leben aufgeopfert werden müßte."
10. Darum sagt Pater Sanchez: „In der hl. Messe leisten wir Gott solchen Dienst
und Ehre, daß ihm auf der Welt nichts Größeres geleistet werden kann. Denn wir
bezeugen, daß seine Majestät so groß und mächtig sei, daß ihm nicht das Leben von
Kälbern und Böcken, sondern das allerkostbarste Leben und teuerste Blut des allerhochwürdigsten
Sohnes Gottes aufgeopfert werden muß." Beachte doch, was dieser Gelehrte von der
Kostbarkeit der hl. Messe sagt und was für eine gewaltige, ja unendliche Ehre wir
dadurch dem allmächtigen Gott erweisen können. Willst du daher nicht gern die hl.
Messe besuchen, daß du zugleich mit dem Priester diese große Ehre deinem wahren
Gott und rechtmäßigen Herrn verschaffst? Wenn du aber die hl. Messe aus Leichtsinn
versäumst, so stiehlst du gleichsam deinem Gott diese Ehre, die du ihm durch
die. hl. Messe hättest erweisen können.
11.
Nun höre noch, was Marchantius sagt: „Was ist die hl. Messe anderes als
eine tägliche Gesandtschaft an die hochhl. Dreifaltigkeit mit einem allerkostbarsten
Geschenk, welches wir ihm zur Anerkennung seiner höchsten Herrschaft über alle Geschöpfe
und zum Zeugnis unserer Untertänigkeit aufopfern? Ihm, als dem Urheber des Lebens
und des Todes, wird das Leben und der Tod Jesu Christi als ein täglicher Tribut
von der streitenden Kirche, unter Mitwirkung und in Gegenwart der triumphierenden
Kirche aufgeopfert, damit ihm als dem einigen und dreifaltigen Gott die höchste
Ehre von allen seinen Geschöpfen geleistet werde und damit auch seine höchste Macht,
Weisheit, Güte und alle unendlichen Vollkommenheiten, die in diesem Geheimnisse
hervortreten, würdig geehrt werden. Was kann dem höchsten Gott angenehmer sein,
als daß Himmel und Erde zusammen seiner erhabenen Gottheit die höchste Ehre erweisen?"
12.
Bei diesen Worten können wir uns wohl des Gebetes erinnern, das der Priester
nach der Wandlung tiefgebeugt spricht: „Wir bitten dich in Demut, allmächtiger Gott,
laß dies durch die Hände deines hl. Engels hingetragen werden zu deinem erhabenen
Altar, vor das Angesicht deiner göttlichen Majestät", und können uns dabei vorstellen,
daß die Engel vom Himmel herabgekommen sind, wunderbar geschmückt, und mit großer
Freude und Andacht um den Altar knien und den Leib und das Blut Christi anbeten.
Dann dürfen wir uns weiter vorstellen, als ob einer von ihnen, würdiger noch und
schöner als die übrigen, die hl. Hostie für einen Augenblick zum Himmel trüge und
sie dort dem Angesicht Gottes vorstellte.
Ach, noch viel größere Ehre und Freude ist es, die Gott durch das hochheilige
Opfer empfängt, da ihm dieselbe nicht bloß von Menschen und Engeln, sondern von
Christus selbst erwiesen wird. Christus allein weiß und kennt ja die unendliche
Größe und Herrlichkeit der Majestät Gottes; er allein weiß auch, welche Ehre und
Anbetung ihr gebührt. Deswegen kann er allein und außer ihm keiner Gott volle Ehre erweisen, und das tut er in allen hl. Messen. Obgleich die Engel und Menschen
vieles zur Ehre Gottes tun können, so ist doch das schier wie nichts zu schätzen
gegen die Ehre, welche Christus ihm erweist.
13. Denke dir einmal der Fall, daß der Türke unser Land eroberte und von uns
verlangen würde, wir sollten sein schändliches Gesetz annehmen und Christus verleugnen,
sonst würde er uns allesamt mit vielen Leiden martern und schließlich verbrennen.
Wenn wir ihm nun einhellig antworteten, daß wir tausendmal lieber dieses alles leiden
als von Christus abfallen wollten, und wenn wir dann die Leiden alle auf uns nähmen
und lebendig verbrannt würden: sollte diese heroische Tat dem allmächtigen Gott
nicht zum höchsten gefallen und zur größten Ehre gereichen? Und doch würde diese
große Ehre gegen die unendliche Ehre, die der göttlichen Majestät gebührt, doch
wie nichts oder wie ein Stäublein zu schätzen sein.
Da sich aber der glorwürdigste Sohn Gottes, ein Herr von unendlicher Majestät, auf
dem Altar aufs tiefste erniedrigt und in dieser äußersten Demut die höchste Ehrfurcht
erweist, so ist dies für die allerheiligste Dreifaltigkeit eine so große Ehre, daß
ihr eine größere nicht kann erwiesen werden.
14. Da sich nun derselbe Sohn Gottes in unsere Gewalt gibt, auf daß wir ihn als
ein unschuldiges Lamm gleichsam schlachten und der hochheiligen Dreifaltigkeit als
wahres Brandopfer aufopfern sollen, verleiht er uns Gewalt, daß wir ihr so sehr
Ehre und Dienst erweisen können, wie es der Macht und Erhabenheit Gottes zukommt.
Durch etwas anderes als die hl. Messe können wir dies nicht. Hat uns denn also der
göttliche Heiland nicht die größte Wohltat erwiesen, indem er dieses übergroße Opfer
aus lauter Gnaden eingesetzt hat? Sind wir denn nicht verpflichtet, ihm von Herzen
dafür zu danken und dasselbe zur Abtragung unserer Schuld zu benützen?
Du hast zu Anfang dieses Kapitels vernommen, wie manch teures Brandopfer
die armen Juden dem allmächtigen Gott geopfert und wie sie sich aufs äußerste befleißigt
haben, ihm seine gebührende Ehre einigermaßen zu leisten. Du aber hast ein unvergleichlich
größeres Opfer, das dich nicht einen einzigen Cent kostet, sondern dir von Christus
freiwillig geschenkt wird, und zwar zu dem Zweck, daß du es der heiligsten Dreifaltigkeit
aufopfern und ihr die gebührende Ehre leisten sollst. Du aber wünschst gar nicht,
dieses teure Geschenk anzunehmen und es deinem Gott und Herrn anzubieten. Daß ist
gewiß schwer zu verantworten. Unterbrich daher bisweilen deine Geschäften, damit
du eine hl. Messe mitfeiern und Gott dadurch das Opfer höchster Anbetung bringen
kannst.
Inhaltsverzeichnis
12. Kap. - Die hl. Messe ist das allerhöchste Lobopfer.
1. Was für ein überaus mächtiger Herr der allmächtige Gott ist, kann kein Mensch
begreifen und kein Engel aussprechen. Seine Wesenheit ist unendlich, seine Heiligkeit
unergründlich, seine Herrlichkeit ist unschätzbar und seine Reichtümer sind unvergleichlich.
Er ist die allerstrengste Gerechtigkeit, die allermildeste Barmherzigkeit, die liebenswürdigste
Freundlichkeit und die wunderbarste Schönheit. Wiewohl alle Engel und Heiligen ihn
von Herzen lieben, so erzittern sie dennoch vor seiner furchtgebietenden Majestät und beten dieselbe auf ihrem Angesicht liegend mit
tiefster Ehrerbietung an. Aus allen Kräften loben, preisen und benedeien sie seine
unendliche Vollkommenheit und können sich niemals ganz im Lob Gottes sättigen. Dieses
Lob will Gott von ihnen haben, wie es ihm als dem höchsten Herrn gebührt und wegen
seiner unendlichen Herrlichkeit im vollsten Maße zukommt.
Von Ewigkeit her, ehe noch etwas erschaffen war, lobte der allmächtige Gott sich
selbst, und die drei göttlichen Personen freuten sich ihrer Majestät und Herrlichkeit.
Gott Vater lobte die unergründliche Weisheit des Sohnes, Gott der Sohn lobte die
allermildeste Güte des Hl. Geistes, und dieser pries die unendliche Allmacht des
Vaters. Dies können wir den Offenbarungen der hl. Mechthild entnehmen, zu
der Christus sagte: „Wenn du mich loben willst, so ehre mich in Vereinigung
mit der allerhöchsten Verherrlichung, mit der Gott Vater in seiner Allmacht und
der Hl. Geist in seiner Liebe mich von Ewigkeit geehrt haben, ebenso in Vereinigung
mit der allerhöchsten Ehre, die ich durch meine unerforschliche Weisheit dem Vater
und dem Hl. Geist, und der Hl. Geist durch seine unwandelbare Liebe dem Vater und
mir von Ewigkeit geschenkt haben."
2. Durch seine unendliche Güte angetrieben, erschuf der liebe Gott Himmel und
Erde, Engel und Menschen, lebendige und leblose Kreaturen, um auch von diesen nach
seiner Würde und ihren Kräften gelobt und geehrt zu werden. Daß dieses seine hauptsächlichste
Absicht war, bezeugt die Hl. Schrift (Spr 16,4): „Der Herr hat alles um seiner
selbst willen gemacht", d.h. um von seinen Geschöpfen erkannt, gelobt und geehrt
zu werden. Dies haben die Engel gleich nach ihrer Erschaffung getan, tun es noch
jetzt und werden es tun in alle Ewigkeit. Dieses haben auch Sonne und Mond und alle
Sterne getan, wie Gott selbst bei Job (38,4 u. 7) bezeugt:
„Wo warst du, als ich die Erde geschaffen? Da mich die Morgensterne lobten allzumal
und alle Kinder Gottes jauchzten?" Diese Kinder Gottes waren die Engel, die schon
erschaffen waren, als Gott die Erde schuf. Alle vernunftlosen und leblosen Geschöpfe,
nämlich alle zahmen und wilden Tiere, alle Bäume und Pflanzen, alle Steine und Metalle,
loben auch Gott, jedes nach seiner Art, und gereichen ihrem Schöpfer zur Ehre, weil
er ihnen ihr Dasein gegeben hat. Darüber belehrte Christus die hl. Mechthild:
„Wenn der Priester in der hl. Messe (bei der Präfation) spricht: Durch den die Engel
deine Majestät loben, so lobe mich in Vereinigung mit dem himmlischen Lob, mit
dem die hochhl. Dreifaltigkeit sich selbst lobt und von ihr gelobt wird, und
welches überfließt in die seligste Jungfrau Maria und in alle Engel und Heiligen.
Danach sprich ein Vaterunser und opfere es mir in Vereinigung des Lobes, mit dem
mich loben Himmel und Erde und alle Kreaturen."
3. Wenn also alle Geschöpfe Gott loben, wie viel mehr sind dann die Menschen
schuldig, Gott zu loben und zu preisen, weil sie ja hauptsächlich deswegen von Gott
erschaffen und mit der Vernunft begabt worden sind. Das hat vor allen Vätern des
Alten Testamentes David wohl beherzigt und im Wunsch, den höchsten Gott nach
all seinen Kräften zu loben, die Psalmen gedichtet und selbst gebetet, in
denen ja lauter Lob Gottes begriffen ist. Er muntert sich selbst darin zum Lob Gottes
auf, ruft Himmel und Erde an und lädt alle Geschöpfe ein, daß sie ihm helfen
sollen, seinen und ihren Gott aus allen Kräften zu loben. Damit auch seine Nachkommen fortfahren, Gott zu loben, hat er die Psalmen aufgeschrieben und sie den Priestern
und Leviten ausgehändigt und ihnen befohlen, den Gott Israels täglich während des
Gottesdienstes auf solche Weise zu loben und zu ehren.
Ähnlich haben es die drei Jünglinge im Feuerofen gemacht: sie haben mitten
im Feuer mit heller Stimme das Lob Gottes gesungen und alle Geschöpfe dazu eingeladen
mit den Worten: „Preist alle Werke des Herrn den Herrn, lobt und erhebt ihn in alle
Ewigkeit! Lobt ihr Engel des Herrn den Herrn, lobt und erhebt ihn in Ewigkeit."
(Dan 3,57f.).
4. Da nun die Juden Gott so gelobt haben, wie viel mehr sind wir Christen dazu verpflichtet,
weil wir ja deswegen zu Kindern Gottes angenommen sind, wie Paulus an die Epheser
(1,5f.) schreibt: „Er hat uns vorherbestimmt zur Kindschaft, zum Lob der Herrlichkeit
seiner Gnade." Das heißt: Gott hat uns zu seinen Kindern angenommen, damit wir
seine Glorie und Gnade preisen. Dies ist unsere Pflicht und Schuldigkeit,
ja die aller Menschen, und zwar so sehr, daß sich gegen Gott versündigt, wer
ihn zu loben unterläßt. Das haben viele fromme Könige, Kaiser und Fürsten so
tief beherzigt, daß sie viele herrliche Kirchen gebaut und Klöster gegründet haben,
damit Tag und Nacht Gott der Herr gelobt und gepriesen würde. Zu diesem Zweck hat
auch die katholische Kirche angeordnet, daß jeder Geistliche, sobald er die Weihe
des Subdiakonats (heute ab Diakonat) empfangen hat, von diesem Tag an bis zur letzten
Krankheit unter Strafe der Todsünde täglich die sieben Tagzeiten beten und Gott
loben soll. Ebendieselbe Pflicht haben alle zum Chordienst verpflichteten Klosterfrauen
und auch alle Ordensgeistlichen. Sie alle setzen ihre Freude darein, bei Tag und
bei Nacht ihren Gott und Schöpfer fleißig und andächtig zu loben.
5. Zum eifrigen Lob Gottes ermahnt die Hl. Schrift mit nachdrücklichen Worten,
z. B.: „Preist den Herrn, so hoch ihr könnt, er ist doch noch höher; lobt den
Herrn, erhebt ihn, so viel ihr könnt, denn er ist größer als alles Lob." (Sir
43,32f.) „Lobt den Herrn in seinen Kräften, lobt ihn nach seiner vielfältigen Größe."
(Ps 150,2.) Wenn aber seine Größe all unser Lob übersteigt, wie sollen wir da unsere
Schuldigkeit erfüllen können?
6. Da Christus sah, daß die menschliche Schwachheit den großen Gott niemals
würdig werde preisen können, deswegen setzte er beim letzten Abendmahl die hl. Messe
ein, die mit vollstem Recht ein Lobopfer genannt und von der Kirche täglich und
stündlich bei Tag und Nacht dem höchsten Gott als ein wahres Lobopfer dargebracht
wird. Wie oft muß der Priester am Altar sprechen: „Wir opfern dir auf ein Opfer
des Lobes!" Beim Gloria spricht der Priester und singt der Chor: „Ehre sei
Gott in der Höhe, ...wir loben dich, wir preisen dich, wir beten dich an, wir
verherrlichen dich" usw. Nach der Präfation heißt es: „Heilig, heilig, heilig
ist der Herr, Gott der Heerscharen, Himmel und Erde sind voll seiner Herrlichkeit,
Hosanna in der Höhe. Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, Hosanna in
der Höhe!" Ist das nicht ein hohes Lob Gottes? Singen nicht die Seraphim im Himmel
das dreimal Heilig? Haben das Hosanna nicht die unmündigen Kinder aus Eingebung
des Hl. Geistes am Palmsonntag gesungen? So wiederholt die Kirche dieses hohe Lob
alle Tage vieltausendmal und preist den großen Gott im allen Messen durch den Mund der Priester.
7. Gewiß ist es, daß wir Menschen zu dem Zweck erschaffen sind, um Gott zu loben
und zu preisen, und zwar nicht bloß mangelhaft, sondern auf die allerbeste,
ja, auf unendliche Weise. Denn, weil Gottes Größe unendlich ist, so gebührt ihm
auch unendliches Lob. Wer will aber einen Lobgesang erfinden, der alle göttlichen
Vollkommenheiten in sich begriffe, und der ihn preist nach seiner Würde? Weil das
niemand kann, so sind wir Christus unendlichen Dank schuldig, daß wir durch die
hl. Messe allen Mangel ersetzen und unserm Gott ein würdiges Opfer darbringen können.
8. Hierüber sagt der hl. Laurentius Justiniani: „Gewiß ist es; daß Gott durch
nichts anderes mehr gelobt werden kann als durch das unbefleckte Opfer des Altares,
welches Christus hauptsächlich deswegen eingesetzt hat, damit seine Kirche Gottes
Lob vollbringen könne." Wenn wir also Gott würdig loben wollen, so können wir das
nicht besser als durch Anhörung und Aufopferung der hl. Messe. Denn da wird Gott
ein unendliches Lob, nämlich das göttliche Lob seines Sohnes, gebracht. Da preist
Christus den himmlischen Vater in der Tat mit so hohem Lob, wie es der Würde Gottes
entspricht und wie es weder die Engel noch Heiligen, viel weniger aber die Menschen
können. Durch eine einzige hl. Messe empfängt Gott viel größeres Lob, als von
allen Engeln und Heiligen je geleistet werden kann.
9. Pater Segneri erzählt von einer frommen Jungfrau, die aus Liebe zu Gott
von der Begierde, ihn zu loben, entflammt war und deswegen oft zu Gott seufzte:
„O, hätte ich tausend Zungen, mit welchen ich dich, o mein Gott, loben möchte! Hätte
ich in meiner Gewalt alle Menschen, daß ich sie alle zu deinem Lob antreiben könnte!
O, könnte ich allen Geschöpfen Verstand und Herzen geben, mit denen sie dich loben
sollten! O, könnte ich neue Himmel erschaffen und sie mit Seraphim anfüllen! Hätte
ich solche Kräfte, daß ich allein dich mehr preisen könnte als alle Geschöpfe, wie
glücklich wollte ich mich schätzen!" Da hörte sie eine himmlische Stimme, die sprach:
„Wisse, daß eine einzige hl. Messe mir nicht allein so viel Lob, wie du mir
zu geben verlangst, sondern unvergleichlich größeres verschafft, als du dir nur
irgendwie ausdenken kannst. Höre deshalb fleißig die hl. Messe und opfere mir das
Lob derselben auf, dann kannst du deinen Herzenswunsch aufs vollkommenste erfüllen."
10. Nun erfaßt es, andächtige Seelen, was für ein überaus hohes Opfer die hl.
Messe sein muß, da Gott, der Allerhöchste, aus ihr größere Ehre und Herrlichkeit
empfängt als aus allem Lob und Gesang aller himmlischen Geister! Wenn der ganze
Himmel unter Aufbietung aller seiner Kräfte zum Lob und Ruhm der allerheiligsten
Dreifaltigkeit die herrlichste Prozession anordnete, deren Hauptperson die Muttergottes
wäre, begleitet von den neun Chören der hl. Engel und den unzählbaren Scharen aller
Heiligen und Seligen, wenn sie die wunderbarsten Lieder sängen und auf den wohlklingendsten
Instrumenten spielten - würde diese herrliche Prozession nicht Gott zu besonders
hohem Lob und Gefallen gereichen? Wenn aber die streitende Kirche einen einzigen
Priester dazu senden könnte, der zum Schluß dieser Prozession eine hl. Messe zu
Ehren der hochhl. Dreifaltigkeit lesen würde, was meinst du, daß dieser damit bewirkte?
Ich sage dir, daß dieser arme Priester mit seiner einzigen Messe der preiswürdigsten Dreifaltigkeit ein unvergleichlich höheres Lob verschaffen
würde, als diese wunderbare himmlische Prozession, und zwar um so viel größer, als
der Sohn Gottes größer und höher ist als alle Kreaturen.
11. Wie müssen wir nun Christus loben und lieben, daß er durch Einsetzung des
hl. Meßopfers uns ein so leichtes Mittel gegeben hat, die Majestät Gottes würdig
zu ehren und nach ihrer ganzen großen Herrlichkeit zu loben! Diese Betrachtung
sollte eine eifrige Begierde in uns erwecken, die hl. Messe sooft wie nur möglich
zu hören, auf daß wir unsere Pflicht und Schuldigkeit im Lob Gottes auch erfüllen
mögen, wozu er uns erschaffen und durch den wahren Glauben noch mehr berufen hat,
„in dem wir zur Erbschaft berufen sind, damit wir zum Lob seiner Herrlichkeit dienten."
(Eph 1,11f.) Solche Opfer verlangt Gott, wie er im Psalm 49,14 und 23 hat sagen
lassen: „Opfere Gott ein Opfer des Lobes" und „ein Lobopfer wird mich ehren."
12. Daß wir durch die hl. Messe diese unsere Pflicht zu erfüllen die beste Gelegenheit
haben und Gott mehr loben können als die Engel und Heiligen, will ich dir noch aus
folgendem beweisen. Wenn du jemand loben willst, so mußt du wissen, was an ihm lobwürdig
ist. Wüßtest du von ihm nichts Gutes, so könntest du auch nichts Gutes von ihm sagen.
Weißt du aber viel Gutes von ihm, so kannst du auch viel Lobwürdiges von ihm erzählen.
Ebenso ist es auch mit Gott. Die Engel und Heiligen wissen sehr viel Gutes von Gott,
denn sie schauen ihn von Angesicht zu Angesicht und schauen dabei so viel Gutes
an ihm, daß sie es gar nicht aussprechen können. Aber ihr Lob bleibt immer ein endliches
und ist nie so hoch, wie die unendliche Hoheit Gottes es verdient.
13. Christus allein erkennt wegen seiner persönlichen Vereinigung mit der Gottheit
vollkommen Gottes unendliche Größe und Lobwürdigkeit. An allen Orten, wo Christus
seiner menschlichen Natur nach ist, lobt er deswegen Gott den Herrn nach seiner
ganzen Größe und preist ihn so viel, wie er gepriesen zu werden würdig ist. Das
tut Christus vorzüglich auf dem Altar bei der hl. Messe, und dadurch wird sie zum
höchsten Lobopfer. Nun merke, was folgt: Das Lob, das Christus auf dem Altar Gott
darbringt, opfert er auf hauptsächlich für diejenigen, die bei der hl. Messe sind,
und ersetzt dadurch, was diese im Lobe Gottes versäumt haben. Ja, er schenkt ihnen
dieses göttliche Lob, daß sie es wie ihr eigenes aufopfern und dadurch ihre hohe
Schuldigkeit bezahlen sollen. Wenn nun ein Mensch dies tut und in seinem Herzen
spricht: „Mein Gott, ich opfere dir auf all das Lob, das du jetzt von deinem Sohn
auf dem Altar empfängst", so opfert er Gott ein höheres Lob auf, als alle Engel
und Heiligen es können, denn diese opfern ihm nur ein erschaffenes und darum ein
endliches, Christus aber und in Vereinigung mit ihm der Mensch bei der hl. Messe
opfert ihm kein menschliches, sondern ein göttliches und darum unendliches Lob.
14. Wie sehr Gott im Himmel nach diesem Lob, welches sein eingeborener Sohn
in der hl. Messe ihm darbringt, verlangt, das kannst du aus der Stelle beim Propheten
Malachias (1,11) erkennen, wo Gott sagt, er habe kein Gefallen mehr an den
Opfern der Juden, „denn vom Aufgang der Sonne bis zum Untergang wird mein Name groß
werden unter den Völkern, und
an allen Orten wird meinem Namen geopfert und ein reines Opfer dargebracht werden;
denn groß wird mein
Name werden unter den Völkern spricht der Herr der Heerscharen."
15. Darum öffnen sich aber bei der hl. Messe selbst die Himmel, und die Engel
steigen herab, um auch ihr Lob mit dem Lob Christi auf dem Altar zu vereinigen und
es dadurch der göttlichen Hoheit und Schönheit würdig zu machen. So lesen wir es
in den Offenbarungen der hl. Brigitta: „Als ein Priester bei der hl. Messe
zur Wandlung kam, sah ich, als wenn Sonne und Mond mit allen Sternen und Planeten,
ja, der ganze Himmel mit all seinen Kräften mit den wundervollsten Stimmen sangen,
und wie ihr Gesang und Musizieren weit und breit gehört ward. Zu diesen kam eine
unzählbare Menge der himmlischen Geister, deren herrliche Musik zu begreifen oder
gar zu beschreiben unmöglich ist. Die Chöre der Engel schauten den Priester an
und neigten sich vor ihm mit aller Ehrerbietung. Die Teufel aber erzitterten voll
Angst und flohen voller Schrecken davon. Sobald die Wandlungsworte über das
Brot gesprochen waren, da ward die Hostie wie in ein lebendiges Lämmlein verwandelt,
das aber ein menschliches Angesicht hatte, und alle Engel beteten es an und dienten
ihm. Es waren ihrer so viele wie Stäublein in den Strahlen der Sonne, und es war
auch eine so große Menge heiliger Seelen gegenwärtig, daß ich ihre Scharen nach
ihrer Ausdehnung in Höhe, Breite und Tiefe nicht übersehen konnte. Sie alle priesen
zugleich mit den Engeln Gott und erwiesen dem Lamm ihre Ehre."
16. Welch große Anzahl Engel und Heiligen ist also bei der hl. Messe gegenwärtig,
was für einen herrlichen Lobgesang singen alle diese dem allmächtigen Gott, und
Sonn und Mond samt den Sternen und Himmeln stimmen darin ein! Inmitten dieser Engel
und Heiligen stehst du, o andächtige Seele, wenn du bei der hl. Messe bist, und
hilfst ihnen, deinen Gott zu loben und zu preisen. So erwäge denn bei dir, was für
ein großes und vortreffliches Lob dem allmächtigen Gott durch das hochwürdigste Meßopfer gegeben wird; zuerst das Lob des Sohnes Gottes, das jenes aller Geschöpfe
bei weitem übertrifft; dann aber das Lob der Engel und Heiligen und schließlich
auch dein Loh und das der frommen Seelen, die zur hl. Messe hingeeilt sind.
17. Daraus erklärt sich nun, daß die allerheiligste Dreifaltigkeit durch jede hl.
Messe
unendlich Liebe, Lob und Ehre empfängt, und wie ihr das Lob, das ihr von uns aus
fehlt, so reichlich erstattet wird, ja, noch mehr, wie all die Schmach und Lästerung,
welche täglich Gott angetan wird, durch die hl. Messe gesühnt wird. Wenn das nicht
wäre, so wäre es gar nicht möglich, daß die Welt noch stünde, in welcher und von
welcher der allmächtige Gott täglich so grausam und so vieltausendmal gelästert
wird. Wie sehr ihm diese Lästerungen mißfallen, sagt er uns durch den Propheten
Isaias (52,5): „Was soll ich denn hier tun, spricht der Herr - immer den ganzen
Tag wird mein Name gelästert!" Als wollte er sagen: Was soll ich mich länger um
die Welt kümmern, in der ich unaufhörlich geschändet, gelästert und verflucht werde.
Ich will deshalb von der Welt weggehen und sie der Gewalt des Satans überlassen.
ja, ich will sie zerstören und ihre Gotteslästerer in die Hölle hinabstürzen. Gewiß
hätte Gott reichlich Grund und Ursache dazu, da es ja gewiß ist, daß eine einzige
Todsünde oder Gotteslästerung Grund genug wäre, die ganze Welt zu vertilgen.
[Bedenken
wir, die Engel wurden für eine einzige Sünde für ewig in die Hölle gestoßen!]
Warum tut denn der gerechte Gott dies nicht? Was hält ihn davon ab? Ich meine,
daß das allerhochwürdigste Meßopfer vor allen Dingen am meisten dies Übel verhindert.
Denn obgleich die göttliche Majestät von den Gottlosen unaufhörlich gelästert wird,
so wird eben diese göttliche Majestät von den Priestern unaufhörlich durch Aufopferung
so vieler tausend täglicher Messen gepriesen und von Christus selbst nach aller
Würdigkeit gebenedeit. Dieses Lob Christi und der Priester übertrifft bei weitem
alle Lästerungen der Bosheit und leistet Sühne für die Schmach, welche Gott von
den Lästerern zugefügt Wird.
Haben wir denn also nicht allen Grund, ja, sind wir nicht verpflichtet, Christus
von Herzen zu danken, daß er uns aus lauter Güte die hl. Messe eingesetzt hat,
durch welche die Welt in ihrem Bestand erhalten wird, durch welche die Gotteslästerer
vor der Verdammnis zur Hölle bewahrt werden, durch welche unsere Versäumnisse im
Lob Gottes ersetzt werden und der unendliche Gott aufs allerwürdigste gelobt, gepriesen
und geehrt wird?
Gebet.
Ewig und unendlich sei dir, o gütigster Jesu,
Lob und Dank gesagt von mir und allen katholischen Christen, ja, von allen Bewohnern
der ganzen Erde, wegen der unvergleichlichen Wohltat, die du uns durch die Einsetzung
des hl. Meßopfers erwiesen hast und täglich und stündlich von neuem erweist. Wie
können wir dieselbe besser vergelten als durch fleißiges und andächtiges Anhören
derselben und durch Aufopferung des Lobes, das du dabei dem himmlischen Vater gibst
und darbringst. Wollte Gott, ich könnte alle Menschen zum fleißigen Besuch der hl.
Messe antreiben und ihnen den Geist der Andacht eingießen. Was ich nicht kann, das
ersetze du, o Heiland, und gieße mir und allen Gläubigen den Geist der Andacht ins
Herz, auf daß wir immer mehr in der Sehnsucht, die hl. Messe mitzufeiern, zunehmen
und täglich dieselbe zum Lob der allerheiligsten Dreifaltigkeit aufopfern mögen.
Amen.
Inhaltsverzeichnis
13. Kap. - Die hl. Messe ist das beste Dankopfer.
1. Die Wohltaten die wir von der göttlichen Freigebigkeit umsonst empfangen haben
und noch täglich empfangen, sind so groß und vielfältig, daß wir dieselben nicht
zählen, viel weniger vergelten können. Denn Gott hat uns erschaffen, er hat uns
unsere fünf Sinne gegeben, er hat uns gesunde Glieder geschenkt, er hat uns eine
Seele nach seinem Ebenbild erschaffen: diese hat der Hl. Geist mit dem Wasser der
Taufe gereinigt, mit vielen Tugenden geziert und zu seiner Braut erwählt. Er
hat einen Schutzengel zu unserem Dienst bestellt; er nährt uns als seine Kinder;
er verzeiht uns durch die Buße unsere Sünden; er speist uns mit seinem allerheiligsten
Fleisch und Blut; er erträgt mit Geduld die Schmach, die wir ihm zufügen; er wartet
die Zeit unserer Bekehrung ab; er gibt uns gute Einsprechungen; er kommt uns
zuvor mit seiner Gnade; er unterrichtet uns durch die Predigt; er bewahrt uns vor
vielem Übel; er hört unser demütiges Gebet; er tröstet uns in unserer Trübsal; er
stärkt uns in unseren Anfechtungen; er behütet uns vor offener Schande; er nimmt
unsere guten Werke in Gnaden auf; kurz, er erweist uns unzählbare Wohltaten.
2.
Trotzdem der gütige Gott uns diese Guttaten erwiesen, hat er sich doch noch
nicht mit dieser seiner Freigebigkeit begnügt, sondern, als wenn das alles viel
zu gering wäre, so hat er noch diese Gnade hinzugefügt, daß er uns zu seinen Kindern
hat annehmen wollen. Diese unschätzbare Wohltat hebt der hl. Johannes mit folgenden
Worten hervor: „Seht, welche Liebe uns der Vater erwiesen hat, daß wir Gottes
Kinder heißen und auch sind." (1 Jo 3,1.) Der hl. Paulus fügt hinzu: „Wenn aber
Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Erben Gottes und Miterben Christi."
(Röm 8,17) Ist das nicht eine überaus große Wohltat, daß der allerhöchste Herr uns
arme Bettler zu seinen Kindern und rechtmäßigen Erben angenommen hat?
3. Zu all diesen Wohltaten hat er noch eine überaus große hinzugefügt, da wir
wegen unsere Sünden in die Gewalt des Satans gefallen waren, hat er uns durch seinen
eigenen Sohn aus dessen Banden erlöst. Diese große Wohltat wollte Christus uns tief
ins Herz eindrücken, da er sprach: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, daß er
seinen eingeborenen Sohn hingab" (Jo 3,16), nicht allein, daß er unsere arme
Natur annehmen, sondern auch den bitteren Tod für uns leiden sollte. Hierbei ist
noch zu merken, daß der liebe Gott uns diese Wohltat nicht als seinen Freunden,
sondern als seinen Feinden erwiesen hat, was der hl. Paulus wohl beherzigt und uns
zu erwägen vorhält, da er spricht: „Gott erweist seine Liebe zu uns dadurch, daß
Christus für uns zur Zeit gestorben ist, als wir noch Sünder waren." (Röm 5,8f.)
Diese Liebe Gottes ist so gewaltig groß, daß wir sie nie vergelten können.
4. Wenn dieser großmütige Herr dir keine andere Gnade erwiesen hätte, als daß
er dich nur ein einziges Mal mit einem freundlichen Blick angeschaut hätte, gewiß
könntest du ihm für solche Wohltat niemals würdig danken, viel weniger dieselbe
würdig vergelten, weil er, ein Herr von solcher Majestät, sich gewürdigt hätte,
dich, einen ganz armseligen Erdenwurm, freundlich anzuschauen. Wie willst du es
ihm denn vergelten, daß er, um dich zu seiner beseligenden Anschauung zu bringen,
ein so armseliges Leben geführt und einen so bitteren Tod erlitten hat?
5. Osorius schreibt: „Wenn du von jemandem viel Gutes empfangen hast, so
bist du verpflichtet, dafür zu sorgen, daß es ihm reich vergolten werde, damit du
deinem Wohltäter nicht undankbar zu sein scheinst." Da du nun von Gott unzählbare
Wohltaten empfangen hast, so bist du ja schuldig, daran zu denken, was du ihm zu
würdiger Vergeltung wieder schenken willst. Darum sprich oft mit David:
„Was soll ich dein Herrn vergelten für alles, was er mir gegeben hat?" (Ps 115,3);
sprich oft mit dem Propheten Michäus: „Was soll ich dem Herrn opfern, das seiner
würdig wäre?" (Mich 6,6); sprich oft mit dem jungen Tobias: „Welchen Lohn sollen
wir ihm gehen, oder womit können seine Wohltaten nach Verdienst vergolten werden?
Mit allem Guten sind wir von ihm überhäuft worden, was werden wir ihm Würdiges dafür
geben können?" (Tob 12,2f.) Was diese hl. Männer gesprochen und getan haben, das
bist auch du schuldig zu sprechen und zu tun. Du bist aufs höchste verpflichtet,
deinem Gott für all die genannten großen Wohltaten dankbar zu sein, wofern du
nicht in das große Laster der Undankbarkeit verfallen und dich nicht höchlichst
wider deinen Gott versündigen willst.
6.
Was willst du nun tun, o du armseliger Mensch? 'Wie willst du deine große
Schuld bezahlen? Höre, was für einen Rat dir David in seinem Psalm (49,14) gibt:
„Opfere Gott ein Opfer des Lobes und bezahle dein Höchsten deine Gelübde."
Das allerhöchste Lobopfer, welches du Gott darbringen kannst, ist das hl. Meßopfer, wie im vorigen Kapitel erklärt worden. Deswegen kannst du deinem größten Wohltäter
keinen besseren Dienst erweisen, als daß du fleißig die hl. Messe mitfeierst und
sie deinem Gott zur Vergeltung seiner Wohltaten aufopferst. Denn so sagt der
hl. Irenäus: „Dieses göttliche Sakrifizium ist deswegen eingesetzt worden, damit
wir unserm Gott nicht undankbar seien." Als wollte er sagen: Wenn wir das hl. Meßopfer
nicht hätten, so hätten wir auf der Welt nichts, wodurch wir unserm Gott seine Wohltaten
nach Gebühr vergelten könnten. Nun aber hat uns unser Heiland deswegen die hl. Messe
eingesetzt, damit wir ein kräftiges Dankopfer zur Vergeltung der göttlichen Wohltaten
hätten.
7. Daß nun die hl. Messe wirklich ein Dankopfer ist, also zur Danksagung für empfangene
Wohltaten aufgeopfert wird, ergibt sich schon aus den Worten des Meßbuchs. Merke
dir doch, was für herzlichen Dank der Priester im Gloria dem lieben Gott ausspricht,
wo er sagt: „Wir loben dich, wir preisen dich, wir verherrlichen dich, wir sagen
dir Dank wegen deiner großen Herrlichkeit, dir, Herr und Gott, himmlischer König,
allmächtiger Gott und Vater." Bei der Präfation fordert der Priester das Volk zur
Danksagung auf mit den Worten: „Laßt uns Dank sagen dem Herrn, unserm Gott; denn
es ist wahrhaft billig und gerecht, würdig und heilsam, daß wir allezeit und allerorten
dir Dank sagen, o heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott, durch Christus
unsern Herrn" usw. In der Präfation ist so schön das Lob Gottes ausgesprochen, daß
die Kirche ein höheres kaum noch singen kann.
8. Wenn der Priester zur Wandlung kommt, so spricht er folgende Worte: „Er
nahm das Brot in seine heiligen und ehrwürdigen Hände, erhob seine Augen zum Himmel
zu dir, Gott, seinem allmächtigen Vater, und sagte Dank." O wohl eine wunderbare
Erhebung der Augen meines geliebten Jesus, eine kräftige Danksagung, die allen Dank
der Engel übersteigt und alle menschliche Danksagung in ihren Mängeln ersetzt! Denn
weil wir unserm Gott nicht genugsam danken können, darum hat Christus damals beim
letzten Abendmahl ein vollgültiges Dankopfer eingesetzt. Was er beim letzten Abendmahl
getan hat, das tut er noch alle Tage an allen Altären: da hebt er seine milden
Augen empor zu seinem himmlischen Vater und sagt ihm für alle uns erwiesenen Wohltaten
herzlichen Dank. Da nun diese Danksagung von einer göttlichen Person ausgeht,
so kann sie nicht anders als unendlich sein; da sie unendlich ist, so kann Gott
keine größere mehr verlangen; da er keine größere verlangen kann, so muß sie ihm
zum höchsten gefallen.
9. Wenn du also bei der hl. Messe bist, so vereinige dein Herz und deinen Willen
mit dem Herzen und Willen Christi und danke deinem Gott aus allen Kräften. Auf daß
aber deine Danksagung desto kräftiger sei, so opfere Gott dem Vater jenen Dank auf,
den ihm sein unter den Gestalten von Brot und Wein verborgener Sohn leistet, um
an deiner Statt für alle dir erwiesenen Wohltaten überfließenden Dank abzustatten.
10.
Hieraus folgt: Wenn du auch von Anfang deines Lebens an bis auf diese Stunde
auf den Knien liegend deinem Gott für die empfangenen Gnaden und Wohltaten gedankt
hättest, so hättest du dennoch mit all diesen herzlichen Danksagungen nicht so viel
ausgerichtet, als wenn du eine einzige hl. Messe andächtig hörst und dabei Gott
deinen Dank aussprichst. Wenn du zur Vermehrung deiner Dankbarkeit alle frommen Menschen eingeladen und gebeten hättest, sie möchten zugleich mit
dir Gott danken, und wenn diese allesamt mit dir all dein Lebtag allen nur möglichen
Dank geleistet hätten, so wäre das doch nicht viel so viel, wie Gott aus einer einzigen
hl. Messe empfängt. Ja, wenn du auch das ganze Heer des Himmels angerufen und die
Engel zugleich mit dir und allen frommen Leuten unaufhörlich mit Engelsandacht Gott
gepriesen und gedankt hätten, so würden sie ihm dennoch nicht so große Dankbarkeit
erwiesen haben, wie ihm von seinem Sohn in einer einzigen hl. Messe erwiesen wird.
11.
Ohne Zweifel verwunderst du dich darüber und verlangst den Grund davon zu wissen;
den will ich dir also mit wenigen Worten darlegen. Die Weltweisen sagen in einem
Sprichwort: „Das Endliche steht zum Unendlichen in gar keinem Verhältnis",
sondern das Unendliche übertrifft das Endliche in unendlichem Maß. Nun sind alle
Danksagungen aller himmlischen und irdischen Geschöpfe doch nur endlich, haben endliche
Kraft und endlichen Wert. Der Dank aber des Sohnes Gottes, den er bei der
hl. Messe seinem Vater leistet, ist unendlich, hat unendliche Kraft und unendlichen
Wert. Diese unendliche Danksagung leistet Christus auf dem Altar auch für dich ganz
besonders, wenn du die hl. Messe mitfeierst, und schenkt sie dir zum Eigentum; die
kannst du nun Gott als deine eigene Danksagung Gott aufopfern, wahrhaft unendlichen
Dank.
12. O Gott, wenn wir recht erkennen könnten, welch großen Schatz wir in der hl.
Messe haben, wie glücklich würden wir sein, wie selig würden wir uns schätzen, wie
eifrig würden wir die hl. Messe hören! Ich muß hier mit dem hl. Paulus allen Menschen
zurufen: „Ich danke meinem Gott allezeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch
in Jesus Christus gegeben ist, daß ihr in allem durch ihn reich geworden seid, so
daß es euch an keiner Gnade mangelt" (1 Kor 1,4f.). Durch die hl. Messe sind wir
in vollster Wahrheit reich geworden in Christus, so sehr, daß es uns an gar keiner
Gnade mangelt, denn wir können ja alle Gnaden in Überfluß schöpfen aus der hl.
Messe, in der größere Schätze der himmlischen Reichtümer verborgen liegen, als die
ganze Welt fassen kann. Das kannst du aus diesem einen Gedanken erkennen, daß
alle Danksagungen, die du durch dein Gebet und deine guten Werke Gott leisten kannst,
in Erwägung seiner unendlichen Majestät nicht höher zu schätzen sind, als wenn du
einem zehntausend Pfund Gold schuldig wärst und ihm nicht mehr als zehn Heller zur
Bezahlung brächtest. Wenn du aber nur eine andächtige Messe mitfeierst und den göttlichen
Dank, den der Sohn Gottes dem Vater durch den Hl. Geist bringt, der heiligsten Dreifaltigkeit
aufopferst, so lobst du deinen Gott mehr und sagst ihm größeren Dank, als ihm alle
Bewohner des Himmels und der Erde sagen und leisten können. Denn diese, wie gesagt
worden, geben an sich nur einen engelhaften und menschlichen Dank, du aber einen
göttlichen und unschätzbaren. Wirklich: durch die hl. Messe „sind wir in allem reich
geworden in Christus Jesus, so daß es uns an keiner Gnade mangelt."
13. Denn in der hl. Messe haben wir das höchste Brandopfer, das höchste Lobopfer,
das höchste Dankopfer, das höchste Bittopfer, das höchste Versöhnungs- opfer, das
höchste Genugtuungsopfer und das höchste Opfer des Heiles der ganzen Christenheit.
Die hl. Messe ist auch der größte Nutzen der Gläubigen, die herzlichste Freude der Andächtigen, die heilsamste Buße der Sünder, der kräftigste
Trost der Sterbenden und die sicherste Erlösung der Verstorbenen. Dieses und noch
viel anderes haben wir an der Messe, und in all diesen Meinungen kann man sie aufopfern
und mit jeder Messe all diese Früchte und Wirkungen erreichen. So kann ich ja in
Wahrheit sagen, daß wir durch die Messe „in allem reich geworden sind in Christus
Jesus, so sehr, daß uns nichts mangelt an irgendeiner Gnade."
14. Hier muß ich zum Schluß beifügen, was Pater Segneri sagt: „Bedenke bei
dir, o frommer Christ, wie viel wir unserm Heiland wegen der Einsetzung der hl.
Messe schuldig sind, denn ohne sie müßten wir unserem Gott für die erteilten Wohltaten
undankbar bleiben." Das war doch eine übergroße Liebe zu uns, daß er uns nicht allein
unzählbare Wohltaten erwiesen, sondern auch das beste Mittel an die Hand gegeben
hat, solche große Wohltaten entsprechend zu vergelten.
15. Diese schönen Worte des geistreichen Mannes sollen wir wohl bedenken und uns
zunutze machen. Denn sie zeigen klar, was für eine große Wohltat Christus uns erwiesen
hat, indem er die hl. Messe auch als Dankopfer einsetzte.
Gebet.
So sei dir denn, o göttlicher Heiland, von
mir und allen Geschöpfen unendlich gedankt, weil du uns die hl. Messe aus lauter
Liebe eingesetzt und dadurch unzählbare Gnaden und Wohltaten erwiesen hast. Zu würdigster
Vergeltung derselben opfere ich dir und durch dich der hochhl. Dreifaltigkeit allen
Dank, der dir in allen hl. Messen schon erwiesen worden und bis ans Ende der Welt
wird erwiesen werden. Ich bitte auch alle Chöre der Engel und alle Scharen der Heiligen,
daß sie zugleich mit uns dir danken und dich in alle Ewigkeit loben, preisen und
benedeien mögen. Amen.
Inhaltsverzeichnis
14. Kap. - Die hl. Messe ist das kräftigste Bittopfer.
1. Im Gesetz des Moses hatte Gott den Juden nicht allein Brandopfer als Zeichen
der höchsten Anbetung, sondern auch Friedopfer zur Erlangung zeitlicher Güter und
zur Abwendung schädlicher übel angeordnet. Diese Fried- oder Bittopfer standen
bei den Juden in hohem Wert; sie erwarben durch dieselben vieles Gute und wendeten
vieles Schlimme von sich ab. Im 1. Buch der Könige lesen wir (Kap.
7), als die Philister die Kinder Israels überfallen wollten, da riefen diese zu
Samuel, daß er für sie bei Gott bitten wolle. Er opferte für sie ein Lamm
und rief Gott um Hilfe an. Da schickte Gott einen Schrecken über die Philister,
und sie wurden von den Israeliten in die Flucht geschlagen. Ebenso lesen wir (2
Kg 24), als Gott das Volk mit der Pest schlug, da opferte David ein Friedopfer
und wandte die Pest von dem Volk ab. Solche Beispiele findet man viele in der
Hl. Schrift.
2. Hat nun Gott dem hartnäckigen Judenvolk ein so kräftiges Bittopfer gegeben,
wie viel mehr wird er dann seiner lieben Christenheit ein kräftiges Bittopfer verordnet
haben, durch das sie so viele leibliche und geistige Güter von Gott erbitten und
alle schädlichen übel von sich abwenden könne. Wenn ein Lämmlein als Friedopfer
den Opfernden so viele Gnaden erworben hat, was für Kraft wird denn das unschuldige
Lamm Gottes haben, wenn es für uns auf dem Altar geschlachtet und von uns mit
dem ganzen Schatz seiner Verdienste dem himmlischen Vater aufgeopfert wird!
3. Die Kirche ist viel glücklicher als die Synagoge, denn diese konnte
ein Schlachtopfer nicht zu mehreren, sondern nur zu einem Zweck aufopfern. Ihr Brandopfer
diente allein der Anerkennung der höchsten Herrschaft Gottes, ihr Sühnopfer nur
zur Verzeihung der Sünden und ihr Bittopfer nur zum Erflehen von Wohltaten. Weil
ferner ein jedes auf besondere Weise dargebracht werden mußte, so konnte keins in
zweierlei Meinung geopfert werden. Die hl. Kirche kann, trotzdem sie nur
das eine Opfer hat, dasselbe in den verschiedensten Meinungen aufopfern und durch
eine einzige hl. Messe mehr erwirken als das Judentum mit all seinen Brand-, Sühn-
und Bittopfern.
4. Daß man die hl. Messe in verschiedenen Meinungen aufopfern kann, lehrt uns die
Kirche im Konzil von Trient (Sitzung 22, Kan. 3): „Wenn jemand sagt, die
hl. Messe sei nur ein Opfer des Lobes und des Dankes oder nur eine bloße Erinnerung
an das am Kreuz vollbrachte Opfer, nicht aber auch ein Sühnopfer, oder es
nütze einzig dem Opfernden und dürfe nicht für Lebende und Verstorbene, für die
Sünden und Strafen, zur Genugtuung und für andere Not aufgeopfert werden, der sei
im Bann."
Diese Worte sind ein Artikel des Glaubens, dem wir bei Verlust der Seligkeit zustimmen
müssen. So ist es denn gewiß, daß eine einzige Messe in vielfacher Meinung gelesen
werden kann und durch eine einzige Messe viele Dinge von Gott erbetet und erlangt
werden. Ich kann eine hl. Messe feiern, mitfeiern oder feiern lassen zur größeren
Ehre Gottes, zu größerer Freude der Muttergottes, zu Ehren der Engel und Heiligen,
zu meiner eigenen Wohlfahrt, zur Erlangung oder Erhaltung meiner Gesundheit, zur
Bewahrung vor Unglück, zur Verzeihung meiner Sünden, zur Besserung meines Lebens,
zur Erlangung eines seligen Todes. Um dies alles kann ich auch für meine Freunde
und sogar für meine Feinde, ja für alle Gläubigen bitten, und ich kann auch ebendieselbe
hl. Messe zur Erlösung aller armen Seelen mitfeiern oder feiern lassen. Ja, je mehr
Meinungen du machst, um so mehr verdienst du, wie zu Ende dieses Buches noch erklärt
werden soll.
5. Wie kräftig nun dieses Bittopfer sei, das lehren uns die Gottesgelehrten, von
denen einer folgendes sagt: „Dieses Sakrifizium hat eine unendliche Kraft, etwas
zu erbitten, wegen des unendlichen Wertes der Opfergabe und wegen der unendlichen
Würdigkeit des eigentlichen Opferpriesters, so sehr, daß keine Gnade oder Gabe so
groß ist, daß sie nicht durch Darbringung dieses Opfers erbeten werden könnte. Auch
die Zahl der Personen kann nie so groß sein, daß dies Opfer nicht für alle ausreichte,
wenn Sie es für sich aufopfern oder von anderen opfern lassen." Der Grund davon
ist: „weil Christus, der eigentliche Opfernde, Gott unendlich angenehm ist; weil
ferner seine Verdienste, die Gott dem Vater geopfert werden, unendlich sind, und
weil seine Leiden, sein Blut und seine Wunden unendlich viel wert sind."
6. Diese klaren Worte zeigen uns, woher doch die große Kraft der hl. Messe kommt:
ganz und gar aus der Größe der Person Christi. Er opfert dem Vater bei jeder hl.
Messe viel mehr, als er von ihm begehrt; wie könnte ihm da der Vater seine Bitte
abschlagen? Damit stimmt auch der hl. Laurentius Justiniani überein, denn
er sagt gar schön: „Kein Opfer ist größer, keins nützlicher, keins den Augen
der göttlichen Majestät angenehmer als das Opfer der hl. Messe, in der unseres
Mittlers empfangene Wunden, zugefügte Schmach, erlittene Geißeln usw. gleichsam
ans Licht gebracht und dem Vater aufgeopfert werden. Ihm wird auch die angenommene
Menschheit seines Sohnes aufgeopfert, damit er anerkenne, den er gezeugt und in
die Welt gesandt, auf daß durch seine Fürbitte den Sündern Verzeihung, den Gefallenen
Hilfe, den Gerechten das Leben gegeben werde." Wenn also der Priester und das Volk,
das die Messe mitfeiert, dem himmlischen Vater das Leiden, das Sterben, die Wunden
und die Verdienste Christi vor Augen stellen und aufopfern, so werden ja diese vortreffliche
Gaben und Geschenke gar leicht die Erfüllung einer bescheidenen Bitte erwirken.
7. Im alten Gesetz befahl Gott den Richtern, daß sie keine Geschenke annehmen sollten:
„Du sollst nicht auf die Person sehen und kein Geschenk annehmen, denn die Geschenke
verblenden die Augen der Weisen und verändern die Worte der Gerechten" (Dt 16,9).
Mit vollem Recht hat Gott den Richtern die Annahme von Gaben verboten, denn es gibt
kein so hartes und festes Herz, das nicht durch Gaben erweicht und zur Gunst für
den Gebenden geneigt gemacht wird. Wer will dann vermeinen, daß Gott uns nicht geneigt
werde, wenn wir ihm in der hl. Messe einen so teuren Schatz verehren? Wie soll es
denn möglich sein, daß er die edle Gabe, nämlich seinen geliebten Sohn, nicht mit
Freuden annähme und seinetwegen die Strenge seines Urteils wesentlich mildert? Ich
darf natürlich nicht sagen, daß durch diese Gabe die Augen des allerweisesten Gottes
verblendet würden, wie die Hl. Schrift von den Augen der Menschen sagt. Wohl aber
behaupte ich, daß Gott um der hl. Messe willen sein gerechtes Urteil mildert. Die
göttliche Gerechtigkeit muß sich ja gleichsam durch diese Gabe für befriedigt erklären
und der göttlichen Barmherzigkeit den Weg freilassen, ja förmlich unsere Bittschrift
an die letztere mit unterschreiben.
8. Ein frommer Schriftsteller sagt deshalb: „In der hl. Messe bitten wir um die
göttlichen
Wohltaten nicht allein unter Anrufung der Barmherzigkeit Gottes, sondern opfern
auch den Preis der Verdienste des Leidens Christi,"und auf solche Weise kaufen wir
gleichsam die begehrten Gaben von Gott. Bedenke doch, was für kostbare Gaben
wir in der hl. Messe opfern und wie teuer wir die erbetenen Wohltaten von Gott
einkaufen! Wir opfern ihm die edle Menschheit Christi, die zu größerer Ehre Gottes
gegeißelt, mit Dornen gekrönt und gekreuzigt wurde.
Wir opfern ihm dieselbe Menschheit, die mit der Gottheit zu einer Person vereinigt
und durch diese Vereinigung aufs höchste geadelt worden ist. Wir
opfern ihm auch die Wunden, die Tränen und das kostbare Blut, die diese edle heilige
Menschheit erlitten und vergossen hat.
9. Wenn man es genau sagen will, so muß man bekennen, daß wir bei Aufopferung
der hl. Messe sogar viel mehr geben, als wir durch unser Gebet begehren. Darum ist
nicht einzusehen, warum unsere vernünftige Bitte von Gott abgeschlagen werden könnte.
Soll denn der freigebige Gott, der versprochen hat, auch einen Trunk kalten Wassers
reichlich zu vergelten, uns unbelohnt lassen, da wir ihm den Kelch des Blutes seines
Sohnes, welches bei der hl. Messe von neuem vergossen wird, andächtig aufopfern?
10. Christus hat nach dem letzten Abendmahl gesagt: „Wahrlich, wahrlich, sage
ich euch, wenn ihr den Vater um etwas in meinem Namen bitten werdet, so wird er
es euch geben" (Jo 16,23).
Wann können wir aber den Vater im Namen des Sohnes besser bitten als bei der hl. Messe,
in der wir ihn persönlich
dem Vater vorstellen und ihn zugleich mit allen Gebeten, die er auf Erden gesprochen,
dem Vater aufopfern?
Der hl. Bonaventura sagt: „Wenn ein Herzog gefangen genommen wird, so
wird er nicht eher entlassen, als bis er sich mit einer großen Summe loskauft; also
sollen auch wir Christus, den wir in der hl. Messe als ‘Gefangenen’ haben, nicht
eher freigeben, als bis er uns unsere Sünden verzeiht und den Himmel verspricht.
Deswegen hebt der Priester Christus am Altar in die Höhe und ruft gleichsam allem
Volk zu: Seht, jenen, den die Welt nicht fassen kann, ist unser Gefangener; so werden
wir ihn denn nicht eher loslassen, bis wir erhalten, was wir begehren." Das ist
gewiß ein guter Rat, dem jeder folgen sollte, mit dem Patriarchen Jakob sprechend:
„Ich entlasse dich nicht, ehe du mich gesegnet hast" (Gen 32,36).
11. O wie vielen bedrängten Herzen mag durch die hl. Messe wohl schon geholfen sein!
Wie viele sind vor Verzweiflung bewahrt, zu einem besseren Leben bekehrt und aus
dem Schlund der Hölle errettet! Denn es muß ja wahr sein, was der geistliche
Molina schreibt: „Durch die so angenehme und reiche Aufopferung der hl. Messe
kann ein jeder Mensch alles, was er zu seinem Heil begehrt, von Gott, von Maria,
von allen Heiligen erhalten. Denn durch nichts anderes wird er erwerben können,
was ihm nach Aufopferung des Meßopfers versagt wird." Die Wahrheit dieses Spruches
ist ja in diesem Kapitel zur Genüge bewiesen worden. Denn bei der Messe bittet
der Mensch nicht allein, sondern der Priester, die Engel und Christus selbst beten
mit ihm und für ihn. Und sie bitten nicht bloß, sondern bringen Gott eine Gabe,
die so viel wert ist wie Gott selber. Wenn ihm denn bei solcher guten Gelegenheit
seine Bitte abgeschlagen wird, wann und wo wird sie ihm dann bewilligt werden? Darum
bleibt es wahr, daß der Mensch durch nichts anderes erwerben kann, was ihm nach
Aufopferung des Meßopfers versagt bleibt.
12. Hier möchtest du vielleicht fragen: Wenn denn nun die hl. Messe ein so teures
Opfer ist, wie kommt es denn, daß Gott trotzdem jene, die ihm diese aufopfern,
nicht allzeit erhört?
Diese Frage beantwortet Pater Gobat: „Wenn wir auch durch die hl. Messe viel
leichter als durch jedes andere Gebet den lieben Gott erbitten können, so hängt
doch die Wirkung der hl. Messe auch noch von einigen Bedingungen ab, die keineswegs
immer erfüllt werden." Kardinal Bona fügt hinzu, daß der Gebende seine Freiheit
behalten muß, so daß er nach seinem Gefallen geben oder abschlagen kann. Wir können
ihn durch unsere Bitten zwar zum Geben bewegen, aber nicht zwingen. Gleichwohl sei
es gewiß, daß auch eine solche Messe ihrer Wirkung nicht beraubt werde. Denn wenn
wir auch nicht genau dasjenige erhalten, was wir begehren, so erwerben wir unfehlbar
etwas anderes, was uns förderlich ist. Wenn wir es auch nicht sofort bekommen, so
doch zu gelegener Zeit, die von Gott bestimmt ist. Manche Gnaden sind auch so groß,
daß wir sie nicht durch eine oder die andere, sondern
durch mehrere und andächtigere Messen erhalten.
13. Dies kannst du aus der Antwort Christi entnehmen, die er einst der hl. Gertrud
gab, da sie zu ihm gesprochen hatte: „Woher kommt es doch, daß mein Gebet
so oft gar nichts erreicht?" Da sagte er: „Wenn ich, die unerforschliche Weisheit, bisweilen dein Gebet nicht deinem Wunsch entsprechend anhöre, so verordne ich
jedesmal Nützlicheres dafür, wenn auch du, durch die menschliche Schwachheit behindert,
das Bessere nicht unterscheiden kannst." Als wollte er sagen: Weil du nicht weißt,
was dir oder einem anderen nützlicher ist, deswegen gebe ich dir nicht allezeit,
was du begehrst, sondern das, was in meiner göttlichen Weisheit als dir oder denen,
für die du bittest, nützlicher erkenne. Ein andermal fragte sie Christus:
„Was nützt es meinen Freunden, daß ich so viel für sie bete, da ich doch keine Besserung
bei ihnen verspüre?" Da sagte er: „Wundere dich nicht, daß du keine handgreifliche
Frucht deines Gebetes siehst; ich ordne dieselben nach meiner ewigen Weisheit zu
bestem Erfolg. Doch sage ich dir: je öfter für einen gebetet wird, desto seliger
wird er, denn kein treues Gebet wird ohne Frucht bleiben, wenn auch die Art der
Erhörung den Leuten verborgen ist."
14. Mit dieser Antwort kann sich ein jeder begnügen und trösten: denn Christus
versichert uns, daß kein andächtiges Gebet ohne Frucht und Belohnung bleibt. Wie
viel weniger wird dann eine hl. Messe ohne Frucht bleiben, da sie ja das beste Gebet
der Welt ist. Merke aber wohl, daß Christus gesagt hat: „Kein treues Gebet wird
ohne Erhörung bleiben." Das „treue" Gebet besteht hauptsächlich darin, daß man mit
Vertrauen und ganzem Eifer betet. Wer aber ohne Vertrauen betet, wird wenig oder
nichts erhalten, wie aus folgendem Beispiel zu ersehen ist.
15. Im Leben des hl. Abtes Severin berichten Surius, daß einst um das Schloß
Corull eine ungeheure Menge Heuschrecken niederfiel, die sehr großen Schaden
an Früchten und Bäumen anrichteten. Da nahm alles Volk seine Zuflucht zu dem Heiligen,
er möge ihnen in so großer Not durch sein Gebet zu Hilfe kommen. Der mitleidige
Abt rief alle zur Kirche, ermahnte sie in einer nachdrücklichen Predigt zur Buße
und zum Gebet und sagte am Schluß der Predigt: "Weil ich kein besseres Gebet
kenne als das Opfer der hl. Messe, so will ich dieselbe jetzt zur Abwendung des
gegenwärtigen Übels lesen und ermahne euch, dieselbe zugleich mit mir in dieser
Meinung aufzuopfern und ein festes Vertrauen darauf zu setzen. Das bedrängte
Volk kam dieser Ermahnung willig nach, nur einer sprach: „Fürwahr, eure Hoffnung
ist eitel und nichtig; denn wenn ihr schon alle Messen hören und den ganzen Tag
im Gebet verharren würdet, so würdet ihr gleichwohl nicht eine einzige Heuschrecke
wegtreiben." Nach diesen Worten begab er sich nach Hause an seine Arbeit.
Alle anderen aber blieben in der Kirche, hörten die Messe mit Andacht und riefen
Gott eifrig um Vertreibung der Heuschrecken an. Sodann gingen sie hinaus auf ihre
Äcker, um zu sehen, was sie mit ihrem Meßhören erwirkt hatten. Da sahen sie zu ihrer
großen Verwunderung, wie die Heuschrecken auf einmal davonflogen. Sie freuten sich
herzlich darüber und dankten dem gütigen Gott. Auch der kleingläubige Bauer, der
der Messe nicht beigewohnt, war zugegen und traute seinen Augen kaum, als er die
Heuschrecken in die Luft fliegen sah. Damit er aber die Sünde seines Mißtrauens
erkenne und die gebührende Strafe erhielte, so wandte sich das ganze Heer der
Heuschrecken, das schon weit weg war, auf einmal um und ließ sich auf seinem Acker
nieder. Da rief er Gott weinend an, aber er blieb ohne Hilfe und Trost. Die
Heuschrecken zogen nicht eher ab, bis sie alle Früchte seines Ackers verzehrt hatten.
16. Aus dieser Geschichte läßt sich deutlich die Kraft des Meßopfers und die Strafe
des Verächters desselben erkennen. Wir sollten aber nicht diesem kleingläubigen
Bürger, sondern dem andächtigen Volk folgen und großes Vertrauen auf die Kraft der
hl. Messe setzen. Höre, wie der hl. Paulus so treulich mahnt: „Darum laßt uns
mit Vertrauen zum Gnadenthron hingehen, damit wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade
finden, wenn wir Hilfe nötig haben" (Hebr 4,16). Wo ist aber der Gnadenthron,
zu dem Paulus uns einlädt? Es ist nicht der Himmel, denn dahin können wir nicht
emporsteigen. Es ist auch nicht der Gnadenthron auf der Bundeslade des Alten Bundes,
denn dieser war nur ein Vorbild unseres Gnadenthrones. Es ist vielmehr der heilige
Altar, darauf das Lamm Gottes geschlachtet wird und sein Leben für uns hingibt,
auf daß es uns Gnade und Barmherzigkeit verschaffe. Zu diesem Gnadenthron sollen
wir täglich hinzutreten und da in unseren Nöten Hilfe suchen. Wir sollen aber mit
Andacht, mit Ehrerbietung und mit Vertrauen hinzutreten, denn er ist der Thron der
Gnade, nicht der Rache; er ist der Thron der Barmherzigkeit,
nicht der Gerechtigkeit; er ist der Thron, wo wir Hilfe, nicht Verstoßung finden.
Zu diesem Gnadenthron, so erzählt der hl. Augustinus, ist auch die hl. Monika
alle Tage geeilt und hat dadurch die Bekehrung ihres Sohnes erreicht - für ihre
Beharrlichkeit hat sich der barmherzige Gott ihr gleichsam zum Schuldner gemacht
und seine Versprechungen an ihr in herrlichstem Maß erfüllt (Bekenntnisse V. 9).
Sie ahme nach, und hast du etwas zu begehren, so sprich mit ganzem Ernst:
Gebet. Siehe, o Vater der Barmherzigkeit, ich trete in dieser hl.
Messe mit Vertrauen hin zu deinem Gnadenthron, damit ich für meine Sünden Barmherzigkeit
und in meiner Armseligkeit Hilfe finde. Ich setze mein größtes Vertrauen auf das
hochheilige Opfer und hoffe fest, durch Aufopferung der hl. Messe alles zu erhalten.
Denn hier opfert der unendlich große, höchste Priester; unendlich ist in ihrem
Wert die dargebrachte Opfergabe, die ganze Kraft der hl. Messe ist unendlich.
O Herr, laß dich durch diese dreifache Unendlichkeit doch gleichsam zwingen, die
begehrte Wohltat mir zu erweisen, wenn sie nicht etwa gegen deine Ehre und gegen
mein Seelenheil ist. Deswegen bitte ich mit größtem Vertrauen, durch das unendliche
Wohlgefallen, das du an dem heiligsten Meßopfer hast, du wollest mir zu deiner größeren
Ehre die begehrte Gnade erteilen und mein Vertrauen zu der gnadenreichen hl. Messe
vermehren. Amen.
Inhaltsverzeichnis
15. Kap. - Die hl. Messe ist
das heiligste Versöhnungsopfer
1.
Daß die armselige, menschliche Natur, die so oft in Sünden fällt, ein Versöhnungsopfer
nötig hat, sagt uns schon die bloße Vernunft, und die Väter haben dieses schon vor
dem Gesetz des Moses erkannt. Denn vom frommen Job, der noch unter dem Naturgesetz
lebte, lesen wir, wie seine Söhne und Töchter in voller Einmütigkeit ihre Festtage
zusammen feierten. „Und wenn die Tage des Gastmahls vorüber waren, sandte Job zu
ihnen und heiligte sie und machte sich des Morgens früh auf und opferte Brandopfer
für einen jeden, denn er sprach: Es möchten vielleicht meine Söhne gesündigt und
Gott verlassen haben in ihren Herzen" ( Job 1,5). Daraus erhellt, daß die alten Patriarchen aus Eingebung der Vernunft dem allmächtigen
Gott Sühnopfer dargebracht und ihn um Verzeihung gebeten haben. In dem Gesetz des
Moses hatte Gott selbst ein Versöhnungsopfer eingesetzt, denn es beißt, wenn eine
Seele sündigt, so soll der Priester ein Lamm oder ein Böcklein opfern, und der Priester
soll für den Sünder beten, und so wird ihm verziehen werden (Lev 5).
2. Wenn nun das Alte Gesetz, welches doch nur ein Schatten des Neuen Bundes
war, zum größten Trost und Heil der Juden ein Sühnopfer hatte, so geziemte es sich, daß auch die Kirche oder das christliche Volk ein solches habe, und zwar ein um
so vortrefflicheres, je mehr der Neue Bund über den alten erhaben ist. Das eigentliche
Sühnopfer des Neuen Bundes ist das Kreuzesopfer, in dessen Kraft alle Sünden
getilgt werden können. Weil aber die Sünden täglich geschehen, so geziemt es sich,
daß noch ein Opfer da wäre, das zur Sühne für unsere täglichen Sünden täglich geopfert
würde. Davon sagt die Kirche auf dem Konzil von Trient: Christus habe den
Aposteln und ihren Nachfolgern im Priestertum das, was er beim letzten Abendmahl
getan, zu seinem Andenken zu tun befohlen und dadurch die hl. Messe eingesetzt,
„damit er seiner Kirche ein sichtbares Opfer hinterließe, durch das sein blutiges
Kreuzesopfer wieder dargestellt und dessen heilsame Kraft uns zugeeignet würde zur
Vergebung der Sünden, die wir täglich begehen" (Sitzung
22, Kap. 1). Diese Worte sind ein Glaubensartikel, dem niemand widersprechen
darf; sie zeigen uns ganz klar, daß die hl. Messe ein Versöhnungsopfer ist, weil
sie ja von Christus zu dem Zweck eingesetzt wurde, „daß seine Kirche ein Opfer habe,
zum Nachlaß der täglichen Sünden." O, glückselig die katholische Kirche, die ein
solches Sühnopfer hat:
3. Daß nun die hl. Messe ein wahres Versöhnungsopfer ist und zur Vergebung
der Sünden gelesen wird, zeigt klar der Priester, da er zu Anfang derselben tief
gebeugt das Confiteor - das allgemeine Sündenbekenntnis betet und dabei dreimal
an seine Brust schlägt. Nachdem auch der Meßdiener im Namen aller Anwesenden dies
getan, spricht der Priester über das Volk: „Es erbarme sich euer der allmächtige
Gott, er lasse euch eure Sünden nach und führe euch zum ewigen Leben." Danach bezeichnet
er sich mit dem hl. Kreuz und spricht: „Die Nachlaß, Vergebung und Verzeihung unserer
Sünden verleihe uns der allmächtige und barmherzige Gott. Amen." Bald darauf ruft
er im Kyrie laut die Barmherzigkeit Gottes an, indem er je dreimal sagt:
„Herr, erbarme dich unser!" „Christus, erbarme dich unser!" „Herr, erbarme dich
unser!" Ist dies nicht ein demütiges und andächtiges Rufen, das zum Himmel empor
und in das Herz Gottes eindringen muß?
4. Der Priester spricht auch viele Orationen (Tagesgebete) und andere Gebete,
in denen er immer wieder um Verzeihung der Sünden bittet. Endlich spricht er auch
dreimal laut das Agnus Dei: „O du Lamm Gottes, das du hinweg nimmst die Sünden
der Welt, erbarme dich unser!" Das alles ist ja doch ein klarer Beweis, daß die
hl. Messe ein Versöhnungsopfer ist und zur Verzeihung der Sünden gelesen wird.
5. Hiervon schreibt Marchantius: „Gleichwie Christus in seinem Leiden die
Sünden der ganzen Welt auf sich genommen hat, um diese mit seinem Blut abzubüßen,
ebenso legen auch wir auf ihn wie auf ein Schlachtopfer unsere Sünden."
Um dieses anzudeuten, beugt sich der Priester zu Anfang der Messe an den Stufen des Altares gar tief und stellt sich im Geist der Demut dem himmlischen Vater
vor, gleichsam beladen mit den Sünden des ganzen Volkes, auf daß er das Herz Gottes
zur Barmherzigkeit bewegen möge, ähnlich wie Christus wegen der schweren Last der
Sünden, die ihm auferlegt waren, auf seinem Angesichte lag und unter blutigem Schweiß
seinen Vater von Herzen anrief. Also bittet der Priester für seine und aller Anwesenden
Sünden, für die der Genugtuungswert des Kreuzesopfers wieder erneuert und den Einzelnen
zugewendet wird.
6. Dieses sind gar schöne und tröstliche Worte, durch welche jeder arme Sünder
einen großen Trost und besonderen Eifer für die hl. Messe schöpfen kann. Denn er
vernimmt daraus, daß Christus seine Sünden auf sich nimmt und dieselben mit seinem
heiligen Blut abbüßt, wie er auch an des Sünders Stelle seinen Vater bittet und
den reichen Wert der Erlösung für ihn aufopfert, um dem Sünder Verzeihung zu erlangen.
Nun wollen wir vernehmen, was die hl. Väter von diesem Versöhnungsopfer sagen und
wie sie es erklären.
7. In der Liturgie des hl. Jakobus heißt es: „Wir opfern dir, o Herr, dieses
unblutige Sakrifizium auf für unsere Sünden und für des Volkes Unwissenheiten."
Hier wisse, daß wir Menschen viele Sünden begehen, die wir nie erkennen und beichten,
über die wir aber doch Rechenschaft geben müssen. Das lernen wir aus den Worten
des Psalmisten (24,7): „Der Sünden meiner Jugend und meiner Unachtsamkeiten gedenke
nicht." Und wiederum (18,13f.): „Aber die Sünden, wer merkt sie? Von meinen verborgenen
Sünden reinige mich und wegen der fremden schone deines Knechtes." Damit uns
also auch diese verborgenen Sünden vergeben werden, ist es gut, daß wir fleißig
die hl. Messe hören, von welcher der hl. Jakobus bezeugt, daß sie für die Unwissenheiten
des Volkes aufgeopfert wird.
8. Dieses schreibt auch Marchantius: „Das hl. Meßopfer dient vorzüglich für die
unbewußten Sünden und für diejenigen, deren wir uns nach fleißiger Erforschung nicht
erinnern. Die hl. Messe löscht die Sünden nicht aus, sondern erwirbt uns Reue, für
die bewußten im besonderen und für die unbewußten und vergessenen im allgemeinen."
Der hl. Gregor schreibt: „Die Gerechten fürchten sich nicht wegen ihrer bewußten
Sünden, weil sie diese gebeichtet und abgebüßt haben. Sie fürchten aber sehr
wegen ihrer unbewußten Sünden." Deswegen sagt der hl. Paulus: „Ich bin mir zwar
nichts bewußt, aber darum noch nicht gerechtfertigt, denn der mich richtet, ist
der Herr" (1 Kor 4,4), der schärfere Augen hat als ich. Da also wir armseligen Menschen
wegen dieser unbewußten Sünden genug in Angst sein müssen, so ist es sehr nützlich,
daß wir alle hl. Messen zur Nachlaß unserer Unwissenheiten dem Vater aufopfern.
Das will auch die Kirche andeuten, wenn sie den Priester in der Stillgebet des 5.
Sonntags nach Epiphanie beten läßt: „Wir opfern dir, o Herr, ein Schlachtopfer der
Versöhnung, damit du uns von unseren Sünden erbarmend lossprichst." Denn
diese unbewußten Sünden können wir nicht beichten; wir wollen sie also Gott bekennen
und bitten, daß er uns um der hl. Messe willen davon losspreche.
9. Vom Versöhnungsopfer schreibt der hl. Papst Alexander: „Durch Darbringung
dieses Opfers wird der Herr versöhnt und verzeiht auch große Sünden." Ich müßte
einen ganzen Bogen vollschreiben, wenn ich alle Aussprüche der hl. Väter beibringen
wollte, die dieser wahrhaft tröstlichen Gedanken enthalten. Ich will mich aber begnügen mit dem, was die Kirche auf dem Konzil von Trient über diesen Punkt sagt:
„Weil in diesem göttlichen Opfer, welches bei der hl. Messe vollbracht wird, derselbe
Christus enthalten ist und unblutigerweise geopfert wird, der am Altar des Kreuzes
einmal sich selbst blutigerweise dargebracht hat, lehrt die hl. Kirchenversammlung,
dieses Opfer ist wahrhaft ein Sühnopfer und es werde durch dasselbe bewirkt,
daß, wenn wir mit aufrichtigem Herzen und rechtem Glauben, mit Furcht und Ehrerbietung,
mit wahrer Reue zu Gott hintreten, wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden
in segensreicher Hilfe. Denn durch die Darbringung dieses Opfers versöhnt, gewährt
Gott das Gnadengeschenk der Reue und läßt Vergehen und Sünden nach, auch große"
(Sitzung 22, Kap. 2). Wie tröstlich und angenehm sind diese Worte! Wie viel Lob
und Dank sind wir Christus schuldig, daß er uns ein so kräftiges Opfer zur Versöhnung
des göttlichen Zornes gegeben hat!
10. Du möchtest aber fragen: „Was bedürfen wir eines Sühnopfers, da wir ja doch
nur durch wahre Reue und Buße den Zorn Gottes versöhnen können?" Ich antworte dir:
Das ist wahr, daß wir durch wahre Reue Gottes Zorn versöhnen können. Ich möchte
aber gern wissen, woher ein boshafter Sünder solche Reue bekommen mag! Aus sich
selbst - das ist so wenig möglich, wie daß ein Toter sich selbst auferwecken könnte.
Durch Anhörung einer Predigt oder Lesung hl. Bücher kann es wohl geschehen, daß
einer wahre Reue erweckt, aber nicht ohne besondere Gnade Gottes.
Diese Gnade ist der erzürnte Gott nicht verpflichtet zu geben; er wird sie auch
nicht so leicht geben, es sei denn, er würde dazu in besonderer Weise bewegt. Nun
gibt es aber nichts im Himmel und auf Erden, was ihn mehr dazu bewegen könnte als
das hl. Meßopfer. Davon spricht ein frommer Pater also: „Die hl. Messe ist für die
Anwesenden ein Versöhnungsopfer in der Weise, daß Gott ihnen Gnade verleiht, mit
deren Hilfe sie das verrichten können, was für sie zur Verzeihung ihrer Todsünden
notwendig ist. D.h. Gott gibt ihnen Gnade, um ihre Sünden zu erkennen, zu bereuen
und zu beichten."
11. Wie leicht man durch die Aufopferung der hl. Messe Verzeihung erlangen
kann, geht aus dem hervor, was Christus einst zur hl. Gertrud gesagt hat.
Als in der Karwoche die Antiphon gesungen ward: „Er ist geopfert worden, weil er
selbst wollte", da sprach Christus zu ihr: „Wenn du glaubst, daß ich am Kreuz dem
Vater aufgeopfert wurde, weil ich es so gewollt habe, so glaube auch unbezweifelt,
daß ich noch täglich mit derselben Liebe verlange, für einen jeden Sünder Gott dem
Vater aufgeopfert zu werden, mit der ich mich am Kreuz für das Heil der Welt aufgeopfert
habe. Deswegen kann ein jeder, von welch schwerer Last der Sünden er sich auch
bedrückt weiß, Verzeihung seiner Sünden erhoffen, wenn er meinem Vater mein unschuldiges
Leiden und meinen Tod aufopfert."
12. O wahrhaftig ein süßes und tröstliches Wort! Sollte man es denn glauben, daß die Liebe Christi so heiß wäre, daß er noch täglich dem Vater aufgeopfert zu
werden verlangt für jeden Sünder wie einst am Kreuz für die ganze Welt, so muß er
ja wirklich mit der größten Liebe verlangen, täglich in der hl. Messe von jedem
aufgeopfert zu werden. So erfülle denn diesen heißen Wunsch Christi, du armseliger
Sünder, und opfere täglich nicht nur einmal, sondern oftmals dem himmlischen
Vater das unschuldige Leiden und den bitteren Tod seines lieben Sohnes auf, und vertraue auf das Versprechen Christi, daß du die heilsamste
Frucht der Nachlaß erlangen wirst. Diese Aufopferung kann nicht allein in, sondern
auch außer der Messe, nicht allein mit dem Mund, sondern auch mit dem Gemüt geschehen.
Wenn die bloß geistige Aufopferung nun so wichtig und kräftig ist, o wie
wichtig und kräftig wird dann die wirkliche oder leibhaftige Aufopferung sein, welche
bei der hl. Messe geschieht.
Denn bei der hl. Messe opferst du Christus
nicht allein mit Worten oder geistiger Weise, sondern du opferst ihn durch die Hände
des Priesters wirklich und leiblicher Weise. Du opferst ja mit dem Priester, wie
dieser gleich nach der hl. Wandlung betet: “Daher opfern wir, Herr, wir deine Diener,
und dein heiliges Volk deiner erhabenen Majestät ein reines Schlachtopfer, ein heiliges
Schlachtopfer, ein makelloses Schlachtopfer..."
13. Nun muß ich noch hinzufügen, was Christus zur hl. Mechthild gesagt
hat:
„Ich komme mit solcher Sanftmut zur hl. Messe, daß kein noch so schwerer Sünder
gegenwärtig ist, den ich nicht geduldig ertrage und dem ich nicht, falls er es nur
begehrt, alle seine Sünden mit Freuden verzeihe." Diese wundersamen Worte zeigen
uns, welche ein mächtiges Versöhnungsopfer die hl. Messe ist, da sie auch Christus
selbst so sehr versöhnt, daß, wenn auch sein Feind zur Messe kommt, er ihn nicht
allein nicht hinaus stößt oder auch nur mit unfreundlichen Augen anblickt, sondern
ihm gleichsam mit ausgebreiteten Armen entgegengeht und ihn als lieben Freund zu
umfangen bereit ist, und wenn er nur einen einzigen Seufzer über seine Sünden ausstößt,
so will er ihm alsbald mit Freuden verzeihen.
14. Wie groß ist also die Kraft und wie mächtig die Wirkung der hl. Messe zur
Bekehrung der Sünder! O wie viele verstockte Sünder sind durch sie bekehrt und
vor dem ewigen Verderben bewahrt worden! Sind wir denn nicht unserm göttlichen Heiland
aufs höchste verpflichtet, daß er uns ein so heilsames und kostbares Sühnopfer gegeben
hat: Wie unglücklich waren, mit uns verglichen, die alten Juden, welche so teure
Sühnopfer hatten und dennoch mit solchen teuren Opfern nicht eine einzige Sünde
auslöschen konnten, wie Paulus sagt: „Es ist unmöglich, daß durch das Blut von Böcken
und Stieren Sünden hinweggenommen werden" (Hebr 10,4).
Wenn wir für eine jede Sünde ein Lamm oder ein Böcklein aufopfern müßten,
wo wollten wir genug Opfertiere hernehmen? Gewiß würden wir unsere Sünden ungebüßt
lassen und ohne Zweifel mit denselben in die Hölle gestürzt werden. Denn da wir
jetzt, wo wir ein so sehr kräftiges Opfer ohne große Kosten haben, es dennoch so
leichtsinnig versäumen und so nachlässig anhören, was würden wir denn getan haben,
wenn wir vor Christi Geburt gelebt hätten? Bedenke denn bei dir, o armer Sünder,
wie schlecht du gegen dich selbst handelst, daß du so manche Messe versäumst und
die Abbüßung deiner Sünden für jene Welt verschiebst. Bessere diesen Fehler
durch neuen Eifer und opfere deinem Gott die hl. Messe recht oft als Sühnopfer auf.
Inhaltsverzeichnis
1. Wie die hl. Messe die Verzeihung der Sünden erwirkt und verstockte Sünder
bekehrt.
15. Daß die hl. Messe wirklich ein Sühnopfer ist, kannst du aus den Worten des
hl. Thomas von Aquin
entnehmen, in denen er ausführt, daß uns
durch dieselbe die Früchte des Leidens Christi zugewendet werden, deren wir täglich
bedürfen wegen unserer täglichen Sünden (STh III, 83,2). Die Früchte des Leidens
Christi bestehen aber ganz besonders im Nachlaß der Sünden. An einer anderen Stelle
(III. 49,4) sagt derselbe Heilige, es sei die eigentliche Wirkung des Opfers, „daß
durch dasselbe Gott versöhnt wird, gleichwie der Mensch eine ihm zugefügte Beleidigung
nachläßt wegen eines angenehmen Dienstes, der ihm geleistet wird."
Wo aber
wird Gott ein größerer Dienst erwiesen, als durch die hl. Messe?
Soll der erzürnte Gott dadurch nicht wieder versöhnt werden? Dieser Lehre des Doctor
angelicus stimmen alle anderen Lehrer bei, und auch aus der Hl. Schrift läßt sie
sich beweisen. Denn als Esau
mit seinem Bruder Jakob sehr
zornig war, da dieser ihm den väterlichen Segen und das Recht der Erstgeburt genommen
hatte, fürchtete Jakob sehr, der erzürnte Esau würde sich an ihm rächen. Da sprach
er: „Ich will ihn mit Geschenken versöhnen, vielleicht, daß er mich in Gnaden aufnimmt"
(Gen 32,20). Er schickte ihm deswegen ganze Herden von seinem Besitz entgegen und
versöhnte dadurch den erzürnten Bruder. Wenn du also bei der hl. Messe dem erzürnten
himmlischen Vater die Tugenden und Verdienste, das Leiden und Sterben, die Wunden
und Schmerzen seines Sohnes aufopferst, so wirst du ihn viel schneller versöhnen
als Jakob den Esau, da diese genannten Gaben von unendlichem Wert sind und Gott
über alle Maßen gefallen. Deine begangenen Sünden schreien zwar um Rache,
das in der Messe vergossene Blut Christi aber schreit um Barmherzigkeit;
weil aber dieses Rufen allmächtig ist, so dringt es weiter als das Geschrei deiner
Sünden. Daher spricht auch der hl. Albertus Magnus: „Allen
Zorn und Unwillen
Gottes löschen wir durch diese kostbare Gabe aus."
16.
Daß die Kraft der hl. Messe die reuigen Sünder mit Gott versöhnt, daran zweifelt
niemand, aber nun ist die Frage, ob sie auch Sünder ohne Reue versöhne. D.h. wenn
einer im Stand der Ungnade oder in der Todsünde die hl. Messe hört oder für sich
lesen läßt, oder wenn du für einen solchen das tust, ob dieser durch die Kraft der
hl. Messe zum Stande der Gnade kommt und mit Gott versöhnt wird. Auf diese Frage
antworte ich mit Nein, denn das eigentliche Mittel zur Sündenvergebung ist die Beichte
[bzw. Taufe], und kein Sünder kann aus der Ungnade zur Gnade Gottes kommen als nur
durch wahre Reue und Buße.
17. Hier magst du nun wiederum fragen: „Was nützt es denn also dem Sünder, wenn
er ohne Reue die hl. Messe hört?" Antwort: „Sie nützt ihm sehr viel, sowohl an zeitlichen
wie geistlichen Dingen. An zeitlichen Dingen nützt sie ihm, weil Gott ihn dafür
vor Unglück bewahrt oder ihm irgendwelches Glück beschert. Die Ursache davon ist,
weil nach unserer katholischen Lehre Gott wegen seiner unendlichen Güte nicht das
geringste Gute unbelohnt läßt: wie viel mehr wird er dann eine hl. Messe belohnen!
Er würde gern einen ewigen Lohn dafür geben, wie es die hl. Messe verdient; aber
weil ein solcher Sünder der ewigen Belohnung nicht fähig ist, so wird sie ihm von
Gott aus lauter Güte zeitlicherweise belohnt, nämlich durch Gewährung eines Glücks
oder Bewahrung vor einem Unglück. Auf diese Weise nützt ihm also die hl. Messe viel
an zeitlichen Dingen.
18.
An geistlichen Dingen nützt sie ihm viel mehr. Denn nach der Lehre der Gottesgelehrten bewirkt die hl. Messe unmittelbar die zuvorkommende Gnade, durch deren Kraft
der Sünder zur Erkenntnis und Verabscheuung seiner Todsünden kommen kann. Wenn er
dieser Gnade folgt, so verschafft ihm die hl. Messe auch noch weiter die Gnade einer
wahren Reue und guten Beicht. Aber freilich: die hl. Messe und die durch sie erlangte
Gnade zwingt den Menschen nicht, sondern läßt ihm seinen freien Willen. Wenn
also der Sünder in der Sünde verharren und weitermachen will, so bietet ihm zwar
Gott wegen der gehörten Messe seine Gnade und Hilfe an, was er ohne die Messe
nicht so getan hätte; der Sünder jedoch will die Gnade nicht, sondern stößt und
wirft sie von sich. Das hebt aber den Wert der hl. Messe als Versöhnungsopfer nicht
auf.
19. Es ist jedoch nicht nötig, daß die Wirkung des Meßopfer gleich erscheine,
oder daß sich der Sünder sofort bekehre, sondern das kann auch zu gelegener Zeit
geschehen. Denn wir wissen ja, daß, obwohl Christus am Kreuz für die Sünder gebetet
und sein bitteres Leiden und Sterben für sie aufgeopfert hat, dennoch von so vielen
Tausend gar wenige bekehrt worden sind, die reumütig an die Brust schlugen und voll
Glauben sprachen: „Wahrhaftig, dieser war der Sohn Gottes." Die anderen blieben
verstockt und haben die angebotene Hilfe und Gnade Gottes ausgeschlagen. Am hl.
Pfingsttag aber, als ihre harten Herzen durch die Predigt des hl. Petrus erweicht
und zur Annahme der Gnade Gottes befähigt waren, da erst brachte das Gebet und das
Kreuzesopfer Christi seine Wirkung hervor, indem sich dreitausend
Menschen auf einmal bekehrten.
20. Ebenso bekehrt auch die hl. Messe die Sünder nicht immer sofort, sondern auch
später zu gelegener Zeit, wenn nämlich die Verstocktheit vorüber und das Herz des
Sünders zur Aufnahme der Gnade fähiger geworden ist. Davon spricht Marchantius
in folgenden Worten: „Die hl. Messe löscht die Sünden nicht aus, sondern
erwirbt uns Reue oder Beweggründe zu wahrer Reue. Diese Reue wird manchmal zur
Zeit der Messe eingegossen, die für einen gelesen wird, bisweilen auch zu gelegener
Zeit, immer aber um des hl. Meßopfers willen. Also geschieht es, daß viele nach
langer Zeit durch besondere Hilfe Gottes bekehrt werden, ohne zu wissen, daß sie
dies der Kraft der hl. Messe zu verdanken haben. Manchmal werden die Sünder gar
nicht bekehrt, weil sie die Hilfe, die Gott ihnen anbietet, nicht annehmen oder
nicht mitwirken."
21. Wenn also ein zur Reue gestimmter Sünder seinem Gott die eine oder andere
hl. Messe aufopfert, um ihn gnädig zu stimmen, so wird Gott ihm gewiß die Gnade
der Bekehrung und Besserung mitteilen. Dies bezeugt die hl. katholische Kirche auf
dem Konzil von Trient (Sitzung 22, Kap. 2): „Wenn wir voll Reue zu Gott herantreten,
so werden wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden. Denn durch die Darbringung
dieses Opfer versöhnt, gewährt der Herr Gnade und die Gabe der Reue und läßt die
Vergehen und auch große Sünden nach." O, was für einen Trost bringen diese Worte
den Sündern! Welche Hoffnung erwecken sie bei den Kleinmütigen und halb Verzagten!
Durch die Erwägung dieser Worte können sie sich für versichert halten, daß sie den
heftig erzürnten Gott durch Aufopferung der hl. Messe versöhnen können, so daß er
seinen Zorn ablegt, die begangenen Missetaten verzeiht und seine Gnade und Freundschaft
anbietet. Hier möge erfüllt werden, was Sirach gesagt hat: „Sich vom Bösen entfernen, ist Gott wohlgefällig, und die Ungerechtigkeit
meiden, ist ein Gebet für die Sünde, doch erscheine nicht leer vor dem Angesicht
des Herrn" (Sir 35,5f.), d.h. opfere ihm vielmehr seinen eingeborenen Sohn als Sühnopfer
auf, wie es an anderer Stelle heißt: „Eine verborgene Gabe löscht den Zorn aus und
ein Geschenk im Schoß eine sehr große Ungnade." (Spr 21,14.) Was ist dies für eine
verborgene Gabe als eben der Leib Christi unter der Gestalt des Brotes, und was
ist dies für ein Geschenk im Schoß als eben das Christkind ruhend im Schoß der Mutter?
Diese verborgene Gabe, dieses kostbare Geschenk sollen wir in der hl. Messe aufopfern,
so werden wir den Grimm des erzürnten Gottes und seinen heftigen, wider uns geschöpften
Unwillen auslöschen und versöhnen.
22. Das tut der Priester im Namen aller Anwesenden, sagt der hl. Bonaventura,
wenn er bei Aufhebung der hl. Hostie in seinen Gedanken etwa spricht: „O, himmlischer
Vater, wir armen Sünder haben gesündigt und dich heftig erzürnt. Nun aber schaue
in das Angesicht deines Gesalbten, den wir dir andächtig vorstellen, und laß deinen
Zorn in Barmherzigkeit verwandelt werden. Wende dein Angesicht nicht ab von ihm,
von dem du selbst gesagt hast: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen
habe. Um seinetwillen bekehre uns zu dir und wende deinen Zorn von uns ab."
Durch solche Bitte und Aufopferung haben viele Sünder die Gnade der Bekehrung, erlangt,
die sie sonst vielleicht nie erhalten hätten. Denn dieses Sühnopfer hat die Kraft,
daß es harte Herzen erweichen und verstockte Sünder bekehren kann, was uns die Kirche
andeuten will, indem sie in einem Stillgebet sagt: „O, Herr, nimm doch dieses
Opfer gnädig auf, laß dich dadurch versöhnen und ziehe doch unseren rebellischen,
widerspenstigen Willen gnädig zu dir." So würde die Kirche nicht beten, wenn
sie nicht wüßte, daß auch verstockte Sünder durch Aufopferung dieses allmächtigen
Versöhnungsopfers bekehrt werden können und auch schon oft bekehrt worden sind.
Darum soll ein jeder Sünder, mag er auch so tief im Schmutz der Sünden stecken,
daß es ihm vorkommt, als sei es ihm gar nicht mehr möglich, sich zu bekehren, recht
oft die hl. Messe hören und mit obigen Worten: „O Herr, nimm doch mein Opfer an,
ach, laß dich doch dadurch versöhnen und zwinge meinen widerspenstigen Willen gnädig
zu dir" - den barmherzigen Gott bitten, daß er ihn durch die große Kraft der hl.
Messe bekehren wolle.
23. Hier möchte aber einer einwenden: Was wird denn ein solches Gebet nützen,
da doch die Hl. Schrift sagt: „Wer sein Ohr abwendet, daß er das Gesetz nicht hört,
dessen Gebet ist ein Greuel vor Gott." (Spr 28,9). Diese Frage beantwortet der engelgleiche
Lehrer, der hl. Thomas: „Sobald das Gebet des Sünders aus einem natürlich
guten Verlangen hervorgeht, hört Gott auf dasselbe, nicht freilich aus Gerechtigkeit,
weil der Sünder dies nicht verdient, sondern aus purer Barmherzigkeit." (STh. 2
II 83,16.) Gesetzt aber, Gott wolle in seinem Zorn auf das Gebet des Sünders gar
nicht achten, so ist es doch gewiß, daß er die hl. Messe, die dieser ihm aufopfert,
nicht ausschlägt, sondern zu größtem Gefallen aufnimmt. Ich sage nicht, daß das
Gebet, das der Sünder bei der Messe spricht, Gott gefällt, sondern sage, daß die
hl. Messe, auch die von einem verstockten Sünder aufgeopferte, ihm über die Maßen
angenehm ist. Wenn dir dein Feind durch seinen Diener tausend Taler schickte; würdest du sie wohl annehmen? Ich meine, wenn du in Not wärst, sogar gern, und
du würdest dir sagen: „Obwohl mein Feind mir zuwider ist, so sind mir doch die geschenkten
tausend Taler lieb und nützlich." So wird auch der gerechte Gott von einem Sünder
die allerkostbarste Gabe des Leibes und Blutes seines Sohnes gutwillig annehmen
und sich sagen: Obwohl dieser mein Feind ist und mir ganz zuwider, so ist mir doch
die Gabe, welche er mir verehrt, über die Maßen lieb und angenehm. Und weil er mir
dieselbe opfert und mir dadurch eine besondere Ehre erweist, so will ich ihm dafür
meine Gnade anbieten, und wenn er sie annimmt, so will ich aller zugefügten Schmach
vergessen und ihn wieder in meine Freundschaft aufnehmen.
24. Dieser Gedanke stammt nicht von mir, er ist vielmehr vom Konzil von Trient,
welches lehrt, „daß Gott durch die Aufopferung der hl. Messe versöhnt werde und
auch große Fehler und Sünden verzeihe." O, wohl ein treues und für alle Sünder
sehr tröstliches Wort! Schöpfe neue Hoffnung, verzagter Sünder, fasse neues Vertrauen
auf Bekehrung und Rettung, und aus den Fesseln der Verzweiflung fliehe zu dem allermächtigsten
Versöhnungsopfer! Denn obwohl die hl. Schrift sagt, daß der Gottlose Gott verhaßt
sei (Wsh 14,9), so gehe recht eifrig zur hl. Messe und opfere diese mit allem Ernst
auf. Und wenn du auch mit der Todsünde im Herzen die hl. Messe hörst, so tust du
dadurch ja keine neue Todsünde, wie etwa der Priester, der im Stand der Sünde die
hl. Messe läse, oder der Laie, der unwürdig kommuniziert, sondern du erlangst Hilfe,
um aus dem Stand der Ungnade herauszukommen.
25. Das geschieht auch, wenn ein frommer Mensch für einen Sünder die hl. Messe
mitfeiert und sie Gott für die Bekehrung desselben aufopfert. Davon haben wir eine
vortreffliche Erzählung in den Offenbarungen der hl. Gertrud. Als diese Braut
Christi einmal während der hl. Messe den Heiland bat, er wolle denjenigen Sündern,
die sich noch bekehren und selig werden sollten, mit seiner Gnade zuvorkommen und
sie wegen der hohen Würde der hl. Messe vor der bestimmten Zeit bekehren, da hätte
sie auch gern um die Bekehrung jener Sünder gebeten, die verdammt würden, weil sie
mit diesen armseligsten Sündern gar großes Mitleid trug. Sie wagte es aber gar nicht,
für sie zu bitten, weil sie fürchtete, nicht erhört zu werden.
Der Herr aber wollte diesen Kleinmut bessern und sprach zu ihr: „Sollte denn
die Würde der Gegenwart meines unbefleckten Leibes und kostbaren Blutes nicht so
viel verdienen, daß auch diejenigen, die im Stand der Verdammnis sind, zum Stand
eines besseren Lebens berufen werden?" Über diese mildreichen Worte wunderte
sich die hl. Gertrud sehr, erwog sie inbrünstig in ihrem Herzen und sprach dann
mit großem Vertrauen zu Gott: „Ich bitte dich, o allergütigster Heiland, durch die
hochwürdige Gegenwart deines unbefleckten Leibes und kostbarsten Blutes, du wollest
doch einige Sünder, die im Stand der Verdammnis stehen, zu deiner göttlichen Gnade
fuhren. Zur Gewährung dieser meiner Bitte opfere ich dir und durch dich der hochhl.
Dreifaltigkeit auf dieses hl. Meßopfer samt allem, was du zum Heil der armen Sünder
auf diesem Altar wirkst." Diese inbrünstige Bitte nahm der Herr mit großer Milde
an und versicherte der hl. Gertrud, er habe ihre Bitte erhört und etliche Sünder
der Verdammnis entzogen und in den Stand der Gnade versetzt.
26. Schöpfe denn, o armer Sünder, hieraus neue Hoffnung auf deine Rettung, höre manche Messe mit möglichster Andacht und opfere sie auf zu deiner Bekehrung
und zur Bekehrung so vieler anderer verstockten Sünder!
Inhaltsverzeichnis
2. Wie die hl. Messe die läßlichen Sünden tilgt.
27. Das Versöhnungsopfer betrifft auch die läßlichen Sünden, die den lieben Gott
ebenfalls erzürnen, und zwar mehr, als wir armselige Sünder uns einbilden. Ich will
dies durch ein Gleichnis beweisen, durch das du die Bosheit der läßlichen Sünde
einigermaßen erkennen wirst. Ein Vater hatte einen Sohn, der ihn täglich öfters
vorsätzlicherweise erzürnte. In der Arbeit war er nachlässig und verrichtete sie
oberflächlich. Er war dem Müßiggang und Spiel ergeben, und verschwendete das Geld
des Vaters. Die Ermahnungen des Vaters beachtete er nicht, und seine Drohungen verspottete
er. Der Vater beklagte sich oft über diesen seinen unnützen Sohn; dieser aber entschuldigte
sich und sprach: „Ich schlage ihn ja doch nicht und bringe ihm keine tödliche Wunde
bei!"
28. Dieses Gleichnis beziehe auf dich und deinen himmlischen Vater und lerne
daraus, wie oft und schwer du dich alle Tage wider ihn versündigst. Du fügst ihm
zwar keine tödliche Wunde bei, d.h. du begehst zwar keine Todsünde, gleichwohl machst
du ihm durch deine läßlichen Sünden so viel Verdruß, daß er gerechte Ursache hat,
über dich zu zürnen und zu klagen. Diesen Unwillen verursachst du täglich und vermehrst
dadurch seinen Zorn und deine Strafe. Wenn du nun kein Versöhnungsopfer hättest,
um den Zorn deines himmlischen Vaters zu besänftigen, wo würde dein Elend endlich
hinauskommen? Wenn auch deine täglichen Sünden keine Todsünden, sondern läßliche
sind, so hast du doch ein Sühnopfer überaus nötig, damit der Zorn Gottes nicht endlich
überhandnehme und er dich als einen unnützen Sohn aus seinem Hause vertreibe.
29. Um diesem Übel zuvorzukommen, hat der gütigste Jesus dir und mir und allen Menschen
zum Heil ein kräftiges Versöhnungsmittel verordnet und das göttliche Opfer der hl.
Messe eingesetzt, welches nicht allein gegen die Todsünden, sondern auch gegen die läßlichen Sünden von besonderer Kraft ist. Dies bezeugt die hl. katholische Kirche
mit den ausdrücklichen Worten, daß Christus beim letzten Abendmahl die hl. Messe
eingesetzt habe, „damit die heilsame Kraft des Kreuzesopfers uns zugeeignet wurde
zur Verzeihung derjenigen Sünden, welche von uns täglich begangen werden." (Trient
Sitzung 22, Kap. 1.) Dies sind die Worte der Kirche, welche keiner Erklärung weiter
bedürfen, da sie uns klar anzeigen, daß die hl. Messe besonders zur Verzeihung der
täglichen oder läßlichen Sünden von Christus verordnet ist.
30. Der hl. Paschasius sagt dasselbe mit den Worten: „Dies Opfer wird täglich
wiederholt, weil wir täglich sündigen und solche Sünden begehen, ohne welche die
menschliche Schwachheit nicht leben kann. Weil also der Christ täglich fällt,
so wird Christus täglich geistiger Weise geschlachtet." Christus hat uns zwar
noch andere Mittel gegeben, die täglichen Sünden abzubüßen, nämlich die Reue, an
die Brust klopfen, das Vaterunser beten, sich mit Weihwasser besprengen und dergleichen
mehr; keines aber ist so kräftig wie das Hören und Aufopfern der hl. Messe.
31. Hiervon sagt der gelehrte Suarez: „Es ist anzunehmen, daß diejenigen,
welche die hl. Messe zur Verzeihung ihrer läßlichen Sünden aufopfern, dies ganz
gewiß wenigstens bittweise erlangen, weil sie dann den Willen haben, der den läßlichen
Sünden widerstrebt." Als wollte er sagen: Weil keine Sünde, auch nicht eine läßliche,
verziehen wird, es sei denn, daß sie den Menschen reue und leid tue, so soll er
recht die Kraft der hl. Messe zum Nachlaß der läßlichen Sünden begehren, denn das
ist ein Zeichen, daß sie ihm leid tun und daß er gern von ihnen frei wäre.
Ein anderer Schriftsteller sagt dafür, wir bekämen gewiß Verzeihung jener Sünden,
an denen wir keine Lust haben. Pater Jakob Stratius schreibt: „Die Frucht der
hl. Messe ist gewaltig groß, weil sie uns die unergründlichen Reichtümer der
Verdienste und Genugtuungen Christi zueignet. Die läßlichen Sünden schmelzen
vor der Messe wie das Wachs vor dem Feuer, und viele durch die Sünden verschuldete
Strafen werden durch die Kraft der hl. Messe ferngehalten." Darin hat der gelehrte
Pater vollständig recht, denn die läßlichen Sünden werden durch das Feuer der göttlichen
Liebe, das während der hl. Messe auf dem Altar brennt, vollständig verzehrt. Darum
sprich zu Anfang beim Sündenbekenntnis:
„O gerechter Gott, alle Sünden meines Lebens lege ich mit reuigem Herzen und
festem Vertrauen auf diesen hl. Altar, auf daß sie durch das Feuer deiner göttlichen
Liebe ganz verzehrt und durch das kostbare Blut meines Jesu ganz ausgelöscht und
durch dessen unendliche Verdienste völlig bezahlt werden mögen. Amen."
32. Für diese große Wohltat können wir unserem Heiland niemals genug danken. Denn
wenn wir dieses göttliche Opfer nicht hätten oder dieses nicht zur Tilgung unserer läßlichen Sünden nutzten, was für eine Last solcher Sünden würden wir vor Gottes
Gericht bringen, wie lange und schwere Leiden müßten wir in jener Welt dafür leiden!
Denn dies sind jene Sünden, von denen David sagt: „Meine Sünden sind zahlreicher
als die Haare meines Hauptes" (Ps 39,13), und die Kirche: „Ich habe gesündigt
über die Zahl der Sandkörner des Meeres." Von diesen Sünden heißt es: „Die Sünden,
wer merkt sie?" (Ps18,13.) Wir merken viele nicht, darum beichten und bessern
wir sie nicht. Wir löschen sie aber aus und büßen sie ab durch dieses allerkräftigste
Versöhnungsopfer, das unser größter Wohltäter uns freigebig geschenkt hat.
33. Willst du nun wissen, wie du es machen sollst, um bei der hl. Messe Verzeihung
deiner läßlichen Sünden zu erlangen, so folge dem Beispiel der hl. Gertrud,
in deren Offenbarungen steht: „Als einmal in der hl. Messe (welche die wahrhaftigste
und allerkräftigste Versöhnung aller menschlichen Schuld ist) das hochheiligste
Schlachtopfer von dem Priester geopfert wurde, da opferte die hl. Gertrud dasselbe
dem Herrn zur Sühne und Reinigung aller ihrer Sünden. Gott nahm dies mit Wohlgefallen
an und nahm sie auf in seinen mildesten Schoß."
Aus diesen Worten magst du entnehmen, was für eine gewaltige Kraft in der Aufopferung
der hl. Messe verborgen ist. Denn als die hl. Gertrud, die ihr Lebtag niemals eine
schwere Sünde begangen hat, bei der Wandlung mit ganzem Ernst sprach: „Ich opfere
dir diese hochheiligste Hostie zur Sühne und zur Reinigung aller meiner Sünden",
da bekam sie von Gott die Versicherung, daß ihre Seele nicht allein von ihren Makeln
gereinigt, sondern in den Schoß des himmlischen Vaters aufzunehmen gewürdigt wurde.
Darum sprich auch du bei der hl. Wandlung: „Himmlischer Vater!
Mit innigster Andacht opfere ich dir durch die Hände des Priesters diese hochwürdigen
Opfergaben des Leibes und Blutes deines Sohnes auf mit der Bitte, mir alle meine
begangenen Tod- und läßlichen Sünden zu vergeben. O gütigster Vater, weil dieses
hochheilige Opfer genügt zur vollen Versöhnung der ganzen menschlichen Schuld, so
wollest du dich dadurch versöhnen lassen, mir meine unzählbaren Sünden verzeihen
und die verschuldeten Strafen nachlassen." Je öfter und fleißiger du dies tust,
desto mehr läßliche Sünden löschst du aus. Ja, ich meine, daß um einer einzigen
andächtigen Messe willen mehr läßliche Sünden vergeben werden, als einer den ganzen
Tag begangen hat. Denn wenn du die übernatürliche Kraft des hl. Meßopfers wohl erwägst,
so wirst du auch erkennen, daß dasselbe kräftig genug ist, um alle deine Sünden
und Übertretungen zu tilgen.
34. Hier sollst du auch wissen, daß die hl. Messe nicht nur die läßlichen Sünden
auslöscht, sondern die Seele auch von allen Makeln und Flecken reinigt. Das bezeugt
der hl. Johannes von Damaskus mit den Worten: „Das unbefleckte und unblutige
Meßopfer ist eine Verbesserung aller Schäden und eine Reinigung von allen Unreinheiten."
Das hat Gott schon früher durch den Propheten Ezechiel weissagen lassen: „Ich will
ein reines Wasser über euch ausgießen, daß ihr gereinigt werdet von allen euren
Missetaten." (Ez 36,25.) Diese Reinigung geschieht durch das heiligste
'Wasser, das aus der geöffneten Seite Christi geflossen ist, wovon Johannes sagt:
„Einer von den Soldaten öffnete seine Seite mit einer Lanze, und sofort floß
Blut und Wasser heraus." (Jo 19,34.) Dies ist nicht zufällig, sondern aus besonderer
Fügung Gottes geschehen. Denn Jesus wollte diese Wunde an seiner Seite empfangen
und nach seinem Tod offenhalten, damit sie würde „ein Quell lebendigen Wassers,
das fortströmt ins ewige Leben." (Jo 4,14.)
35.
Diese Quelle hat der Prophet Zacharias vorhergesagt: „An demselben Tag
wird sich eine Quelle öffnen für das Haus Davids und die Bewohner Jerusalems zur
Reinigung der Sünder." (Zach 13,1.) Dieser heilsame Brunnen fließt unaufhörlich;
jeder kann frei hinzutreten, um seinen Durst zu löschen und seine Flecken abzuwaschen.
Er fließt aber nur über jene, die auch wirklich zu ihm kommen. In allen Messen fließt
er über alle Gegenwärtigen, weil die Seitenwunde Christi alsdann von neuem geöffnet
wird. O, wie sind wir so glücklich und überglücklich, daß dieser göttliche Brunnen
allzeit zu unserer Reinigung fließt und jedem Hinzutretenden seine Wasser umsonst
und im Überfluß mitteilt! Wie viele Sünder sind hingegangen und haben mit Freuden
daraus geschöpft nach den Worten des Isaias: „Ihr werdet Wasser schöpfen mit Freuden
aus den Quellen des Heilandes." (Is12,3.) Jene Sünder aber, die aus Nachlässigkeit
nicht hingehen, sondern lieber in ihrem Wust verschmachten wollen, lädt er noch
freundlich ein mit den Worten: „Alle, die ihr dürstet, kommt zum Wasser, und die
ihr kein Geld habt, kommt und kauft ohne Geld und ganz umsonst Wein und Milch!"
(Is 55,1.) Und am Schluß der ganzen Hl. Schrift heißt es noch einmal: „Der Geist
und die Braut sprechen: Komm! und wer es hört, der spreche: Komm! Und wen
dürstet, der komme, und wer will, der nehme Wasser des Lebens umsonst." (Offb
22,17.) Beachte doch, wie treulich uns Isaias und Johannes zu diesem Brunnen einladen, da sie beide wohl wissen, wie heilsam
uns das Wasser des göttlichen Heilandes ist. Es ist ein Bad, in dem unsere Seele
gebadet, gereinigt und geheiligt wird, ohne daß uns dieses kostbare Perlenwasser
auch nur das geringste kostet.
Inhaltsverzeichnis
16. Kap. - Die hl. Messe ist
das würdigste Genugtuungsopfer.
1. Zu Anfang dieses Kapitels sollst du wissen, daß eine jede Sünde vor allem
zwei Übel hervorbringt, nämlich Schuld und Strafe. Die schwere Schuld oder
Ungnade Gottes wird uns durch die Reue und Beichte nachgelassen, wozu uns die hl.
Messe Gnade und Hilfe erwirbt; die Schuld der läßlichen Sünden kann auch durch die
hl. Messe selbst nachgelassen werden, wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben.
Mit der schweren Schuld wird auch immer die ewige Strafe aufgehoben; aber
die zeitlichen Strafen, die du hier auf der Erde oder im Fegfeuer abzubüßen hast,
werden nicht alle bei Vergebung der Sünden nachgelassen, sondern gewöhnlich nur
zum Teil, je nachdem, wie tief die Reue, wie innig die Beichte und wie groß die
Buße ist. Weil aber allgemein unsere Reue schwach, die Beichte schlecht und die
Buße gering ist, so wird uns auch allgemein von der Strafe nur wenig geschenkt.
Was dann übrig bleibt, müssen wir mit Beten, Wachen, Fasten, Almosen, Wallfahrten,
Abtötung, Beichten und Kommunizieren, durch die hl. Messe und Ablässe bezahlen oder
im Fegfeuer abbüßen. Alle diese Bußen sind unserer Sinnlichkeit sehr zuwider und
werden von vielen nicht verrichtet. Was soll dann aber aus uns werden, welcher
Rat bleibt uns da?
2. Wir sollen dem Knecht im Evangelium folgen, von dem Christus erzählt: „Das Himmelreich
ist einem König gleich, der mit seinen Knechten Abrechnung halten wollte. Da brachte
man ihm einen, der war ihm zehntausend Talente schuldig. Da er aber nicht bezahlen
konnte, fiel er dem Herrn zu Füßen und sprach: Habe Geduld mit mir, ich will dir
alles bezahlen." (Vgl. Mt 18.) Wer verwundert sich nicht über diesen vermessenen
Knecht, der nicht um Nachlaß oder Verringerung dieser ungeheuren Schuld bat, sondern
nur um Aufschub und Geduld. Wie wäre es denn diesem armen Knecht möglich gewesen,
die ungeheure Schuld zu bezahlen, und wenn er auch
200 Jahre zu leben gehabt hätte? Ein Talent hatte den Wert von 6.000 Drachmen -
ein Segelschiff (eine Drachme / Denar war der Tageslohn). Nun rechne du aus, wie
groß die Schuld von zehntausend Talenten sein mag!
3. Du sollst wissen, daß dies keine wirkliche Geschichte, sondern ein Gleichnis
ist, und daß dieser Knecht einen großen Sünder bedeutet, der viele schwere Sünden
begangen und Gott gegenüber viele Schulden gemacht hat. Du, Sünder, bist derjenige,
zu dem Christus sagt: „Du weißt nicht, wie so elend und erbärmlich, wie so blind
und nackt du bist" (Offb 3,17). Ja, du weißt nicht und glaubst auch nicht, in was
für schweren Schulden du mit deinen zehntausend Talenten steckst. Wie willst du
mit all deinen guten Werken zehntausend Talente bezahlen, der du in deinem ganzen
Leben nicht ein einziges Talent verdienen kannst? Ja, eine einzige Todsünde zieht
eine so große Strafe nach sich, daß, wenn du diese aus dem reichsten Erbteil oder
aus deinen Kräften zahlen solltest, du in Ewigkeit daran zu zahlen hättest.
Ich will dir also ein gutes Mittel an die Hand geben,
wie du aus dieser ungeheueren Schuld herauskommen kannst. Falle mit dem Knecht deinem
Gott und Herrn zu Füßen und sprich: „Habe Geduld mit mir, verleihe mir nur noch
einige Zeit zur Buße, so will ich dir alles bezahlen!"
Ich will fleißig und
andächtig die hl. Messe mitfeiern und sie dir zur Bezahlung der schweren Schuld
aufopfern.
4.
Diesen Rat gibt dir der gelehrte Pater Sanchez mit den Worten: „Wenn
du die hl. Messe mitfeierst, so denke daran, daß sie dein eigen ist und daß sie
dir sowohl von Gott dem Vater wie Gott dem Sohn geschenkt ist. Daß sie aber dein
eigen ist, sagt ja der Priester beim Orate frates: „Betet, Brüder, daß mein und
euer Opfer angenehm werde bei Gott dein allmächtigen Vater." Er sagt zu allen Anwesenden,
daß dieses Sakrifizium nicht allein sein Opfer, sondern auch das ihre und folglich
auch das deine ist. Wenn du nun dies wohl erwogen hast, so sprich zu Gott: Wie viel
bin ich dir schuldig, o Herr? Bin ich dir vielleicht hundert oder tausend oder zehntausend
Talente schuldig? Herr, ich erkenne meine große Schuld und bin bereit, diese zu
bezahlen. Aus meinen Verdiensten kann ich es nicht, wohl aber aus den reichen Verdiensten
deines Sohnes, welche auf diesem Altar gegenwärtig und mir zu eigen geschenkt worden
sind. Diesen Schatz stelle ich dir vor, nimm du so viel daraus, wie ich schuldig
bin. Wenn diese Betrachtung mit lebendigem Glauben geschieht, so bringt sie sehr
großen Trost, weil wir in der hl. Messe eine ganz gewisse und vollgenügende Zahlung
für unsere Sünden haben. Soweit Sanchez.
5. Nun wollen wir sehen, wie groß die Kraft der hl. Messe ist, damit wir desto größeres
Vertrauen zu derselben fassen. Die Gottesgelehrten schreiben und lehren, daß
die hl. Messe die Nachlaß der zeitlichen Strafen ex opere operato verschaffe,
nämlich aus dem großen Werk, das Christus hier auf der Erde durch sein Leiden und
seinen Tod zu unserer Erlösung vollbracht und wodurch er unendliche Verdienste gesammelt
hat. Ferner bedeutet dieser Ausdruck, daß die hl. Messe diese Kraft nicht wegen
der Frömmigkeit des Priesters, sondern aus sich selbst hat. Dasselbe ist z. B. auch
bei der hl. Taufe, wo das Kind von einem guten Priester nicht besser und von einem
weniger guten nicht schlechter getauft wird, wenn es nur richtig geschieht.
6. Aus dieser einhelligen Meinung und Lehre der Gottesgelehrten erwächst allen
armen Sündern ein herzlicher Trost, indem sie versichert werden, daß ihnen jedesmal,
wenn sie bei der hl. Messe sind, unfehlbar ein Teil der noch übrigen Strafen nachgelassen
wird. Nicht allein, wenn sie die hl. Messe ganz andächtig mitbeten, sondern, wenn
sie nur ehrfürchtig gegenwärtig sind und dem Priester zuschauen. Denn dieser Nachlaß
entspringt nicht ihrem Mitwirken, sondern hat ihre Quelle in den Verdiensten Christi,
wovon Marchantius sagt, Christus habe gewollt und verordnet, daß einem jeden,
welcher andächtig bei der hl. Messe zugegen ist, eine besondere Genugtuung und Nachlaß
der Strafen zugeeignet werde. Nun mache die Schlußfolgerung, wie viel Strafen
derjenige abbüßt, der diese mit möglichster Andacht hört und sie zugleich mit dem
Priester dem allerhöchsten Gott herzlich aufopfert.
7. Wenn du nun fragst, woher doch solche reiche Verdienste zur Bezahlung aller
Schulden kommen, so gebe ich dir zur Antwort: aus der Zueignung der Verdienste
Christi. Marchantius bezeugt das mit den Worten: „Die hl. Messe ist eine
kräftige Zueignung der Verdienste Christi, ist eine Eröffnung seines reichen Schatzes,
damit wir die himmlischen Güter daraus entnehmen und alle unsere Schulden übergenug
damit bezahlen mögen." In der Tat teilt Christus seine Verdienste in der hl. Messe
reichlich aus und gibt jedem, der ohne Todsünde bei derselben zugegen ist, einen
guten Teil davon.
8. Um dies recht zu verstehen, sollst du wissen, daß Christus in seinem hl. Leben
und Leiden, vorzüglich am hl. Kreuz, einen so reichen Schatz von Verdiensten erworben
hat, daß, wenn er ihn auch unter alle gewesenen, jetzigen und zukünftigen Sünder
und Sünderinnen austeilen und jedem so viel geben wollte, als zur richtigen Zahlung
seiner Schulden und Strafen nötig wäre, er eines jeden Schulden überreichlich bezahlen
könnte und doch noch für unzählbare Welten genug übrig behielte. Von diesem reichen
Schatz teilt Christus oft aus: als wir getauft wurden, wenn wir wahre Reue erwecken,
wenn wir beichten, wenn wir kommunizieren und wenn wir gute Werke verrichten. Zu
besonders reichlicher Austeilung dieses Schatzes läßt sich Christus bestimmen durch
Besuch und Aufopferung der hl. Messe.
9. Du kannst dir das so vorstellen, als wenn Christus bei der hl. Messe an jeden
einzelnen heranträte und ihm ein Stück himmlischen Goldes in seine Hände gäbe, als
freigebiges Geschenk zur Vergeltung des Messehörens. Von dieser Beschenkung ist
keiner ausgeschlossen, außer wer sich im Stand der Todsünde befindet, und wer bei
der Messe nur schwätzt, lacht, vorwitzig umherschaut, andere im Gebet stört und
freiwillig schläft. Alle anderen bekommen etwas von diesem Schatz, wenn auch nicht
gleich viel, sondern je mehr oder weniger andächtig einer ist, desto mehr oder weniger
bekommt er auch von diesem himmlischen Gold. Dies kann und soll er gut anlegen,
Gott dem Vater aufopfern, seine Schulden damit bezahlen, Tugenden einkaufen, die heiligmachende Gnade vermehren und seine künftige Seligkeit vergrößern. Dies sollen
alle armen Sünder und Sünderinnen wohl beachten; wenn sie in eine Sünde gefallen
sind, so sollen sie zur Kirche eilen, die hl. Messe mit Andacht mitfeiern und diesselbe
Gott zur Verzeihung ihrer Sünden, zur Zahlung ihrer Strafen und zur Besserung ihres
Lebens aufopfern, weil sie ja das beste Mittel ist, um Verzeihung zu erlangen,
die verschuldeten Strafen abzubüßen und vor dem Rückfall in die Sünden bewahrt zu
werden.
Inhaltsverzeichnis
Wie viele Strafen man durch eine Messe abbüßen kann.
10. Wenn du den vorigen Teil dieses Kapitels aufmerksam gelesen hast, so wird
dir ohne Zweifel der Wunsch gekommen sein, zu wissen, wie viele Strafen für deine
Sünden du durch eine hl. Messe abbüßen könnest. Auf der einen Seite kommt dabei
in Betracht, wie viel wert eine hl. Messe ist, auf der anderen Seite, wie viel von
diesem Wert du für dich bekommst. Daß der Wert der hl. Messe unendlich groß sei,
folgt aus der unendlichen Würde der göttlichen Person Christi, der bei der hl. Messe
der eigentliche Opfernde ist; ebenso aus dem Wert der Opfergabe. Jede hl. Messe
hat denselben Wert wie die Einsetzungsmesse Christi beim letzten Abendmahl.
Es waren sogar alle Werke Christi, die er auf Erden verrichtet hat, von unendlichem
Wert wegen der unendlichen Würdigkeit seiner göttlichen Person, woraus folgt, daß
das Meßopfer auch unendlichen Wertes sei. Aber keinem wird dieser Wert in unendlicher Weise zugeeignet, sonst könnte man mit einer
einzigen hl. Messe alle seine ungeheuren Schulden auf einmal abzahlen und brauchte
hinfür keine Buße mehr zu tun, was gegen die katholische Lehre ist.
Das aber ist gewiß, daß die hl. Messe wegen ihres unendlichen Wertes sehr viele
Strafen abbüßen kann; ja, wenn der Mensch mit ungemeiner Andacht eine Messe hörte,
so könnte ihm diesselbe alle noch übrigen Schulden und Strafen auf einmal auslöschen.
O wie sehr sind wir Christen Gott verpflichtet, daß er uns ein so kostbares Opfer
geschenkt und ein so leichtes Mittel zur Bezahlung unserer schweren Schulden an
die Hand gegeben hat, durch welches wir weit mehr abbüßen können als durch viele
schwere Bußwerke.
11. Das bezeugt der hl. Laurentius Justiniani mit folgenden, sehr denkwürdigen
Worten: „Legt auf eine Goldwaage alle guten Werke, also alles Beten, Wachen,
Fasten, Bußkleider, Geißeln, Abtötungen, Wallfahrten und was es sonst noch gibt,
alles dieses legt auf die eine Schale der Waage. Auf die andere aber legt nur
ein einziges Meßopfer, so werdet ihr finden, daß jene vielen niemals dieses
eine aufwiegen werden. Denn in der hl. Messe wird derjenige geopfert, in dem die
ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt (Kol 2,9), welcher ferner einen unvergleichlichen
Schatz der Verdienste umschließt und dessen Fürsprache allmächtig ist."
12. Hast du gehört, was dieser hl. Patriarch von Venedig von dem Wert einer
einzigen hl. Messe sagt? Hast du seine Meinung auch gut verstanden? Wenn du sie
vielleicht vor Verwunderung nicht glauben kannst, so will ich sie dir näher erklären.
Wenn du alle genannten Bußwerke verrichtet hättest und sie deinem Gott mit größter
Liebe und Andacht aufopfertest, so würdest du ihm gewiß eine sehr große und angenehme
Gabe verehren und eine außerordentliche Freude verursachen. Wenn nun aber ein anderer
nur eine einzige Messe andächtig mitgefeiert und sie von ganzem Herzen Gott aufgeopfert
hat, so würde dieser ihm eine unschätzbar köstlichere Gabe verehren und einen unvergleichlich
größeren Wohlgefallen erweisen, als du mit deinen Bußwerken getan. Denn du hättest
nur lauter menschliche Werke geopfert, der andere aber verehrt Gott lauter göttliche
Gaben, nämlich die Verdienste Christi, die Wunden Christi, den Leib Christi, das
Blut Christi, das Leiden Christi und die Tugenden Christi, ja den eingeborenen Sohn
Gottes selbst, nicht in der Majestät, in der er im Himmel thront, sondern in der
Demut, in der er auf dem Altar unter der Gestalt einer kleinen Hostie liegt, als
das unschuldige Lamm, welches wiederum geschlachtet wird, wodurch er dem Vater unendliche
Ehre, Lob, Dienst und Wohlgefallen erweist.
Nun lege auf die eine Waagschale deine Bußwerke, auf die andere die mitgefeierte
Messe, so wirst du sehen, wie viel die hl. Messe deine vielen Bußwerke überwiegt.
Nun mache auch die Schlußfolgerung, wie viele Sündenstrafen eine hl. Messe bezahlen
kann. Alle diese Bußwerke, im Stand der heiligmachenden Gnade verrichtet, können
doch sicher die zeitlichen Strafen einer Todsünde bezahlen, so wird deine andächtige
Messe die von mehreren Todsünden abbüßen können.
13. Viel habe ich gesagt, aber ich muß noch Größeres sagen. Pater Ludwig von
Argentana schreibt: „Ich schätze zwar alle Bußwerke, welche wir zur Verzeihung
unserer Sünden verrichten, sehr hoch; dennoch ist gewiß, wenn einer all sein Lebtag bei Wasser und Brot fastete, wenn er alle Schätze der Welt den Armen als Almosen
austeilte, wenn er bis zum Ende der Welt in andächtigem Gebet verharrte, so wären
all diese Werke sehr groß und von allen Menschen sehr hoch zu schätzen. Gleichwohl:
wenn sie auf die Goldwaage der göttlichen Gerechtigkeit gelegt würden, so würden
sie durchaus nicht so schwer wiegen wie eine einzige hl. Messe, in der das hochwürdigste
Blut Christi geopfert wird. Denn dieses Blut ist von unendlichem Wert, und keine
menschlichen Werke sind mit ihm zu vergleichen. Dennoch sind die Bußwerke nicht
überflüssig, sondern zur Besserung des Lebens und zur Ausrottung der bösen Gewohnheiten
sehr notwendig."
14.
Wenn aber einer mit diesen Zeugnissen sich nicht begnügen und weiter fragen
will, wie viele Leiden des Fegfeuers durch eine hl. Messe abgekürzt und ausgelöscht
werden, so gebe ich zur Antwort, daß Gott dies seiner Kirche nicht ausdrücklich
geoffenbart hat, gleichwie er auch nicht geoffenbart hat, wie viele, wie schwere
und wie lange Leiden er für eine läßliche Sünde den Seelen auflegt. Lehrreich sind
dafür aber folgende Worte aus einer Offenbarung der hl. Magdalena von Pazzi:
„Die Kirche hat in früheren Zeiten für die schweren Sünden Bußen von fünf oder
sieben Jahren auferlegt." Jetzt aber ist die Bosheit der Sünder so hoch gestiegen,
daß sie die schweren Bußen nicht mehr annehmen wollen. Deshalb können die alten
Bußregeln nicht mehr befolgt werden. „Aber dadurch", so sprach Christus,
„ist mir mein Recht nicht genommen worden"; was also nicht hier auf der Erde
abgebüßt ist, muß noch im Fegfeuer abgebüßt werden. Hieraus wird klar, daß die
armen Seelen wegen ihrer ungebüßten Sünden viele Jahre im Fegfeuer leiden müssen
und viele hl. Messen zu ihrer Befreiung nötig sein können. Aber die Messen, die
wir selbst mitfeiern, sind mehr wert für uns als jene, die später für uns gelesen
werden. Wohl ein tröstlicher und angenehmer Gedanke, der jeden zum fleißigen
Meßbesuch antreiben sollte, wo nicht aus Liebe zu Gott, dann wenigstens aus Liebe
seiner selbst. Wenn du wegen eines Verbrechens verurteilt worden wärst, daß du eine
halbe Stunde auf einem glühenden Rost solltest liegen müssen und dir die Wahl gestellt
würde, ob du lieber eine hl. Messe hören oder die halbe Stunde die Qualen aushalten
wolltest, würdest du nicht lieber zwanzig, ja hundert Messen mitfeiern, damit du
die furchtbare Marter von dir abwenden möchtest? Nun ist es gewiß, daß du nach deinem
Tod nicht gleich in den Himmel fahren, sondern noch reichlich lange Zeit die Qualen
des Fegfeuers wirst aushalten müssen. Desgleichen ist es auch gewiß, daß du kein
sicheres Mittel hast, um dieser Qual zu entgehen, als eben das andächtige Anhören
der hl. Messe. Wie magst du denn so nachlässig sein und manche liebe Messe so leichtsinnig
versäumen, da du durch eine jede hl. Messe so viel von deiner Fegefeuerspein abkürzen
kannst!
15.
Hier möchte nun einer fragen: „Wenn das Mitfeiern der hl. Messe so viele
Strafen abbüßt, wie viele büßt dann eine Messe ab, welche man lesen läßt?" Ich antworte:
Wer zu seinen Lebzeiten eine hl. Messe für sich lesen läßt, büßt noch viel mehr
Strafen ab, als wenn er sie nur mitfeiert. Denn die besonderen Früchte der hl.
Messe kommen dann ihm zu und werden ihm von Gott und dem Priester zugeeignet. Wie
viel Früchte das sind, hat Gott seiner Kirche nicht geoffenbart. Aber beachte auch
hier wieder die Worte des gelehrten Marchantius: „Wer eine hl. Messe für sich lesen läßt, bekommt viel mehr Nutzen davon, wenn er der Messe
mitfeiert, als wenn er sie nicht besucht. Denn wenn er auch den Nutzen bekommt,
den der Priester ihm zueignet, so doch nicht dasjenige Verdienst, das ihm daraus
entspringt, daß er selbst mitopfert."
16. Hier muß ich noch auf etwas aufmerksam machen, was weniger bekannt ist. Wenn
nämlich jemand eine hl. Messe bestellt in der Meinung, einen Heiligen zu ehren,
eine Bitte zu erlangen oder ein Übel von sich abzuwenden, so heißt es meistens nur
einfach: Ich hätte gern eine Messe zu Ehren der Mutter Gottes, oder ich hätte gern
eine für ein krankes Kind usw.; man erwähnt aber gar nicht und denkt auch nicht
an den Genugtuungswert der hl. Messe, wem man die Verdienste derselben zuwenden
will. Wenn nun der Priester auch nicht daran denkt und das Genugtuungsverdienst
der hl. Messe niemandem zuwendet, so kommt dasselbe, wie zu vermuten, in den Schatz
der Kirche, es sei denn, daß Gott der Herr, die Einfalt der Leute sehend, ihnen
die Genugtuung zueignet.
Wenn du also eine hl. Messe zu Ehren eines Heiligen oder für irgendeine Not
lesen läßt, so denke allezeit daran, daß du den Genugtuungswert der hl. Messe dir
vorbehalten willst. So hast du zweifachen Gewinn
von einer solchen
Messe: Du ehrst den Heiligen, zu dessen Ehre du sie lesen läßt, und bezahlst auch
viel von den Strafen, die du für deine Sünden zu leiden schuldig bist. Ebenso erlangst
du deine Bitte, wenn es gut für dich ist, und bezahlst auch noch einen großen Teil
deiner Schulden. Das möge ein jeder wohl beachten, weil viel daran gelegen ist.
17. Aus allem, was in diesem Abschnitt gesagt worden, sollten wir neuen Eifer
für die hl. Messe schöpfen und uns befleißigen, täglich die hl. Messe mitzufeiern,
an Sonn- und Feiertagen aber, wenn möglich, zwei oder drei, damit wir den Rest unserer
Strafen auf dieser Welt abzahlen mögen. Besonders sollten das die großen Sünder
tun, welche viele schwere Sünden begangen, aber noch wenig Buße getan haben. Gewiß
ist es, daß die göttliche Gerechtigkeit keine Sünde ungestraft läßt. Wahr ist das
Sprichwort: Aut poenitendum aut ardentum: entweder büßen oder brennen. Es
ist für dich armen Sünder doch weit besser, daß du deine Sünden auf dieser Welt
selber abbüßt, als daß du sie dem strengen Richter zur Bestrafung in jener Welt
überläßt. Kannst du aber keine schwere Buße verrichten, so ergreife die so leichte
Buße des Messebesuchs, durch welche du, wie du in diesem Kapitel
vernommen, deine alten und neuen Schulden reichlich bezahlen kannst.
Inhaltsverzeichnis
17. Kap. - Die hl. Messe ist das
vortrefflichste Werk des Hl. Geistes.
1. Wohl in allen Kapiteln dieses Buches werden Gott Vater und Gott Sohn erwähnt,
weniger oft aber Gott der Hl. Geist. Damit wir nun erkennen, wie sehr derselbe zum
hl. Meßopfer mitwirkt, so will ich ihm zu Lieb und Ehren in einem ganzen Kapitel
davon sprechen, das wir passend in den Pfingsttagen lesen können.
2. Wie viel Gutes der Hl. Geist der lieben Christenheit erweist, das kann in seiner
Größe nicht erkannt, viel weniger ausgesprochen werden. Er ist die göttliche
Liebe und Barmherzigkeit und gibt sich alle Mühe, die göttliche Gerechtigkeit
zu versöhnen und die armen Sünder vor der Verdammnis zu bewahren. Er ist derjenige,
der zur menschlichen Erlösung gar viel beigetragen, dieselbe begonnen und vollendet hat.
Im jungfräulichen Schoß Mariens hat er damit begonnen, da sie „empfing vom Hl. Geist"
und das Wort Fleisch geworden ist. Am hl. Pfingsttag hat er dieses Werk der menschlichen
Erlösung glücklich vollendet, indem er auf die Apostel und die mit ihnen Versammelten
in Gestalt feuriger Zungen herabkam, sie mit seiner Liebe entzündete und die verstockten
Sünder, welche durch die Wunder und das Leiden Christi nicht hatten erweicht werden
können, durch seine Gnade bekehrte. Er bleibt auch immerdar bei den Gläubigen, und
obwohl er von vielen verunehrt wird, so verläßt er sie doch nicht ganz, sondern
klopft oft an ihre Herzen und verlangt, wieder bei ihnen Wohnung zu nehmen.
3. Alle diese Dinge sind erhabene, ja göttliche Werke. Unter diesen göttlichen Werken
nimmt die hl. Messe einen ganz besonders hohen Platz ein. Wie will ich dieses aber
beweisen können? Gar leicht, nämlich auf folgende Weise. Alle Theologen sagen, daß
das Geheimnis der Menschwerdung Gottes das allergrößte Wunder sei, welches die allmächtige
Hand Gottes gewirkt habe, da hierbei in der Person Christi die unendlich große Gottheit
mit der kleinen Menschheit verbunden wurde. Dies allergrößte Wunder hat der Hl.
Geist bewirkt, wie wir im Glaubensbekenntnis bekennen mit den Worten: „der empfangen
ist vom Hl. Geist." Fast möchte man annehmen, daß das in der hl. Messe gewirkte
Wunder noch größer sei, weil da die gewaltige Gottheit und dazu die vollkommene
Menschheit Christi so erniedrigt werden, daß sie in dem allerkleinsten Partikel
oder Teilchen der hl. Hostie ganz gegenwärtig sind.
4. Daß nun dieses durch den Hl Geist geschieht, davon haben wir ein ausdrückliches
Zeugnis in der Liturgie des hl. Jakobus, in der vor der Wandlung die Worte
stehen:
„Wir bitten dich, o Herr, daß dein Hl. Geist herabkommen und durch seine heilige
und lobwürdige Gegenwart unsere Gaben heiligen und dieses Brot machen wolle zum
Leib deines Sohnes, diesen Kelch aber zum kostbaren Blut Christi."
5. Dies will auch der Priester andeuten, indem er, ehe er das erste Kreuzzeichen
über die aufgeopferte Hostie und den Kelch macht, seine Augen gen Himmel erhebt,
beide Hände und Arme ausstreckt, dieselben wieder zusammenlegt und mit herzlicher
Andacht den Hl. Geist anruft und bittet, er möge vom Himmel herabkommen und die
geopferten Gaben des Brotes und Weines durch seine göttliche Kraft segnen:
„Komm, o Heiligmacher, allmächtiger, ewiger Gott, und segne dieses Opfer, welches
deinem hl. Namen bereitet ist." Dasselbe bittet auch der hl. Ambrosius in seiner
Liturgie mit den Worten: „Laß doch, o Herr, die unsichtbare Majestät deines
Hl. Geistes herabsteigen, gleichwie er vorzeiten über die Schlachtopfer der Väter
herabstiegen ist."
6. Sehr schön sprechen darüber auch die hl. Väter. Der hl. Johannes von Damaskus
sagt: „Wie soll mir das geschehen, spricht die hl. Jungfrau, da ich keinen Mann
erkenne? Der Erzengel Gabriel antwortet: Der Hl. Geist wird über dich kommen und
die Kraft des Allerhöchsten dich überschatten. Und nun fragst du, wie das Brot der
Leib Christi werde und der mit Wasser gemischte Wein das Blut Christi? Auch ich
sage dir: Der Hl. Geist kommt darüber und bewirkt, was über Sprache und Begriff
hinausgeht." Ferner der hl. Cyrill von Jerusalem: „Wir rufen den gütigen
Gott an, daß er den Hl. Geist auf die daliegenden Gaben herabsende, damit derselbe
das Brot zum Leib Christi und den Wein zum Blut Christi mache." Und der hl. Gaudentius
ermahnt: „Glaube, daß durch das Feuer des Hl. Geistes vollbracht ist, was angekündigt
wurde".
7. Wie der Hl. Geist zur Wandlung herabkommt, davon schreibt die hl. Äbtissin
Hildegard: „Als ein Priester mit den hl. Gewändern angetan an den Altar ging,
sah ich, wie wenn ein helles Licht vom Himmel kam, den ganzen Altar umleuchtete
und so lange da verblieb, bis der Priester nach vollendeter hl. Messe wieder vom
Altar fortging. Als er aber während der Messe zum Sanktus kam und den Kanon mit
seinen unbegreiflichen Geheimnissen begann, da kam ein flammendes Feuer von unfaßbarer
Klarheit aus dem geöffneten Himmel über das Brot und den Wein herab und durchdrang
beides mit seiner Klarheit, wie das Licht der Sonne mit seinen Strahlen das Glas
erleuchtet und durchdringt. Unterdessen erhob dasselbe Licht das Brot und den Wein
unsichtbarerweise zum Himmel hinauf, brachte sie alsbald wieder auf den Altar, und
nun waren sie wahres Fleisch und Blut, wiewohl sie vor den Augen der Menschen Brot
und Wein zu sein schienen. Als ich nun dies Fleisch und Blut anschaute, da erschienen
alsbald die Zeichen der Menschwerdung, der Geburt und des Leidens unsers Heilandes
wie in einem Spiegel, und zwar auf ebensolche Weise, wie sie am Sohn Gottes vollbracht
worden sind, als er noch auf der Welt war."
8. Davon haben wir zwei schöne Vorbilder im Alten Testament, zuerst beim ersten
Opfer Aarons, von dem im 3. Buch Moses (9,23 f.) zu lesen ist: „Da erschien die
Herrlichkeit des Herrn vor allem Volk, und siehe, es ging Feuer aus vom Herrn und
verzehrte das Brandopfer und die Fettstücke, die auf dem Altar waren. Und da
das Volk dieses sah, priesen sie den Herrn und fielen nieder auf ihr Antlitz." Ähnliches
geschah bei der Einweihung des Tempels Salomons(2 Chr 7,1f.):
„Da Salomon sein Gebet vollendet hatte, fiel Feuer vom Himmel und verzehrte die
Brandopfer und die anderen Opfer, und die Herrlichkeit des Herrn erfüllte das Haus.
Und die Priester konnten nicht in den Tempel des Herrn gehen, denn die Herrlichkeit
des Herrn erfüllte den Tempel des Herrn. Auch sahen alle Söhne Israels das Feuer
und die Herrlichkeit des Herrn über das Haus herniederkommen, und sie fielen auf
ihr Angesicht und beteten an und lobten den Herrn."
9. Das waren klare Vorbilder unseres heiligsten Meßopfers, in dem allezeit das
Feuer des Hl. Geistes vom Himmel fällt, das Brot und den Wein verzehrt und in den
Leib und das Blut Christi verwandelt.
Darum sind die heiligen Worte der Wandlung gleichsam feurige Worte. O mit
was für einer Andacht und Ehrerbietung sollten darum alle Priester die ehrwürdigsten,
aus dem göttlichen Mund Christi selbst hervorgegangenen, mit übernatürlicher Kraft
begabten Wandlungsworte aussprechen, durch deren wundersame Kraft ihr eigener Schöpfer
in ihren priesterlichen Händen wiederum Mensch wird!
10. Pater Mansi schreibt: „Das unblutige Meßopfer ist so ehrwürdig und ehrfurchtgebietend,
daß der Hl. Geist in eigener Person herabsteigt, um es zu heiligen, wobei die Engel
in Scharen dastehen und ihm mit höchster Freude zuschauen", entsprechend dem Worte
des hl. Petrus, der vom Hl. Geist sagt, daß „ihn zu schauen selbst Engel gelüsten" (1 Petr 1,12). O, was für eine große Heiligkeit muß dann in dem allerheiligsten
Meßopfer sein, weil dasselbe vom Ursprung der Heiligkeit, der göttlichen Person
des Hl. Geistes selbst, gesegnet und mit aller Heiligkeit erfüllt wird! Das ist
das Feuer, welches uns diese himmlische Speise zubereitet, wie wir für unsere irdischen
Speisen des irdischen Feuers bedürfen.
Das Brot z. B. wäre ohne Feuer nur ein roher, ungenießbarer Teig, der dem Körper
eher schädlich als nützlich sein würde. Durch die Hitze des Feuers aber bekommt
es ein ganz anderes Wesen und wird eine wohlschmeckende, nahrhafte Speise. So ist
das Himmelsbrot durch das göttliche Feuer des Hl. Geistes in den allerheiligsten
Leib und das Blut Christi verwandelt und hat dadurch übernatürliche Kraft bekommen
und eine so liebliche himmlische Süßigkeit, daß manche Seelen bei Verkostung derselben
schier zerschmolzen sind.
11. Aber das Feuer des Hl. Geistes bereitet uns die hl. Hostie nicht allein zur
Speise, sondern an erster Stelle zu unserem Opfer, auf daß wir dasselbe Gott dem
Herrn zu seiner höchsten Ehre und zu unserem Heil darbringen können. O wie viel
wirkt der Hl. Geist bei diesem Opfer! Wie tut er alles, damit es allen Menschen
zum zeitlichen und ewigen Heile gereiche! Von ihm schreibt der hl. Paulus:
„Der Hl. Geist hilft unserer Schwachhheit, denn um was wir beten sollen, wie
sich es sich gebührt, wissen wir nicht, sondern der Geist selbst begehrt für uns
mit unaussprechlichen Seufzern. Derjenige aber, der die Herzen durchforscht, weiß,
was der Geist begehrt, denn nach Gottes Wohlgefallen bittet er für die Heiligen",
d.h. für die gläubigen Menschen (Röm 8,26f.).
12. Zum Verständnis dieser Worte des hl. Paulus sollst du wissen, daß eine göttliche
Person die andere nicht eigentlich bittet, weil sie alle drei eins sind in der Gottheit
und gleichmäßig zu befehlen und zu geben haben. Weil aber zum Unterschied der Personen
Gott dem Vater die Gerechtigkeit, Gott dem Sohn die Weisheit, Gott dem Hl. Geist
die Güte und Barmherzigkeit zugeeignet wird, so seufzt die göttliche Barmherzigkeit
zur göttlichen Gerechtigkeit, daß sie die Sünder nicht nach ihrem Verschulden verdammen,
sondern aus Gnaden selig machen wolle. Das ist es, was der hl. Paulus mit den obigen
Worten andeuten will, indem er sagt, daß der Hl. Geist für uns bittet. Nun kann
aber noch gefragt werden, wann er hauptsächlich für uns bittet. Ich antworte: Wiewohl
zu vermuten ist, daß er es allezeit tut, so ist es doch wohl zu glauben, daß es
vorzüglich bei und während der hl. Messe geschieht.
13.
Das meine ich deswegen, weil dann auch die hl. Engel für uns bitten, von
denen der hl. Chrysostomus sagt: „Dann (d.h. bei der hl. Messe) rufen nicht
allein die Menschen, sondern es beugen auch die Engel ihre Knie und es bitten für
uns die Erzengel." Den Grund dafür fügt er hinzu in den Worten: „Sie haben eine
günstige Zeit dazu, denn es steht ihnen das hl. Opfer zur Seite; sie zeigen den
Leib Christi vor und bitten für das menschliche Geschlecht." Gleichwie denn die
Engel die Zeit der hl. Messe in beachten, weil dieselbe die Zeit der Barmherzigkeit
ist, und weil der Zorn Gottes durch das machtvolle Sühnopfer besänftigt wird, ebenso
darf man wohl glauben, daß der Hl. Geist in seiner Güte zu derselben Zeit, in der
die Menschheit Christi Gott den Vater anfleht und in der die Wunden und das Blut
Christi um Barmherzigkeit rufen, zugleich mit diesen in unaussprechlichen Seufzern
für uns bittet und durch seine göttliche Barmherzigkeit die göttliche Gerechtigkeit zu besänftigen sucht.
„Gott aber, der die Herzen prüft, weiß", daß der Hl. Geist nichts anderes erfleht,
als was „nach Gottes Wohlgefallen" ist, nämlich was zur Ehre Gottes und zum Heil
der Menschen gereicht.
14.
Hieraus merke nun, wie groß die Güte des Hl. Geistes ist, indem er sich unseres
Heiles so eifrig annimmt, als wenn es sein eigenes Heil beträfe, und daß er nicht
einfach für uns nur bittet, sondern mit unaussprechlichen Seufzern für uns um Barmherzigkeit
anhält. Wer sollte das glauben, wenn es nicht ausdrücklich in der Hl. Schrift stände!
Wer wollte dann nicht glauben, daß der Hl. Geist unser allergetreuester Freund
ist! So setze denn großes Vertrauen auf diesen deinen treuen Freund und trage besonders
herzliche Liebe zu ihm. Höre auch bisweilen zur Bezeugung der Dankbarkeit, besonders
für das, was er bei der hl. Messe für dich tut, eine hl. Messe ihm zulieb, und opfere
ihm dieselbe zu seiner besonderen Ehre auf.
Inhaltsverzeichnis
18. Kap. - Die hl. Messe ist
die süßeste Freude aller Heiligen
1. Die hl. Messe ist die Freude der Mutter Gottes.
1. Die Königin Esther hat all ihr Tage keine größere Ehre und Freude gehabt,
als da der König Assuerus sie aus allen Jungfrauen seines ganzen Reiches auserwählt,
ihr mit eigenen Händen die Krone aufs Haupt gesetzt und sie zur Königin seines großen
Reiches gemacht hat. Des gleichen darf ich sagen, daß Maria, die Mutter Gottes,
niemals größere Freude und Glorie empfangen hat als eben an jenem Tag, da sie von
ihrem göttlichen Sohn zu den himmlischen Freuden aufgenommen, über alle Chöre der
Engel erhoben und zur Königin des Himmels und der Erde gekrönt wurde. Diese Freude
und Herrlichkeit war so groß, daß sie nicht größer gedacht werden kann. Dennoch
habe ich in der Überschrift dieses Kapitels gesagt, daß die hl. Messe die süßeste
Freude Mariens, der Mutter Gottes, sei. Wie wollen wir das beweisen Aus mir selbst
wage ich es nicht, wohl aber aus den Worten, welche ein treuer Diener Mariens,
Alanus, gesprochen hat:
2. „Gleichwie die göttliche Weisheit eine einzige Jungfrau erwählt hat, daß aus
ihr der Erlöser der Weit geboren würde, so hat derselbe Erlöser das einzige Priestertum
bereitet, um durch dieses die Schätze seiner Erlösung mittels des Meßopfers und
der Sakramente der Welt zu allen Zeiten auszuteilen. Dies ist der größte Teil der
Freude der Mutter Gottes, dies ist die Lust der Seligen, dies ist eine sichere Hilfe
der Lebendigen und der größte Trost der Verstorbenen."
3. In diesen Worten ist die Größe und Bedeutung der hl. Messe sehr betont und
hervorgehoben, daß die hl. Messe der größte Teil der Freuden der Mutter Gottes
sei. Um dies recht zu verstehen, mußt du wissen, daß Maria wie auch alle anderen
Heiligen des Himmels zweierlei Freuden haben, nämlich die wesentliche und die zusätzlichen.
Die wesentliche Freude besteht in der Anschauung, der Erkenntnis und dem
Besitz Gottes auf jener Stufe der Glorie, die dem Heiligen bei seinem Eintritt in
den Himmel zuteil geworden ist. In dieser Höhe der Glorie bleibt der Heilige ewig,
und diese kann weder erhöht noch vermindert werden. Außerdem aber gibt es für sie
noch die zusätzlichen Freuden, d.h. jene, die ihnen noch in besonderer Weise zuteil werden, wenn ihnen von Gott oder von den anderen Heiligen oder auch
von den Menschen ein wohlgefälliger Dienst erwiesen wird. Wenn z. B. der Festtag
eines Heiligen auf Erden begangen wird, so läßt sich wohl glauben, daß dieser Festtag
auch im Himmel gehalten und diesem Heiligen von Gott und von den übrigen Bewohnern
des Himmels eine besondere Ehre erwiesen wird. Dann wird ihm auch jenes, was ein
jeder Mensch ihm zu Ehren gebetet und getan hat, durch dessen Schutzengel zu seiner
größeren Freude als ein vortreffliches Geschenk überreicht, gleichwie eine duftende
Blume oder eine kostbare Gabe, wovon vieles in den Offenbarungen der hl. Gertrud
zu lesen ist.
Das sind also die zusätzlichen Freuden, deren die Menschheit Christi sowie alle
Engel und Heiligen fähig sind, wie zu ersehen ist aus den Worten Christi: „Ich sage
euch, es wird Freude sein im Himmel über einen Sünder, der Buße tut" (Lk
15,10). Diese Freude der lieben Engel und Heiligen im Himmel gehört nicht zur wesentlichen
Seligkeit, sondern ist eine zusätzliche Freude, welche ihnen so oft erneuert wird,
wie ein Sünder sich bekehrt, und ihnen wieder genommen wird, wenn ein bekehrter
Sünder rückfällig wird.
4.
Aus dieser Erklärung wirst du nun leicht entnehmen, wie die obigen Worte des
sel. Alanus zu verstehen sind, wenn er sagt: Die hl. Messe ist der größte
Teil der Freuden der Mutter Gottes, nämlich nicht die größte der wesentlichen,
sondern der zusätzlichen Freuden. Denn obwohl man Maria auf vielfältige Weise ehren
und ihr besondere Freude bereiten kann, so geht doch die durch die hl. Messe entstehende
all ihren anderen zusätzlichen Freuden weit vor. Das will ich dir folgendermaßen
erklären. Wenn du ihr zu Ehren mit Andacht viele Rosenkränze, Offizien, Litaneien,
Psalmen und andere Gebete betest und ihr dieselben zu ihrer größeren Ehre und Freude
aufopferst, ein anderer aber hört ihr zu Ehren mit Andacht eine hl. Messe und vereinigt
sich mit ihrem lieben Sohn, welcher auf dem Altar gegenwärtig ist - welcher von
euch beiden bringt ihr eine angenehmere Gabe und macht ihr größere Freude? Ohne
Zweifel nicht du, sondern der andere, welcher ihr zu Ehren den allerhöchsten Gottesdienst
verrichtet, ihr ihren liebsten Sohn vor Augen stellt und auf ihren mütterlichen
Schoß legt. Denn dieser ihr liebster Jesus mit seiner Freundlichkeit bereitet ihr
in seiner erneuerten Gegenwart vieltausendmal größere Freude und Lust, als du mit
all deinen Psalmen, Litaneien und Gebeten jemals kannst.
5.
Dazu bereitest du ihr durch den Meßbesuch auch noch eine andere, sehr angenehme
Freude. Weil sie die Ehre Gottes und das Heil der Seelen über alles liebt und
sucht, deswegen hat sie eine unaussprechliche Freude, wenn sie sieht, daß du durch
das andächtige Meßbesuchen der heiligsten Dreifaltigkeit die höchste Ehre erweist,
sie auf die vortrefflichste Weise lobst, ehrst, anrufst und ihr die allerkostbarste
Gabe darbringst. Ebenso, daß du ihren lieben Sohn im wahren Glauben anbetest, dich
vor ihm mit gebeugtem Haupt demütigst, mit reuigem Herzen an deine Brust schlägst,
mit großem Ernst um Verzeihung deiner Sünden bittest, sein bitteres Leiden dem himmlischen
Vater vor Augen stellst, ihm sein rosenfarbenes Blut zu deiner Reinigung aufopferst
und mit möglichster Andacht dieses göttliche Opfer mitfeierst. Was kann ihr Lieberes,
Innigeres, Angenehmeres widerfahren?
6.
Welch große Freude Maria durch die hl. Messe empfängt und wie reichlich sie dieselbe vergilt, das weiß der sel. Alanus trefflich zu schildern.
Er stellt es in einem Beispiel so dar, als ob bei der Erhebung der hl. Hostie das
Jesuskind in den Schoß der Mutter gelegt wird und sie sein rechtes Händlein in ihre
Hand nimmt und mit demselben das Kreuz über das Volk macht. Bei der Aufhebung des
Kelches aber schildert er, als ob ein Kreuz im Kelch stünde und Christus daran hinge
in solcher Gestalt, wie er einst am Kreuz gehangen, und als ob aus seinen hl. Wunden
das Blut überreich in den Kelch fließt, Maria aber schöpft aus dem Kelch und gießt
davon über die ganze Christenheit aus. O, was für eine anmutige Schilderung ist
das! Ich glaube, daß die Mutter Gottes besonders an ihren Festtagen so tun darf
und diejenigen frommen Seelen, welche ihr zu Ehren die hl. Messe mit Andacht mitfeiern,
mit den Händen ihres Jesuleins segnet und sie mit seinem rosenfarbenen Blut besprengt.
Lerne daraus, daß du die hl. Messe recht oft Maria zu Ehren mitfeierst. Wenn
du in einer besonderen Not bist, dann kannst du ihre Hilfe und Fürbitte nicht sicherer
erlangen, als indem du ihr zu Ehren eine hl. Messe lesen läßt oder, wenn du das
nicht kannst, andächtig eine hl. Messe ihr zu Ehren mitfeierst. Denn weil ihr
durch die hl. Messe der größte Dienst geleistet wird, so wird sie aus Dankbarkeit
angetrieben, dem Menschen Hilfe zu leisten.
7. Der berühmte Geschichtsschreiber Baronius erzählt, daß im Jahr 998 Robert,
König von Frankreich, ins Feld gezogen sei und das Schloß St. Germain mit großer
Macht belagert habe. Die Belagerten wehrten sich kräftig und fügten dem König einen
nicht geringen Schaden zu, worüber dieser so heftig ergrimmte, daß er beschloß,
am sechsten Tag die Festung zu umzingeln und auf einmal mit aller Macht zu stürmen.
Vor diesem Angriff fürchteten sich die Belagerten sehr und suchten Hilfe bei dem
gottseligen Priester Gislebert aus dem Benediktinerorden. Dieser ermahnte sie, ihr
Vertrauen auf Maria zu setzen und ihr zu Ehren die hl. Messe zu besuchen. Er las
die hl. Messe am Marienaltar, und alles Volk wohnte dem hl. Opfer mit möglichster
Andacht bei. Diese einzige Messe bewirkte so viel, daß während derselben ein
dichter Nebel die ganze Festung so bedeckte und verdunkelte, daß die Belagerer dieselbe
kaum sehen und nicht beschießen konnten, die Belagerten aber konnten ihre Feinde
wohl sehen und ihnen mit ihren Geschossen gewaltigen Schaden zufügen. Wie nun
der König sah, daß seine Macht sehr geschwächt und in Gefahr des gänzlichen Untergangs
war, ließ er sie abziehen und marschierte in Zorn davon.
8. Siehe, was eine einzige Messe zu Ehren Mariens für eine Kraft gehabt hat!
Wenn auch solche wunderbare Erhörungen nicht allzeit eintreffen, so ist die Anrufung
Mariens doch nie vergeblich, sondern wird anderweit reichlich vergolten. Sie ist
auch der Hilfe und Fürbitte der übrigen Heiligen weit überlegen.
Darüber schreibt der sel. Alanus folgendes:
|
1. |
Was Maria von Gott begehrt, das erhält sie gewiß. |
|
2. |
Gott verleiht Barmherzigkeit nach der
Fürbitte Mariens. |
|
3. |
Die Welt wäre längst untergegangen, wenn Maria nicht ihre Fürbitte dafür eingelegt
hätte. |
|
4. |
Maria liebt die Sünder mehr, als ein Mensch den anderen lieben kann. |
|
5. |
Die Rettung der Sünder verlangt sie so sehr, daß sie bereit wäre, wenn Gott
es zuließe, täglich alle Leiden der ganzen Welt für die Genugtuung eines jeden zu
leiden. |
|
6. |
Der geringste Maria erwiesene Dienst, wenn es auch nur ein einziger englischer
Gruß wäre, ist viel mehr als ein tausendfältig größerer Dienst, den man einem anderen
Heiligen erweist, sofern man den Heiligen mit ihr vergleicht. |
|
7. |
Ein einziges gesprochenes Ave Maria ist kostbarer als sonst etwas unter dem
Himmel, sei es eine zeitliche Gabe des Leibes, der Seele oder des Lebens. |
|
8.
|
Wie der Himmel größer ist als ein Stern, so vielmal ist die Barmherzigkeit Mariens
größer als die aller Heiligen. |
|
9.
|
Wie die Sonne der Erde mehr nützt als alle Sterne, so viel mehr hilft Maria ihren
Dienern als die Heiligen. |
|
10. |
Der Dienst, der Maria erwiesen wird, bringt allen Heiligen Freude. |
|
11. |
Der den Heiligen erwiesene Dienst ist dem Silber zu vergleichen, der Maria erwiesene
dem Gold, der Christus erwiesene dem Edelgestein und der der allerheiligsten Dreifaltigkeit
erwiesene den Sternen. |
|
12. |
Maria errettet täglich mehrere Seelen aus dem Fegfeuer." |
9. Diese zwölf Privilegien oder Gnaden sind zu vergleichen mit jener Krone von zwölf
Sternen, welche der hl. Johannes auf dem Haupt Mariens gesehen hat. Wer dieselben
nun aufmerksam liest und erwägt, der muß ja gleichsam mit Gewalt zum Dienst und
zur Verehrung Mariens gezogen werden. So diene ihr denn mit allem Fleiß, vorzüglich
durch das Besuchen der hl. Messe und die öftere Aufopferung ihres liebsten Jesus.
Denn sooft eine hl. Messe gelesen wird, so oft wird ja Christus geistiger Weise
von neuem geboren und so oft wird ihre mütterliche Würde erneuert.
Inhaltsverzeichnis
2. Wie die hl. Messe die Freude der Heiligen ist.
10. Sehr nützlich und tröstlich ist es, zu wissen, wie viel und auf welche Weise
die Messe den lieben Heiligen nützt, und wie man dieselbe an ihren Festtagen zur
Vermehrung ihrer Herrlichkeit aufopfern soll. Auf welche Weise die zufälligen Freuden
der Heiligen vermehrt werden können, kannst du in diesem Kapitel (Nr. 3) nachlesen.
Ich füge noch hinzu, daß die Heiligen von uns verehrt zu werden verlangen, weil
dies der Wille Gottes ist, der seine getreuen Diener geehrt wissen will, und weil
die lieben Heiligen wegen ihrer Tugend würdig sind, geehrt zu werden, wie Christus
selbst gesagt hat: „Sie werden mit mir wandeln in weißen Kleidern, denn sie sind
es wert" (Offb 3,4). Schon im Alten Bund hatte der Herr gesagt: „Wer mich ehrt,
den werde ich ehren" (1 Kg 2,30). Unter anderen kommt auch noch dieser Grund
dazu: Weil die lieben Heiligen auf Erden die Ehre geflohen und sich ganz demütig
und bescheiden gehalten haben, ja auch von gottlosen Leuten unschuldigerweise verachtet,
verspottet und verfolgt worden sind, deswegen will Gott, daß ihre Unschuld an den
Tag kommen und von der ganzen Christenheit gepriesen und geehrt werden soll.
11. Ein Beispiel haben wir an Marchodäus, der ein frommer Diener Gottes war
und dennoch vom hochmütigen Aman verfolgt und hingerichtet werden sollte. Der gerechte
Gott aber drehte die Sache um und bewirkte, daß sein treuer Diener von allem Volk geehrt werden mußte. Denn als der König zu Aman sprach: „Was soll
demjenigen geschehen, den der König zu ehren gedenkt?" da antwortete Aman:
„Dem Mann, den der König gerne ehren will, soll man königliche Kleider antun und
ihn auf das Pferd setzen, auf dem der König reitet, und ihm die königliche Krone
auf sein Haupt geben. Und der erste von den königlichen Fürsten und Gewaltigen soll
das Pferd halten und in den Straßen der Stadt einhergehen und rufen und sagen: So
soll geehrt werden, den der König ehren will." Und der König sprach zu ihm:
„Eile und nimm das Kleid und das Pferd, und wie du gesagt hast, so tue dem Juden
Mardochäus." (Est 6,6f.).
12. Wenn nun dieser heidnische König Assuerus dem Marchodäus wegen eines treuen
Dienstes solche Ehre hat zukommen ließ, o was für große Ehre wird dann der dankbarste
Gott seinen treuen Dienern wegen so vieler geleisteten Dienste erweisen und von
dem ganzen Himmel erweisen lassen, vorzüglich an jenen Tagen, an denen sie glorwürdig
in den Himmel geführt wurden und an denen ihre Festtage von der Kirche in aller
Welt gehalten werden. Durch seinen Hl. Geist hat er seiner Kirche eingegeben, daß
sie an diesen Tagen seine treuen Diener und Auserwählten mit den kirchlichen Tageszeiten,
mit Gebeten und Andachten, mit Predigten und Lobgesängen, mit Prozessionen und Wallfahrten,
vorzüglich aber mit dein hl. Meßopfer verehren und verherrlichen solle. Denn „so
sollen geehrt werden, welche der himmlische König will geehrt haben."
13. Die größte Ehre können wir den lieben Heiligen durch das hl. Meßopfer leisten,
wenn man nämlich die hl. Messe zu ihrer größeren Ehre liest oder mitfeiert und sie
dem allmächtigen Gott zur Vermehrung ihrer zufälligen Freuden aufopfert. Obwohl
dabei das Leben und Leiden Christi vorgestellt und nur Gott dem Herrn aufgeopfert
wird, so haben dennoch die Heiligen eine besondere Ehre und Freude davon, weil die
hl. Messe ihnen zu Ehren ist gehalten worden und der ganze Himmel dadurch erfreut
wird.
14. Wenn aber ihr Name in der hl. Messe genannt wird, so ist ihre Ehre und Freude
noch viel größer, und die hl. Messe ist ihnen noch viel angenehmer nach dem Zeugnis
des hl. Chrysostomus, der sagt: „Wenn ein königlicher Sieg gefeiert wird,
so werden auch jene genannt, welche im Krieg seine Gefährten waren und mannhaft
gegen den Feind gekämpft haben. So ist es auch für die Heiligen eine besondere Ehre,
wenn sie bei der hl. Messe in Gegenwart ihres Herrn, dessen Leiden und Tod da voller
Triumph gefeiert und dargestellt wird, mit Namen genannt" und ihre herrlichen Taten,
die sie im Krieg gegen den höllischen Feind vollbracht haben, gerühmt werden. Dann
wird auch dem allmächtigen Gott Dank gesagt für die Stärke, die er ihnen im Streit
verliehen, und für die Gnade, mit der er ihnen zum Sieg verholfen hat. Darüber sagt
Molina: „Den Heiligen kann kein angenehmerer Dienst erwiesen werden, als
daß man unter ihrem Namen dem allmächtigen Gott die hl. Messe aufopfert, ihm für
die ihnen erwiesenen Gnaden Dank sagt, das Gedächtnis ihrer Verdienste begeht und
dieselben zugleich mit der Messe der heiligsten Dreifaltigkeit
aufopfert."
15. Sehr schön liest man darüber in den honigfließenden Offenbarungen der hl.
Gertrud. Am St. Michaelstag opferte sie bei der hl. Messe das allerheiligste
Sakrament des Leibes und Blutes Christi dem Herrn auf mit den Worten: „Zu Ehren deiner
so großen Himmelsfürsten opfere ich dir, o allergütigster Herr, dieses große Sakrament
auf zum ewigen Lob und zur Vermehrung der Freude, Herrlichkeit und Seligkeit aller
Engel." Alsdann sah sie, wie Gott Vater dieses ihm geopferte Sakrament in wunderbarer
Weise in seine Gottheit einzog und aus demselben den himmlischen Geistern so unaussprechliche
Wonnen eingoß, daß, wenn sie vorher keine Seligkeit gehabt hätten, sie aus dieser
Wonne genug Freude schöpften, um Überfluß zu haben an aller Seligkeit. Deswegen
kamen alle Engel nach ihren Ordnungen zur hl. Gertrud, und mit großer Ehrerbietung
sagten sie ihr Dank.
16.
Das sind die Worte dieser Offenbarung, die von vielen hochgelehrten Doktoren
und Ordensgeistlichen approbiert und gutgeheißen worden sind. Es ist ja über alle
Maßen zu verwundern, daß durch die Kraft einer einzigen hl. Messe den Engeln eine
solche Menge himmlischer Freude eingeflößt werde, daß, wenn sie vorher gar keine
Seligkeit gehabt hätten, sie durch die Aufopferung einer einzigen hl. Messe deren
in Überfluß haben; daran aber kannst du die große Kraft der hl. Messe erkennen.
Beachte aber, daß die Gertrud die hl. Messe nicht den Engeln, sondern dem himmlischen
Vater aufgeopfert hat, und daß dieser das hl. Opfer in seine Gottheit eingezogen
und große Wonne dadurch empfunden habe. Hiernach hat er aus dem unendlichen Überfluß
dieser Süßigkeiten allen Engeln neue himmlische Süßigkeiten eingegossen. Ebenso
geschieht es auch, wenn du dem himmlischen Vater eine hl. Messe zur größeren Ehre
eines Heiligen aufopferst.
An einer anderen Stelle dieser Offenbarungen wird erzählt, wie eine Jungfrau
aus Gertruds Klosters Helfta gestorben war. Da hörte eine andere Klosterfrau des
Klosters eine hl. Messe für die Verstorbene und sprach zur Aufhebung der hl. Hostie:
„Himmlischer Vater, ich opfere dir diese hochwürdigste Opfergabe des Leibes und
Blutes Jesu Christi für unsere verstorbene Schwester, und zugleich damit opfere
ich dir alle Treue des süßesten Herzens Jesu, das dieses dir allezeit erwiesen hat."
Da öffnete Gott dieser Klosterfrau ihre innerlichen Augen, und sie sah, wie diese
ihre Schwester bereits im Himmel aufgenommen war, aber durch die hl. Messe eine
solche Vergrößerung ihrer Freuden bekam, als wenn eine Braut an ihrem Hochzeitstage
mit kostbarem Schmuck angetan wird.
17.
Daraus entnimm, was für eine wunderbare Ehre du einem Heiligen erweist
und was für eine Freude du ihm durch Aufopferung einer einzigen hl. Messe machen
kannst. Wenn du auch ihm zu Ehren den ganzen Psalter Davids mit Andacht betest,
würdest du ihm doch nicht solche Vermehrung seiner Freuden bereiten. Wenn du
also hinfür deine himmlischen Schutzpatron recht ehren willst, so besuche ihnen
zu Ehren eine hl. Messe, und bei der hl. Wandlung opfere Gott seinen Sohn zu größerer
Ehre und Freude deiner lieben Heiligen. Auf solche Weise wirst du ihnen größeren
Dienst erweisen und sie werden dir das reichlicher vergelten, wie es schon viele
vor dir erfahren haben. Selbst wunderbare Erhörungen sind erfolgt, wie vom hl. Antonius
und anderen Heiligen zu lesen ist.
18. Im Leben der gottseligen Jungfrau Passidea wird erzählt, wie dieselbe
einst mit dem Kaplan ins Spital ging, um die Kranken zu besuchen. Unter anderen
kamen sie zu einem Mägdlein, das allein in einem Zimmer in den letzten Zügen lag.
Da öffnete es plötzlich die Augen, sah zum Himmel und fing freundlich an zu lächeln.
Da sprach Passidea: Dieses Lächeln bedeutet etwas Besonderes, da es doch gegen allen
Brauch bei den Sterbenden ist. Darum wollen wir Gott bitten, um zu erfahren, was
dieses Lächeln bedeute. Da sie nun beteten, kam das Mägdlein noch einmal zu sich
und konnte noch sagen: „Ich habe mein Leben hindurch den Brauch gehabt, an den Festtagen
der Heiligen ihnen zu Ehren einen Rosenkranz zu beten. Deswegen sind jetzt all
diejenigen Heiligen, die ich mit einem Rosenkranz verehrt habe, zu mir gekommen,
um mir beizustehen und mich in den Himmel zu geleiten. Darüber habe ich so große
Freude gehabt und gelächelt." Danach schloß sie die Augen und verschied selig im
Herrn. Wenn nun der Rosenkranz so viel vermag, wieviel mehr wird dann eine hl. Messe
die Heiligen zur Dankbarkeit gegen ihre Verehrer anregen! Siehe deswegen täglich
in den Kalender, und bei der Messe sprich zu dem Heiligen, der am selben Tag im
Kalender steht: „O lieber heiliger N., diese Messe will ich dir zu Ehren mitfeiern,"
und bei der Wandlung sprich: „O himmlischer Vater, ich opfere dir diese hl. Messe
auf zu größerer Ehre und Freude des hl. N." Was du dadurch erlangst, wirst du beim
Sterben erfahren.
Inhaltsverzeichnis
19. Kap. - Die hl. Messe ist
der größte Nutzen der Gläubigen.
1.
Da ich in diesem Kapitel vom Nutzen der hl. Messe schreiben will, komme ich
an so viele und wichtige Dinge, daß ich schier nicht weiß, wo ich anfangen und wo
ich aufhören soll. Denn die heiligen Väter und geistlichen Lehrer schreiben hiervon
überaus viel. Als ersten will ich den hl. Laurentius Justiniani anführen,
der sagt:
„Gewiß kann keines Menschen Zunge es aussprechen, was für reiche Früchte
aus der Aufopferung der hl. Messe entspringen und was für große Gnaden und
Gaben daraus fließen." Nach diesen Worten beginnt er einige aufzuzählen:
„Denn durch die Aufopferung der hl. Messe wird der Sünder mit Gott versöhnt,
der Gerechte wird noch gerechter, die Missetaten werden nachgelassen, die Laster
werden vermindert, die Tugenden vermehrt, die Verdienste vergrößert und die teuflischen
Gelüste überwunden." Dies sind sehr denkwürdige Worte und sehr rühmliche Ehrentitel
des allerheiligsten Meßopfers. Trotzdem aber dieser Heilige schon so viel Schönes
von der Kraft und Nützlichkeit der hl. Messe sagt, gleichwohl sind all diese Worte
nach seinem eigenen Ausdruck nichts gegen ihren wirklichen Wert.
2. Der ehrwürdige Pater Antonius Molina, ein geistreicher Karthäuser aus
Spanien, hat in seinem Buch „Von der Würde des Priestertums" so viele herrliche
und kräftige Dinge vom hochhl. Meßopfer geschrieben, daß sie ein jedes menschliche
Herz zu der Liebe desselben ziehen müssen. Davon will ich nur dieses eine hier einfügen:
„Nichts ist für den Menschen so nützlich, nichts für die armen Seelen so kräftig
und nichts ist zur Erlangung geistiger Reichtümer so dienlich wie das hochwürdige
Meßopfer. Und zwar sind seine Vorzüge so groß, daß auch solche gute Werke, die wir
unter Übung der vortrefflichsten Tugenden bei Tag und Nacht verrichten würden, noch
weniger als ein Staubkörnlein sind gegen eine rechtmäßig aufgeopferte Messe." Was
wir auch sonst mit wahrer Andacht mit ganzer Aufmerksamkeit, mit tiefer Demut, mit inbrünstiger Liebe, mit reiner Meinung, ja, mit allen Tugenden
verrichten, ist doch nicht mit der hl. Messe zu vergleichen. Diesen Ausspruch wirst
du leicht zustimmen, wenn du die bisherigen Kapitel dieses Buches aufmerksam gelesen
und wohl erwogen hast. Auf daß du es aber noch sicherer glaubst, will ich dir noch
mehr Zeugnisse beibringen.
3. Fornerus, Weihbischof von Bamberg, schreibt: „Wer der hl. Messe ohne Todsünde
und mit Andacht beiwohnt, erwirbt mehr Verdienst, als wenn ein anderer das allermühsamste
Werk Gott zu Liebe verrichtete oder eine gar weite Wallfahrt nach heiligen Orten
ausführte. Und zwar nicht ohne Grund, denn die Tugendwerke bekommen ihren Wert und
ihre Würde von ihrem Gegenstand, mit dem sie sich beschäftigen. Was ist denn
nun edler, was ist kostbarer, was ist göttlicher als eben das hl. Meßopfer?"
O, wohl ein tröstlicher Spruch! Hier sollen ihre Ohren auftun alle, welche geistlichen
Gewinn suchen und ihrem geliebten Gott wohlgefällige Dienste zu leisten verlangen.
Bischof Fornerus, der vieles Lobwürdige von der hl. Messe geschrieben, lehrt standhaft,
daß, wer im Stand der Gnade mit Andacht eine hl. Messe hört, mehr von Gott verdient,
als wenn er das allermühsamste Werk Gott zuliebe verrichtet. Wer wollte dann
nicht gerne Messe besuchen? Meines Erachtens tun jene nicht weise, die freiwillig
weite Wallfahrten machen und auf der Reise manche Messe versäumen. Denn auch mit
ihrer mühseligen Reise können sie den Schaden, der durch Versäumnis einer einzigen
hl. Messe entsteht, nicht ersetzen.
4. Marchantius schildert den Nutzen der hl. Messe folgendermaßen: „Die katholische
Kirche kann nichts Heiligeres, nichts Besseres, Gott dem Herrn nichts Wertvolleres,
Jesus und Maria nichts Angenehmeres, den Engeln und Heiligen nichts Süßeres, den
Gerechten und Sündern nichts Nützlicheres und den armen Seelen nichts Kräftigeres
verrichten, als das hochheilige Meßopfer darbringen." Da siehst du, wie die Lehrer
zusammenstimmen und das hl. Meßopfer allen anderen guten Werken weit vorziehen.
Deswegen sollst auch du ihnen zustimmen und das andächtige Messehören allen deinen
anderen guten Werken vorziehen. Höre aber noch weiter:
5. Im Meßbuch, das 1634 herausgegeben wurde, steht ein Vorwort, die
alle Priester ermahnt, „daß sie einen hohen Sinn von der Erhabenheit der hl. Messe
haben und sicher dafür halten sollen, daß durch Aufopferung einer einzigen hl. Messe
dem allmächtigen Gott ein viel angenehmerer Dienst geleistet werde, als wenn einer
alle Übungen der Tugenden erweckte und alle erdenklichen Leiden Gott zuliebe ertrüge."
Willst du wissen, woher das kommt? Es kommt daher, weil Christus in der hl. Messe
alle Tugenden übt und zugleich mit diesen seine erlittenen Leiden dem himmlischen
Vater aufopfert. Alle diese Übungen des Lobes, der Liebe und Ehre, der Anbetung
und Danksagung, welche Christus in jeder hl. Messe der allerheiligsten Dreifaltigkeit
darbringt, übertreffen alles Lob der Engel und alle Dienste der Heiligen in unendlicher
Weise. Und wenn einer alle Bußwerke, Gebete, Dienste und Tugendwerke der Apostel,
Märtyrer, Bekenner, der Jungfrauen und aller heiligen dem dreifaltigen Gott aufopferte,
so würden ihm diese nicht so gefallen wie eine einzige Messe, die von dem armseligsten
Priester gelesen wird.
6. Endlich bringe ich zum kräftigsten Beweis das Zeugnis der hl. katholischen
Kirche bei, die auf dem Konzil von Trient so spricht: „Notwendig bekennen
wir, daß kein anderes so heiliges und göttliches Werk von den Christgläubigen vollbracht
werden kann als eben dieses furchtbare Geheimnis, bei dem jene lebenspendende
Opfergabe durch die wir mit Gott dem Vater versöhnt worden sind, auf dem Altar durch
die Priester täglich geopfert wird" (Sitzung 22). Wenn wir kein anderes Zeugnis
über den Nutzen der hl. Messe hätten als dieses allein, so sollte dieses eine doch
schon genügen, um alle frommen Seelen zu täglichem, andächtigem Besuch der hl. Messe
anzuregen.
7. Gedenke frommer Christ, was die hl. katholische Kirche, die in Glaubenssachen
nicht irren oder in Irrtum führen kann, in ebengenannten Worten sagt und uns zu
glauben vorlegt, daß nämlich die Christgläubigen kein anderes Werk vollbringen können,
das so heilig und göttlich wäre wie das furchtbare Geheimnis der hl. Messe. Denke
ja nicht, die Kirche spräche diese Worte allein von den Priestern, als wenn nur
diese kein heiligeres Werk tun könnten als die Messe lesen. Nein, das sagt die Kirche
nicht, sondern sie sagt ausdrücklich, daß die Christgläubigen nichts Besseres
tun können. Sie bezeugt also, daß die Priester nichts Heiligeres und Göttlicheres
tun können als die Messe feiern, und die Laien nichts Heiligeres und Göttlicheres
als die Messen besuchen, die Messe dienen, die Messe aufopfern, Messen lesen lassen,
die Meßgebete sprechen und selbst geistiger Weise am Lesen der hl. Messe teilnehmen.
Weil dies denn nun das allerheiligste und göttlichste Werk ist, so muß daraus folgen,
daß es auch das allernützlichste und allerverdienstlichste ist.
8. Öffne doch, gottliebende Seele, deine Augen und siehe, öffne die Ohren und
höre, öffne dein herz und empfinde, was deine liebe Mutter, die katholische Kirche,
zu deinem Trost sagt und dich zu deinem größten Heil lehrt. Du kannst viele vortreffliche
gute Werke zu größerer Ehre Gottes und zu größerer Freude der Heiligen tun, keines
aber, das so göttlich und heilig und ihnen so angenehm wäre, wie mitwirken zur hl.
Messe. Du kannst viele Tugendwerke zu deinem größeren Heil und zu deinem eigenen
Nutzen und Verdienst üben, aber keins, das dir so heilsam, nützlich und verdienstlich
wäre wie der andächtige Besuch der hl. Messe, denn nach dem Ausspruch der Kirche
geht dies allen anderen guten Werken vor. Gleichwie die Sonne an Glanz und Kraft
alle Planeten überstrahlt, und wie sie allein der Welt mehr nützt als alle Sterne
zugleich, ebenso überstrahlt das andächtige Messebesuchen alle guten Werke des
ganzen Tages an Würde und Nutzen. Und wie ein Stücklein Gold ganze Haufen von
Blei an Wert bei weitem übertrifft, so übertrifft der Besuch der hl. Messe deine
anderen Gebete und Bußwerke bei weitem. Wie kannst du es nun über dein Herz bringen,
daß du so manche hl. Messe so unandächtig hörst, so leichtsinnig versäumst und wegen
eines unbedeutenden Geschäfts verscherzt:
9. Der hl. Franz von Sales schätzt den Besuch der hl. Messe so hoch, daß
er ihn auch der Betrachtung vorzieht, obwohl diese sonst die beste Art des Betens
ist Denn als er einmal eine Schwester des von ihm gestifteten Ordens mit der Gründung
eines neuen Klosters beauftragt hatte, schrieb er ihr bald danach folgenden Brief:
„Liebste Tochter, ich bitte, daß ihr vor allem eine Kapelle einrichtet, damit ihr
täglich
die hl. Messe besuchen könnt. Könnt ihr dies aber in eurem Haus nicht tun, so geht
täglich mit Sittsamkeit in die nächste Kirche zur hl. Messe, denn es ist eine mächtige Stärkung der Seelen für die übrige Zeit des Tages, wenn einer morgens seinem
Heiland, der in diesem göttlichen Opfer gegenwärtig ist, so nahe gestanden hat."
Danach schrieb die hl. Johanna Franziska - denn sie war jene Ordensfrau -
an ihren geistlichen Vater zurück und fragte: „Dürfen wir die Betrachtung unterbrechen,
damit wir die hl. Messe hören können, oder sollen wir an Werktagen der Messe fernbleiben,
um der Betrachtung zu obliegen?" Hierauf antwortete der Heilige folgendermaßen:
„Es ist für dich viel nützlicher, daß du täglich die hl. Messe besuchst, als
daß du unter dem Vorwand, die Betrachtung in eurem Haus fortzuführen, die Messe
versäumst. Denn die leibliche Gegenwart der Menschheit Christi, deren wir uns
in der hl. Messe erfreuen, kann durch die im Gemüt vorgestellte Gegenwart nicht
ersetzt werden, besonders da die katholische Kirche sehr danach
verlangt, daß ein jeder täglich die heilige Messe höre."
10. Aus dieser Antwort des hl. Franz von Sales lernst du, daß das Messebesuchen
noch besser ist als das Betrachten, was auch Fornerus betont in den Worten:
„Das Gebet dessen, der die hl. Messe andächtig hört und Gott aufopfert, übertrifft
unendlich alle anderen noch so langwierigen und eifrigen Gebete sowie himmlische
Beschauungen." Als Ursache fügt er hinzu: „Dies geschieht durch die Kraft der
Verdienste des Leidens Christi, das in der hl. Messe durch eine wunderbare Menge
der Gnaden und durch Überfluß der himmlischen Güter eine machtvolle Wirkung hervorbringt."
Solltest du aber anderer Meinung sein und z.B. das hl. Leben und Leiden Christi
betrachten wollen, so kannst du dies nirgends besser als bei der hl. Messe, wo du
alle Geheimnisse seines Lebens und Leidens, welche da wahrhaft erneuert werden,
vor Augen hast. Willst du dir Christus vorstellen oder mit ihm reden, so hast du
ihn ja persönlich mit Gottheit und Menschheit gegenwärtig. Meine ja nicht, daß du
durch Aufmerksamkeit auf die hl. Messe in deiner Betrachtung gestört werdest, denn
das ist keine Zerstreuung, sondern rechte Andacht, wenn du das Tun des Priesters
am Altar beobachtest und die Bedeutung der Zeremonien erwägst.
11. Zum Schluß dieses Kapitels will ich ein denkwürdiges Beispiel erzählen.
Ein armer Tagelöhner trug eine besondere Andacht zur hl. Messe und versäumte
keine, wenn er dazu kommen konnte. Eines Tages war er früh aufgestanden und auf
den Markt gegangen, wo er nach dem Brauch jener Stadt mit vielen anderen auf Arbeit
wartete. Unterdessen läutete man zur Messe, der Tagelöhner ließ die anderen stehen
und ging zur Kirche. Er hörte die Messe mit solcher Andacht, daß er nach derselben
noch eine Weile in der Kirche blieb und Gott innig um die tägliche Nahrung bat.
Als er dann wieder auf den Markt kam, hatten alle anderen Arbeit gefunden, aber
niemand kam mehr, um auch ihm noch Arbeit zu geben. Nach langem Warten ging er traurig
nach Hause, und es wollte ihn schon reuen, daß er durch sein Meßbesuch seinen Tagelohn
versäumt hatte.
Da begegnete ihm ein reicher Herr, der ihn fragte, warum er
so traurig aussehe. Diesem klagte er, was geschehen war. Der Herr sprach: „Darüber
betrübe dich nicht, sondern gehe hin und besuche eine Messe für mich, so will ich
dir deinen Tageslohn geben." Der gute Tagelöhner ging fröhlich hin und hörte alle
Messen, welche in jener Kirche gelesen wurden. Als er nun zu dem reichen Mann kam,
gab dieser ihm eine gute Mahlzeit sowie ein Brot und einen halben Gulden. Für diese
Freigebigkeit bedankte er sich sehr und ging freudig nach Haus. Es begegnete ihm
aber ein anderer sehr vornehmer Herr, der ihn fragte, warum er so fröhlich sei.
Der Arme erzählte ihm den Verlauf der Sache und lobte die Freigebigkeit des Reichen.
Dieser Herr aber sprach: „Der Reiche hat dir viel zu wenig gegeben für so viele
gehörte Messen; gehe deswegen zurück und sage ihm, daß er dir mehr geben solle,
sonst werde es ihm übel ergehen."
Der Tagelöhner ging also wieder zum Reichen, erzählte ihm, was er von dem
Herrn gehört hatte, und beschrieb ihm dessen schöne Gestalt. Der Reiche, der glaubte,
das müsse wohl ein heiliger Mann sein, gab dem armen fünf Reichstaler und bat ihn,
er möge für ihn beten. Der gute Tagelöhner wollte fröhlich nach Hause gehen und
seiner Frau und seinen Kindern sein großes Glück erzählen. Aber derselbe Herr begegnete
ihm wieder und fragte ihn, wieviel er empfangen habe. Der Tagelöhner lobte den Reichen
sehr und sagte, er habe ihm fünf Taler gegeben. Da sprach der Herr: „Gehe abermals
hin und sage ihm, wenn er dir nicht hundert Taler gebe, so werde er morgen nicht
mehr leben." Der Arme weigerte sich zwar, diese Summe von dem Reichen zu fordern,
dennoch, weil der Herr drängte, ging er hin und sagte dem Reichen die Worte. Dieser
erschrak hierüber gar sehr; denn er war ein großer Sünder und hatte seine Sünden
nie gebeichtet. Deshalb wollte er lieber dem Tagelöhner hundert Taler geben, als
eines jähen Todes sterben.
In der folgenden Nacht erschien ihm Christus
im Traum und sprach:
„Ich bin jener, der den armen Tagelöhner zu dir zurückschickte, und zwar deshalb,
weil das Urteil schon gesprochen und bestimmt war, daß du diese Nacht sterben und
wegen deiner schweren, nie gebeichteten Sünden der Hölle übergeben werden solltest.
Zu deinem Glück ist aber der Tagelöhner dazwischen gekommen, der so andächtig die
hl. Messe gehört und so eifrig für dich gebetet hat, daß ich mein Urteil widerrufen
und dir Zeit zur Buße verliehen habe. Beichte deswegen deine Sünden, bessere dein
Leben und gib viel Almosen." Das alles hat der Reiche erfüllt und künftig fleißig
die Messe besucht. So hat sie ihm mehr genützt als all sein Geld, weil er durch
sie vor zeitlichem und ewigem Tod bewahrt und ein frommer Mann wurde.
12. Im Anschluß an dieses Beispiel müssen wir fragen, ob man eine Messe verkaufen
könne. Antwort: Das kann man durchaus nicht tun, denn das wäre ein rechter Judashandel,
der den Herrn um dreißig Silberlinge verkauft hat. Du sagst aber vielleicht: Die
Priester nehmen doch Geld für zu lesende Messen an? Antwort: Sie tun dies darum,
weil der hl. Paulus im ersten Korintherbrief (9,13f.) sagt: „Wißt ihr nicht, daß
die, welche im Heiligtum beschäftigt sind, vom Heiligtum auch essen, und daß jene,
die dem Altar dienen, vom Altar auch ihren Teil empfangen? So hat der Herr verordnet,
daß jene, die das Evangelium predigen, vom Evangelium leben sollen." So nehmen
die Priester das Geld als Mittel zum Leben für sich an, durchaus aber nicht zur
Bezahlung des Verdienstes oder geistlichen Nutzens, den sie demjenigen schenken,
der die Messe bestellt hat. Denn das wäre Simonie und große Sünde, wenn sie geistliche
Dinge für Geld verkaufen wollten.
Desgleichen, wenn eine arme Frau zu einer frommen Frau sagte: „Ich habe heute eine hl. Messe gehört; wenn ihr mit etwas Essen dafür geben wollt, so will ich
euch den Nutzen und das Verdienst dieser Messe schenken," so wäre das gar übel getan,
weil sie den geistlichen Nutzen mit einem zeitlichen Dinge vertauschen wollte. Der
Handel wäre ungültig, weil das Verdienst einer gehörten Messe nicht so lange vorbehalten,
sondern sofort von Gott gegeben wird. Sobald sie also die hl. Messe gehört hat,
da hat Gott ihr auch deren Verdienst zugeeignet. Hat sie aber das Verdienst niemandem
geschenkt, so hat sie dasselbe entweder selbst bekommen oder es ist in den Schatz
der Kirche übergegangen, wozu die Frau den Schlüssel nicht hat. Das gilt nun auch
von dir und von jedem andern, daß du nach der Messe keinem anderen das Verdienst
oder die Genugtuung derselben mehr zuwenden kannst, sondern du mußt vor derselben
oder wenigstens vor der Wandlung die Meinung machen, wofür du sie hören oder
wem du ihren Wert und ihre Genugtuung zuwenden willst.
13.
Wenn aber eine arme Frau zu einer reichen sagte: „Wenn ihr mir etwas zu essen
geben wollt, so will ich eine hl. Messe für euch besuchen," so wäre das ganz richtig
getan und gesagt, denn es wäre so viel als wenn sie sagte: „Den Lohn, den ich durch
diese hl. Messe von Gott verdienen kann, will ich nehmen und euch schenken." So
gäbe dir diese arme Frau zehnmal mehr als du ihr, wenn du sie noch so reich beschenktest.
Denn jeder, der die hl. Messe besucht, bekommt aus den Verdiensten Christi einen
großen Teil, durch den er einen großen Teil seiner Schulden bezahlen und himmlische
Reichtümer einkaufen kann.
Wenn nun ein armer Mensch diesen reichen Schatz, wenn auch für eine Gegengabe, freiwillig
schenkt, so hast du einen so reichen Tausch getan, daß du keinen anderen derart
tun kannst. So lasse dir denn dies gesagt sein, daß du gern durch einen armen Menschen
eine hl. Messe für dich besuchen läßt und auf so leichte Weise deine Schulden abbüßt
und deine himmlische Seligkeit vermehrst.
Inhaltsverzeichnis
20. Kap. - Die hl. Messe ist
eine Vermehrung der Gnade und Glorie.
1. Von der Gnade.
1.
Der göttliche Heiland hat einmal gesagt: „Das Himmelreich gleicht einem
Kaufmann, der gute Perlen sucht. Hat er eine kostbare Perle gefunden, so geht er hin,
verkauft alles, was er hat, und kauft sie" (Mt 13,45f.). Die allerkostbarsten Perlen
werden dir vom himmlischen Vater durch seine heilige Kirche täglich zum Kauf angeboten.
Was sind denn das für Perlen? Es sind die Gnade und die Glorie, die göttliche
Gnade als Ausstattung deiner Seele hier auf Erden und die Glorie im Himmel. Das
sind kostbare und teure Perlen; woher will man Geld genug bekommen, um dieselben
zu kaufen? Wegen des Geldes brauchst du dich nicht zu beunruhigen, denn so kostbar
diese Gaben auch sind, so sind sie dennoch für dich sehr wohlfeil, weil Christus
den übergroßen Preis seines kostbaren Blutes dafür schon bezahlt hat. Du bekommst
sie umsonst, wie schon Isaias geweissagt hat: „Die ihr kein Geld habt, eilt, kauft
und eßt, kommt und kauft ohne Geld und ganz umsonst" (Js 55,1). Auch der Psalmist
sagt: „Gnade und Glorie wird der Herr geben" (Ps 83,12). Zwar gibt Gott beides gern,
aber selten reichlicher als durch die hl. Messe. Das will ich in diesem Kapitel
beweisen, zuvor aber erklären, was die Gnade ist.
2. Unter der göttlichen Gnade verstehen wir die innere, übernatürliche Hilfe,
welche uns Gott zur Erlangung der ewigen Seligkeit verleiht. Wenn diese Hilfe nur
bei einem einzelnen Werke mithelfen soll und demgemäß vorübergeht, so nennen wir
sie Beistandsgnade. Wird die Hilfe aber zu einer Ausstattung unserer Seele,
die ihr ein ganz neues Leben gibt, so nennen wir sie die heiligmachende Gnade,
und von dieser wird im folgenden hauptsächlich gesprochen. Sie ist eine übernatürliche
Gabe, die den Menschen gerecht, Gott wohlgefällig und des ewigen Lebens würdig macht.
Diese Gnade ist der Seele eingegossen und bleibt immer in ihr, wofern sie nicht
durch eine Todsünde daraus vertrieben wird. Die heiligmachende Gnade wird der
Seele durch die Sakramente der Taufe und der Buße eingegossen; dadurch kommt
der Mensch aus dem Stand der Todsünde in den Gnadenstand und wird aus einem Sünder
ein Gerechter. Diese Gnade kann nun immer weiter vermehrt werden, indem der Gerechtfertigte
sich durch gute Werke immer höhere Stufen der Gnade von Gott verdient,
3. Wie kostbar die Gnade ist, lehrt der hl. Thomas von Aquin mit den Worten:
„Das Gut einer einzigen Gnade ist größer als das natürlich Gute der ganzen Welt"
(STh II II, 9 ad 2). Wenn ein Engel abschätzen sollte, was die Gnade Gottes in Wahrheit
wert sei, so müßte er bekennen, daß das geringste Tröpflein der Gnade mehr wiegt
als alles Gold, Geld und Edelgestein und sonstiger Reichtum der ganzen Welt. Das
kann man zwar nicht begreifen, ist aber doch die volle Wahrheit. Denn wenn ein
Mensch nur ein Tröpflein der heilmachenden Gnade hat, so ist er ein Freund Gottes;
wenn er in dieser Gnade stirbt, so gibt ihm Gott wegen derselben viele Reichtümer
des Himmels, ja, er gibt sich selbst ihm zum Lohn, wie er zu Abraham gesagt hat:
„Ich bin dein Schutz und dein übergroßer Lohn" (Gen 15,1). Weil nun Gott
das allerhöchste Gut ist, unendlichmal mehr wert als alles im Himmel und auf Erden,
so muß ja folgen, daß der Mensch, wenn er für das geringste Maß der Gnade Gott selbst
zum Lohn bekommt, vielhunderttausendmal mehr verdient hat als die ganze Welt mit
all ihren Schätzen.
4. Durch jedes gute Werk das der Mensch im Stand der Gnade verrichtet, wird
dieselbe vermehrt, und so verdient der Gerechte je länger, je mehr Gnade, nicht
allein durch die großen guten Werke, sondern durch jedes, auch das kleinste, also
durch jeden guten Gedanken, durch eine demütige Kniebeugung, durch jedes heilige
Wort, durch jedes Stoßgebet - jeder Gedanke, jedes Wort und Werk dieser Art vermehren
die Gnade Gottes im Menschen, für jedes bekommt er Gnade zur bisherigen hinzu und
größeren Lohn im Himmel nach dem Zeugnis Christi: „Wer einem von diesen Geringsten
nur einen Becher kalten Wassers zu trinken reicht, weil er ein Jünger ist, wahrlich
ich sage euch, er wird seinen Lohn nicht verlieren" (Mt 10,42). Er bekommt nämlich
größere Ehre und Freude im Himmel, Gott teilt sich ihm überflüssiger mit, gibt sich
ihm besser zu erkennen, herzlicher zu lieben und vollkommener zu genießen. Weil
denn die Gnade Gottes so leicht zu verdienen ist und weil man einen so großen Lohn
für jedes Tröpflein derselben bekommt, wer wollte denn nicht gern Gutes tun und
nicht von ganzem Herzen Gott dienen.
5. Nun merke, welche Wunderdinge die Gnade in der Seele wirkt. Erstens bringt
sie ihr eine so unaussprechliche Schönheit, daß die Schönheit der Sonne, der Sterne, der Blumen und der Menschen mit ihr nicht zu vergleichen ist. Wenn
du eine mit der Gnade gezierte Seele sehen könntest, so würdest du bekennen, daß
alle natürliche Schönheit dagegen als Häßlichkeit erscheint. Ja, sie ist so groß,
daß Gott selbst sich daran erfreut und lieber Himmel und Erde zugrunde gehen lassen
möchte, als daß ihm diese Schönheit nur einen Augenblick durch eine Todsünde entzogen
und vernichtet wird. Das alles bewirkt schon die kleinste Menge an Gnade; wer
aber mehr Gnade hat, der hat auch mehr und größere Schönheit.
6. Zweitens bringt die Gnade der Seele die Freundschaft Gottes und bewirkt,
daß Gott und die Seele ganz vertraut miteinander werden; der Hl. Geist, dem wir
die Mitteilung der Gnade besonders zuschreiben, will „der süße Gast" unserer Seele
sein. Ja, selbst wenn Gott bei der Seele keine vollkommene Gegenliebe findet, so
weicht er dennoch nicht sofort aus ihr, sondern erst dann, wenn sie ihn durch eine
Todsünde gleichsam mit Gewalt von sich stößt. Alsdann scheidet er von ihr mit größtem
Widerwillen und empfindet diese Untreue viel tiefer, als ein Mensch begreifen kann.
Dennoch verläßt er sie nicht ganz, sondern bleibt vor der Türe stehen und klopft
immerdar an, gleichsam bittend, daß sie ihn wieder einlassen wolle, wie er selbst
sagt: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. So jemand meine Stimme hört und
die Türe mir auftut, zu dem will ich eingehen" (Offb 3,20).
7. Infolge dieser Freundschaft erzeigt sich Gott überaus freigebig gegen die Seele
und teilt ihr reichlich seine Güter mit. Er gibt ihr Tugenden, Andacht, Tröstungen,
Verlangen zum Guten und innere Freuden. Er beschützt und stärkt sie, regiert und
leitet sie, ja er schenkt sich ihr selbst und vereinigt sich ganz mit ihr, wie der
hl. Petrus sagt: „Er hat uns die größten und köstlichsten Verheißungen geschenkt,
so daß wir dadurch in die Gemeinschaft mit der göttlichen Natur kommen" (2 Petr
1,4). Sind das nicht kostbare Geschenke und reiche Gaben? Wenn wir die Gunst und
Gnade großer Herren hoch achten und eifrig suchen, wieviel mehr sollen wir dann
die Gunst und Gnade Gottes, welche so sehr viel wert ist, eifrig suchen und begehren!
8. Schließlich wird die Seele durch Gottes Gnade so hoch geadelt, daß sie nicht
allein zum Freunde, sondern sogar zum Kind Gottes wird. Wenn der Kaiser ein
Bettelkind zu seinem Kind annähme, was für eine Ehre wäre das für dasselbe! Wie
vieltausendmal größere Ehre wird dann aber der Seele zuteil, wenn sie von dem glorwürdigsten
Gott zu seinem Kind angenommen wird! Hierüber ganz verwundert, ruft der hl. Johannes
aus: „Seht, was für eine Liebe uns der Vater erwiesen hat, daß wir Gottes Kinder
genannt werden und es sind" (1 Jo 3,1). Und der hl. Paulus fügt hinzu: „Wenn
aber Kinder, so sind wir auch Erben" (Röm 8,17). O, wohl ein reiches Erbteil,
Erben Gottes zu sein! Sowie es unmöglich ist, zu begreifen, was für ein großer Herr
der unendliche Gott ist, so ist es auch unmöglich, zu begreifen, was für eine gewaltige
Ehre und Gnade es ist, ein Kind und Erbe Gottes zu sein.
9. Aus dieser kurzen Beschreibung ersiehst du einigermaßen, was für ein edle ‘Sache’ die göttliche Gnade ist
und wie sie es wohl verdient,
daß du mit allen Kräften nach ihr streben sollest. Die erste Gnade hat dir Gott
durch die Taufe mitgeteilt. Solltest du sie durch eine Todsünde verloren haben,
so kannst und mußt du sie dir durch Reue und Buße wieder erringen, also durch eine
gute Beicht. Die Vermehrung der Gnade aber erhältst du durch jedes gute Werk. Je
vortrefflicher nun das Werk ist und je vollkommener es verrichtet wird, desto mehr und größere Gnaden erwirbst
du. Jetzt mache die Schlußfolgerung, wie viel Gnaden du durch andächtiges Mitfeiern
der hl. Messe verdienen kannst, weil sie eines von den allerbesten Werken ist, wie
du schon oben gelesen hast.
10.
Wie viel die Priester beim Lesen der hl. Messe an Gnade verdienen können, kann
man daraus entnehmen, daß jeder Priester über fünfhundert Zeremonien verrichten
muß, die von den Rubriken vorgeschrieben sind. Weil er dies aus Gehorsam tut, so
hat er um so größeres Verdienst davon. Wenn er nun neben diesen Zeremonien alle
Worte deutlich ausspricht und die hl. Messe aufmerksam, andächtig und ohne Eile
liest so wächst sein Verdienst gar sehr. Wenn er dagegen auf die Zeremonien nicht
recht achtete und nur geschwind fertig zu werden dächte, dann würde er nicht allein
große Verdienste verscherzen, sondern auch viele läßliche Sünden begehen.
11. Ferner verdienen auch Vermehrung der Gnade und Glorie jene, die eine hl.
Messe lesen lassen, sei es für andere oder für sich selbst. Denn da sie die
Ursache sind, daß die hl. Messe gelesen wird, so werden sie auch der Kraft derselben
teilhaftig, und wenn sie im Stand der Gnade sind, so erwerben sie auch Vermehrung
dieser Gnade.
12. Drittens verdienen sich diejenigen, die der hl. Messe mitfeiern, eine große
Vermehrung der Gnade und Glorie wegen ihrer Andacht und der vielfältigen Tugenden,
die sie dabei üben. Denn erstens erwecken sie so oft Reue und Leid, sooft sie demütig
an die Brust klopfen. Das muß aber nicht bloß so oberflächlich, sondern mit Ernst
geschehen. Weiterhin üben sie vortrefflich die Tugend des Glaubens, indem
sie fest für wahr halten, daß Christus wahrhaftig in der hl. Hostie gegenwärtig
ist und sich auf dem Altar seinem Vater für die armen Sünder aufopfert. Je unbegreiflicher
dieses Geheimnis ist, um so verdienstlicher ist die Übung des Glaubens an dasselbe.
Sooft du also die hl. Hostie ansiehst oder dir vorstellst, daß dein lieber Jesus
auf dem Altar ist, so oft übst du eine große Tugend und verdienst dir eine reiche
Vermehrung der heiligmachenden Gnade, und nach deinem Tode kommst du dafür mehrere
Stufen höher in den Himmel.
13. Neben dem Glauben übst du auch die Tugend der Anbetung, nicht nur einmal,
sondern sooft du dich niederbeugst und deinem Gott innerlich oder äußerlich deine
Ehrfurcht bezeigst. Wenn das auch deine Schuldigkeit ist, so gefällt es doch Christus
überaus sehr, und er belohnt es dir jedesmal mit einer neuen Gnade. Wenn du bei
der Wandlung die hl. Gestalten andächtig anschaust, so übst du die Tugend einer
besonders verdienstlichen Andacht. Und wenn du den Leib und das Blut Christi,
die darunter verborgen sind, Gott aufopferst, so erweist du ihm die höchste Ehre
und den größten Dienst. Ja, diese Gabe ist so groß, daß Gott dadurch den Menschen
verpflichtet wird. Und sooft du bei der hl. Messe sprichst: „O mein Gott, ich opfere
dir deinen lieben Sohn auf; ich opfere dir sein bitteres Leiden oder seinen schmerzlichen
Tod", so oft übst du die Tugend der Freigebigkeit gegen Gott und verdienst
dir durch jede Aufopferung eine neue Gnade und neuen Lohn. Wenn du sprichst: „O
Herr, ich opfere dir diese hl. Messe auf für alle Lebendigen und Verstorbenen, besonders
für diejenigen, für die ich zu beten verpflichtet bin", so übst du die Tugend
der Nächstenliebe.
Wenn du geistiger Weise kommunizierst, so wirst du auch geistiger Weise gespeist
und gestärkt. Noch viel größeres Verdienst aber hast du, wenn du
bei der hl. Messe auch wirklich kommunizierst. - Weil schließlich die hl. Messe
von den Nichtkatholiken verachtet und verlacht wird, deswegen gefällt es Gott, dem
Herrn, über alle Maßen, daß wir sie um so andächtiger und fleißiger mitfeiern und
dadurch die ihr zugefügte Schmach wieder gutmachen. Da kannst du auf dich anwenden
das Wort des göttlichen Heilandes: „Wer mich vor den Menschen bekennen wird,
den will auch ich vor meinem Vater bekennen, der im Himmel ist"
(Mt 10,32).
14.
Wegen all dieser Tugenden belohnt Gott den andächtigen Besuch der hl. Messe
mit reichlichen Gnaden, wie die hl. Väter ausdrücklich bekennen. Denn der hl.
Cyrillus sagt: „Die geistlichen Gaben werden denen, die der Messe andächtig
beiwohnen, in reichem Maß ausgeteilt." Der hl. Cyprian: „Dies übernatürliche
Brot und der geweihte Kelch gereichen dem ganzen Menschen zu Leben und Heil."
Papst Innocenz III.: „Durch die Kraft des Meßopfers werden alle Tugenden
in uns vermehrt und die Früchte aller Gnaden reichlich mitgeteilt." „Deswegen
sollten'', wie der hl. Maximus sagt, „die Christen die hl. Messe nie versäumen,
wegen der Gnaden des Hl. Geistes, welche den Anwesenden dargeboten werden."
15.
Diesen Zeugnissen muß ich noch beifügen, was Osorius schreibt. Wenn ein
Vater seinem Sohn zehntausend Talente Goldes gäbe, daß er damit handeln solle, würde
der nicht bei nur einigem Fleiß in kurzer Zeit ein sehr reicher Mann sein? Nun beachte,
was für große Reichtümer dein himmlischer Vater dir bei der hl. Messe gibt, damit
du gleich seiest „dem Kaufmann, der gute Perlen sucht."
Gott Vater gibt dir bei der Messe seinen eingeborenen Sohn, „in dem die ganze
Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt"
und „in dem alle Schätze der
Weisheit und Erkenntnis verborgen sind" (Kol 2,9 und 3). „Wenn er denn seines Sohnes
nicht geschont, sondern ihn für uns alle hingegeben hat, wie sollte er uns nicht
alles mit ihm geschenkt haben?" (Röm 8, 32.) Der himmlische Vater gibt dir also
bei der hl. Messe seinen Sohn zugleich mit allen seinen Verdiensten und Genugtuungen.
Er gibt dir dessen Fleisch und Blut, dessen Leib und Seele, all seine Schätze und
Reichtümer. Siehe, wie viele und wie große Gnaden du täglich bei der hl. Messe empfängst,
und wie leicht du bei Anwendung von auch nur ganz wenigem Fleiß reich werden kannst.
Denn sooft du bei der hl. Messe den Leib und das Blut, die Verdienste und Reichtümer
Christi dem himmlischen Vater aufopferst, so oft gibst du ihm den ‘Betrag’, für
den du dir himmlische Güter einkaufst.
16. Wenn du nun zu all diesem noch die siebenundsiebzig Gnaden hinzuzählst, die
im dritten Kapitel beschrieben sind, mußt du dann nicht bekennen, daß es nichts
weiter in der Welt gibt, wodurch man so viele Gnaden und Verdienste erwerben kann
wie eben die hl. Messe?
Inhaltsverzeichnis
2. Die himmlische Herrlichkeit.
17. O was für eine edle Sache ist die himmlische Herrlichkeit und Seligkeit,
zu deren Genuß wir erschaffen wurden, nach der wir so herzlich seufzen und so inbrünstig
verlangen, deren kleinstes Maß so groß ist, daß, wie der hl. Paulus sagt,
„kein Auge es gesehen und kein Ohr es gehört und keines Menschen Herz es empfunden
hat." Nun sagt das Konzil von Trient, daß der Mensch im Stand der Gnade durch
das Verdienst Jesu Christi, dessen lebendiges Glied er ist, sich durch seine guten
Werke das ewige Leben und auch die Vermehrung der ewigen Herrlichkeit und Glorie
verdiene (Sitzung 6, Kan. 32), aber es sagt nicht, wie viel Gnade und Glorie er
sich verdient. Dafür sagt uns jedoch Christus selbst: „Ein gutes, eingedrücktes,
gerütteltes und aufgehäuftes Maß wird man in euren Schoß gehen" (Lk 6,38). Das sind
überzeugende Worte, in denen er uns zeigen will, daß der Lohn nicht gering, sondern
überfließend groß sein wird.
18. Gewiß ist es, daß jeder Mensch durch jede hl. Messe, die er mit auch nur
einiger Andacht hört, jedesmal eine neue Stufe der himmlischen Glorie verdient,
und je mehr Andacht er hat, desto mehr Stufen ersteigt er. Je höher nun einer in
den Himmel kommt, desto, näher kommt er zu Gott, desto klarer erkennt er Gott, desto
herzlicher liebt er Gott und desto vollkommener genießt er Gott. Er wird auch bei
jeder Stufe schöner, glänzender, glorwürdiger und bei allen Heiligen angesehener.
Sooft du eine hl. Messe besuchst, so wird dir das im Himmel aufgezeichnet und eine
höhere Stufe der Glorie bestimmt. Diese verlierst du nie, außer wenn du eine Todsünde
begehst; wenn du aber wieder Reue und Leid erweckst und beichtest, so bekommst du
die verlorene Glorie auf derselben Stufe wieder. Wenn du nun dein Leben hindurch
täglich eine hl. Messe gehört hast, o wie viele und hohe Stufen der Glorie sind
dir dann im Himmel bestimmt! Was für ein großer Fürst wirst du im Himmel sein! Wie
viele Reichtümer und Freuden wirst du haben! Wenn du aber an einem Tag bisweilen
zwei oder drei Messen besucht hast, wird dir deine Glorie verdoppelt und vervielfacht.
19.
Höre, wie wunderbar der hl. Paulus schreibt: „Unsere gegenwärtige Trübsal,
die augenblicklich und leicht ist, bewirkt eine überschwengliche, alles überwiegende
Herrlichkeit in uns" (2 Kor 4,17). Beherzige doch diese Worte und erwäge ihren Sinn,
denn sie enthalten ein schönes und unaussprechliches Geheimnis: für eine leichte
und nur einen Augenblick dauernde Trübsal sollen wir eine über alle Maßen große
Herrlichkeit im Himmel bekommen! Wenn denn der hl. Paulus so gewaltige Vergeltung
einer leichten und kurzen Trübsal versprechen durfte, so darf ich dies mit Fug und
Recht auch dem Besuch der hl. Messe zueignen. Denn ihr Besuch ist ja oft auch mit
einer leichten Trübsal oder Abtötung verbunden: wenn du einen weiten Weg zur Kirche
hast; wenn der Weg schmutzig und rutschig ist; wenn du im Winter in der Kirche frieren
mußt; wenn du wegen der hl. Messe etwas früher aufstehen mußt; wenn dir die hl.
Messe etwas zu lang wird; wenn du eine notwendige Arbeit ihretwegen zurückstellst;
wenn du durch sie einen kleinen Gewinn oder Verdienst verscherzt, oder auch wenn
du bei der hl. Messe keine rechte Andacht hast. Diese Beschwerlichkeiten sind
eine leichte und kurze Trübsal, welche du nicht wegen eines zeitlichen Dinges,
sondern wegen des Gottesdienstes, wegen des allerhöchsten guten Werkes leidest.
Daraus folgt denn mit vollem Recht, daß diese leichte und kurze Trübsal und Beschwerlichkeit
eine überaus große Herrlichkeit im Himmel erwirkt und eine jede dich eine Stufe
der Glorie höher erhebt.
20. Etwas von dieser großen Glorie will ich in einem kurzen Beispiel zeigen,
welches ein frommer Franziskanerpater in einer seiner Predigten erwähnte. Ein Bauer hatte
sein Lebtag die hl. Messe geliebt, und zwar so sehr, daß er, auch wenn er auf dem
Feld oder im Wald war und zur Messe läuten hörte, Pflug und Ochsen stehen ließ und
der Kirche zueilte. Diesen heiligen Brauch hatte er in seiner Jugend angefangen
und bis in sein graues Alter eifrig fortgesetzt. Da er nun einmal vom Acker zur
Kirche ging und ihm der Weg wegen des schlechten Wetters sehr schwer fiel, da sprach
er bei sich selbst: „Ich bin nun ein alter Mann und kann nicht mehr so laufen wie
in meiner Jugend; ich glaube kaum, daß es Gott mißfallen würde, wenn ich nicht mehr
so weit vom Feld zur Kirche ginge. Wenn es zur Messe läutet und ich bin zu Hause,
dann will ich hingehen; wenn ich aber auf dem Feld bin, will ich in Gottes Namen
mit meiner Arbeit fortfahren." Als er diesen Gedanken gefaßt hatte, hörte er jemand
ihm nachkommen, und wie er sich umschaute, sah er einen Engel mit einem Schoß voll
blühender Rosen. Dieser Engel war so schön, daß der Bauer vor ihm auf die Knie fallen
wollte, aber jener sagte: „Knie nicht vor mir nieder, ich bin dein Schutzengel."
Der Mann fragte: „O lieber Engel, was bedeutet es denn, daß du mich würdigst, dich
anzuschauen?" worauf der Engel antwortete: „Gott hat mich gesandt, dir nachzugehen,
und das habe ich jedesmal getan, wenn du vom Feld zur Kirche gegangen bist." „Warum
denn das?" fragte der Bauer.
Der Engel sagte: „So viele Schritte du zur Kirche getan hast, so viele Rosen sind
unter deinen Fußstapfen hervorgesprossen. Diese habe ich allezeit aufgehoben und
zum Himmel empor getragen." Alsdann öffnete er seinen Schoß, zeigte ihm die Rosen
und sprach: „Siehe, das sind die Rosen, die ich heute unter deinen Füßen aufgehoben
habe. Darum rate ich dir: tue das nicht, was du bei dir beschlossen hast, sondern
fahre fort in deinem Kirchengehen, wie du es von Jugend auf getan hast. Wenn
du in diesem löblichen Werk bis an dein Ende verharrst, so will ich bei deinem Tod
dein Haupt mit Rosen krönen und deinen himmlischen Thron mit Rosen zieren zu deiner
ewigen Ehre und Glorie."
Danach verschwand der Engel, der Bauer küßte seine Fußstapfen und dankte
Gott für diese freudige Erscheinung. Er konnte sie nie mehr aus seinem Sinn bringen
und war durch die Schönheit des Engels und den süßen Duft der Rosen so entzückt
über die himmlischen Dinge, daß ihm alles auf Erden zuwider war. Er starb nicht
lange danach, mehr aus Begierde nach den Freuden des Himmels als infolge von Schmerzen
und Krankheit.
21. Siehe, diesem frommen Bauern sind alle seine Schritte, die er zur hl. Messe
getan, genau aufgezeichnet und mit diesen himmlischen und unverwelklichen Rosen
belohnt worden, die auf ewig für ihn eine wunderbare Zierde bleiben werden. Wenn
nun schon der Weg zur Messe ihm so reichlich belohnt worden ist, wie dann wohl erst
die hl. Messe selbst! Das wissen wir nicht und können es auch nicht begreifen; wir
werden es aber einmal im Himmel sehen und auch selbst reichen Lohn für fleißigen
Besuch der hl. Messe erlangen.
Inhaltsverzeichnis
3. Von der hl. Kommunion.
22. Am meisten wird die Gnade bei der hl. Messe vermehrt, wenn wir uns aufs innigste
mit dem göttlichen Heiland vereinigen durch die hl. Kommunion. Nun spricht man von zwei Arten dieser Vereinigung, der wirklichen sakramentalen und der nur
geistigen Kommunion. Es ist ganz selbstverständlich, daß die wirkliche Kommunion
hoch über der geistigen steht, denn es ist etwas ganz anderes, wenn der Sohn
Gottes in der Weise, wie er es selbst angeordnet hat, bei uns einkehrt und nunmehr
„er in uns und wir in ihm" sind, als wenn wir wohl seine Gnaden und Gaben wünschen,
aber ihn selbst nicht bei uns einlassen, trotzdem wir es könnten. Darum haben in
den ersten christlichen Zeiten möglichst alle Anwesenden an der hl. Kommunion wirklich
teilgenommen, und seit dem hl. Papst Pius X. sind wir eingeladen, diese heilige
Sitte wieder aufleben zu lassen. Bereits das Konzil von Trient (Sitzung
22, Kap. 6) hat den gleichen Wunsch ausgedrückt: „damit die Frucht dieses heiligsten
Opfers ihnen desto reichlicher zukommen möge."
[Bis Anfang des 20. Jh. gab es nur
selten Kommunionspendung. Heute gehen viele zu hl. Kommunion ohne zu beichten, wissen
oft gar nicht, daß man in der schweren Sünde gar nicht zur Kommunion gehen darf.
Auch die Kommunionbänke haben ihren Sinn, denn es ist der HERR!]
Dieser Gedanke
tritt auch bei der hl. Messe hervor in vielen Gebeten, die aus den Zeiten stammen,
wo die meisten bei der hl. Messe auch ur hl. Kommunion gingen. Eines von diesen
Gebeten spricht der Priester gleich nach der Wandlung:
„Demütig bitten wir dich, allmächtiger Gott, laß diese Opfergaben durch die Hände
deines hl. Engels empor getragen werden auf deinen erhabenen Altar vor das Angesicht
deiner göttlichen Majestät, damit alle, die wir in Teilnahme an diesem Altar den
hochheiligen Leib und das hochheilige Blut deines Sohnes genießen, die Fülle alles
himmlischen Segens und aller Gnade empfangen mögen."
23. Es ist aber auch sehr häufig der Fall, daß jemand nicht zur Kommunion gehen
kann (früher war die Nüchternheit ab Mitternacht vorgeschrieben!); dann soll er
wenigstens geistiger Weise kommunizieren, was man auch dann nicht unterläßt,
wenn man an einem Tag mehrere hl. Messen mitfeiert und schon kommuniziert hat. Die
geistige Kommunion ist nichts anderes als das innige Verlangen, Christus zu empfangen
und sich aufs innigste mit ihm zu vereinigen. Wie Christus in seinem irdischen Leben
nicht bloß durch seine wirkliche Gegenwart, z.B. durch Auflegung seiner Hände, Kranke
gesund gemacht, sondern auch viele Abwesende geheilt hat, z. B. die Tochter der
kananäischen Frau, den Sohn des Beamten und den Knecht des Hauptmanns, so teilt
er nicht bloß bei dem sakramentalen Empfang seines Leibes seine Gnaden aus, sondern
auch an jene, die großes Verlangen nach ihm haben. Auch von der geistigen Kommunion
dürfen wir die Worte Christi verstehen:
„Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken"
(Mt 11,28). Denn was heißt hier „zu ihm kommen" anderes, als aufs lebendigste an
ihn glauben, ihn lieben und alles Gute von ihm hoffen: Christus hat seine Gnaden
ja nicht so an die Sakramente gebunden, daß er außerhalb derselben keine austeilen
könnte. [Jesus sagte zur hl. Angela von Foligno: Die Gnaden
die du bei der Kommunion empfängst, sammle ich in einem goldenen Gefäß und die Gnaden
der geistlichen Kommunion in einem silbernen Gefäß.]
24. Wie kann man denn geistiger Weise kommunizieren? Auf diese Frage antwortet
der geistreiche Weihbischof Fornerus: „Die Kraft der hl. Messe ist so groß,
daß alle diejenigen, die ihre Meinung mit des Priesters Meinung vereinigen und der Wirkung des Meßopfers teilhaftig zu werden verlangen, zugleich mit dem
Priester von diesem Opfer essen und die Frucht dieser geistigen Speise empfangen."
Diese Lehre ist sehr tröstlich, denn danach ist es genug, wenn man denkt: „Ich vereinige
meine Meinung mit der des Priesters und wünsche, daß ich mit dem Priester kommunizieren
könnte und vollen Teil an diesem Opfer haben möge." Die Kraft solcher geistigen
Kommunion erklärt er dann mit folgenden Gleichnissen:
„Wie bei einer herrlichen Mahlzeit keiner von den Hausgenossen Hunger leidet, so
geschieht es auch bei der hl. Messe, diesem großen Abendmahl, daß kein einziger
gegenwärtig ist, der nicht etwas empfängt, wofern er nicht den Mund seines Herzens
vor der Hand Christi, die ihm die geistige Speise reicht, verschließt." „Wie in
einem Keller mit neuem Wein die Luft mit dem Geruch desselben so erfüllt ist, daß
sie einen schon trunken machen kann, so ist an dem Ort der hl. Messe eine solche
Fülle der Gnaden, daß sie nicht allein alles Übel von den Anwesenden vertreibt,
sondern auch himmlische Süßigkeit über sie ausgießt." Das sind recht gute Vergleiche,
um uns die Wirksamkeit der geistigen Kommunion klarzumachen.
25.
Im Leben der Heiligen wird uns öfters erzählt, wie sie dann, wenn sie am wirklichen
Genuß des hochheiligen Sakramentes gehindert waren, für ihr herzliches Verlangen
in wunderbarer Weise mit dieser Seelenspeise gestärkt worden sind. Aber auch die
Kirche selbst lobt als recht und weise die Lehre von der geistigen Kommunion, bei
der „jenen, die der Verlangen nach jenes uns vorgesetzte himmlische Brot essen,
mit lebendigem Glauben, der durch die Liebe tätig ist, die Frucht und den Nutzen
des Sakramentes merken" (Trient Sitzung 13. Kap. 8). Übe also recht oft die geistige
Kommunion; laß diese Übung jedesmal deine Andacht bei der hl. Messe sein, wenn du
das heiligste Sakrament nicht wirklich empfangen kannst.
Der römische Katechismus, der auf Befehl der Päpste Pius V.
und Clemens XIII. herausgegeben ist, sagt: „Es ist ganz klar, daß jene sich
der größten und himmlischen Güter berauben, welche, trotzdem sie zum wirklichen
Empfang des Leibes des Herrn bereit sein könnten, es für genug halten, nur im Geist
die Kommunion zu empfangen." (II 4,55.)
Inhaltsverzeichnis
21. Kap. - Die hl. Messe ist
die sicherste Hoffnung der Sterbenden.
1.
Wie bitter der Tod ist, das kann keiner wissen, außer er hat es selbst erfahren.
Gleichwohl sehen wir es an den Sterbenden, wie hart sie das Scheiden ankommt. Wir
können wohl mit Aristoteles sagen: „Unter allen schrecklichen Dingen ist
nichts schrecklicher als der Tod." Nicht allein, weil er eine Trennung von Leib
und Seele ist, sondern vielmehr, weil er den Eingang zur Ewigkeit und der Ruf vor
das allerstrengste Gericht Gottes ist. Die lebhafte Vorstellung dieser beiden und
noch anderer furchtbarer Dinge jagen dem Sterbenden solch grausame Angst ein, daß
ihm das Herz zittert und der kalte Schweiß ausbricht.
2. Was soll uns nun helfen in dieser bittersten Not, womit soll sich der Sterbende
trösten, daß er nicht verzage? Woran soll er sich klammern, daß er vom Teufel nicht
in Verzweiflung gestürzt werde? Der gewöhnliche Rat ist, daß er sich an die unendliche
Barmherzigkeit Gottes klammere und fest darauf vertrauen und sich verlassen soll. Nun sagt aber der hl. Gregor: „Wer getan hat, was an
ihm ist, der verlasse sich fest auf die Barmherzigkeit Gottes, denn sie wird ihn
nicht verlassen. Wer aber nicht getan, was an ihm ist, der verlasse sich nicht
darauf, denn er betrügt sich selbst."
Wer ist aber der Mensch, der sagen kann, er habe immer getan, was an ihm lag?
Fürwahr, für gewöhnlich findet man unter uns von Tausenden kaum einen. Denn wir
alle könnten viel mehr Gutes tun, als wir wirklich tun, wenn wir nur wollten.
3. Wenn mich denn einer fragt, worauf ein Sterbender sich am sichersten verlassen
könne, so gebe ich ihm zur Antwort: Das sicherste Vertrauen könne er auf die
hl. Messe haben, wenn er sie in seinem Leben herzlich geliebt, andächtig gehört,
kräftig aufgeopfert und selten versäumt hat. Das beweise ich erstens aus der
Hl. Schrift. David sagt nämlich im 4. Psalm: „Opfert ein Opfer der Gerechtigkeit
und hofft auf den Herrn." Das Opfer der Gerechtigkeit ist kein anderes als das
hl. Meßopfer, das die Strafen der Sünden nach der Gerechtigkeit bezahlt und die
Gott zugefügte Schmach nach der Gerechtigkeit abträgt. Das konnten die Opfer des
Alten Testamentes nicht, weswegen sie auch keineswegs Opfer der Gerechtigkeit genannt
werden konnten.
4. Da nun David diese Worte sagt, so spricht er im Geist uns Christen an
und ermahnt uns, die hl. Messe, das wahre Opfer der Gerechtigkeit, fleißig aufzuopfern
und dann ruhig auf den Herrn zu hoffen, da durch das Meßopfer sein Zorn versöhnt
und die Sündenstrafen nach der Gerechtigkeit abgebüßt sind. Das kann man auch aus
einem der folgenden Verse entnehmen, wo es heißt: „Von der Frucht des Getreides,
des Weines und ihres Öles sind sie bereichert worden." Die Priester werden bei
ihrer Weihe mit hl. Öl gesalbt und opfern bei der hl. Messe die Frucht des Getreides
und des Weines, welche beide durch die Wandlung dem allmächtigen Gott zum angenehmsten
Opfer dargebracht werden zur Bereicherung an Verdiensten und Tugenden. Danach fährt
David fort: „Darüber schlafe und ruhe ich in Frieden, denn du, o Herr, hast
mich gefestigt in der Hoffnung."
5. Diese Worte spricht er im Namen eines jeden sterbenden Christen und zeigt,
worauf wir uns bei unserem Tod am meisten verlassen sollen. Daß wir die Worte wirklich
vom Sterbenden auffassen können, zeigt die Kirche, indem sie diese von den Verstorbenen
spricht: „Requiescant in pace - sie mögen ruhen in Frieden." So kann denn ein jeder,
der während seines Lebens den Rat des David fleißig befolgt und oft, ja womöglich
täglich, „das Opfer der Gerechtigkeit geopfert" und es zugleich mit dem Priester
Gott dargebracht hat, fest auf den barmherzigen Gott hoffen und, wenn es zum Sterben
kommt, sagen: „Auf dieses Opfer hoffend, will ich ruhig einschlafen und im Frieden
bis zum Jüngsten Tag in meinem Grab ruhen. Mir ist nicht bange vor dem Tod, denn
du, o Herr, hast mich gefestigt in der Hoffnung. Ich kann mir nicht denken, daß
ich ewig verloren gehen sollte, nachdem ich dir, o Gott, so vielmals das allerangenehmste
Opfer der Gerechtigkeit aufgeopfert und dir dadurch so oft einen unendlich wohlgefälligen
Dienst erwiesen, unendliche Ehre erzeigt, unendliche Freude gemacht und die unendliche
Schmach, die ich dir mit meinen Sünden zugefügt, nach vollgültiger Gerechtigkeit
abgetragen habe. Deswegen hast du mich in ganz besonderer Weise festgestellt in
der Hoffnung. Mit dieser festen Hoffnung will ich im Frieden ruhen, und mit dieser besonderen Hoffnung will ich vor dein strenges
Gericht treten."
6. Auf solche Weise kann sich jeder Sterbende in seiner größten Kleinmütigkeit trösten
und gegen die Verzweiflung stärken. So wird er erfahren, daß er fest gebaut und
wohl vertraut habe, nach dem Beispiel jenes frommen Mannes, der ein besonderer
Liebhaber der hl. Messe gewesen und diese fast täglich mit besonderer Andacht gehört
hatte. Als er endlich zum Sterben kam, setzte er sein ganzes Vertrauen auf die hl.
Messe und fuhr in Frieden hin. Sein Pfarrer, der ihn wegen seiner Frömmigkeit besonders
geschätzt hatte, empfand seinen Tod recht schmerzlich und betete eifrig für seine
Seele. Eines Tages erschien ihm diese in großer Herrlichkeit und sprach zu
ihm: „Ich bin mit Gottes Gnade ein Kind der ewigen Seligkeit. Wiewohl ich euer Gebet
nicht vonnöten gehabt habe, so danke ich euch dennoch sehr dafür." Der Pfarrer fragte:
„Was hast du denn in deinem Leben Gutes getan, wodurch du hauptsächlich die Huld
und Gnade Gottes verdient hast?" Die Seele antwortete:
„Mein bestes Werk war der tägliche Besuch der hl. Messe; die hat mir ein seliges
Ende und ein gnädiges Urteil gebracht." „Wie hast du denn die hl. Messe gehört?"
fragte jener. Die Seele antwortete: „Wenn ich aus meinem Haus ging, bezeichnete
ich mich mit dem hl. Kreuzzeichen und betete auf dem Weg ein Vaterunser, Gott bittend,
er wolle mir die Gnade verleihen, die Messe andächtig zu hören. Wenn ich zur Kirche
kam, kniete ich vor dem Kreuz nieder und betete fünf Vaterunser und Ave Maria zu
Ehren der fünf Wunden Christi. Im übrigen habe ich mich die ganze Messe hindurch
nicht anders verhalten, als wenn ich auf dem Berge Kalvaria gestanden und meinen
am Kreuz hängenden Erlöser angeschaut hätte. Zur Aufhebung der hl. Hostie habe ich
sie angebetet und aufgeopfert und auch mich selbst mit Leib und Seele meinem Gott
aufgeopfert. Das war meine tägliche Übung, wegen der ich durch die Verdienste des
Blutes und der Wunden Christi mit unaussprechlichem Lohn im Himmel belohnt wurde."
Nach diesen Worten verschwand die Seele und ließ den Pfarrer wohlerbaut und mit
Freuden zurück.
7. Das ist wohl ein schönes Beispiel, welches alle Kleinmütigen trösten und ihnen
die Hoffnung auf die ewige Seligkeit vermehren kann. Diesem frommen Mann können
alle Menschen nachfolgen, besonders jene, welche in der Stadt wohnen, und können
dadurch mit geringer Mühe ein seliges Ende und ein gnädiges Urteil sowie unaussprechlichen
Lohn im Himmel erwerben. Jene, die keine Messe besuchen können, sollten sich, wenn
sie ihre eigenen Herren sind, ihre Arbeit unterbrechen und Gott ein Viertelstündchen
schenken, um die Meßgebete zu verrichten. Denn soviel ich weiß, gibt es kein sichereres
Mittel zu einem guten Tod, was ich dir noch näher beweisen will.
8. Nach der Überzeugung aller Gläubigen kann man auf nichts fester seine Hoffnung
bauen als auf die Verdienste des bitteren Leidens und Sterbens Christi. Aber dieses
ist es ja gerade, was in der hl. Messe erneuert und von den andächtig an ihr Teilnehmenden
angerufen und aufgeopfert wird. Ja, was noch mehr ist, die Verdienste des Todes
Christi werden hier wirklich und wahrhaftig allen geschenkt und jenen, die ohne
Todsünde sind, in überfließendem Maß mitgeteilt. Wer also auf die hl. Messe vertraut,
der vertraut auf das Leiden und das Blut Christi.
9. Selbst für die Beicht und Kommunion, die so überaus wichtig zur Erlangung einer guten Sterbestunde sind, kann man durch fleißigen Besuch der hl. Messe
das nötige Vertrauen erwerben. Denn zum Besuch der hl. Messe wird nicht der Stand
der Gnade erfordert wie für die hl. Kommunion, vielmehr soll ja, wie wir schon früher
sagten, auch selbst der Todsünder fleißig die hl. Messe besuchen, damit er durch
sie umso sicherer und eher von der göttlichen Barmherzigkeit die Gnade der Bekehrung
erlangt.
10. Vielleicht sagst du aber doch wieder: Jeder Sterbende soll nur fest auf das
Leiden Christi trauen, denn darum habe Christus so viel gelitten, daß er unsere
Sünden auslöschte und uns vor dem ewigen Tod bewahrte, und deswegen müßten wir viel
mehr auf das Leiden und Sterben Christi als auf die hl. Messe unsere Hoffnung setzen.
Ich antworte: Freilich müssen wir auf das Leiden und Sterben Christi hoffen, aber
dasselbe kann uns doch nur helfen, wenn uns seine Früchte und Verdienste wirklich
zugewendet werden; wenn dies aber nicht geschieht, so ist all unser Hoffen vergebens.
Was nützt es denn den großen Sündern, daß Christus für sie gestorben ist, da sie
trotzdem doch verdammt werden? Warum werden sie verdammt? Weil die Verdienste des
Leidens Christi ihnen nicht zugeeignet werden. Und warum werden sie ihnen nicht
zugeeignet? Weil sie sich der Zueignung nicht würdig gemacht haben. Wodurch machen
wir uns dieser würdig? Durch wahre Reue, durch würdigen Empfang der hl. Sakramente,
durch Verrichtung guter Werke, ganz besonders aber durch die hl. Messe. Denn so
lehrt die Kirche: „Der Früchte des blutigen Kreuzesopfer wird man durch dieses
unblutige Opfer aufs reichste teilhaftig" (Trient Sitzung
22, Kap. 2), und: Die hl. Messe ist deswegen eingesetzt worden, damit durch sie
„die Heilkraft des blutigen Opfers zum Nachlaß jener Sünden, die von uns täglich
begangen werden, zugeeignet würde." (Kap. 1.) Wenn also in der hl. Messe die Verdienste
Christi so reichlich ausgeteilt werden, so können wir mit vollstem Recht auf sie
vertrauen.
11. So kann denn jeder, der oft, gern und mit Eifer die hl. Messe gehört hat, bei
seinem Sterben sich trösten und sprechen: Sollte es denn möglich sein, daß Gott
gegen mich zürnt, da ich ihm doch durch die Aufopferung so vieler hl. Messen vielen
Gefallen und große Dienste erwiesen und so köstliche Gaben geopfert habe, die ihm
angenehmer waren als alle Schätze des Himmels und der Erde? Sollte es denn möglich
sein, daß er meiner Sünden noch gedenkt und schwere Strafen für mich vorbehält,
nachdem ich ihn täglich so demütig um Verzeihung gebeten und zur Bezahlung meiner
Schulden die reichen Verdienste seines Sohnes aufgeopfert habe? Sollte es wohl möglich
sein, daß er mein Gebet nicht erhört hätte, da doch sein geliebter Sohn in allen
Messen mit mir und für mich gebetet und seine Wunden und sein Blut für mich aufgeopfert
hat?
12. Wer auf solche Weise die Hoffnung erweckt, der vertraut in vollster Wahrheit
nicht auf sich, sondern auf Christus, dessen Verdienste ihm in der hl. Messe geschenkt
worden sind. Wer in dieser Weise vertraut der vertraut auf das Leiden Christi,
das in der hl. Messe erneuert und fortgeführt wird. Er vertraut auf das Blut
Christ; das in der hl. Messe geopfert und über ihn ausgesprengt ist. Er vertraut
auf die Verdienste Christi, die ihm in der hl. Messe zugeteilt und von ihm
erworben sind. Er vertraut auf die allerkostbarste Gabe; die durch die Hände der Priester geopfert
und vom gütigen Gott mit Dank angenommen worden ist. Er vertraut auf das Gebet,
das von Christus und seinen Dienern, den Priestern, für ihn gesprochen und Gott
dem Vater für sein Heil aufgeopfert worden ist. Auf diese kräftigen Dinge sollen
wir hoffen, auf diese können wir hoffen, und auf diese wollen wir hoffen.
13. Das haben die hl. Väter wohl erkannt, die sich besonders durch andächtiges
Feiern der hl. Messe auf den bevorstehenden Tod vorbereitet haben. Vom hl. Theodorus
Studita, einem großen Vorkämpfer des katholischen Glaubens, schreibt Baronius
zum Jahr 826, er sei vor seinem Tod in eine so schwere Krankheit verfallen, daß
er schon mehr einem Toten als einem Lebendigen ähnlich sah. Als er nun zum Sterben
kam, bat er Gott noch um die eine Gnade, ihm sein Leben noch so lang zu fristen,
daß er nur noch eine hl. Messe feiern und sich dadurch auf den harten Todeskampf
vorbereiten könne. Seiner Bitte gemäß ließ die Krankheit ein wenig nach, und er
kam etwas zu Kräften, so daß er zur Verwunderung aller aufstand und ohne Hilfe in
die Kirche ging. Hier las er mit größter Andacht die hl. Messe. Das war seine
letzte und beste Vorbereitung auf den Tod, denn als er nach der hl. Messe sich
wieder zu Bett gelegt hatte, starb er sanft und selig im Herrn.
14. Desgleichen schreibt Baronius zum Jahr 806 vom hl. Tarasius, Patriarch
von Konstantinopel, obwohl seine letzte Krankheit ihm sehr hart zusetzte und alle
Kräfte fast wegnahm, so habe sie ihn dennoch vom täglichen Messelesen nicht abhalten
können. Er las sie alle Tage mit brennender Liebe zu Gott und achtete die heftigen
Schmerzen gleichsam für nichts. Als er vor großer Mattigkeit nicht mehr aufrecht
stehen konnte, lehnte er sich mit der Brust auf den Altar. Diese große Andacht führte
er fort bis zum Ende seines Lebens und verdiente dadurch ein seliges Sterben und
das ewige Leben.
15. Solche Andacht üben auch heute noch viele frommen Priester, da sie keine
bessere Vorbereitung auf den Tod kennen als die andächtige, tägliche hl. Messe,
Das mögen auch die Laien sich zum Vorbild nehmen. Wie schön wäre es, wenn ganz besonders
die alten Leute, die doch am lebhaftesten an den bevorstehenden Tod denken sollen,
täglich zur hl. Messe sich einfänden! Selig zu preisen sind jene, welche bis an
ihre Sterbestunde im Eifer zur hl. Messe verharren, denn sie werden durch die übernatürliche
Kraft derselben wider die Anfechtungen des bösen Feindes mächtig gestärkt und vor
dem ewigen Verderben bewahrt bleiben.
Diesen Trost gibt ihnen der hl. Papst Gregor: „Das Opfer der hl. Messe bewahrt
die Seele vor dem Untergang." Denn wenn der Erzengel Raphael hat zu Tobias sagen
dürfen: „Das Almosen errettet vom Tod, und reinigt von Sünden und bewirkt, daß man
Barmherzigkeit und das ewige Leben findet" (Tob 12,9), wie viel mehr kann man das
von dem gnadenvollsten Meßopfer sagen, daß es die sterbenden Seelen vom bösen Tod
errette, sie von Sünden reinige und ihnen Barmherzigkeit und das ewige Leben erwirbt!
16. Nun höre, welch herrliche Versprechungen Christus in den Offenbarungen der
hl. Mechthild den Liebhabern der hl. Messe gegeben hat! „Ich sage dir, daß
ich demjenigen, der fleißig und andächtig der hl. Messe beiwohnt, in seinem Sterben
zum Trost und Schutz, wie auch zu ehrlicher Begleitung seiner heimfahrenden Seele
so viele edle Personen von meinen Heiligen schicken werde, wie er Messen auf
Erden mit Andacht gehört hat." O, wer wollte denn nicht gern zur
Messe gehen, wenn er solch schöne Verheißungen hört! O göttlicher Heiland, wenn
du diese Versprechung an mir erfüllen wirst, dann will ich sterbend mit David ausrufen:
„Der Herr ist mein Licht und mein Heil, wen soll ich fürchten? Der Herr ist
der Beschirmer meines Lebens, vor wem soll ich zittern?” (Ps 26,1.)
Denn wenn du mir beim Hinscheiden zum Schutz und Trost so viele Heiligen senden
wirst, dann brauche ich mich vor einem ganzen Heer von Teufeln nicht zu fürchten,
da ein einziger Heiliger mächtig genug ist, alle Geister der Hölle in die Flucht
zu schlagen. Erfülle daher, o gütigster Jesu, diese deine Versprechung an mir und
lasse mich in meiner Hoffnung nicht zuschanden werden. Auf daß ich aber deiner Zusage
teilhaftig werden möge, will ich täglich mit aller nur möglichen Andacht die hl.
Messe besuchen und sie durch die Hände der Priester zu deinem größeren Ruhm aufopfern.
17. Auf solche Weise scheidet die Seele voller Hoffnung von dieser Welt und
wird, voller Trost auf die Kraft der hl. Messe vertrauend, zum Richterstuhl Christi
geführt. Wie meinst du aber, daß es da gehen werde? Ich kann dir das nicht besser
erklären als mit jener Geschichte, die nach dem Bericht des Baronius der
hl. Bonifatius seiner Schwester geschrieben hat. Danach wurde ein Bruder
in einem Kloster nach seinem Tod wieder auferweckt und hat erzählt, wie es ihm
ergangen sei.
„Als ich zum Gericht Gottes geführt wurde", so sagte er, „da kamen mir alle meine
begangenen Sünden gleichwie Personen in abscheulicher Gestalt entgegen, und eine
nach der anderen sprach zu mir: ich bin die eitle Ehre, mit der du dich vor den
Menschen gerühmt und erhoben hast. ich bin die Lügen, die du ausgesprochen hast.
Ich bin die unnützen Worte, die du so oft gesprochen hast. Ich bin die unnützen
Gedanken, die du in und außerhalb der Kirche gehabt hast, und also fort; so kamen
mir die Sünden, die ich zu beichten aus Nachlässigkeit, Vergessenheit und Unwissenheit
unterlassen hatte, vor mein Angesicht, klagten mich aufs ärgste an und schrieen
wider mich mit furchtbarer Stimme. Auch die Teufel kamen und stimmten mit ein und
bewiesen mir, zu welcher Zeit und an welchen Orten ich diese Sünden begangen hatte.
Danach kamen mir auch die wenigen guten Werke, die ich in meinem Leben vollbracht
hatte, entgegen, und eins nach dem anderen sprach: Ich bin der Gehorsam, welchen
du den Vorgesetzten geleistet hast. Ich bin das Fasten, womit du deinen Leib abgetötet
hast. Ich bin das Gebet, das du zu Gott empor gesandt hast. Und so weiter kam ein
gutes Werk nach dem andern, das mich tröstete, und hierzu kamen die guten Engel,
gaben Zeugnis darüber und lobten diese guten Werke gar sehr."
18. Was diesem frommen Bruder widerfahren ist, das wird ohne Zweifel auch dir und
mir widerfahren. Deine begangenen Sünden werden dir in schreckhafter Gestalt
vor Augen stehen; deine guten Werke aber werden dich wieder trösten und stärken.
Wenn du aber andächtig viele Messen gehört hast, so werden dir diese alle in Gestalt
der schönsten himmlischen Jungfrauen entgegenkommen, dir allen Schrecken benehmen
und freundlich zusprechen, etwa mit den Worten:
„Wir sind die hl. Messen, welche du andächtig gehört hast, wir wollen mit dir vor
den strengen Richter treten, dich vor ihm entschuldigen und ihm ausführlich nachweisen, wie große Andacht du dabei gehabt hast, wie viele Sünden du dadurch ausgelöscht
und wie viele Strafen du bezahlt hast. Darum schöpfe guten Mut, denn wir wollen
den Zorn des Richters besänftigen und dir seine Gnade erbitten." O, was für ein
großer Trost wird das für deine bedrängte Seele sein, wenn du so viele treue Freunde
und Fürbitter bei dem strengen Richter finden wirst!
19.
Dann wird dir hoffentlich widerfahren, was Raynaldus 1241 vom seligen Nanker,
Bischof von Breslau schreibt. Dieser hatte eine ganz besondere Andacht zur hl.
Messe gehabt und täglich womöglich alle Messen, welche in seiner Kirche gelesen
wurden, andächtig gehört. Bei seinem Tod hörte eine fromme Frau einen so süßen und
lieblichen Engelsgesang, daß sie im Paradies zu sein meinte. Als sie nun sehr verlangte,
zu wissen, was doch dieser Jubel der Engel bedeute, da hörte sie eine Stimme, die
sprach: „Die Seele des Bischofs Nanker ist soeben von ihrem Leib geschieden und
wird jetzt von den hl. Engeln in den Himmel getragen." Die Frau fragte: „Wodurch
hat denn der Bischof diese große Ehre und Gnade verdient?" Die Stimme antwortete:
„Durch das hl. Meßopfer, zu dem er eine so große Andacht getragen hat." Dies ist
fürwahr ein tröstliches. Beispiel, das uns zu recht eifriger Teilnahme am hl. Meßopfer
ermuntern sollte. Siehe, der fromme Bischof Nanker ist ohne Fegfeuer in den
Himmel gekommen, ja, mit großer Herrlichkeit, mit süßestem Freudengesang von den
Engeln hinaufgetragen worden. Die Hauptursache war seine Liebe zur hl. Messe, durch
die er alle seine Schulden abgebüßt und ein so seliges Ende sowie eine so glorwürdige
Himmelfahrt verdient hat. Willst du nicht auch solche Gnaden erlangen? Wenn du nicht
gern lange im Fegfeuer brennen willst, wenn du hoch in den Himmel kommen willst,
so folge seinem Beispiel und besuche fleißig die hl. Messe. Kannst du nicht so viele
Messen hören wie er, so kannst du doch den Wunsch erwecken, ebenso viele, ja, noch
mehr zu hören. Kannst du nicht so andächtig dabei sein wie er, so kannst du doch
das Verlangen haben, ebenso, ja, noch andächtiger beten zu können. Alsdann wird
der liebe Gott auch mit deinem guten Willen zufrieden sein und dir sicherlich auch
ein glückseliges Ende schenken.
[Wie viele Messen gehen heute verloren, da in den
Klöstern meist nur noch konzelebriert wird? Wenn 10 oder 20 Priester einzeln zelebrieren,
sind das 10 bzw. 20 Messen! - Wenn 10 Ingenieure eine Brücke bauen, ist das nur
eine Brücke, baut jeder eine, sind es zehn! Sagte mal ein dt. Bischof.]
Inhaltsverzeichnis
22. Kap. - Die hl. Messe ist
die gewisseste Erlösung der Verstorbenen.
1. Was für furchtbare Leiden die armen Seelen im Fegfeuer leiden müssen, das
können wir nicht begreifen und uns auch nicht genügend vorstellen, wir werden es
einmal mit größtem Herzeleid erfahren. Aus mir will ich es nicht schildern, sondern
es mit den Worten der hl. Väter sagen. Der bedeutendste von ihnen, der große Kirchenlehrer
Augustinus, schreibt: „Mit demselben Feuer wird gereinigt der Auserwählte
und gepeinigt der Verdammte. Dieses Feuer ist schärfer als alles, was man auf dieser
Welt sehen, empfinden und ausdenken kann." Schon dieses eine Zeugnis könnte uns
genügen, um die Furchtbarkeit der Leiden des Fegefeuers zu erkennen und davor zu
erschrecken. Der hl. Augustinus will aber den Gedanken an diese Leiden noch viel tiefer in unser Herz eindrücken, deswegen wendet er die Worte
des 37. Psalms auf die Armen Seelen an und sagt, wenn auch dieses Feuer nicht ewig
sei, so sei es doch von solcher Kraft, daß seine Wirkung alle Leiden übertrifft,
die jemals einer auf dieser Welt erlitten hat. „Die Leiden aller Märtyrer und
aller übrigen Menschen sind nichts im Vergleich zu den Leiden des Fegfeuers."
Diese beiden Aussprüche des hl. Augustinus erwäge bei dir und lies in der Geschichte
nach, was für grausame Leiden die Märtyrer erdulden mußten. Dann wirst du leicht
erkennen können, wie furchtbar die Leiden des Fegfeuers sind.
2. Wenn du vielleicht vom hl. Augustinus dich noch nicht genügend hast überzeugen
lassen, so wisse, daß der hl. Bonaventura und der hl. Thomas von Aquin seine
Worte erwähnen und bestätigen. Der hl. Bonaventura schreibt: „Weil es heißt:
»sie werden selig werden«, so wird jenes Feuer verachtet. Ja freilich, sie werden
selig werden durch das Feuer, aber jenes Feuer ist schlimmer als alles, was der
Mensch in diesem Leben ertragen kann." Und der hl. Thomas nimmt an, daß
das Feuer des Reinigungsortes dasselbe sei wie das der Hölle. Deswegen schreibt
er auch: „Ein einziges Fünklein des Fegfeuers übersteigt die allerschwersten
Leiden dieses Lebens."
Der hl. lsidor sagt: „Über das Fegfeuer ist das festzustellen, daß es länger
und heftiger ist als jedes, das sich der Mensch im gegenwärtigen Leben ausdenken
kann." O, wie werden dann wir armen Sünder bestehen mögen, wenn wir nach unserem
Tod in diese Flammen gestürzt werden! Ach, was werden wir dann leiden müssen! Wir
sind ja dessen fast gewiß, daß wir ohne diese Leiden nicht in den Himmel kommen
werden, weil wir nicht heilig und vollkommen sind, sondern unserer bösen Begierlichkeit
nur allzu leicht immer wieder nachgeben.
3. Viele andere denkwürdige Aussprüche der hl. Väter ließen sich noch anführen,
ich will aber nur noch den hl. Bernardin erwähnen: „Zwischen unserem natürlichen
Feuer und dem des Fegfeuers ist ein so großer Unterschied wie zwischen einem gemalten
und wirklichen Feuer." Die hl. Magdalena von Pazzi hat gemeint, „daß ein
großes irdisches Feuer gegen das Fegfeuer wie ein Lustgarten anzusehen sei." Einen
solchen Vergleich habe ich sonst nirgends gefunden oder gelesen, aber er kann recht
gut die Schärfe des Fegfeuers erklären. Diese Worte mögen uns ein starker Antrieb
sein, unsere Sünden auf dieser Welt abzubüßen, damit wir von denselben nicht erst
in dem unerträglichen Feuer gereinigt zu werden brauchen. Zugleich sollen sie auch
herzliches Mitleid gegen die Armen Seelen in uns erwecken, welche in jenem feurigen
Kerker so vielfältige Qualen zu leiden haben, daß sie nicht genug zu bedauern sind.
4. Es gibt nun vielerlei Mittel, den leidenden Seelen zu helfen, aber kein einziges
hilft so kräftig wie das hl. Meßopfer. Dies bezeugt die katholische Kirche auf dem
Konzil von Trient, indem sie sagt: „Den im Fegfeuer gefangenen Seelen würde
durch die Fürbitte der Gläubigen, vorzüglich aber durch das angenehme Opfer des
Altars geholfen" (Sitzung 25). Das ist die Lehre der hl. Kirche und ein Glaubensartikel,
dem niemand widersprechen darf. Dasselbe hat auch der engelgleiche Lehrer, der
hl. Thomas von Aquin, bereits dreihundert Jahre zuvor gelehrt: „Es gibt
nichts, wodurch die Seelen schneller aus dem Fegfeuer erlöst werden, als das hl. Meßopfer."
Daher war es schon von den Zeiten der Apostel her Sitte, beim hl. Opfer auch der
Verstorbenen zu gedenken.
5. Der Grund für diese Wirksamkeit der hl. Messe liegt nicht so sehr darin, weil
der Priester und die übrigen Gott den Herrn um die Erlösung der Seelen eifrig anflehen,
sondern ganz besonders darin, daß ihm eine vollgültige Zahlung für ihre restlichen
Schulden angeboten wird. Denn es ist klar, daß jemand von einem Richter, der einen
armen Menschen wegen seiner Schulden ins Gefängnis hat werfen lassen, wohl schwerlich
die Freilassung desselben durch auch noch so inständiges Bitten erreichen wird;
wenn er aber so viel Geld bezahlt, wie der Gefangene schuldig ist, dann wird er
ihn gar bald aus dem Gefängnis erretten. Die Seelen des Fegfeuers befinden sich
nicht im Zustand des Zornes Gottes, sondern im Zustand der Gnade, da sie den
Zorn durch Reue und Beicht versöhnt haben. Der Grund, warum sie in ihrem schrecklichen
Kerker liegen, sind eben die noch zu bezahlenden Schulden oder Strafen sowie die
noch nicht genügend gereinigten Flecken der Seele.
Wenn du nun für sie aus Mitleid eifrig bittest und ihnen den Wert der Verdienste
deines Gebetes schenkst, so bezahlst du zwar etwas von ihren Schulden, du wirst
sie aber kaum aus ihrer bitteren Qual erretten. Denn der Richter selbst hat das
Urteil gesprochen und mit strengem Ernst gesagt:„Siehe zu, daß du nicht in den Kerker
geworfen wirst; wahrlich ich sage dir, du wirst von da nicht herauskommen bis
du den letzten Heller bezahlt hast" (Mt 5,25f.). Aus diesen Worten Christi lerne,
wie furchtbar streng er sein kann; während er dem, der zehntausend Talente schuldig
war und nicht bezahlen konnte, die ganze große Schuld schenkte, will er auch den
letzten Heller bezahlt haben. Wenn du nun für eine Arme Seele eine hl. Messe
besuchst und sie Gott aufopferst, so bezahlst du jedesmal einen großen Teil der
Schulden dieser armen gefangenen Seelen.
6. Wie viele Strafen durch eine hl. Messe getilgt werden, wissen wir nicht, weil
Gott darüber nichts geoffenbart hat. Aber dieses ist gewiß, daß eine hl. Messe,
die man selbst zu seinen Lebzeiten liest oder hört, viel mehr nützt und mehr Strafen
abzahlt, als die nach dem Tod für uns gelesenen. Denn zu unseren Lebzeiten erhalten
wir durch dieselbe Vermehrung der heiligmachenden Gnade und der himmlischen Herrlichkeit,
was nach dem Tod nicht geschieht, und wenn auch über hundert Messen für uns gelesen
würden.
7. Ferner gibt Gott für die hl. Messe im Leben dem Sünder aus Barmherzigkeit
die Gnade der Bekehrung, was nach dem Tod nicht mehr eintreten kann. Drittens
warten die von dir selbst gehörten Messen deiner nach deinem Tod, gehen mit dir
zum Gericht, rufen für dich um Gnade und bewahren dich entweder vor dem Fegfeuer
oder mildern dir dieses von vornherein. Läßt du sie aber nach deinem Tod lesen,
so mußt du auf sie in den grimmigen Leiden des Fegfeuers mit größtem Jammer warten.
8.
Viertens: wenn du in deinem Leben für eine hl. Messe ein Almosen gibst, so
beraubst du dich deines Geldes und Gutes, sparst es dir gleichsam an deinem
Mund ab und gibst es freiwillig dem lieben Gott. Nach deinem Tod aber ist es nicht mehr deine Gabe, denn es gehört nicht mehr dir, sondern deinen Erben. Darum ist
zu fürchten, daß dir die Gabe nicht mehr so hoch angerechnet wird. Fünftens ist
in dieser Welt die Zeit der Gnaden und Barmherzigkeit, in jener die der Vergeltung
und Gerechtigkeit, darum kannst du den strengen Richter jetzt viel leichter
versöhnen als nachher. Denn so spricht Bonaventura: „Gott schätzt eine geringe
freiwillige Buße in diesem Leben höher als eine viel schwerere nicht freiwillige
in jenem Leben, gleichwie ein wenig Gold mehr gilt als ein großes Stück Blei."
9. Wie viel Strafen nun eine nach dem Tod gelesene Messe abbüßen mag, das
ist ganz ungewiß, woraus wir lernen müssen, recht fleißig für unsere verstorbenen
Freunde zu beten und uns nicht leicht einzubilden. daß sie schon im Himmel seien,
denn die Armen Seelen gehen nicht so leicht in den Himmel ein, wie wir uns gern
denken. Kannst du keine Messe für sie lesen lassen, so besuche viele Messen für
sie oder bitte deine Freunde, daß sie die eine oder die andere Messe für sie besuchen
wollen. Leite auch deine Kinder an, wenn sie morgens mit der Schule zur Kirche gehen,
die hl. Messe für die Lebendigen und die Verstorbenen aufzuopfern. Diesen Rat gab
Tamberinus einer armen Witwe, die ihm klagte, daß sie keine Messen für ihren
verstorbenen Mann könne lesen lassen: „So hört denn," sagte er, „viele Messen und
opfert sie Gott für die Seele eures Mannes auf, denn es kann geschehen, daß dieselbe
durch viele gehörte Messen eher erlöst wird, als wenn die eine oder andere für sie
gelesen würde." Diesen Rat heiße auch ich gut und rate allen armen Leuten dazu.
Denn wiewohl es mehr ist, eine hl. Messe lesen zu lassen als eine für die arme Seele
mitzufeiern, so gereicht es der Seele doch zum besonderen Trost, wenn du die hl.
Messe für sie opferst und das Blut Christi über
sie ausgießest.
10.
Vom sel. Johannes von Alvernia heißt es beim hl. Antonius, als er einmal
am Allerseelentag für die Armen Seelen andächtig die hl. Messe las und nach der
Wandlung Gott inständig bat, daß er wegen der Liebe seines eingeborenen Sohnes die
Armen Seelen aus dem Fegfeuer erretten wolle, da habe er unzählbare Seelen gleichwie
feurige Funken aus dem Fegfeuer in den Himmel schweben gesehen.
11. Es gereicht den lieben Seelen, wie ich kurz zuvor sagte, zu besonderem Trost,
wenn man das hochwürdige Blut Christi in der hl. Messe für sie aufopfert und über
sie ausgießt. Davon haben wir ein Vorbild im Alten Testament, wo Gott sprach:
„Ich habe euch das Blut gegeben, um auf dem Altar damit Versöhnung zu wirken für
eure Seelen, auf daß für die Seele das Blut zur Versöhnung sei" (Lev 17,11). Dazu
sagt der hl. Thomas von Aquin: „In diesen Worten ist vorbedeutet, daß das
Opfer des Leibes und Blutes Christi für die Seelen des Fegfeuers Geltung hat." Denn
da Gott den Juden das Blut der Opfertiere gegeben hat, daß sie es auf dem Altar
zur Buße für ihre Sünden ausgießen sollten, und da dieses Blut zur Reinigung ihrer
Seelen diente, wie viel mehr wird dann das Blut Jesu Christi, das auf dem Altar
konsekriert und aufgeopfert wird, sowohl unsere Seelen wie die des Fegfeuers
von ihren Makeln reinigen und sie aus der Qual erretten.
12. Als dieses rosenfarbene Blut am Kreuz vergossen wurde, hat es alle Seelen aus
dem Kerker des Fegfeuers errettet, wie der Prophet Zacharias bezeugt, indem
von Christus spricht: „Du wirst im Blut deines Bundes deine Gefangenen aus der wasserleeren Grube entlassen." (Zach 9,11). In diesen Worten kann man angedeutet
finden, daß die Erlösung der Seelen dem vergossenen Blut Christi zuzuschreiben sei.
In jeder hl. Messe wird dasselbe hl. „Blut des neuen und ewigen Testamentes"
konsekriert und „zum Nachlaß der Sünden vergossen."
Ohne Zweifel hat es große Kraft, die Armen Seelen zu erquicken, zu reinigen
und zu erlösen. Nie wird einem, der in hitzigem Fieber liegt, ein kühler Trunk so
labend und erquickend sein, wie das kostbare Blut Christi, das in der hl. Messe
geistiger Weise über sie ausgegossen, die Armen Seelen labt und erquickt, reinigt
und erlöst.
13. Ein ansprechendes Beispiel lesen wir im Leben des sel. Heinrich Suso
aus dem Dominikanerorden. Als dieser zu Köln studierte, hatte er mit einem befreundeten
Pater die Verabredung getroffen, daß der, welcher den anderen überleben würde, einige
Messen für den Verstorbenen lesen sollte. Nach Vollendung der Studien blieb Suso
in Köln, der andere aber wurde nach Schwaben geschickt. Nach einigen Jahren starb
dieser, und sein Tod wurde Pater Suso mitgeteilt. Dieser wußte wohl, was er versprochen
hatte, er war aber damals mit so vielen Messen beauftragt, daß er sein Versprechen
nicht halten konnte. Aber umso mehr betete er, fastete streng und geißelte sich
zur Erlösung dieser Seele. Nach einigen Tagen erschien ihm dieselbe voller Betrübnis
und sprach ihn ernst mit den Worten an: „Du ungetreuer Freund, wo ist das Versprechen,
das du mir gegeben hast?" Der gute Pater erschrak und wies hin auf die übrigen guten
Werke, die er für den Verstorbenen aufgeopfert, weil er die hl. Messe nicht hatte
lesen können. Aber die Antwort war: „Dein gottgefälliges Gebet ist nicht mächtig
genug, mich aus der Qual zu erretten, nur das hl. Blut Christi, in der hl. Messe
für uns aufgeopfert, ist dazu imstande."
Nachdem der Pater sich von seinem Schrecken erholt hatte, ging er zum Prior, erzählte
ihm die Erscheinung und bat ihn, einige der Messen ihm abzunehmen, auf daß er sein
Versprechen einlösen könne. Nachdem dies geschehen, erschien ihm der Freund abermals
und zeigte ihm, daß er nunmehr erlöst sei und nun für seinen Freund im Himmel beten
wolle.
14. Auch wenn die Gräber der Verstorbenen mit Weihrauch inzensiert oder mit
Weihwasser besprengt werden, so bringt das den Seelen im Fegfeuer angenehme Erquickung.
Das Weihwasser berührt ja freilich nur das Grab, aber die Kraft seiner Weihe,
die es durch die Gebete der Kirche hat, dringt bis ins Fegfeuer hinab. Deswegen
besprenge die Gräber deiner Lieben gern, du wirst ihnen dadurch Linderung bringen.
15. Vor den Toren Roms steht eine Kirche, die den Namen Maria Himmelsleiter trägt.
In dieser Kirche brachte der hl. Bernhard einst das hl. Opfer für die Verstorbenen
dar, wobei ihm in einer Vision gezeigt ward, wie die dadurch erlösten Seelen, von
Engeln begleitet, wie auf einer Himmelsleiter zur ewigen Seligkeit emporstiegen.
Diese Erscheinung, durch welche die Kirche ihren Namen erhielt, zeigt uns, wie überreich
wir durch das Meßopfer sind, um der Not und Armut der Armen Seelen abzuhelfen. Auf
dem Altar strömen die Quellen des Heilandes; schöpfen wir daraus und gießen wir
das sühnende Blut hinab in den Reinigungsort, um dessen Flammen zu löschen. Welche
Gedanken, welche Liebe soll uns beseelen, wenn wir gleich Chören irdischer Engel
auf das stille, unermeßliche Reich der Seelen hinabschauen und dann gleichsam in goldenen Schalen den Balsam des erlösenden Blutes Christi
am Altar auffangen und über sie ausgießen, damit sie Kühlung erlangen und aus dem
Feuermeer befreit zu den Wohnungen des ewigen Friedens hinaufeilen können.
Inhaltsverzeichnis
23. Kap. - Was und wie der Priester und die Engel für die Mitfeiernden beten.
1. Man kann von frommen Leuten die Klage hören, sie können nicht recht andächtig
beten und würden sehr von ausschweifenden Gedanken geplagt. Diesen weiß ich keinen
besseren Rat zu geben, als daß sie fleißig die hl. Messe besuchen und ihr armseliges
Gebet mit dem Gebet Christi und des Priesters vereinigen. Dadurch wird ihr Gebet
bedeutend verbessert, gleichwie ein kupferner Pfennig, in flüssiges Gold geworfen,
vergoldet wird. Dies bezeugt Fornerus mit den Worten: „Das Gebet, das von den
andächtigen Besuchern der hl. Messe mit dem Meßopfer vereinigt wird, geht allen
anderen Gebeten, mögen sie auch in vollster Andacht stundenlang währen, gleichsam
unendliche Meilen weit vor." Den Grund dafür will ich dir in diesem Kapitel
zu deinem Trost ausführlich erklären.
2. Erstens müssen alle Priester für alle Anwesenden beten und die hl. Messe
für deren Heil aufopfern. Jeder Priester muß das mehrere Male ausdrücklich tun,
weil das im Meßbuch so vorgeschrieben ist. Auch alle Tagesgebete, Stillgebete und
Postkommuniongebete am Schluß der Messe sowie alle in der Mehrzahl, also im Namen
vieler gesprochenen Gebete werden für alle Gegenwärtigen mitverrichtet. Wenn du
also bei der hl. Messe bist, so werden sie auch für dich gebetet und nützen dir
ebensoviel, als wenn du ganz allein mit dem Priester in der Kirche wärst. Damit
du aber weißt, welche und wie viele Gebete das sind, so will ich sie zu deinem Trost
hier erwähnen.
Inhaltsverzeichnis
1. Wie der Priester bei der hl. Messe für uns bittet.
3. Gleich im Anfang, beim Stufengebet spricht der Meßdiener im Namen aller Anwesenden
das Konfiteor oder das allgemeine Sündenbekenntnis, worauf der Priester über
ihn und alle Anwesenden folgende Absolution spricht: „Es erbarme sich eurer der
allmächtige Gott, er lasse euch eure Sünden nach und führe euch zum ewigen Leben.
Amen. Nachlaß, Verzeihung und Vergebung unserer Sünden verleihe uns der allmächtige
und barmherzige Gott. Amen." Wenn der Priester zum Altar hinaufsteigt, sagt er:
„Nimm von uns weg, wir bitten dich, o Herr, unsere Ungerechtig- keiten, damit wir
würdig zu werden mit reinem Herzen zum Allerheiligsten einzugehen. Durch Christus,
unsern Herrn, Amen."
4. Das Kyrie eleison, auf deutsch: Herr, erbarme dich unser, und das Gloria
in excelsis, diesen herrlichen Lobgesang, sowie die dann folgenden Kirchengebete
spricht der Priester für sich, für dich und für alle Anwesenden. Er grüßt sie auch
oft mit den hl. Worten: „Dominus vobiscurn - Der Herr sei mit euch." Das
ist ein Gruß aus der Hl. Schrift, den die Engel und fromme Menschen zu brauchen
pflegten. So begrüßte der Engel den Gideon, Booz die Schnitter, der Erzengel Gabriel
die allerseligste Jungfrau. Diesen Gruß wiederholt der Priester achtmal und wünscht
dadurch dem Volk Heil und Wohlergehen.
Denn wenn Gott mit uns ist, so ist auch seine Gnade, sein Segen, seine Hilfe und Barmherzigkeit mit uns.
Durch das Credo legt der Priester in seinem und im Namen aller Anwesenden das Glaubensbekenntnis
ab, in dem wir begehren zu leben und zu sterben und selig zu werden.
[Früher hat
es der Priester allein gebetet.]
5. Zur Opferung das Brotes betet er: „Nimm an, o heiliger Vater, allmächtiger,
ewiger Gott, diese unbefleckte Opfergabe, die ich, dein unwürdiger Diener, dir,
meinem lebendigen und wahren Gott, darbringe für meine unzählbaren Sünden, Beleidigungen
und Nachlässigkeiten, auch für alle Umstehenden, aber auch für alle Christgläubigen,
Lebende wie Verstorbene, auf daß es mir und ihnen zum ewigen Leben nützen möge.
Amen."
6.
Beim Eingießen von ein wenig Wasser in den Wein spricht er: „O Gott, der
du die Würde der menschlichen Natur wunderbar begründet und noch wunderbarer wiederhergestellt
hast, gib, daß wir durch das Geheimnis dieses Wassers und Weines der Gottheit dessen
teilhaftig werden, der sich gewürdigt hat, unsere Menschheit anzunehmen, Jesus Christus,
dein Sohn, unser Herr."
7. Bei der Opferung des Kelches sagt er folgendes Gebet: „Wir bringen dir dar,
o Herr, den Kelch des Heiles, indem wir deine Milde flehentlich bitten, daß er vor
dem Angesicht deiner göttlichen Majestät zu unserem Heil und dem Heil der ganzen
Welt mit lieblichem Wohlgeruch emporsteige."
8. Wenn dann der Priester die Hände gewaschen. betet er tiefgebeugt in der Mitte
des Altares: „Nimm an, o heilige Dreifaltigkeit, dieses Opfer, das wir dir darbringen
zum Andenken des Leidens, der Auferstehung und Himmelfahrt unseres Herrn Jesu Christi:
zum Gedächtnis der seligen, allzeit reinen Jungfrau Maria und des hl. Johannes des
Täufers sowie der hl. Apostel Petrus und Paulus und dieser und aller Heiligen, auf
daß es ihnen zur Ehre, uns aber zum Heil gereiche und sie für uns Fürsprache einlegen
mögen im Himmel, deren Gedächtnis wir auf Erden feiern. Durch denselben Christus
unsern Herrn. Amen."
[Diese altehrwürdigen Gebete sind nicht zu vergleichen mit den heutigen. Manche
Priester beten daher wieder still diese alten Gebete.]
9. Hierauf folgen die für das Heil des Volkes verrichteten Stillgebete, die der
Priester leise betet, während er in der Präfation seine Stimme zu hellem Lob Gottes
erhebt, um alle Anwesende dazu mit fortzureißen.
Eingeleitet wird die Präfation durch den Wechselgesang:
„Der Herr sei mit euch - Und mit deinem Geist. Erhebet die Herzen! - Wir haben sie
beim Herrn.
Lassett uns danken dem Herrn unserm Gott - Das ist würdig und gerecht."
10.
Danach fährt der Priester in feierlicher Stellung, mit erhobenen Händen fort:
„Wahrhaft würdig und gerecht ist es, billig und heilsam, daß wir dir jederzeit und
allerorten danken, heiliger Herr, allmächtiger Vater, ewiger Gott, durch Christus,
unseren Herrn, durch welchen die Engel deine Majestät loben, die Herrschaften anbeten,
die Mächte erzitternd verherrlichen, die Himmel und die Kräfte der Himmel und die
seligen Seraphim mit einstimmigem Frohlocken preisen. Mit ihnen, so bitten wir,
wollest du auch unsere Stimme zu dir gelangen lassen, indem wir in demütigem Lobpreis
sprechen: Sanctus, sanctus, sanctus - Heilig, heilig, heilig ist der Herr, Gott der Heerscharen, Himmel und Erde sind voll seiner Herrlichkeit, Hosanna
in der Höhe! Gebenedeit, der da kommt im Namen des Herrn, Hosanna in der Höhe."
11.
Nunmehr beginnt der Kanon oder die Stillmesse, worin viel für das Heil der
Gläubigen gebetet wird. Zum Gedächtnis der Lebendigen sagt der Priester zunächst:
„Gedenke, o Herr, deiner Diener und Dienerinnen...", dann gedenkt er still jener,
für die er die hl. Messe feiert und welche er besonders mit einschließen will. Dann
fährt er fort: „Gedenke auch aller Anwesenden, deren Glaube und Andacht dir
bekannt ist, für welche wir dir oder welche dir darbringen dieses Lobopfer, für
sich und all die Ihrigen, für die Erlösung ihrer Seelen, für die Hoffnung ihres
Heiles und Wohlergehens, und welche dir, dem ewigen, lebendigen und wahren Gott,
ihre Gaben bringen."
Über diese Worte spricht ein frommer Geisteslehrer also: Hieraus lerne, daß du
nicht traurig zu sein brauchst, wenn du wegen deiner Armut keine Messen lesen lassen
kannst, weder für dich noch für deine lebenden und verstorbenen Freunde. Denn
die Messe, die du hörst, opfert der Priester auch nach deiner Meinung auf und bittet
Gott, daß er dir für dich und die Deinigen nach deiner Andacht und deinem Verlangen
das Verdienst dieses Opfers zukommen lassen wolle.
12. Nach dem Memento fährt der Priester fort: „Wir vereinigen uns und feiern
das Gedächtnis vor allem der glorreichen, allzeit reinen Jungfrau Maria, der Gebärerin
unseres Gottes und Herrn Jesus Christus, aber auch deiner hl. Apostel und Märtyrer
Petrus und Paulus, Andreas usw., und aller deiner Heiligen, durch deren Verdienste
und Fürbitten du verleihen mögest, daß wir in allem durch deinen hilfreichen Schutz
bewahrt werden. Durch denselben Christus, unsern Herrn. Amen."
13. Danach streckt der Priester seine Hände flach über den Kelch aus und betet:
„Dieses Opfer unseres Dienstes, aber auch deiner ganzen Familie, nimm, wir bitten
dich o Herr, gnädig an; und ordne unsere Tage in deinem Frieden und bewahre,
uns vor der ewigen Verdammnis und reihe uns ein in die Schar deiner Auserwählten.
Durch Christus unsern Herrn. Amen."
14. Nachdem dann die Konsekration stattgefunden und Brot und Wein in den
Leib und das Blut Christiverwandelt worden sind, wobei der Priester zuletzt die
Worte Christi gesagt hat: „Sooft ihr dieses tut, so tut es zu meinem Andenken,"
fährt er fort: „Deswegen, o Herr, sind wir, deine Diener, aber auch dein heiliges
Volk eingedenk des so heilsamen Leidens desselben Christus, deines Sohnes, unseres
Herrn, und ebenso seiner Auferstehung von den Toten, aber auch seiner glorreichen
Himmelfahrt und bringen deiner hochherrlichen Majestät von deinen Geschenken
und Gaben ein reines Opfer, ein heiliges Opfer, ein unbeflecktes Opfer dar,
das hl. Brot des ewigen Lebens und den Kelch des immerwährenden Heiles."
15.
Bei den letzten Worten hat der Priester fünfmal das Kreuzzeichen über die
Opfergaben gemacht. Tiefgebeugt betet er alsbald weiter: „Demütig bitten wir dich,
allmächtiger Gott: laß diese Opfergaben durch die Hände deines heiligen Engels
empor tragen auf deinen erhabenen Altar vor das Angesicht deiner göttlichen Majestät,
damit wir alle, die an diesem Altar teilnehmend den hochheiligen Leib und das hochheilige
Blut deines Sohnes empfangen, mit allem himmlischen Segen und aller Gnade erfüllt
werden. Durch denselben Christus, unsern Herrn. Amen."
16. Nach diesem Gebet folgt das Memento für die Verstorbenen, wobei der Priester
derjenigen Verstorbenen gedenkt, für die zu beten er sich besonders vorgenommen
hat. Nach dem Memento spricht er: „Auch uns Sündern, deinen Dienern, welche
auf die Fülle deiner Erbarmungen hoffen, wollest du einigen Anteil und die Gemeinschaft
schenken mit deinen hl. Aposteln und Märtyrern, mit Johannes, Stephanus usw. und
allen deinen Heiligen, in deren Gemeinschaft du uns, wir bitten dich, aufnehmen
mögest, indem du nicht das Verdienst abwägst, sondern reichlich Verzeihung gewährst.
Durch Christus unsern Herrn."
17. Bald danach betet der Priester das Vaterunser
[früher hat es der Priester allein
gebetet], für sich und alle Christen und fügt hinzu: „Erlöse uns, o Herr, wir
bitten dich, von allen Übeln, den vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen,
und auf die Fürbitte der seligen und glorreichen, allzeit jungfräulichen Gottesmutter
Maria wie auch deiner seligen Apostel Petrus und Paulus und Andreas und aller Heiligen
gib gnädig Frieden in unseren Tagen, damit wir durch die mächtige Hilfe deiner Barmherzigkeit
von der Sünde allezeit frei und vor aller Verwirrung sicher sein mögen."
18.
Das Agnus Dei spricht der Priester dreimal: „O du Lamm Gottes, das du hinweg
nimmst die Sünden der Welt - erbarme dich unser /, gib uns den Frieden." Die folgenden
Gebete spricht er für sich allein; nach der hl. Kommunion, wenn der Kelch wieder
gereinigt ist, bittet er in den letzten Gebeten oder Postkommunionen für sich und
alle und schließt mit folgendem Gebet: „Möge dir, o hl. Dreifaltigkeit, die Huldigung
meines Dienstes gefallen und verleihe, daß das Opfer, das ich Unwürdiger den
Augen deiner Majestät dargebracht habe, dir angenehm sei, mir aber und allen, für
die ich es dargebracht habe, durch dein Erbarmen Sühne erwirke. Durch Christus
unsern Herrn. Amen." Hiernach gibt er den Segen und liest das Evangelium des hl.
Johannes.
19. Das sind die Gebete, die der Priester für dich spricht, wenn du die Messe
besuchst. Sie kommen dir vielleicht recht schlicht vor, haben aber große Kraft,
da sie unter Eingebung des Hl. Geistes teils von den Aposteln, teils vom hl. Gregor
und anderen hl. Päpsten verfaßt wurden. Der Priester spricht diese auch nicht in
seinem Namen, sondern im Namen Christi und seiner hl. Kirche, deren Gesandter er
ist. Denn die ganze katholische Kirche, d.h. alle katholischen Christen, schicken
den Priester als ihren auserwählten Gesandten an den Altar und übertragen ihm ihre
Bitten, auf daß er sie unter dein göttlichen Amt den Augen Gottes in den wichtigen
Angelegenheiten ihrer zeitlichen und ewigen Wohlfahrt, zum Heil der ganzen Christenheit
und zur Erlösung der Armen Seelen unterbreiten soll. Die Worte dafür sind dem Priester
von der Kirche genau vorgeschrieben und im Meßbuch aufgezeichnet.
20.
Wenn nun der Priester an den Altar kommt und sich vor Gottes Angesicht
stellt, so sieht Gott der Herr in ihm nicht den armen Sünder, sondern den bevollmächtigten
Gesandten seiner lieben Kirche, deshalb hört er dessen Bitten gnädig an und ist
zum Erhören bereit. Ja, er achtet ihn sogar als einen Gesandten seines eingeborenen
Sohnes, dessen Person der Priester am Altar vertritt, dessen Passionskleider
er bei der Messe trägt und in dessen Namen er die Worte der Wandlung spricht:
„Dies ist mein Leib; Dies ist der Kelch meines Blutes."
Weil also der Priester die Person Christi am Altar vertritt, deswegen gilt sein
Gebet viel bei Gott, ja, Christus selbst legt dasselbe seinem himmlischen
Vater vor. Ferner ist zu beachten, daß der Priester am Altar nicht bloß betet, sondern
auch eine Gabe darbringt, gleichsam einen Edelstein von unendlichem Wert,
nämlich den Leib und das Blut Christi. Diese Gabe kann Gott nicht ausschlagen und
deswegen auch dem Priester seine Wünsche nicht versagen. Wenn du nun dein schlechtes
Gebet mit dem Gebet des Priesters vereinigst, so wird es verbessert, hochgeadelt
und zugleich mit jenem zum Himmel empor getragen. So hilft dir der Priester beten,
und was du wegen deiner Zerstreuung nicht vermagst. das wird durch das Gebet des
Priesters ersetzt.
21. Hier könnte noch jemand fragen, ob alle Messen gleichermaßen gut sind.
Das, was dem himmlischen Vater bei der hl. Messe geopfert wird, ist immer dasselbe,
nämlich sein eingeborener Sohn, und insofern ist die eine Messe von demselben Wert
wie die andere. Aber trotzdem ist es selbstverständlich, daß es dem himmlischen
Vater nicht gleichgültig ist, ob die hl. Messe andächtig gelesen wird oder nicht.
Deswegen betet der Priester ja oft bei der hl. Messe, daß der gütige Gott sein Opfer
in Gnaden annehmen und dem Volk zum Heil gereichen lassen wolle.
Beim Betet Brüder wendet er sich um und sagt allen Gläubigen, sie sollen beten,
damit sein und ihr Opfer dem allmächtigen Gott angenehm werde. Als wollte er
sagen: O ihr lieben Brüder und Schwestern, wir haben ein so hochwichtiges Werk vor,
daß meine Kräfte nicht ausreichen, um es würdig zu vollbringen. Darum ersuche ich
euch allesamt, ihr möget mir beten und opfern helfen, denn es ist ebensowohl euer
wie mein Opfer, und es ist ebensowohl euer wie mein Heil daran gelegen. Wenn ich
recht andächtig dabei bleibe, so entspringt euch großes Heil daraus; verrichte ich
es aber nachlässig, so habt auch ihr geringeren Nutzen davon. Je frommer also
der Priester ist und je andächtiger er die Messe liest, desto reichere Gnaden strömen
dafür vom Himmel herab.
Dies bezeugt auch Papst Alexander mit den Worten: „Je würdiger die Priester
sind, desto leichter werden sie auch erhört für jene, für die sie bitten."
Der hl.. Bonaventura sagt: Alle Messen sind gleichermaßen gut, soviel Christus
betrifft; was aber die Priester belangt, so ist eine besser als die andere." Und
Kardinal Bona sagt: „Wie heiliger und Gott angenehmer der Priester ist,
desto angenehmer ist auch sein Gebet und sein Opfer, und wie größer seine Andacht
ist, desto nützlicher ist auch seine Messe. Denn gleichwie die anderen guten
Werke eines frommen Menschen desto verdienstlicher sind, je eifriger und andächtiger
sie verrichtet werden, also auch die hl. Messe.'' Deshalb bittet der Priester so
oft bei der hl. Messe, daß Gott sein Opfer in Gnaden annehmen möge.
Inhaltsverzeichnis
2. Wie die Engel bei der hl. Messe für uns bitten.
22. Daß die lieben Engel bei der hl. Messe zugegen sind, ist gewiß und unleugbar.
Die katholische Kirche lehrt es, und der Psalmist bezeugt es mit den Worten: „Seinen
Engeln hat er deinetwegen befohlen, dich zu behüten auf allen deinen Wegen" (Ps
90,11). Daraus folgt, daß sie stets und überall bei uns sind und als „dienstbare Geister", wie der hl. Paulus sagt (Hebr 1,11), für uns sorgen. O, wie gern gehen
sie mit uns, wenn wir zur hl. Messe gehen! Wie freuen sie sich, wenn wir dieselbe
andächtig hören! Wie treiben sie die bösen Geister hinweg, damit diese uns nicht
stören in unserer Andacht! So sind denn wenigstens so viele Engel bei der hl.
Messe, wie Leute da sind, da eines jeden Schutzengel bei ihm ist, der ihm hilft,
Christus auf dem Altar anzubeten. Bitte denn deinen hl. Schutzengel, daß er mit
dir und für dich die hl. Messe mithören wolle, damit, was dir mangelt, durch
ihn erstattet und das hochwürdige Meßopfer dem allmächtigen Gott desto angenehmer
werde.
23. Außer den Schutzengeln sind auch noch Tausende von den höheren Chören der
Engel zugegen, welche bei diesem hochwürdigsten Geheimnis mit Andacht zugegen
sind und ihren Herrn und Gott in aller Ehrfurcht dienen. Denn weil der König der
Engel persönlich gegenwärtig und auf dem Altar das größte Werk seiner göttlichen
Großmut vollbringt, so geziemt es sich auch, daß seine königlichen Diener zugegen
sind und ihrem Herrn die schuldigen Dienste leisten.
24. Das läßt sich erweisen aus dem Text des hl. Paulus (Hebr 12,22f.): „Ihr seid
hinzugetreten zur Stadt des lebendigen Gottes, zum himmlischen Jerusalem, zu
der Menge vieler tausend Engel, zur Gemeinde der Erstlinge, und zu Jesus, dem
Mittler des Neuen Bundes, und zu dem Blut der Reinigung, welches besser redet als
das des Abel." Wie schön passen diese Worte auf die hl. Messe, das Opfer des Neuen
Bundes, in dem unser treuer Mittler stets von neuem sein Blut zur Reinigung seiner
Gläubigen von ihren Sünden vergießt! Da ist er also inmitten vieler tausend Engel.
Da kannst du ja bei der hl. Messe in vollster Wahrheit mit David sprechen: „Vor
dem Angesicht der Engel will ich dir lobsingen, will anbeten zu deinem hl. Tempel
hin und preisen deinen Namen um deiner Barmherzigkeit und deiner Wahrheit willen"
(Ps 137,1f.). Da kniest du mitten unter den Engeln und bist von viel tausend
Engeln umgeben, welche zugleich mit dir die Messe mitfeiern und fleißig für
dich beten. Hierbei erinnere dich der Mahnung des hl. Johannes Chrysostomus:
„Du stehst unter den Cherubim und Seraphim und den anderen himmlischen Kräften!
Deswegen verhalte dich so, daß du sie nicht betrübst durch Unandächtigkeit,
sondern sie durch deinen Eifer erfreust."
25. An anderer Stelle sagt er: „Wenn der Priester das furchtbare und ehrfurcht-
gebietende Opfer der hl. Messe vollbringt, da stehen die Engel bei ihm, und es ruft
der ganze Chor der himmlischen Geister, und der Platz nahe beim Altar ist ganz erfüllt
mit den Chören der Engel, zu Ehren dessen, der da geschlachtet wird." „Zur selben
Zeit rufen nicht allein die Menschen zu Gott, auch die Engel beugen vor ihm die
Knie, und die Erzengel bitten für uns Menschen. Dann haben sie eine gelegene
Zeit, dann kommt ihnen das Opfer zu Hilfe. Da beten dann die Engel etwa mit den
Worten: Wir bitten, o Herr, für diejenigen, welche dein Sohn so sehr liebte, daß
er für sie den Tod erlitt; für jene halten wir an, für die dein Sohn sein Blut vergossen
hat; für jene flehen wir um Gnade, für die dein Sohn diesen seinen hl. Leib am Kreuzaufgeopfert
hat." O merke dir das, wie eifrig die lieben Engel für alle Anwesenden bitten.
Dieses Gebet der Engel ist viel kräftiger als das der armseligen Menschen, denn sie sind voll der Liebe Gottes,
schauen Gott von Angesicht zu Angesicht und beten aus dem ganzen Grunde ihres Herzens.
Deswegen erhalten sie viel eher etwas bei Gott als wir armselige Sünder mit unserem
kalten, zerstreuten und leichtsinnigen Gebete.
Wenn du also bei der hl. Messe
dein Gebet mit dem der Engel vereinigst, so dringt es mit dem ihrigen durch die
Wolken und wird viel eher erhört, als wenn du allein zu Hause betest.
26. Die hl. Engel sind aber bei der hl. Messe nicht bloß gegenwärtig, sondern
opfern dieselbe samt unseren Gebeten Gott dem Herrn auf. Das können wir schließen
aus folgenden Worten der geheimen Offenbarung (8,3f.): „Und es kam ein anderer
Engel und trat vor den Rauchaltar, und er hatte ein goldenes Rauchfaß; und es wurde
ihm viel Weihrauch gegeben, damit er es mit den Gebeten aller Heiligen auf den Altar
legen sollte, der vor dem Thron Gottes ist. Und es stieg auf der Rauch des Rauchwerks
von den Gebeten der Heiligen aus der Hand des Engels vor Gott." Sehen wir da nicht
gleichsam die Engel, wie sie die Gebete der Frommen sammeln und sie einem der ersten
Engel übergeben, damit er sie in den Himmel trage und als wohlriechendes Räucherwerk
auf dem goldenen Altar vor dem Thron Gottes zum süßesten Duft anzünden und aufopfern
möge? An diese Stelle erinnert der Priester, wenn er beim feierlichen Amt die Opfergaben
und den ganzen Altar mit Weihrauch inzensiert und dabei betet; „Durch die Fürsprache
des hl. Erzengels Michael, der zur Rechten des Rauchopferaltares steht, und aller
seiner Auserwählten möge der Herr sich würdigen, diesen Weihrauch zu segnen und
zum lieblichen Geruch anzunehmen." Ferner betet er tiefgebeugt nach der Wandlung:
„Demütig bitten wir dich, allmächtiger Gott, laß diese Opfergaben durch die Hände
deines hl. Engels auf deinen erhabenen Altar vor dem Angesicht deiner göttlichen
Majestät empor getragen werden."
27.
Aus alledem ist zu entnehmen, daß die Engel die hl. Messe samt dem Gebet,
das dabei verrichtet wird, mit Freuden gen Himmel tragen und der hochhl. Dreifaltigkeit
zum lieblichen Geruch aufopfern. Auch hieraus folgt, daß das bei der hl. Messe gesprochene
Gebet viel kräftiger ist als das mit gleicher Andacht außerhalb der hl. Messe verrichtete.
Deswegen sollst du dich befleißigen, möglichst täglich zur hl. Messe zu gehen und
zugleich mit den lieben Engeln, ja mitten unter Tausenden von Engeln dein Gebet
zu verrichten und es durch ihre heiligen Hände in den Himmel empor zusenden, sie
bittend, daß sie es Gott dem Herrn anbefehlen und deine Zerstreuung durch ihre Andacht
ersetzen wollen.
Inhaltsverzeichnis
24. Kap. - Die hl. Messe hindert die Arbeit nicht,
sondern befördert sie.
1. Unter allen Dingen, welche die Leute vom fleißigen Besuch der hl. Messe zurückhalten,
ist nichts wichtiger als die Arbeit. Um Geld zu verdienen oder einen Gewinn zu erzielen,
wird Tag und Nacht gearbeitet, und jede Stunde ohne Arbeit wird für verloren angesehen,
ganz besonders aber gelten die Stunden, die man bei der hl. Messe oder dem übrigen
Gottesdienst zubringt, als fruchtlos und verloren. Wie groß der Irrtum aber ist
und wie man dabei vom Teufel betrogen wird, darauf will ich gleich zu Beginn dieses
Kapitels hinweisen. Wenn einem, der zu einer Feldarbeit geht, ein guter Freund begegnet und ihm die neuesten Nachrichten erzählt, so wird er ihm gern
eine halbe Stunde zuhören und kaum daran denken, daß er an seine Arbeit muß. Wenn
er aber unterdessen eine hl. Messe hätte hören wollen, so würden ihn seine Gedanken
fortwährend geplagt und an die Arbeit erinnert haben. Oder wenn jemand einen zu
einem Trunk einlädt, da wird er gern eine halbe Stunde mit ihm zubringen und den
Verlust dieser Zeit für gar keinen Schaden ansehen. Wenn er aber vor seiner Arbeit
die Frühmesse hätte hören wollen, so wäre ihm diese halbe Stunde wie ein ganz verlorene
Zeit vorgekommen.
2. Daß das Anhören der hl. Messe allen, die zu arbeiten haben, nicht allein keinen
Schaden, sondern sogar großen Nutzen bringt, das sagt uns der göttliche Heiland
selbst, wo er vor der allzu großen und allzu ängstlichen Sorge um das tägliche Brot
warnt und schließlich hinzufügt: „Sucht also zuerst das Reich Gottes und seine
Gerechtigkeit, so wird euch alles andere dazugegeben werden" (Mt 6,33). Diese
Worte beziehen viele Ausleger der Hl. Schrift auf die hl. Messe, als ob Christus
gesagt hätte: Sucht vor eurer Arbeit die hl. Messe zu besuchen, verrichtet Gott
diesen großen Dienst, dann wird er euch zur Vergeltung dafür die leibliche Nahrung
schon zuteil werden lassen. Wenn jemand einem vornehmen und freundlichen Herrn einen
großen Dienst erwiese, meinst du wohl, daß dieser ihm denselben unvergolten lassen
würde? Ich meine es durchaus nicht, sondern glaube ganz fest, er werde ihn sehr
reichlich vergelten. Wenn du nun eine hl. Messe mit Andacht mitfeierst, dann erweist
du Gott einen unendlichen Dienst und unendliche Ehre; du opferst ihm eine Gabe,
welche den Wert des ganzen Himmels übertriffst.
Meinst du nun wohl, daß der allerdankbarste Herr dir diesen lieben Dienst und
dieses reiche Geschenk unvergolten lassen oder gar einen Schaden dafür zustoßen
lassen werde? Ich kann es mir jedenfalls durchaus nicht vorstellen.
Denn dann würdest du es ihm ja am Jüngsten Tage vorhalten und sagen dürfen, du hast
ihn durch die hl. Messe geehrt und er habe dir dafür Schaden zugefügt, während er
doch gesagt hat, daß er selbst einen Trunk Wassers nicht unbelohnt lassen wolle.
Da am Jüngsten Tag wird er vor aller Welt es zeigen, wie er schon hier auf der Erde
jede hl. Messe reichlich belohnt hat und wie er sie den Seligen des Himmels in Ewigkeit
belohnen wird. Oft genug läßt er das schon hier auf der Erde klar genug hervortreten,
wovon du selbst die Beweise im Leben genug finden kannst, wenn du nur genügend darauf
achtest. Unterdes will ich dir ein paar Beispiele dafür erzählen.
3. Zuerst fällt mir jene ganz bekannte Geschichte ein, die der hl. Johannes,
der Almosengeber, zu erzählen pflegte.
Zu Alexandria waren damals zwei Schuhmacher, beide verheiratet;
der eine hatte viele Kinder und brachte es zu einigem Wohlstand; der andere hatte
keine Kinder, arbeitete Tag und Nacht und brachte es dennoch zu nichts. Da ging
der letztere einmal zum anderen und fragte ihn voll Verwunderung: „Lieber Nachbar,
ich weiß nicht, woher es kommt, daß du mit deinen vielen Kindern, und obwohl du
nicht so arbeitest wie ich, dennoch täglich reicher wirst, während ich, der ich
keine Kinder habe und Tag und Nacht arbeite, täglich ärmer werde."
Der andere antwortete: „Ich habe einen heimlichen Schatz gefunden und hole mir täglich etwas davon. Komme morgen früh zu mir, so will ich dir den Ort zeigen,
wo der Schatz liegt. Er ist so groß, daß unsere ganze Stadt davon reich werden könnte."
Am folgenden Morgen kam der arme Schuster in aller Frühe, sein Nachbar aber sagte:
„Wir wollen zunächst zur hl. Messe gehen, danach will ich dir den Schatz zeigen."
Am folgenden Morgen und am dritten Tage ging es ebenso, bis der erste voller Unwillen
sagte, den Weg zur Kirche kenne er selber, und seinen Spott brauche keiner mit ihm
zu treiben. Da bekam er zur Antwort: „Zürne mir nicht, mein lieber Nachbar, denn
ich habe dich nicht verspottet, sondern dir den Ort des Schatzes gezeigt. Der Ort
ist die Kirche, und der Schatz ist die hl. Messe; aus dieser schöpfe ich täglich
so viel Gutes, daß ich keinen Mangel zu Hause spüre.
Wenn du es mir nachmachst, so wirst du ohne Zweifel dieselbe Wohltat von Gott empfangen.
Zum Zeugen dafür nenne ich dir Christus, der in seinem Evangelium gesagt hat: Sucht
zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, das Zeitliche wird euch dann dazugegeben
werden. Ich habe vom Anfang meiner Ehe an täglich die hl. Messe besucht, dadurch
das Reich Gottes gesucht und habe erfahren, daß mir das Zeitliche von Gott dazugegeben
wurde. Du aber hast diesen Rat Christi verachtet und dafür Armut eingeerntet."
Durch diesen Tadel wurde der unandächtige Handwerker klüger, hörte von nun an täglich
die hl. Messe und wurde auch von Gott gesegnet.
4.
Mit vollem Recht hat der fromme Schuster die hl. Messe einen Schatz genannt;
es passen auf sie die Worte: „Sie ist ein unerschöpflicher Schatz für den Menschen;
wer ihn benützt, wird der Freundschaft Gottes teilhaftig" (Wsh 8,4). Ja, sie
ist ein Goldbergwerk, aus dem man mit Leichtigkeit irdisches und himmlisches Gold
gewinnen kann. Jeder, der sich im Stand der heiligmachenden Gnade befindet, der
wird der Verdienste Christi teilhaftig; die heiligmachende Gnade wird vermehrt,
das übernatürliche Leben gestärkt und gekräftigt, und so geht er allzeit reicher
aus der Kirche heraus als hinein. Er empfängt auch den Segen von seinem himmlischen
Vater, und zwar einen bessern als Isaak seinem Sohn Jakob gab, da er sprach:
„Gott gebe dir vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde, die Fülle von Korn und
Wein" (Gen 27,28). Dieser Segen war nur irdisch; jener aber, den du in der Messe
empfängst, ist zugleich himmlisch, wie der Priester nach der Wandlung betet: ,,Damit
wir alle, die von diesem Altar den heiligsten Leib und das Blut deines Sohnes empfangen,
mit allem himmlischen Segen und Gnade erfüllt werden." Um dieses Gebetes und
der hl. Messe willen wirst du von Gott gesegnet an Leib und Seele, in deinen Arbeiten
und Geschäften, in zeitlichen und ewigen Dingen. Und erfüllt sich an dir der Segen
Gottes: „Gesegnet wirst du sein, wenn du ausgehst und wenn du eingehst, gesegnet
in der Stadt und auf dem Felde: Segen wird der Herr senden über alle Werke deiner
Hände" (Dt 28).
5.
Es ist ein bekanntes und wahres Sprichwort: „An Gottes Segen ist alles gelegen."
Die Wahrheit davon erfahren alle Handwerker, Bauern und alle Menschen ohne Ausnahme.
Wenn sie auch allen Fleiß und alle Vorsicht anwenden, so wird es dennoch nichts
nützen, wenn Gott nicht seinen Segen dazu gibt. Nun aber gibt es ja kaum ein sichereres
Mittel auf Erden; um Gottes gnadenreichen Segen zu erhalten, als wenn man der hl.
Messe besucht, denn da erteilt nicht etwa bloß der Priester seinen priesterlichen Segen, sondern Christus seinen göttlichen Segen. Wenn du also
die hl. Messe versäumst, so verscherzt du den Segen Gottes, und deine Arbeit
kann dir nicht so gedeihen, als wenn du sie mit Gottes Segen angefangen und vollendet
hättest.
6. Hüte dich, daß du nicht etwa mit den Spöttern sagst: „Was soll mir das Messehören
nützen? Ich werde doch nicht reicher davon, und niemand gibt mir etwas dafür." Solche
losen Worte reden jene, die von der hl. Messe nichts verstehen. Du aber hast in
diesem Buch so viel von der übernatürlichen Kraft und Würde der hl. Messe gelesen,
daß sich ohne Zweifel dein Herz darüber gefreut hat. Deswegen wirst du dich lieber
an Fornerus halten, der sagt: „Die Speise, die du an dem Tag ißt, da du die
Messe gehört hast, wird dir besser gedeihen; die Arbeit wird dir besser vorwärts
gehen, und die Not, die du leidest, wird dir durch fleißiges Messehören gelindert
werden."
7. Ähnlich spricht ein anderer: „Wer die hl. Messe besucht hat, der hat an dem
Tag mehr Glück bei der Arbeit, in seinem Handwerk, bei seinem Kaufen und bei seinen
Reisen. Der Herr wird ihn stärken an Leib und Seele, die Engel werden lieber
bei ihm sein und ihn mit mehr Sorgfalt beschützen. Solltest du an einem solchen
Tag unversehens sterben, so wird Christus in deinen letzten Zügen bei dir sein,
wie du während der Messe bei ihm gewesen bist." Wie oft haben wir selbst diesen
Nutzen schon an uns und an anderen erfahren!
8. Vom hl. Isidor, einem Bauer aus Spanien, lesen wir, daß er die Äcker eines
reichen Herrn aus Madrid für einen jährlichen Lohn zu bebauen übernommen hatte.
Das tat er nun mit allem Fleiß, aber dabei unterließ er seine Andacht nicht, sondern
ging am Morgen von einer Kirche zur andern, um möglichst viele Messen zu hören.
Diese Andacht gefiel dem lieben Gott so wohl, daß er ihm seine Engel zur Hilfe schickte,
damit beim Ackerbau nichts versäumt würde. Seine fromme Frau sah das oftmals mit
eigenen Augen, wenn sie ihm sein Essen aufs Feld hinaus brachte; er selbst aber
sah es nicht, und seine Frau sagte es ihm auch nicht, damit er nicht eitel würde.
Einige neidische Bauern aber verklagten ihn beim Besitzer, daß er so spät zur Arbeit
komme. Darüber wurde dieser so zornig, daß er Isidor aufsuchte und ihn als untreuen
Arbeiter schalt. Der Heilige aber sprach ruhig: „Ich weiß ja, mein Herr, daß ich
Euer Lehnmann bin; aber ich weiß auch, daß ich dem König aller Könige zu dienen
schuldig bin und seinen Dienst nicht unterlassen kann. Wenn Ihr aber fürchtet,
daß ich Euch Schaden zufüge, so könnt Ihr zur Erntezeit Euch an meinen Früchten
schadlos halten." Durch diese freundlichen Worte wurde der Junker versöhnt und ließ
den frommen Mann weiter täglich die hl. Messe hören. Damit er aber gründlich erführe,
wann denn jener eigentlich zur Arbeit komme, ging er eines Morgens hinaus, verbarg
sich hinter einem Felsen und wurde sehr zornig, als Isidor recht spät eintraf. Als
er nun hinging, um ihn tüchtig auszuschelten, sah er, wie neben Isidor noch zwei
andere mit weißen Ochsen pflügten und Isidor in der Mitte hatten. Erstaunt stand
er still und schaute sich die weißen Ochsen samt den fleißigen Pflügern, als er
aber näher heranging, waren sie vor seinen Augen verschwunden. Er grüßte den Isidor
freundlich und fragte, was das für Männer seien, die ihm geholfen hätten. Der Heilige
lächelte und wußte nicht, was er antworten sollte. Da sprach der Herr: „Ich sage dir gewiß, daß ich noch zwei andere gesehen
habe, welche neben dir pflügten; als ich aber näher kam, da verschwanden sie vor
meinen Augen." der hl. Isidor sprach: „Vor Gottes Angesicht bekenne ich, daß ich
hier keinen Helfer gesehen habe; nur Gott habe ich um seine Hilfe angerufen." Aus
diesen Worten erkannte der Herr, daß die zwei Pflüger Engel gewesen sein mußten,
und er freute sich, einen so heiligen Arbeiter zu haben.
9. An dieser Geschichte kannst du es ja mit Händen greifen, daß das Messebesuchen
nichts versäumt, sondern die Arbeit fördert, weil Gott es so angeordnet hat, daß
unsere Arbeit dadurch mehr glückt und besser von den Händen geht. Die Zeit, die
wir an der Arbeit versäumt und zum höchsten Gottesdienst angewendet haben; die Zeit,
die wir Gott geschenkt haben; die Zeit, in der wir unsern Gewinn verscherzt und
die Ehre Gottes befördert haben, diese Zeit ist nicht verloren, sondern sehr wohl
angelegt und wird uns von Gott zeitlich und ewiglich vergolten werden.
Das gilt auch von dir, lieber Leser! Sei versichert, daß Gott dich nicht Schaden
leiden läßt, wenn du eine halbe Stunde unterbrichst; nein, er wird dir diesen treuen
Dienst doppelt vergelten und vielfach belohnen. Denn er hat es ja selbst versprochen
und zugesagt: „Sucht zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, dann wird
auch das übrige dazu gegeben werden." Also besuche am Morgen vor allem die hl. Messe,
dann wirst du auch in zeitlichen Dingen reich gesegnet werden.
Inhaltsverzeichnis
25. Kap. - Von der Aufopferung der hl. Messe.
1. Dieses Kapitel wollest du, andächtige Seele, aufmerksam lesen und tief in
dein Gedächtnis einprägen, weil daran viel für dich gelegen ist und dir aus der
Befolgung der Lehre, die ich darin gebe, großer Nutzen entspringen wird. Du weißt, daß die hl. Messe ein wahrhaftiges und das allerhöchste Opfer der Christenheit ist.
Nun sollst du nie vergessen, auch deinerseits es recht herzlich dem himmlischen
Vater aufzuopfern. Wenn auch der höchste Priester bei der hl. Messe Christus
selbst ist, und wenn auch kein anderer als nur der geweihte Priester die hl. Messe
feiern kann, so soll dennoch gerade bei der hl. Messe das Wort des hl. Petrus
wahr sein, das er zu uns allen gesprochen hat: „Ihr aber seid ein auserwähltes
Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein gottgehöriges
Volk, damit ihr die herrlichen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis
zu seinem wunderbaren Licht berufen hat", „baut euch auf zu einem heiligen Priestertum,
um geistige Opfer darzubringen, welche Gott wohlgefällig sind durch Jesus
Christus." (1 Petr 2,9 und 5.)
2. Mit diesen Worten spricht der hl. Petrus von den großen Gnaden, die Gott uns
im Neuen Bund gegeben hat, wovon die wichtigste diese ist, daß er nicht allein den
Priestern, sondern auch den Laien, Männern und Frauen und Kindern, vergönnt hat,
das allerhochwürdigste und allergöttlichste Opfer der hl. Messe seiner Majestät
aufzuopfern. Im Alten Bund durfte der, welcher nicht Priester war, nicht allein
kein Schlachtopfer darbringen, sondern nicht einmal Weihrauch im Tempel anzünden.
Sie mußten zwar zu jedem Brand-und Friedopfer Weihrauch hinzulegen, aber es war
ihnen nicht erlaubt, diesen Weihrauch beim Opfer anzuzünden. Wenn einer dieses vermessentlich dennoch tun wollte, so beging er eine große Sünde.
3. Daher lesen wir (2 Chr 26), wie der König Ozias in den Tempel ging und Weihrauch
auf dem Rauchaltar anzünden wollte, da widersetzten sich ihm die Priester und sprachen:
„Es ist nicht deines Amtes, Ozias, daß du dem Herrn Räucherwerk anzündest,
sondern der Priester, d.h. der Söhne Aarons, die zu diesem Dienst geweiht sind;
geh hinaus aus dem Heiligtum und verachte es nicht, denn dies wird dir nicht zur
Ehre gerechnet von Gott dem Herrn." Hierüber wurde Ozias zornig und drohte den Priestern
mit dem Rauchfaß. Alsbald aber wurde er an der Stirn mit dem Aussatz geschlagen,
und er blieb aussätzig bis zu seinem Tod.
4. Wie ganz anders sind wir im Neuen Bund gestellt! Die Messe lesen kann zwar
nur der Priester, aber alle Gläubigen können sich mit ihm vereinigen und
geistiger Weise die hl. Messe mit aufopfern. Ja, nicht bloß geistiger, sondern
auch leiblicher Weise, weil sie ebendasselbe opfern, was der Priester in seinen
Händen hat. O, wohl eine große Gnade für die Laien, daß auch sie sich den kostbaren
Schatz des Leibes und Blutes Christi verschaffen und ihn ohne Mühe, mit ein paar
Worten, zu ihrem größten Nutzen Gott aufopfern können! Diese deine herrliche Freiheit
gebrauche fleißig o frommer Christ, und laß die Aufopferung bei deiner Meßandacht
immer ein wichtiges Stück sein. Denn jene, die weder mit Worten noch mit Gedanken
die Messe aufopfern, schöpfen nicht so großen Nutzen daraus, wie sie könnten,
wenn sie auch dem Gebot der Kirche durch Verrichten anderer Gebete genügend entsprechen.
[Auch der Priester darf neben der Meßintention, noch seine eigenen Anliegen mit
in die hl. Messe legen und kann bei der zweiten Erhebung vor dem Vater unser, den
hl. Leib und ds kostbare Blut Christi nochmals aufopfern.]
5. Um dies klar zu verstehen, denke doch noch einmal nach, was ich schon früher
über den Wert der hl. Messe und ihrer Opfergaben gesagt habe. Wenn du nun bei der
hl. Messe bist und doch nur deine Gebete dem himmlischen Vater anbietest, und wenn
es auch noch so viele Rosenkränze wären, so bleiben es doch nur eben deine menschlichen
Gaben. Sobald du dich aber mit dem Priester und deinem Heiland vereinigst und die
hl. Messe eigens aufopferst, so opferst du den Leib Christi, das Blut Christi,
die Wunden Christi, die Tränen Christi, den Tod Christi und alle Verdienste Christi.
Sind das nicht die heiligsten und vollkommensten und Gott die angenehmsten Gaben?
6. Du möchtest aber einwenden: „Wer seine Gebete und Rosenkränze aufopfert,
der opfert seine eigenen, durch seine Mühe hervorgebrachten Gaben; wer aber die
Messe oder die Verdienste Christi opfert, der opfert nicht seine, sondern gleichsam
fremde, Christus zugehörige Gaben." Ich aber sage dir, daß der himmlische Vater
deine Gaben allein, ohne die Verdienste Christi, gar nicht ansieht, da sie erst
durch diese Verdienste Christi einigen Wert bekommen. Und darum hat es Jesus so
eingesetzt, daß bei der hl. Messe jedem die Verdienste Christi geschenkt und zugeeignet
werden, so daß du keine fremden, sondern dem himmlischen Vater deine eigenen Gaben
darbringst, wenn du ihm die hl. Messe aufopferst.
7. Nun erwäge bei dir was für eine große Gnade Christus dir erweist, indem er
dich bei der hl. Messe zu einem geistigen Priester macht und dir Gewalt gibt, diese
höchste Gabe nicht bloß für dich, sondern auch für andere aufzuopfern. Darum läßt die Kirche den Priester nach dem Sanktus sprechen: „Gedenke, o Herr, deiner
Diener und Dienerinnen N. N. und aller Umstehenden, für sie bringen wir dieses Lobopfer
und sie selbst opfern es dir für sich und alle Ihrigen" usw. Wenn der Priester
das ‘Betet Brüder’ sagt, so dreht er sich um und bittet alle Gegenwärtigen, (laß
sie ihm helfen sollen zu opfern, indem er bittet: „Betet, Brüder, daß mein und euer
Opfer Gott dem allmächtigen Vater wohlgefalle." Nach der Wandlung betet er: „O Herr,
wir deine Diener und dein heiliges Volk opfern deiner erhabenen Majestät auf
ein reines Opfer" usw. Da sagt der Priester mit ausdrücklichen Worten zu Gott,
daß nicht er allein, sondern zugleich das heilige Volk Gottes mit ihm dies reine
Schlachtopfer darbringe. Wenn die Anwesenden das nun weder mit Worten noch in Gedanken
tun, so täuschen sie gleichsam den Priester, vielmehr sie betrügen sich selbst
[und
Gott], weil sie sich eines großen Verdienstes berauben.
Also benutze die Zeit der hl. Messe nicht dazu, um einige Gebete, vielleicht deine
täglichen Gebet zu verrichten, sondern vereinige dich wirklich mit dem Priester
und sage mit ausdrücklichen Worten: „Ich opfere dir auf, o Herr, deinen lieben
Sohn; ich opfere dir sein Leiden und Sterben; ich opfere dir seine Tugenden
und Verdienste; ich opfere dir alles, was er uns bei seiner Herabkunft vom Himmel
hier auf dem Altar schenkt, damit wir es wiederum dir als eine angenehme und wohlgefällige
Gabe anbieten können." Je herzlicher und öfter dies einer tut, um so mehr erfreut
er Gott, um so mehr bezahlt er von den Strafen seiner Sünden, und um so größeren
Lohn erwirbt er im Himmel.
8. Man kann solche Worte zwar auch außer der hl. Messe sprechen, aber ihre
volle Kraft bekommen sie erst während derselben, da hier das Opfer in der Tat und
Wirklichkeit vor sich geht. Da ist Christus persönlich gegenwärtig, und seine Tugenden
und Verdienste sind ebenfalls gegenwärtig. In der Messe wird er noch einmal geistiger
Weise geschlachtet, und sein Leiden und Sterben wird wahrhaft erneuert. In der hl.
Messe teilt er seine Verdienste reichlich aus, ja, er schenkt uns sich selbst, auf daß wir ihn Gott dem Vater aufopfern sollen. Wenn die Aufopferung, die bloß mit
Worten außer der Messe geschieht, so kräftig ist, daß Christus zur hl. Gertrud
sprach: „Es sei einer ein so großer Sünder, wie er will, so kann er doch
Hoffnung auf Verzeihung erlangen, wenn er nur meinem Vater mein unschuldiges Leiden
aufopfert" - was wird dann die wirkliche Aufopferung des Leidens Christi bei
der Messe bewirken, wo es nicht allein gegenwärtig, sondern auch allen Anwesenden
zum Geschenk angeboten wird:
Christus
sprach einmal bei der hl. Messe
zur hl. Mechthild:
„Siehe, ich gebe dir meine göttliche Liehe, meine Andacht und die Bitterkeit
meines Leidens, auf daß du sie mir als die deinigen wiedergeben kannst. Wenn
nun eine Seele dies tun wird, so gebe ich ihr dasselbe doppelt zurück, und
so jedesmal, sooft sie es mir wieder aufopfert. Das ist das Hundertfältige, das
der Mensch in der Zeit bekommt, und dann im künftigen Leben die ewige Seligkeit."
9. Diese Aufopferung nimm ganz besonders gleich nach der Wandlung vor, nachdem
du bei der Aufhebung der hl. Hostie und des Kelches deinen nunmehr gegenwärtigen
Heiland angebetet hast. Da verrichtet auch der Priester jenes Gebet, das ich vorher erwähnt habe und von dem der gelehrte P. Sanchez sagt: „Unter allen Teilen
und wichtigen Dingen der Messe ist nichts, worin größerer Trost und mehr geistige
Freude begriffen wäre als in dem Gebet, das der Priester gleich nach der Aufhebung
des Kelches spricht: O Herr, wir deine Diener sowie auch dein heiliges Volk opfern
deiner erhabenen Majestät ein reines Opfer auf, ein heiliges Opfer, ein unbeflecktes
Opfer." Er nennt das Volk heilig, weil es durch die hl. Messe geheiligt wird,
wie ja Christus sagte: „Ich heilige mich selbst für sie, damit auch sie in Wahrheit
geheiligt seien." (Jo 17,19.)
Er heiligt die Umstehenden durch die Besprengung mit seinem hl. Blut, das er bei
der Aufhebung des Kelches über sie ausgegossen hat nach dem Ausspruch des hl. Paulus:
„Damit er durch sein Blut das Volk heiligte." (Hebr 13,12).
10.
O, welch ein köstliches Schlachtopfer ist das, das der Priester und jeder aus
dem Volk der göttlichen Majestät aufopfern darf! Wie herzlich erfreut dadurch jeder
den allmächtigen Gott samt dem ganzen himmlischen Heer! Diese reine, heilige, unbefleckte
Opfergabe ist nichts anderes als das allerreinste Fleisch, die allerheiligste Seele
und das unbefleckte Blut Jesu Christi, der auf dem Altar unblutiger Weise unser
Schlachtopfer wird. Die Menschheit Christi ist die Opfergabe, welche vom Priester
und jedem der Gegenwärtigen geopfert wird, wenn er mit dem Mund oder mit dem Herzen
spricht: „O Herr, ich opfere dir durch die Hände des Priesters auf deinen lieben
Sohn, wie er hier auf dem Altar gegenwärtig ist."
11. Denke nunmehr daran, eine wie wertvolle Gabe diejenigen opfern, welche bei der
hl. Messe diese Worte sprechen. Die Gabe ist mehr wert, als die ganze Welt mit
all ihrem Gold und Geld wert ist. Wenn einer die ganze Welt zu eigen hätte und
diese dem allmächtigen Gott in freigebigster Weise schenkte, so gäbe dieser dennoch
seinem Gott nicht so viel, wie derjenige gibt, der ihm seinen lieben Sohn in der
hl. Messe andächtig aufopfert. Ich habe viel gesagt, aber noch nicht genug: Er gibt
ihm ja einen Schatz, der mehr wert ist als der ungeheure Himmel mit all seinen Schätzen
und Reichtümern zusammen. Dies ist sehr viel gesagt, aber bei weitem noch nicht
genug, darum muß ich noch mehr sagen.
12.
Was gibt denn also derjenige seinem Gott, der ihm Christus in der hl. Messe
aufopfert? Er gibt ihm eine Gabe, die so viel wert ist, wie der allmächtige, unendliche
Gott selbst in seiner unendlichen Majestät und Vollkommenheit wert und würdig ist.
Höher kann ich nicht kommen, weil über der Gottheit ja nichts mehr zu finden oder
zu erdenken ist. Nun erwäge doch, welch einen über alles kostbaren Edelstein
du der hochhl. Dreifaltigkeit durch die hl. Messe aufopferst: Gedenke auch,
was für eine Ehre du dadurch bei Gott einlegst und was für einen Dank du bei ihm
verdienst, wenn du ihm ein so kostbares Kleinod anbietest.
13.
Ich will dir das an einem einfachen Vergleich klarmachen. Wenn ein großes
Reich aus dem besten Gold einen kunstvollen Pokal machen ließe, wie kostbarer noch
keiner auf der Erde gesehen worden wäre, und wenn das Reich diesen über alles kostbaren
Pokal durch eine herrliche Gesandtschaft dem Kaiser dieses Landes als Zeugnis der
Liebe und Treue anbieten ließe: meinst du nicht, daß der Kaiser dieses alleredelste
Geschenk mit größter Freude annehmen und sich den treuen Untertanen sehr dankbar
erweisen würde? Wenn nun das Reich in den kostbaren Pokal noch einen Edelstein hineinlegte, der mehr wert wäre als ein Königreich,
was für Ehre und Dank und reiche Vergeltung würden dann die Untertanen zu erwarten
haben!
14. Nun wollen wir diesen Vergleich auf die hl. Messe anwenden, dann wird sich
klar zeigen, wie gut er dazu paßt. In der hl. Messe opfern wir Gott dem Herrn die
Menschheit Christi, die etwas so Edles und Vollkommenes ist, daß die allmächtige
Hand Gottes nichts Köstlicheres gemacht hat oder hat machen können. Aber wir legen
dazu noch einen Edelstein, so viel wert wie Gott selber, denn es ist die Gottheit
Christi, die mit seiner Menschheit zu einer Person verbunden ist, wie der hl. Paulus
sagt: „In Christus wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig" (Kol 2,9).
Was für ein unendliches Wohlgefallen bereitest du dadurch dem himmlischen Vater,
denn du opferst ihm denjenigen, von dem er bezeugt hat: „Dieser ist mein geliebter
Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe!"
O welch reichen Lohn wirst du dafür bekommen, weil ja der, dem du die Gabe
darbringst, der Allerfreigiebigste und Allerdankbarste ist im Himmel und auf Erden!
O wie viele Schulden wirst du damit richtig bezahlen, da ja deine Gabe unendlich
mehr wert ist, als du schuldig bist!
15. Beachte auch, daß du die hl. Messe aufopferst „durch die Hände des Priesters."
Das ist so viel gesagt, als wenn du sprichst: O Herr, ich bin nicht würdig, daß
ich zum Altar hinzutrete und deinen Sohn in meine ungeweihte Hand nehme; darum trete
ich im Geist hinzu, lege meine Hände unter die Arme des Priesters und hebe gleichsam
mit ihm die hl. Hostie und den Kelch empor. Reinaldus schreibt von König Heinrich
I. von England, daß er täglich drei Messen zu hören und dabei auf den Stufen
des Altares zu knien pflegte. Wenn dann der Priester die hl. Hostie und den Kelch
mit dem hl. Blut emporhob, legte er seine Hände unter den Arm des Priesters und
hob das allerheiligste Sakrament zu seinem größten Herzenstrost zugleich mit jenem
empor. Wenn dieser heilige Brauch jetzt noch wäre, so würde ein jeder eilen, um
der erste in der Kirche zu sein und zugleich mit dem Priester das hochw. Sakrament
emporzuheben. Weil das aber nicht mehr Brauch ist, so nimmt Gott mit deinem guten
Willen vorlieb, wenn du nur betest: „O Herr, ich opfere dir deinen lieben Sohn
durch die Hände des Priesters.'
16.
Neben der hl. Hostie mußt du auch den Kelch oder das hl. Blut Christi aufopfern,
was ein so verdienstliches Werk ist, daß es gar nicht genügend erklärt werden kann.
Im Leben der hl. Magdalena von Pazzi steht geschrieben: „Diese Heilige
wurde von Gott belehrt, daß die Aufopferung des Blutes Christi sehr viel Kraft habe,
um den wegen der Sünden der Welt erzürnten Gott zu versöhnen. Deswegen beklagte
sich der Herr bei ihr, daß so wenig Leute in der Welt sind, die sich bemühten, seinen
Zorn zu besänftigen, und sie wurde ermahnt, daß sie dies tun sollte. Deswegen
opferte sie täglich vielmal mit großem Eifer das hl. Blut Christi für Lebende und
Verstorbene auf."
17. Sie sagte auch, daß die Unbußfertigkeit der Sünder unserer Trägheit zuzumessen
sei. Wenn wir eifriger unsere Gebete und das Blut Christi für sie aufopferten, so
würde er sie ohne Zweifel vor den ewigen Leiden bewahren. „So laßt uns denn das
Blut und Leiden Christi unaufhörlich für die Sünder aufopfern." Diese Worte sind wohl zu beachten, weil sie uns ein leichtes Mittel an die Hand geben, Gott
zu versöhnen, die Sünder zu bekehren, die Verstorbenen zu erlösen und unsere Sünden
abzubüßen. Diese Opferung kann ja überall und immer geschehen, am besten aber
bei der hl. Messe, weil da die Aufopferung nicht bloß mit Worten, sondern auch
im Werk geschieht. Denn der Priester hat das hl. Blut wirklich im Kelch und opfert
es auf nicht bloß in seinem Namen, sondern im Namen der ganzen Kirche, besonders
der Anwesenden.
18. Wieviel aber eine solche Aufopferung wert ist, lesen wir im Leben dieser Heiligen:
„Wenn ein Mensch dieses hl. Blut dem himmlischen Vater aufopfert, so hat er ihm
eine solche Gabe gegeben, daß Gott Vater gleichsam nichts Entsprechendes mehr hat,
uni dieselbe zu vergelten. Diese Gabe ist so groß, daß der himmlische Vater sich
seinem Geschöpf gegenüber als verpflichtet erkennt." Wie wunderbar sind diese Worte!
Und doch ist es nicht anders. Denn was gibt es außer Gott im Himmel und auf Erden,
was dem kostbarsten Blut Christi an Wert gleichkäme? Ein einziges Tröpflein
gilt mehr als ein ganzes Meer schäumend vom Blut der Märtyrer. Ja, „ein einziges
Tröpflein ist mächtig genug, die ganze Welt von allen Sünden zu reinigen," so sagt
der hl. Thomas von Aquin.
Wenn also Gott dir für die Aufopferung dieses hl. Blutes deine Sünden verzeiht,
so ist das keine gleichwertige Vergeltung, weil ein einziges Tröpflein die Sünden
aller Sünder auslöschen kann. Wenn er dir wegen dieses hl. Blutes den Himmel gibt,
so ist es doch nicht entsprechend belohnt, weil dies hl. Blut alle Sünder selig
machen kann. Daraus folgt also, daß Gott dir verpflichtet bleibt und du an ihm einen
Schuldner hast.
19.
Wenn du auf dem Kalvarienberg gewesen wärst und hättest den Glauben
und die Liebe zu Christus gehabt wie jetzt, und hättest das herabfließende Blut
Christi aufgefangen und in die Höhe gehoben und mit reumütigem Herzen Gott dem Herrn
aufgeopfert, würdest du nicht das feste Vertrauen geschöpft haben, daß Gott dir
deine Sünden verzeihen und deine Schulden gänzlich nachlassen würde? Siehe, dieser
dein Erlöser ist auf dem Altar wahrhaft gegenwärtig; er zeigt seinem Vater, wie
er am Kreuz gehangen, und sein hl. Blut fließt aus seinen Wunden in den Kelch hinab.
Wenn du nun dasselbe hl. Blut mit solcher Andacht, wie du auf dem Kalvarienberg
getan hättest, Gott aufopferst, so wirst du ganz bestimmt jetzt nicht geringeren
Nutzen davon haben. Denn welche Sünden sind so grausam, daß sie um des Blutes Christi
nicht würden nachgelassen werden können? Welche Schulden sind so gewaltig, daß sie
durch den Wert des Blutes Christi nicht könnten bezahlt werden? Dies göttliche
Blut kann mehr reinigen, verzeihen und bezahlen. als alle Welt verunreinigen, versündigen
und verschulden kann. So setze denn dein ganzes Vertrauen auf dieses hl. Blut
und opfere es eifrig während der hl. Messe dem Vater im Himmel auf. Bitte auch die
hl. Engel, daß sie dieses hl. Blut vor dem Thron Gottes für dich aufopfern und die
Verzeihung deiner Sünden erflehen mögen.
[Wie gleichgültig gehen heute viele zur
Messe!]
Inhaltsverzeichnis
26. Kap. - Nützliche Lehre mehrere
Messen zugleich zu hören.
1. Viele Leute sind der Meinung, wenn einer zwei oder mehr Messen gehört habe,
so habe er nicht mehr getan oder verdient, als wenn er nur eine gehört hätte. Wie
sehr das ein Irrtum ist, das will ich in diesem Kapitel erklären. Ich sage aber
nicht, daß man zwei oder mehr schuldige Messen, zu denen man sich z.B. durch ein
Gelübde verpflichtet hat oder die man als Buße aufgelegt bekommen, zugleich hören
könne; sondern ich sage, daß einer viele freiwillige Messen mit großem Nutzen zugleich
hören und fast soviel davon haben könne, als wenn er eine nach der anderen hören
würde. [Früher haben die Priester alle einzeln zelebriert, daher die vielen Seitenaltäre
in alten Kirchen. So waren in Klöstern und Domkirchen oft mehrere Messen zugleich.]
2. Erinnere dich zunächst an das, was im 22. Kapitel gezeigt wurde, daß nämlich
jeder Priester bei jeder hl. Messe viel für alle Gegenwärtigen beten und dieselbe
für sie aufopfern muß. Wenn nun ein Priester allein die hl. Messe liest, so betet
und opfert dieser allein für dich; sind aber mehrere an den verschiedenen Altären,
so lesen alle diese auch für dich ihre Messe, und auf diese Weise wird viel mehr
für dich gebetet, als wenn du nur eines einzigen Priesters Messe hörst. Ebenso beten
auch alle Engel für dich, welche bei den einzelnen Messen gegenwärtig sind, und
Christus opfert sich in jeder einzelnen Messen für dich auf.
3. Nun fragst du vielleicht, wie du dich verhalten sollst, um vieler Messen teilhaftig
zu werden. Ich antworte: Achte zunächst andächtig auf deine Messe, der du mitfeiern
willst. Zugleich empfiehl dich kurz in die übrigen und wirke zu allen insofern etwas
mit, als du Christus in Gedanken kurz auf allen Altären anbetest, ihn Gott aufopferst
und von Herzen verlangst, allen Messen leiblicher Weise mitzufeiern. Wenn du in
der Kirche bist und einen Priester zum Altar gehen siehst, so erwecke kurz die
Meinung: „Diese Messe will ich auch mitfeiern und sie Gott aufopfern." Diese
Meinung wiederhole so oft, wie du einen Priester an einen Altar gehen siehst. Falls
du aber beim Eintritt in die Kirche schon einen oder mehrere Priester zelebrieren
siehst, so mache die Meinung, daß du auch diese Messen hören willst.
[Früher beteten die Gläubigen bei der meist stillen Messe Meßandachten oder
den Rosenkranz, zumal es auch kaum Beleuchtung gab.]
4. Vom Anfang deiner Messe an bete deine täglichen Gebete, dein Offizium oder deinen
Rosenkranz oder deine Bruderschaftsgebete, und damit fahre fort bis zur Wandlung.
Dann laß von deinen Gebeten ab, erwecke einen lebhaften Glauben an die Gegenwart
Christi, bete Ihn mit dem niederknienden Priester demütig an, rufe ihn herzlich
bei der ERhebung an, und während der Priester auch über den Kelch die Wandlungsworte
spricht, opfere Christus andächtig dem himmlischen Vater auf. Dasselbe tue bei der
Aufhebung des Kelches, und dann fahre in deinen Gebeten so lange fort, bis ein anderer
Priester zur Wandlung kommt. Bei jeder einzelnen Wandlung bete Christus auf dem
Altar an und opfere ihn stets von neuem auf. Du möchtest aber sagen: Wenn ich auf
diese Weise für viele Messen die Wandlungsgebete wiederholen würde, so würde ich
ja die Meßgebete nicht fertigbeten und meine täglichen Gebete nicht vollenden können.
Ich antworte: Wenn dies bei einer Gelegenheit, wo viele Messen zugleich gelesen
werden, auch wirklich so kommen sollte, so wäre das für dich trotzdem kein Schaden, sondern ein sehr großer
Nutzen, wie du aus folgendem Gleichnis entnehmen magst.
Ein Weingärtner wollte seinen Weinberg umhacken, fand aber zufällig einen Schatz
vergraben, den trug er heim, versteckte ihn und machte sich weiter daran, den Weinberg
umzuhacken. Nach einer Weile fand er abermals einen Schatz vergraben und ähnlich
das drittemal. Wie er dieses Mal nach Hause kam, rief er seine Frau herbei und erzählte
ihr sein großes Glück. Sie aber meinte, sie müsse darin vielmehr ein großes Unglück
sehen, denn wenn es so weiter geht, so werde der Weinberg nicht umgegraben und in
diesem Jahr keine Trauben bringen. Der Mann sagte:
„Wollte Gott, ich fände lauter Schätze, dann wollte ich den Weinberg gern liegen
lassen." Diese Parabel wende auf dich an und sei versichert, daß dir aus den oft
wiederholten Wandlungs- und Aufopferungsgebeten ein unvergleichlich größerer Gewinn
entspringen wird, als aus all deinen sonstigen Andachten und Gebeten. Wenn du also
aus Mangel an Zeit etwas weglassen mußt, so unterlaß die anderen Gebete, aber nicht
die Aufopferung auch nur einer einzigen Messe.
5. Merke weiter: ...Wenn zwei Priester zu gleicher Zeit zur hl. Wandlung kommen,
so bete die Gebete, mit der Meinung, Christus auf beiden Altären zugleich anzubeten
und aufzuopfern. Wenn du vielleicht auch den Priester nicht siehst, so kannst du
dennoch seine Messe hören, wenn du nur zur Wandlung läuten hörst und dann Christus
anbetest und aufopferst. Ja, wenn du auch die Glocke nicht hören würdest, so könntest
du doch an dieser Messe teilhaben, wenn du vorher deine Meinung gemacht hast, daß
du zugleich mit deiner Messe alle zur selben Zeit gelesenen hören willst. Wenn du
die Kirche verlassen willst und merkst, daß ein Priester kurz vor der Wandlung ist,
so warte bis nach derselben, bete den Leib und das Blut Christi an und opfere beides
Gott auf. Dann hast du schon einen großen, geistlichen Gewinn erhalten, den du,
wenn du ohne Todsünde stirbst, mit dir in jene Welt tragen und ewig genießen wirst.
6. Du kennst jenes schöne Beispiel des Edelknabens, das in der Geschichte
der Königin hl. Elisabeth von Portugal zu lesen ist. Als ein Beamter des Königs
zum Sterben kam, sprach er zu seinem Sohn: „Mein Kind, ich scheide aus dieser Welt
voll Hoffnung auf die göttliche Barmherzigkeit und hinterlasse dich als Erben aller
meiner Güter. Vor allem aber hinterlasse ich dir die Lehre, daß du jeden Tag eine
hl. Messe besuchst und dem König, wenn du in meine Stellung kommst, treu dienst."
Nach dem Tod des Vaters kam der Sohn an den Hof und wurde der Königin als Edelknabe
überwiesen. Wegen seiner Frömmigkeit hatte Elisabeth ihm besonders gern, gab ihm
manche gute Lehren und schickte durch ihn den Armen in Lissabon Almosen. Sie hatte
noch einen anderen Edelknaben, der das Gegenteil war und deswegen die Gunst der
Königin nicht teilte. Darüber ergrimmt, verstand dieser es, den König gegen den
frommen Jüngling in Zorn zu bringen. Als der König an einem Hochofen vorbeikam,
sprach er zu den Arbeitern: „Wenn euch morgen einer fragt, ob ihr den Befehl des
Königs ausgeführt habt, so nehmt ihn und werft ihn in den Ofen. Erfüllt ihr meinen
Befehl nicht, so werde ich euch selbst hineinwerfen lassen." Am anderen Morgen ließ
der König den frommen Edelknaben in aller Frühe rufen und schickte ihn zum Hochofen.
Der Jüngling kam dem Befehl sofort nach, war aber recht betrübt, daß er keine hl. Messe hatte hören können, und fürchtete
schon, er würde auch kaum noch dazu kommen. Da kam er an einer Kirche vorbei, in
der gerade das Zeichen zur Wandlung gegeben wurde. Er ging hinein, betete den Heiland
an und opferte ihn dem himmlischen Vater auf. Er freute sich sehr, wenigstens etwas
von der Messe gehabt zu haben. Nach kurzer Zeit kam er zu einer anderen Kirche,
worin ebenfalls die Wandlungsglocke geläutet wurde; er ging hinein, verrichtete
seine Andacht und eilte weiter. Als er nun noch an einer dritten Kirche vorbeikam,
wo ebenfalls zur Wandlung geläutet wurde, ging er auch in diese hinein und freute
sich so sehr, an drei Messen teilgenommen zu haben, daß er vor lauter Wonne gar
nicht aus der Kirche kam, bis die Messe zu Ende war.
Unterdes wurde der König neugierig, was wohl aus dem Knaben geworden sein möchte,
und schickte deswegen den anderen hin; er sollte fragen, ob die Arbeiter den Befehl
ausgeführt hätten. Dieser eilte hin und kam dem andern zuvor. So wurde an ihm der
grausame Befehl vollführt, und als der fromme Page ankam, wiesen die Arbeiter auf
das Feuer hin und sagten, wenn er ein wenig früher gekommen wäre, so hätte er selbst
die Ausführung des Befehls können mit ansehen. Bei seiner Rückkehr wurde der König
starr vor Entsetzen, mußte aber die Gnade Gottes bewundern, der diesen Jüngling
um der hl. Messe willen vor so furchtbarem Tod bewahrt hatte.
7. Nun will ich dich noch auf den frommen Brauch aufmerksam machen, den viele Christen
haben, daß sie sich jeden Morgen in alle hl. Messen empfehlen, die auf der ganze
Erde den Tag über gelesen werden; dadurch ziehen sie den Segen und die Frucht des
hl. Opfers reichlich auf sich herab. Der Priester muß ja für das ganze katholische
Volk beten und das Opfer darbringen, so wird allen, die nicht aus der Kirche ausgeschlossen
sind, von jeder hl. Messe etwas angeboten, und man bekommt um so mehr, je mehr man
sich durch Tugend und Frömmigkeit empfänglich gemacht hat, je enger man sich an
das Opfer anschließt und je vollkommener man bei der Darbringung desselben mitwirkt.
8. Dieser Gedanke ist besonders trostvoll für all jene, die täglich nur eine Messe
haben. Ja, was noch mehr ist, trostvoll ist er für diejenigen, die trotz des besten
Willens die hl. Messe überhaupt nicht hören können, also für die Kranken, Gefangenen,
für die zu weit von der Kirche Entfernten, mit Arbeit Überhäuften. Die sollen
beim Morgengebet stets die Meinung erwecken: „Ich empfehle mich in alle hl. Messen,
die heute auf dem ganzen Erdkreis gelesen werden." Wenn es geht, können sie
zu Hause auch die Meßgebete beten und so sich mit dem opfernden Priester aufs innigste
vereinigen. Dann bekommen sie noch viel mehr von den Früchten der hl. Messe. Da
zeigen sie ja, wie gern sie an der hl. Messe teilnehmen würden, wenn sie nur könnten,
und da wird der himmlische Vater in seiner Güte und Liebe recht gern den guten Willen
für das Werk annehmen.
9. Hier will ich noch anfügen, was ein frommer Geisteslehrer schreibt: „Du sollst
dich sehr freuen, wenn dir ein Priester verspricht, er wolle in seinen täglichen
Messen deiner gedenken. Ja, du solltest einen jeden Priester darum bitten, denn
auf solche Weise hast du viele, welche dir die Schatzkammer Christi öffnen. Wenn
du gern Messe besuchst und keine besuchen kannst, so wisse, daß Gott deinen Willen
für das Werk annimmt. Es kann sogar geschehen, daß du mehr Gnaden aus dieser Messe bekommst als einer, der dabei ist und neben dem Priester steht, aber sein
Herz nicht zu Gott erhebt," also nicht andächtig ist. Siehe also zu, daß du jeden
Tag an möglichst vielen Messen teilnimmst und dadurch schöpfst aus den Quellen des
Heiles, die dir Jesus eröffnet hat.
Inhaltsverzeichnis
27. Kap. - Herzliche Ermahnung zum
täglichen Besuch der hl. Messe.
1. Ich hoffe zwar, daß beim Lesen dieses Buches und beim Erwägen seines Inhaltes
ein großer Eifer für die hl. Messe in dir entstanden ist und daß du keiner weiteren
Ermahnung zum täglichen Besuch der hl. Messe bedarfst. Dennoch will ich einige Dinge
hier anfügen, welche deinen Eifer noch vermehren können.
2. Erstens sage ich dir, daß keine Stunde des Tages köstlicher ist als eben jene,
in der du die hl. Messe besuchst. Das ist wahrhaft eine goldene Stunde, und
alles, was du darin für die hl. Messe tust, wird in lauter Gold verwandelt. Das,
was du in den anderen Stunden des Tages tust, ist dagegen nur für geringes Metall
zu rechnen, wie ein Kupferpfennig gegen ein Goldstück, auch selbst das, was du zur
Erhaltung deines Leibes und Lebens arbeitest. Du sagst vielleicht: Die Arbeit ist
notwendiger als das Messebesuchen, weil ich ohne sie mich nicht ernähren kann. Ich
aber sage: Das Messebesuchen ist notwendiger als das Arbeiten, weil du ohne die
hl. Messe schwerlich selig werden kannst. Ich sage nicht, daß du nicht arbeiten
sollest, sondern daß du deiner Arbeit eine halbe Stunde unterbrechen und diese deinem
Gott schenken sollest; dann wird dir deine Arbeit besser vonstatten gehen und von
Gott desto mehr gesegnet werden. Wenn du aber nur wegen eines zeitlichen Gewinnes
oder gar aus Trägheit und Nachlässigkeit die Messe zu hören unterläßt, so verwandelst
du die goldene Stunde in eine bleierne und verursachst dir selbst einen Schaden,
mit dem kein zeitlicher Schaden zu vergleichen ist; ja, du versäumst einen hundertfältig
größeren Gewinn, als du mit deiner Arbeit den ganzen Tag erreichen kannst.
3. O wenn doch die Handwerker und Bauern dies wohl beherzigten, so würden
sie gewiß ihre Arbeit die halbe Stunde liegen lassen und die gute Gewohnheit annehmen,
zur hl. Messe zu eilen. Laß uns einmal eine kleine Rechnung darüber aufstellen.
Was kannst du als Bauer, was als Handwerker in der halben Stunde verdienen? Ganz
gewiß keine fünfzig Pfennig, sonst würdest du bei zwölfstündiger Arbeit volle zwölf
Mark verdienen [damals]
und bald ein reicher Mann sein. Was kann aber eine Frau
oder ein Mädchen in der halben Stunde verdienen? Vielleicht verdient sie gar nichts,
sondern verplaudert sie nur. Ist denn nun nicht der Handwerker, der lieber die hl.
Messe als fünfzig Pfennig versäumen will, für einen unklugen Mann zu halten? Ist
denn nicht auch jene, die nichts lieber versäumt wie gerade die hl. Messe, für ein
Dummkopf zu halten? Denn durch eine einzige hl. Messe konnten sie einen Schatz
erwerben, mit dem sie den Himmel erwerben könnten. Sie wollten aber lieber diesen
gewaltigen Schatz verlieren als ein paar Pfennige - obwohl ich nicht glaube, daß
sie durch den Besuch der hl. Messe überhaupt etwas versäumt hätten, weil ich ganz
fest überzeugt bin, daß der freigebige Gott den Schaden schon durch seinen Segen
bei der übrigen Arbeit ersetzen wird.
4. Ein anderer Gedanke wird die Torheit der faulen Leute noch klarer beweisen.
Wenn es aus den Wolken Gold regnete, würdest du nicht all deine Arbeiten und Geschäfte
liegen lassen und auf die Straße eilen, um das Gold zu sammeln? Wenn du anstatt
dessen in deiner Arbeit fortfahren wolltest, würdest du dann nicht für einen Toren
zu halten sein und von allen Leuten verlacht werden?
Nun aber ist es gewiß, daß bei jeder Messe, nicht aus den Wolken,
wohl aber vom Himmel herab, kein irdisches, sondern
himmlisches Gold in großer
Menge herabströmt und allen, die es wünschen, zum Aufheben bereit liegt.
Willst du wissen, was für Gold es bei der Messe regnet? Es regnet Vermehrung der
göttlichen Gnade, Vermehrung der Verdienste und Tugenden, Vermehrung der himmlischen
Glorie; es regnet himmlischen Trost und Andacht, göttlichen Segen über die zeitlichen
Güter, Verzeihung der läßlichen Sünden, Nachlaß vieler Schulden und Strafen; es
regnet Teilnahme an den Verdiensten Christi, ja es regnet lauter Glück und Heil,
Gnade und Barmherzigkeit. Ist nicht ein jedes von diesen Stücken bewährtes Gold?
Wenn du denn also wegen einer geringen Mühe, die dir der Besuch der hl. Messe verursacht,
oder wegen eines geringen Verdienstes an einem Werktag die hl. Messe versäumst,
so begehst du eine viel größere Torheit als jener, der während des Goldregens lieber
arbeiten oder gar untätig sein wollte, als Gold aufsuchen.
5.
Ein Geisteslehrer sagt: „Die hl. Messe geht allen Andachten vor, und wenn
die Messe unterlassen wird, so wird alle innerliche Andacht vertrocknen." Gleichwie
die Sonne allen Planeten vorangeht, so das andächtige Meßbesuchen allen anderen
Andachten. Das Licht der Sonne scheint viel heller, die Hitze der Sonne ist viel
größer, die Kraft der Sonne ist der Welt viel nützlicher als das Licht und die Wärme
und die Kraft aller Planeten zusammen. Geradeso ist der andächtige Besuch der
hl. Messe Gott angenehmer, dir nützlicher, der Welt heilsamer und den Seelen im
Fegfeuer tröstlicher als alle deine guten Werke und Gebete des ganzen Tages.
Durch diese magst du Gott einen großen Dienst und Gefallen erweisen, ganz gewiß;
aber durch die hl. Messe erweist du ihm unendliche Ehre und Wohlgefallen. Durch
deine guten Werke erfreust du alle Engel und Heiligen, durch die hl. Messe aber
erfreuest du sie unvergleichlich mehr. Durch deine guten Werke verdienst du für
dich einen großen Gewinn; durch die hl. Messe aber verdienst du mit geringerer Mühe
einen unvergleichlich größeren Lohn.
6. Ich will dir das durch einen Vergleich klarmachen. Zwei Tagelöhner gingen
in einen Weinberg um zu graben, der eine fand einen Schatz, der andere nicht. Dieser
arbeitete in der Hitze des Tages sich matt und müde, am Abend bekam er aber doch
nicht mehr als seinen gewöhnlichen Tagelohn. Der andere hatte sich, als er den Schatz
gefunden, niedergelegt und den ganzen Tag geschlafen; am Abend hatte er trotzdem
hundertmal mehr als der erste Arbeiter. Ebenso ist es mit allem, was du so gut tun
magst, wie du kannst; du verdienst nicht mehr damit als deinen Tagelohn, nämlich
so viel, wie deine Werke wert sind. Wenn du aber die hl. Messe hörst, so findest
du einen Schatz, nämlich den Schatz der Verdienste Christi, der in allen hl. Messen
ausgeteilt wird, und davon bekommst du mehr, als du dir vorstellen kannst. Deswegen
nennt Fornerus die hl. Messe eine Goldmine, in der viel mehr verdient wird als etwa
in einem Steinbruch. So wird jener, der eine hl. Messe hört, viel reicher, als wer andere, noch so gute Werke, verrichtet.
Deswegen schreibt jemand: „Ein jeder soll sich hüten, sich leichtfertig am täglichen
Besuch der hl. Messe hindern zu lassen, weil ja doch keiner sie versäumen würde,
wenn er durch jede Messe hundert Goldgulden verdienen könnte. Was sind aber hundert
Goldgulden gegen die unermeßlichen geistlichen Güter, die aus dem andächtigen Messehören
entspringen?" Sagt ja doch auch der weise Mann mit ausdrücklichen Worten: „Alles
Gold ist im Vergleich zu ihr schlechter Sand" (Wsh 7,9).
7. So sei denn nun demütigst und freundlichst gebeten, wenn es nur irgend möglich
ist, täglich die hl. Messe zu besuchen und das nie zu unterlassen. Denke doch
daran, daß du von Gott deswegen erschaffen wurdest, damit du ihm dienst und täglich
ihn durch deinen Dienst ehrst. Dies aber kannst du durch nichts besser tun,
als durch die tägliche hl. Messe; weil sie der höchste Gottesdienst ist und Gott
die höchste Ehre verschafft.
Denke weiter daran, daß du verpflichtest bist, deinem Gott für so viele Wohltaten
an Leib und Seele würdigen Dank zu sagen. Dies aber kannst du durch
nichts besser als durch die tägliche hl. Messe, weil sie das allerhöchste Dankopfer
ist. Denke daran, daß du auf der Welt bist, um
Gottes Majestät nach voller
Würdigkeit zu loben. Auch das kannst du durch nichts besser als
durch die tägliche hl. Messe, die das altehrwürdigste Lobopfer ist. Bedenke ferner,
daß Christus gesagt hat:
„Jeder Baum, der keine guten Früchte bringt, wird ausgehauen und ins Feuer
geworfen werden." (Mt 7,19).
[Wie viele stehen vor Gott mit leeren Händen, weil
sie die Messe nicht schätzen?] Nun aber kannst du keine besseren Früchte bringen,
als die hl. Messe zu hören, weil dies das beste gute Werk. ist.
Bedenke, daß du deinem Gott noch sehr viel schuldig bist; das kannst du nicht
besser bezahlen als durch die hl. Messe, weil sie das vollgültigste Genugtuungsopfer
ist. Denke daran, daß du täglich in großer Gefahr schwebst, in Sünde und Unglück
zu fallen; diese kannst du aber durch nichts besser als durch das hl. Meßopfer abwenden,
da es das kräftigste Bittopfer ist. Bedenke, daß der Tod und der Teufel dir stetig
nachgehen, gegen diese kannst du dich mit keinem besseren Schild wappnen als durch
die hl. Messe, die der beste Schutz vor allem Übel ist. Schließlich bedenke,
daß du bei deinem Tod den Beistand Gottes und seiner Heiligen sehr nötig hast. Diesen
kannst du durch nichts sicherer erwerben als durch recht viele andächtige hl. Messen,
wie Christus zur hl. Mechthild gesagt hat, er wolle einem jeden so viele
Heiligen zum Trost und zur Hilfe schicken, wie der Betreffende andächtige hl. Messen
in seinem Leben gehört hat. So nimm denn diese meine getreue Mahnung zu Herzen und
nimm dir von heute an ernst vor, möglichst täglich die hl. Messe zu besuchen.
8. Wenn du aber gar keine Messe an Werktagen besuchen kannst, so laß gelegentlich
eine für dich feiern, damit du dadurch wieder einbringst, was du am Dienst Gottes
versäumst, und deine schweren Strafen bezahlst: deren du dich täglich durch deine
Sünden schuldig machst. Wenn du aber keine Mittel hast, eine hl. Messe lesen zu
lassen, so gib einem Armen ein Almosen mit der Bitte, er möchte dafür eine hl. Messe
für dich besuchen und aufopfern. Das wird der Arme wohl gern tun. Was dir dies nützt,
das kann ich dir gar nicht genugsam erklären. Du hast etwas Doppeltes dadurch erreicht, nämlich einem Armen ein Almosen gegeben und einen besonderen
Anteil bekommen an der hl. Messe.
9. Daß man die hl. Messe auch für andere aufopfern kann, sagt der Priester
selbst in dem Gebet: „Gedenke, o Herr, deiner Diener und Dienerinnen und aller Umstehenden,
für welche wir dir opfern oder welche dir dies Lobopfer darbringen für sich und
alle die Ihrigen." Neben dem, was wir für uns selbst haben sollen, empfängt jeder,
der die hl. Messe mitfeiert, einen guten Teil solcher Verdienste, die er einem andern
schenken kann, ja soll. Deswegen freue dich, wenn einer dir das schöne Almosen gibt,
für dich die hl. Messe mit zu besuchen, falls du selbst nicht dazu imstande bist.
Beispiele aus dem Leben für den Besuch der hl. Messe.
10. Ein bekanntes Sprichwort heißt: „Verba movent, exempla trahunt - Worte
bewegen, Beispiele ziehen." Wenn also meine Worte dich noch nicht zum Vorsatz
angeregt haben sollten, täglich die hl. Messe zu besuchen, so will ich dir das Beispiel
von Heiligen erzählen, die genügend mit täglichen Geschäften überladen waren und
doch die tägliche hl. Messe nicht unterließen.
11. Von seiner Mutter, der hl. Monika, erzählt der hl. Augustinus, daß sie
nie die hl. Messe versäumt habe. Dafür hat sie die große Gnade bekommen, daß ihr
Sohn, der ein so großer Sünder war, einer der größten Heiligen geworden ist.
Die hl. Hedwig, Königin von Polen, ging ebenfalls täglich in die hl. Messe,
und ebenso die hl. Elisabeth, Landgräfin von Thüringen. Auf der Wartburg
war damals noch kein Geistlicher angestellt, und so mußte sie eine Stunde weit in
die Stadt Eisenach zur Kirche hinabgehen. Dadurch ließ sie sich aber nicht zurückhalten.
Der hl. König Ludwig von Frankreich besuchte täglich zwei, ja auch
mehr Messen. Als seine Hofbeamten darüber murrten, antwortete er: „Mich wundert,
daß meine Minister wegen der hl. Messen über mich murren, da doch keiner von ihnen
murren würde, wenn ich zweimal so viel Zeit beim Würfeln, Spielen oder auf der Jagd
zubringen würde." Eine treffliche Antwort, die nicht allein jene Beamten, sondern
uns alle trifft. Denn wir meinen aus Eingebung des Teufels, daß wir viele Zeit und
großen Gewinn verscherzen, wenn wir am Werktag eine Messe besuchen. Wenn wir aber
eine oder auch mehrere Stunden mit Schwätzen, Spielen, Trinken oder Schlafen verscherzen,
so machen wir uns keine Gedanken darüber, sondern halten die Zeit vielleicht noch
für gut angelegt. Welch eine Blindheit!
12. Rainaldus berichtet von Heinrich I. König von England, daß er täglich
drei hl. Messen zu hören pflegte. Kaiser Lothar tat das selbst zu Kriegszeiten im
Feld. Kaiser Karl V. soll jeden Tag die hl. Messe besucht und sie nur einmal
im Afrikanischen Krieg zu hören unterlassen haben. Vom hl. Kasimir von Polen
lobt das römische Brevier seine Andacht bei der hl. Messe. Besonders beachtenswert
ist, was vom hl. Wenzeslaus berichtet wird. Als Kaiser Otto in Regensburg
einen Reichstag hielt und allen Fürsten und Herren sagen ließ, sie sollten am folgenden
Morgen in aller Frühe zusammenkommen, da ging Wenzeslaus zuvor noch in die hl. Messe.
Der Kaiser und die Fürsten warteteten schon auf ihn, und als er nicht kam, sprach der Kaiser: „Wir wollen schon anfangen, und wenn Wenzeslaus kommt, so soll keiner
aufstehen und ihm Platz machen." Als aber Wenzeslaus nach der Messe kam, sah der
Kaiser zwei Engel ihn begleiten. Darum stand er vom Thron auf, ging Wenzeslaus entgegen
und umfing ihn mit beiden Armen. Die Fürsten zürnten über den Kaiser, daß er gegen
seinen eigenen Befehl gehandelt habe. Er aber entschuldigte sich und erzählte, wie
er die Engel neben ihm gesehen und so zu seiner Ehrung angetrieben sei. In der Folge
krönte er ihn zum König von Böhmen.
13.
Als der hl. Alphons von Liguori in seinem hohen Alter das hl. Meßopfer
nicht mehr darbringen konnte, ließ er sich in die Kirche tragen und blieb täglich
bei fünf bis sechs Messen.
- Wenn denn nun so viele Könige und Fürsten, die mit vielen Reichsgeschäften
beladen waren, täglich eine und sogar mehrere Messen mit Andacht gehört haben, wie
wollen wir uns denn vor Gott entschuldigen, die wir wegen geringer Geschäfte, ja
ohne jeden Grund so leichthin die hl. Messe versäumen!
14. Möchtest du nicht lieber daran denken, wie vielen Schaden du davon hast, wenn
du die hl. Messe versäumst? Gott hat den Israeliten das Manna in der Wüste
gegeben. Er hat das mit den Worten angekündigt: „Siehe, ich will euch Brot vom Himmel
regnen, das Volk gehe aus und sammle täglich, was es bedarf" (Ex 16,4). Wenn nun
jemand nicht hinausging, um Manna zu sammeln, so mußte er den Tag hungrig verbringen.
Uns regnet Gott durch die hl. Messe täglich Gnaden über Gnaden vom Himmel
- wird es nicht für deine Seele ein großer Schaden sein, wenn du diese Gnaden nicht
haben willst? Wie viele sind durch solche Nachlässigkeit lau und träge geworden!
Wie vielen sind die Gnaden verlorengegangen, mit denen sie den Weg zum Himmel leicht
und sicher hätten gehen können!
15. Du mußt bei Versäumnis der hl. Messe auch an den Schaden denken, den
du nicht bloß dir, sondern auch Gott und den Heiligen zufügst. Höre, was der ehrwürdige
Beda über den Priester sagt, der aus bloßer Nachlässigkeit, ohne jeden anderen
Grund, die tägliche Messe unterläßt: „Soweit es an ihm liegt, beraubt er die
hochhl. Dreifaltigkeit des Lobes und der Ehre, die Engel der Freude, die Sünder
der Verzeihung, die Gerechten der Hilfe, die armen Seelen der Erquickung, die Kirche
einer geistigen Wohltat und sich selbst einer heilsamen Arznei."
Gewiß würdest du kaum damit zufrieden sein, wenn du erfahren würdest, daß
ein Priester ohne ganz besonderen Grund nicht alle Tage die hl. Messe lesen würde.
Du erkennst selbst, daß dieser Priester dem Himmel und der Kirche das nicht gibt,
was er geben könnte und wonach sie so herzlich verlangen. Mußt du aber nicht diese
Anwendung auch auf dich selbst machen? Wenn das Feuer der Gottesliebe wirklich in
deinem Herzen brennt, dann mußt du doch gern bereit sein, ihm täglich die hohe Ehrenbezeugung
zu erweisen, zu welcher derjenige durch seine tägliche Herabkunft vom Himmel auf
den Altar dich einlädt, von dem der himmlische Vater versichert hat: „Dies ist mein
geliebter Sohn, an dem ich mein Wohlgefallen habe" (Mt 3,17, vgl. Röm. Kat. Teil
II, Kap. 4, Nr. 69).
16. Hier ließen sich viele Geschichten erzählen von jenen, die Gott wegen
Vernachlässigung der hl. Messe gestraft hat. Ich will mich mit einer einzigen begnügen,
die im Winter 1370 bei Rom geschehen ist. Drei Kaufleute hatten den Jahrmarkt zu Eugubio besucht und gute Geschäfte gemacht. Als sie am Samstagabend in ihrem
gemeinsamen Gasthaus zusammensaßen, schlugen zwei vor, am anderen Morgen möglichst
früh aufzubrechen, um am Abend noch nach Cisterno zu kommen. Der dritte hieß diesen
Vorschlag nicht gut, sondern riet, weil es Sonntag wäre, erst die hl. Messe zu besuchen
und dann fortzureiten. Die beiden anderen meinten, sie wollten an einem anderen
Tag die Messe nachholen, und so werde es ihnen Gott wohl nicht übel nehmen.
Am folgenden Morgen ritten also diese zwei ohne die hl. Messe fort. Als sie nun
nach Corfuone, zwei Meilen von Cisterno, kamen, mußten sie über eine hölzerne Brücke,
die über einen infolge heftiger Regengüsse sehr angeschwollenen Fluß führte. Als
beide auf ihren Pferden auf die Brücke kamen, stürzte diese zusammen; die Pferde
retteten sich, die Kaufleute aber ertranken und verloren Geld und Leben.
Wolle Gott, daß sie wenigstens noch ihre Seelen durch einen Reueakt gerettet haben!
Die Leichname wurden von den Bauern ans Land gebracht, und als eine Stunde später
der andere Kaufmann ankam, sah er, vor was für einem jähen Tod ihn Gott durch den
Besuch der hl. Messe bewahrt hatte. Wie mag er da Gott gedankt haben!
17. Aus dem Schaden dieser Kaufleute werde klug und siehe zu, daß du niemals
wegen eines Gewinnes an Sonn- und Feiertagen die hl. Messe versäumst, wie es Handwerker
und Kaufleute oft genug ohne Skrupel tun. Was am Sonntag verdient ist, das ist
gleichsam Gott gestohlen und geht alsbald wieder doppelt und dreifach verloren.
Dabei sollen aber auch die Käufer sich sagen lassen, daß sie ihre Einkäufe nicht
auf den Sonntag in die Kirchzeit verlegen und dem Handwerker ihre Arbeit so bestellen,
daß er sie nicht am Sonntag zu verrichten braucht.
18.
Wenn die Eltern ihre Kinder von der gebotenen Messe ohne ganz außerordentlich
wichtigen Grund zurückhalten wollen, so sollen die Kinder dem Beispiel der hl.
Genovefa nachfolgen. Als an einem Festtag die Mutter ihr befahl, zu Hause zu
bleiben, da sagte sie: „Liebe Mutter, ich kann heute nicht mit gutem Gewissen die
Messe versäumen, darum will ich lieber euch als Gott erzürnen." Dafür gab ihr die
Mutter erzürnt einen Backenstreich, wurde aber bald blind und mußte zwei Jahre in
der Blindheit verharren, bis sie endlich ihre Schuld erkannte und durch das Gebet
ihrer heiligen Tochter ihr Augenlicht wiederbekam. So sollen die Kinder, wenn die
Eltern sie ohne wichtigen Grund von der hl. Messe abhalten, ruhig zu diesen sagen:
„Wir müssen Gott mehr gehorchen."
19.
Die Eltern und Vorgesetzten haben die strenge Pflicht, ihre Kinder und Dienstboten
zum Besuch des Gottesdienstes und zu allem Guten anzuhalten. Dies sage ich nicht
aus mir, sondern nach den Worten des hl. Apostels Paulus, der an den Bischof
Timotheus schreibt: „Wenn jemand für die Seinigen und besonders für seine Hausgenossen
nicht Sorge trägt, der hat den Glauben verleugnet und ist schlimmer als ein Ungläubiger"
(1 Tim. 5,8). Dazu bemerkt der hl. Johannes Chrysostomus ausdrücklich, daß
nicht bloß die Sorge für Gesundheit und Speis und Trank, sondern auch für die Seele
vom Apostel gefordert werde. In der Tat: wenn derjenige, der seinen Kindern und
Hausgenossen Nahrung und Kleidung zu verschaffen unterläßt, als schlimmer wie ein
Heide und Ungläubiger verurteilt wird, wie furchtbar wird dann das Urteil lauten über denjenigen, der für das Heil der Seele seiner Kinder und Hausgenossen
nicht sorgt!
20. Jene Väter und Mütter, welche ihre Kinder, Knechte und Mägde ohne wichtigen
Grund vom täglichen Meßbesuch fernhalten, scheinen gleichsam zu sagen: „Du sollst
nicht Gott, sondern nur mir dienen, denn ich und nicht Gott muß dir Kost und Lohn
gehen." Dieses sagen sie vielleicht nicht mit Worten, um so mehr aber in ihren Werken.
Deswegen sind sie nach dem Ausspruch des hl. Paulus schlimmer als die Ungläubigen
und Verleugner des Glaubens. Wer das nicht beachtet, wird bei seinem Sterben erfahren,
wie schwer er sich gegen seinen Gott versündigt hat.
Wenn man es mit der hl. Messe so genau nehmen wollte wie mit den weltlichen
Verpflichtungen, wie gut könnte es dann jeder einrichten, daß die hl. Messe alle
Tage besucht würde! Besonders leicht ist es in den Städten, wo mehrere
Priester sind. Aber wie oft kann man die Worte Christi anwenden: „Wenn doch auch
du es erkennen würdest, was dir zum Frieden dient!" Tue doch nicht so, als ob du
nichts davon verständest und es „vor deinen Augen verborgen" wäre (Lk
19,42).
Inhaltsverzeichnis
28. Kap. Mit welcher Andacht und Ehrfurcht wir die hl. Messe mitfeiern sollen.
1. Das hochheilige Konzil von Trient sagt im Dekret der 22. Sitzung: Da
wir bekennen müssen, daß wir nichts Heiligeres und Göttlicheres vollbringen
können als dieses ehrfurchtgebietende Geheimnis, „so ist es genügend klar, daß alle
Mühe und aller Fleiß darauf verwendet werden muß, um es mit der allergrößte inneren
Ordnung und Reinheit des Herzens wie auch äußerlich mit größter Andacht und Frömmigkeit
zu vollziehen." Das sind sehr denkwürdige Worte, nicht bloß von den Priestern zu
beachten, sondern von allen Christen, damit die Priester mit aller Andacht die hl.
Messe feiern und die Gläubigen sie mit größter Ehrerbietung mitfeiern.
Von den jüdischen Opfern schreibt der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus,
daß täglich im Tempel siebenhundert Priester und Leviten dienten, um die
Opfer zu besorgen, und zwar mit solcher Ehrerbietung und solchem Stillschweigen,
als wenn nur ein einziger Priester im Tempel gewesen wäre. Wenn also die Juden bei
ihrem unvollkommenen Gottesdienst so voll Ehrfurcht und Andacht waren, wie viel
mehr sollen dann wir Christen dem ehrfurchtgebietenden Meßopfer, bei dem das allerheiligste
Lamm Gottes wahrhaftig zugegen ist, mit aller möglichen Andacht und tiefstem Stillschweigen
beiwohnen!
2.
Nach dem Beispiel der jüdischen Priester handelten auch die alten Christen, von
denen der hl. Johannes Chrysostomus schreibt, wenn sie in die Kirche eintraten,
hätten sie erst die Schwelle der Türe demütig geküßt, und während der Feier der
hl. Geheimnisse hätten sie ein solches Stillschweigen bewahrt, als wenn kaum jemand
in der Kirche gewesen wäre. In der Liturgie des hl. Jakobus wird dies direkt
befohlen mit den Worten: „Alle sollen schweigen, mit Furcht und Zittern dastehen
und nicht an Irdisches denken, denn der König der Könige, unser Herr Jesus Christus,
wird kommen, damit er geopfert und seinen Gläubigen zur Speise gegeben werde." Dieses beachtete der hl. Bischof Martin, wie
in seiner Legende zu lesen ist; denn er pflegte niemals in der Kirche zu sitzen,
sondern stets kniend oder stehend, mit ehrfürchtigem Angesicht zu beten. Als er
einmal deswegen befragt wurde, gab er zur Antwort: „Soll ich mich denn nicht fürchten,
da ich vor meinem Gott und Herrn stehe:"
3. Hier lassen sich passend die Worte anführen, welche Gott aus dem brennenden
Dornbusch zu Moses sprach: „Löse deine Schuhe von deinen Füßen, denn der
Ort, wo du stehst, ist heilig." Viel heiliger ist jede Kirche, die vom Bischof
so feierlich geweiht ist und täglich durch die Darbringung der hl. Messe mehr geheiligt
wird. Und wenn David vom Tempel, in dem die Bundeslade stand, gesagt hat: „Ich darf
dein Haus betreten, dank deiner großen Barmherzigkeit, ich werfe mich in Ehrfurcht
vor deinem hl. Tempel nieder." (Ps 5,8), wie viel mehr sollen dann wir arme Sünder
in die hochheiligen Kirchen, in denen das allerheiligste Sakrament aufbewahrt und
das göttliche Opfer vollzogen wird, mit aller Ehrfurcht und Ehrerbietung eingehen
und dem Gottesdienst beiwohnen! Darum spricht Gott der Herr: „Habt Ehrfurcht
vor meinem Heiligtum" (Lev 26,2).
Das ist viel mehr noch auf unsere Kirchen anzuwenden als auf das heilige Zelt, das
Moses errichten lassen hat und das ein Vorbild unserer Kirchen war, wie auch
Jakob nach der Erscheinung der Himmelsleiter sprach: „Wie furchtbar ist
dieser Ort; fürwahr, hier ist nichts anderes als das Haus Gottes und die Pforte
des Himmels." Dieses alles habe ich deswegen erwähnt, damit jeder erkenne, wie
heilig unsere Kirchen und unsere Gottesdienste sind und mit wie großer Andacht und
Ehrerbietung wir hineingehen und uns darin betragen sollen.
4.
Daraus kannst du nun folgern, wie übel jene handeln, welche in die Kirche mit ebensowenig Rücksicht gehen wie in jedes andere Haus und gar nicht daran denken,
daß die Kirche ein Haus Gottes und die Wohnung des Sohnes Gottes ist. Manche sind
gar so vermessen, daß sie während des Gottesdienstes, bei dem die hl. Engel vor
Schrecken und Ehrfurcht auf dem Angesicht liegen, sich vorwitzig umsehen, die Aus-
und Eingehenden anschauen, an weltliche Sachen denken und von unnötigen Dingen ohne
Scheu schwätzen und plaudern.
Von diesen kann Christus dasselbe sagen wie von den Käufern im Tempel: „Mein
Haus ist ein Bethaus, ihr aber habt es zur Räuberhöhle gemacht" (Mt 21,13).
Da er dort die Juden aus dem Tempel heraus gegeißelt hat, o wie werden dann die
Christen einmal von ihm gegeißelt werden, welche sein Haus mit Schwätzen, mit vorwitzigen,
ja vielleicht gar mit unkeuschen Blicken geschändet haben!
5.
Wie sehr muß es Gott mißfallen, wenn wir während der hl. Messe vorwitzig
umherschauen, auf die Ankommenden und Fortgehenden hinsehen und auf die Leute acht
geben, wie sie gekleidet sind, wie sie sich hinstellen, wie und was sie tun, und
überhaupt alles, was in der Kirche sonst noch vor sich gehen mag, voller Neugierde
betrachten. Wir allesamt haben genug zu tun, wenn wir unsere Gedanken im Zaum halten
und aufmerksam beten wollen; wer sich aber vorwitzig umsieht, der will sich ja mit
Fleiß zerstreuen und ausschweifende Gedanken verursachen. Das ist denn doch eine
Sünde aus Mutwillen, eine gesuchte Zerstreuung und eine recht sichtbare Ehrfurchtslosigkeit.
6. Um diese üble Gewohnheit abzulegen, erinnere dich des Beispiels der hl.
Elisabeth. Als sie einst in Eisenach mit ihrem Gemahl, dem Landgrafen Ludwig,
den feierlichen Gottesdienst besuchte, geschah es, daß Elisabeth sich bei der hl.
Messe eine Zeitlang vergaß, indem sie Augen und Gedanken auf ihren so schönen und
geliebten Ehegatten heftete und in diesem Anblick verweilte. Da läutete es zur Wandlung,
und Elisabeth sammelte ihre Gedanken, als sie aber ihre Augen zur hl. Hostie erhob,
da kam es ihr vor, als sähe sie die blutenden Wunden des Heilandes. Dieser Anblick
entzündete sie so, daß sie ihre Andachtslosigkeit mit bitterem Schmerz erkannte
und mit vielen Tränen Gott um Verzeihung bat. Siehe, wie ein einziger unrechter
Blick von der Heiligen bereut wurde! Wie viele Blicke dagegen bleiben ganz unbereut,
wie viele sehen ohne Scheu umher!
7. Wenn denn nun das vorwitzige Umherschauen eine Sünde ist, was für eine
Sünde wird dann erst das eitle Schwätzen in der Kirche und gar während der Messe
sein! Man kann viel leichter den Mund als die Augen im Zaum halten, deswegen ist
das Schwätzen auch eine größere Sünde. Du sagst: „Ich muß doch anstandshalber antworten,
wenn ich um etwas gefragt werde!" Ich sage: Wenn ein altes Mütterchen nicht recht
mehr sehen kann, was am Altar vorgeht, und sie dich darum fragt, dann magst du es
ihr ganz kurz sagen; aber weltliche Sachen gehören nicht in die Kirche, und davon
viel schwätzen, kann gar leicht zur Todsünde werden. Wenn wir nach dem Wort des
göttlichen Heilandes Rechenschaft geben müssen von jedem unnützen Worte, wie schrecklich
wird dann der gerechte Richter alle Worte vor sein Gericht ziehen, durch die wir
seinen Gottesdienst verunehrt haben!
8. Ferner soll man die hl. Messe nach Möglichkeit kniend mitfeiern, wie aus
den Worten des hl. Paulus hervorgeht: „Im Namen Jesu sollen sich die Knie beugen
im Himmel, auf der Erde und unter der Erde." (Phil 2,10). Wie sehr verlangt dieses
Wort beachtet zu werden, wenn Jesus auf dem Altar persönlich gegenwärtig ist und
das Werk unserer Erlösung erneuert! Viele haben den Brauch, daß sie während der
ganzen Messe stehen
[heute oft sitzen], zur Wandlung zwar niederknien, nach derselben
aber sofort wieder aufstehen, gleich als wenn Christus nicht mehr gegenwärtig wäre.
Das sieht ganz unehrerbietig aus und widerstrebt durchaus dem christlichen Brauch.
Wer nicht die ganze Messe hindurch knien kann, der stehe bis zur Wandlung, von da
an aber, bis der Priester den Kelch genossen hat, soll er knien bleiben. Es kommt
sogar vor, daß manche sich gleich nach der Wandlung wieder hinsetzen und bis zum
Ende der Messe sitzen bleiben. Die das tun, zeigen dadurch, daß sie an die Gegenwart
Christi nicht glauben. Wenn jemand wegen Unpäßlichkeit sitzen muß, so sehe er
jedenfalls zu, daß er doch während der Zeit von der Wandlung bis nach der hl. Kommunion
knie. Auch auf die Kinder soll man acht geben, daß sie sich nicht ungebührlich betragen.
Je früher sie es lernen, in der Kirche andächtig zu sein, desto besser ist es für
sie. [Die Orthodoxen haben gar keine Sitzbänke und die Messe dauert noch länger.]
9.
Schließlich ist es noch ein großer Mißbrauch, wenn die Frauen und Jungfrauen
zum Besuch der Kirche sich so prächtig aufputzen. Hört doch, welche Vorschrift der
hl. Paulus gegeben hat: „Jede Frau, die mit unbedecktem Haupt betet, entehrt ihr
Haupt" (1 Kor 11,5); ferner:
„Die Frauen sollen in anständiger Kleidung sich mit Schamhaftigkeit und Sittsamkeit schmücken, nicht mit geflochtenen
Haaren oder Gold oder Perlen oder kostbarem Gewand" (1 Tim 2,9). Auch
Papst
Linus, der Nachfolger des hl. Petrus, hat das Gebot erlassen, daß
die Frauen in der Kirche ihr Angesicht bedecken sollen. Der Kirchenschriftsteller
Klemens von Alexandria
sagt darüber: „Den Frauen ist angemessenerweise
geboten Haupt und Angesicht zu bedecken, weil es nicht in Ordnung ist, daß die Schönheit
der Frauen den Herzen der Männer zur Gefahr werde."
10. Diese Worte betreffen nicht jene Frauen, Jungfrauen und Mädchen, die sich
anständig und ehrbar kleiden, sondern diejenigen, welche geziert und geputzt ankommen
und alle Moden mitmachen, wenn sie auch noch so auffallend und ungehörig sind. Zu
einer solchen sagte einmal der hl. Thomas Morus: „Wenn dir der gerechte Gott
zur Vergeltung deines angewendeten Fleißes die Hölle nicht gibt, so tut er dir gewiß
großes Unrecht." Und der hl. Johannes Chrysostomus sagte: „Gehst du vielleicht
als Braut zur Hochzeit? oder gehst du zum Tanz in die Kirche? oder gehst
du dazu hin, um den Leuten deine Schönheit und deine Pracht zu zeigen? Wenn du
aber zur Kirche gehst, um von Gott Gnade und Barmherzigkeit zu erflehen, warum putzt
du dich so auf? Das ist nicht der Aufzug einer reuigen Sünderin; so bekommst
du gewiß keine Verzeihung, sondern forderst den Zorn Gottes gegen dich heraus."
So sagt der hl. Chrysostomus, und er hat recht.
11. Denn erstens wird von solchen so viel Zeit auf ihre Eitelkeit verwandt, daß
sie meistens zu spät in die Kirche kommen. Ihre Gedanken sind dann noch sicher so
mit ihrem Putz beschäftigt, daß ich nicht weiß, wie sie andächtig beten können.
Vielmehr werden sie sehr geneigt sein, auf andere zuschauen, ob die sich auch so
angezogen haben. Schließlich aber sind sie für neugierige Männer die Ursache, daß
diese weniger auf den Altar als auf diese Frauen sehen. „Sie präsentieren den
Männern Gift, wenn nur einer da wäre, der es trinken wollte;" sagt der hl.
Hieronymus. Gleichwie nun derjenige, der einem Gift anbietet, eine Todsünde
begeht, auch wenn der andere das Gift nicht nimmt, ebenso sind die geputzten Frauen
kaum zu entschuldigen, wenn auch keiner sich um sie kümmert oder sie beachtet. Denn
sie präsentieren ihr Gift und werden Ursache unkeuscher Gedanken und Begierden,
und das in der Kirche, bei der hl. Messe! Daher sagt der hl. Ambrosius das
strenge Wort: „Je großartiger sie vor den Menschen erscheinen wollen, desto schändlicher
sind sie vor Gott; und je mehr sie von den Leuten angestaunt werden, um so mehr
werden sie von Gott verachtet."
12. Denke doch auch hier wieder an das schöne Beispiel, das die liebe hl. Elisabeth
noch als Mädchen gegeben hat. Es war Mariä Himmelfahrt; da sagte die Landgräfin,
die Pflegemutter von Elisabeth, zu ihr und ihrer eigenen Tochter, sie sollten ihre
Samtkleider anziehen und ihre goldenen Krönlein aufsetzen, sie wollten zur Feier
des Festes in die Liebfrauenkirche zu Eisenach gehen. In der Kirche knieten sie
in einem Betstuhl, dem gegenüber ein großes Kruzifix hing. Als Elisabeth das Bild
des sterbenden Heilandes so anschaute, da nahm sie die Krone vom Haupt, legte sie
auf den Betstuhl, warf sich auf ihr Angesicht nieder und betete. Darüber zur Rede
gestellt, gab sie die schöne Antwort: „Verargt mir das nicht; es steht hier vor mir das Bild Christi, wie der milde Heiland mit scharfen Dornen gekrönt ist.
Meine Krone würde ihn ja verhöhnen, wenn ich so üppig dastände, gekrönt mit einem
Kranz von Gold und Perlen und Edelsteinen." - Meinst du nicht, daß eine üppige,
auffällige Kleidung den Heiland am Kreuz viel, viel mehr verhöhnen würde? Ruft
er es nicht allen gleichsam zu, daß er deshalb nackt am Kreuz gehangen, um für die
schlimmen Sünden zu sühnen, die durch Eitelkeit und Unschamhaftigkeit in der Kleidung
begangen werden? Und dann wagst du ihm so in die Kirche zu kommen? Kleide dich
sauber, ordentlich und anständig, dann kannst du dich vor jedem, auch vor deinem
Heiland, sehen lassen.
13. Was wir jetzt gesagt haben, das betraf alles die äußere Andacht und Ehrerbietung
bei der hl. Messe; nun müssen wir noch davon sprechen, worin die innere Andacht
und Frömmigkeit besteht. Die Hauptsache dabei ist nicht, daß du eine sinnliche
Andacht und große innere Süßigkeit hast, sondern den festen Willen, dem hochwürdigsten
Opfer mit aller Aufmerksamkeit beizuwohnen. Denn die wahre Andacht besteht im
Eifer des Herzens, daß man den inbrünstigen Wunsch hat, seinem Gott herzlich
zu dienen und standhaft bei ihm zu verbleiben, auch wenn er uns gar keine innerlichen
Tröstungen und Süßigkeiten verleiht. Wenn du also bei der Messe gerne andächtig
wärst, aber dennoch keine Andacht und Aufmerksamkeit hast, so laß dich dadurch nicht
stören, sondern denke, du seist keiner Andacht würdig, und fahre ruhig in deinen
Gebeten fort. Wenn du aber keine Andacht hast und auch gar keine haben willst, auch
keinen Fleiß aufwendest, um solche zu erlangen, dann schadest du dir sehr und beraubst
dich großen Trostes und Verdienstes, wie du aus folgendem entnehmen kannst.
14. Die hl. Mechthild sah einst bei der hl. Messe Christus auf einem hohen,
kristallenen Thron sitzen und unter diesem zwei gar reine Bächlein hervorquellen.
Als sie sich hierüber verwunderte, wurde ihr geoffenbart, daß das eine Bächlein
die Verzeihung der Sünden, das andere aber die geistlichen Tröstungen und Andachten
bedeute. Diese beiden Gaben würden einem jeden, der die Messe besucht, durch
die Kraft der Gegenwart Christi in besonderer Weise mitgeteilt und seien viel leichter
in als außer der hl. Messe zu erhalten. Als nun die hl. Hostie bei der Wandlung
in die Höhe gehoben wurde, da stand Christus von seinem Thron auf und hob
selbst sein hl. Herz in die Höhe. Dieses Herz war ganz hell und licht und erfüllt
mit kostbarem Balsam, der ringsum überfloß und doch nicht weniger wurde. Die Herzen
aller bei der Messe Anwesenden schwebten unter dem Herzen Christi, davon waren etliche
mit dem Balsam ganz erfüllt und brannten wie kostbare Lampen, andere Herzen aber
waren umgekehrt, ganz leer und ohne Licht. Da wurde ihr geoffenbart, daß die brennenden
Herzen zu jenen gehörten, welche mit Andacht und dem Wunsch nach Andacht der hl.
Messe beiwohnten, die umgekehrten und leeren Herzen aber denjenigen, welche nicht
andächtig sein wollten.
Hieraus lerne den Unterschied zwischen dem andächtigen und unandächtigen
Herzen, wie nämlich das eine mit dem Balsam aus dem Herzen Christi angefüllt, mit
dem Feuer seiner Liebe zur Andacht entzündet und angetrieben wird, dem lieben Gott
mit herzlicher Begierde zu dienen. Die anderen Herzen aber waren zur Erde gewandt, mit irdischen Gedanken angefüllt, aber vom Balsam der Andacht ganz leer.
Die Offenbarung sagt nicht, daß sie keine Andacht hatten, sondern daß sie nicht
danach verlangten. Sie sind also saumselig in der Erhebung ihrer Herzen oder wenden
keinen Fleiß an, um Andacht zu bekommen. O wie manche Herzen mögen so zur Erde gewandt
in der Kirche sein, leer von Andacht, in der Liebe Gottes erkaltet und alles geistlichen
Trostes und Eifers beraubt.
15. Frage: Was soll ich denn tun, wenn ich bisweilen bei der Messe keine Andacht
habe und auch keine bekommen kann? Antwort: Folge dem Rat, den Christus der hl.
Gertrud gab. Als sie trotz all ihrer Mühe einstmals beim Chorgebet aus menschlicher
Schwachheit immer wieder zerstreut wurde, fragte sie sich selbst, was für ein Nutzen
denn aus einem so unbeständigen Gebet entspringen könne, darum wäre es ja besser,
wenn sie es ganz unterließe. Da sie nun davongehen wollte, sah sie im Geist den
göttlichen Heiland, sein Herz in den Händen, der zu ihr sprach: „Siehe, hier
stelle ich dir mein süßes Herz vor deine Augen, auf daß du ihm alles, was du durch
dich nicht kannst, treu zu verrichten anbefiehlst, denn dann wird alles vor meinen
Augen auf das höchste vollkommen erscheinen." Hierüber verwunderte sie sich
sehr und erachtete es für ungeziemend, daß das allerheiligste Herz ihre Unvollkommenheiten
ersetzen sollte. Christus aber gab ihr dieses Gleichnis: „Wenn du eine gar schöne
Stimme und große Lust zu singen hättest, so würdest du zornig werden, wenn eine
mit armseliger Stimme dich nicht singen ließe. Ebenso verlangt mein göttliches Herz
mit großer Begierde, daß du, wenn nicht mit Worten, so doch mit einem bittenden
Gedanken, ihm überträgst,
was du nicht recht kannst."
Das sind tröstliche Worte und eine vortreffliche Lehre, ein leichtes Mittel zum
Ersatz für die Zerstreuung. Wenn du also bei der hl. Messe zu sehr zerstreut bist
und gar nicht andächtig sein kannst, so sprich: „Liebster Jesu, es tut mir herzlich
leid, daß ich in meinem Gebet so sehr zerstreut bin. Darum befehle ich dieses deinem
süßesten Herzen und bitte, daß es für meinen Mangel Ersatz leistet." Daraus
sollst du auch lernen, daß es noch keine besondere Sünde ist, wenn einer aus menschlicher
Schwachheit bei der hl. Messe es keine rechte Andacht finden kann, und daß niemand
aus Angst vor Zerstreuung die hl. Messe vernachlässigen soll. Bleibe dann wenigstens
äußerlich ehrerbietig und andächtig, und im übrigen sage zu deinem Heiland: „Ich
bin hergekommen, weil du mich hier haben willst. Schenke mir jetzt deine Güte und
deine Gnade!" Dann wird dir der Heiland das hochzeitliche Kleid der heiligmachenden
Gnade mit immer neuen Edelsteinen schmücken, die du in Ewigkeit behalten darfst;
die Flecken aber, die du durch läßliche Sünden der Zerstreuung diesem hochzeitlichen
Gewand zufügst, will dir der liebe Heiland in seinem eigenen Blut abwaschen. Also
komm und empfiehl dich ganz und gar seiner Gnade!
Inhaltsverzeichnis
29. Kap. - Meßandacht - 1. Bis zur Wandlung.
1. Wenn du zur hl. Messe gehen willst, so denke schon auf dem Weg dahin, wohin
du gehst und wie du dich dabei verhalten willst. Du gehst nicht bloß in die Kirche, um wie der Pharisäer oder der Zöllner zu beten, sondern um zu
opfern, also Gott den höchsten Dienst zu erweisen, die allervortrefflichste Handlung
und die wichtigste aller Tugendübungen zu vollziehen. Du willst durch die Teilnahme
an diesem Opfer bezeugen, daß Gott der allerhöchste Herr ist, dem unendliche Ehre
und Glorie gebührt, und daß wir seine Untertanen sind, die sich ihm ganz hingeben
müssen, mit denen er ganz nach seinem Gefallen umgehen kann. Deswegen ist das Opfer
unter allen Tugendwerken Gott das angenehmste und uns Menschen das allernützlichste.
Denke also nach, wie du dieses alleredelste Werk würdig verrichten willst, weil
daran viel gelegen ist.
2. Zu Anfang der hl. Messe mache zunächst die Meinung, die hl. Messe mit großem
Nutzen zu hören. zur Ehre Gottes, zum Heil deiner eigenen Seele und für wen du beten
willst. - Während der Messe kannst du auch deine täglichen Gebete, deinen Rosenkranz
oder deine Tagzeiten beten oder das Leben und Leiden des göttlichen Heilands betrachten;
aber jedenfalls schaue recht oft auf den Altar und den Priester hin, und bei den
Hauptteilen, nämlich der Opferung, Wandlung und Kommunion, unterlasse deine übrigen
Gebete und vereinige dich mit dem Priester am Altar. Sehr schön ist es, wenn du
die Gebete mitbetest, von denen ich dir im 23. Kapitel erzählt habe, wie sie der
Priester am Altar betet. Jedenfalls sind die Gebete der Messe für die hl. Messe
die wichtigsten; die anderen kannst du ja schließlich zu Hause noch nachholen, wenn
es sein müßte, die Meßgebete aber nicht, die gehören vielmehr in die hl. Messe hinein.
[Früher war die Messe nur in Latein und zu Zeiten von P. Cochem gab es noch kein
Schott, wo alle Gebete und Meßtexte in Deutsch zum Mitbeten übersetzt waren und
auch kein elektrisches Licht.]
3. Beim Konfiteor, dem Sündenbekenntnis im Stufengebet, schlage mit dem Priester
dreimal an die Brust und erwecke so viel Reue und Leid über deine Sünden, wie es
dir nur möglich ist. Stelle dir vor, wie Christus am Ölberg auf seinem Angesicht
gelegen und auch die von dir begangenen Sünden mit blutigen Tränen beweint hat.
Die Reue eröffnet uns das Herz Gottes. Die Reue bewirkt, daß du dann auch zuversichtlich
mit dem Priester zum dreifaltigen Gott das Kyrie beten kannst: „Herr erbarme
dich unser - Christus erbarme dich unser - Herr erbarme dich unser!" Beim Gloria
aber freue dich darüber, daß du der hl. Messe teilnehmen darfst, und danke deinem
Gott dafür von ganzem Herzen. Bei den Tagesgebeten bitte Gott um seine Gnaden und
gedenke dabei des Festes oder jener Heiligen, die im Tagesgebet genannt werden;
bei der Lesung und dem Evangelium sowie dem Credo danke Gott
dem Herrn herzlich für das große Glück des katholischen Glaubens, der dir die Wahrheit
und die herrlichsten Gnaden und Wohltaten Gottes verschafft.
4. Wenn der Priester Brot und Wein opfert, dann opfere auch dich selbst dem himmlischen
Vater ganz und gar auf und sprich: „Nimm an, o Herr, meine ganze Freiheit. Nimm
an mein Gedächtnis, meinen Verstand und all meinen Willen. Was immer ich habe oder
besitze, du hast es mir geschenkt, ich gebe dir alles zurück und überlasse mich
und alles ganz der Leitung deines hl. Willens. Gib mir nur deine Liebe und deine
Gnade, dann bin ich reich genug und verlange weiter nichts mehr." Die Präfation
fordert dich wiederum zum Dank gegen Gott auf; wir sollen nun unsere Herzen
und unsere Gedanken immer mehr zum Himmel erheben, uns gleichsam in die Reihen der Engel stellen und mit ihnen und dem Priester sprechen: „ Sanctus,
- Heilig, heilig, heilig bist du, Herr, Gott der Heerscharen; Himmel und Erde sind
voll von deiner Herrlichkeit." Diese Worte sind wirklich heilig und werden von den
Engeln im Himmel gesungen, wie es in der Hl. Schrift beim Propheten Isaias heißt;
darum wird in allen Messen zu diesen Worten geklingelt, damit jeder voll Ehrfurcht
sich verneige.
5. Nach dem Sanktus beginnt der Kanon oder die Stillmesse, die deswegen still
gelesen wird, damit die hohen Geheimnisse, die darin begriffen sind, in höchster
Verehrung bleiben und nicht in Verachtung kommen. Was wir alsdann tun sollen, lehrt
uns die Liturgie des hl. Apostels Jakobus mit den Worten: „Hier soll ein
jeder Mensch schweigen, er soll vor Furcht zittern und an nichts Irdisches denken.
Denn der König aller Könige, der Herr aller Herren, kommt hervor, damit er geopfert
und den Gläubigen zur Speise gegeben werde. Vor ihm gehen die Engel mit aller Macht
und Gewalt, sie bedecken ihr Angesicht und singen voll großem Jubel Lobgesänge."
Denke noch einmal daran, was wir schon früher berichteten, wie die hl. Brigitta
von diesen Lobgesängen schreibt: „Als ein Priester das Amt der Messe hielt und
zu der Wandlung kam, da sah ich, wie gleichsam Sonne, Mond und Sterne mit allen
Planeten und alle Himmel mit ihrem Lauf und ihren Bewegungen im Wechselgesang und
süßtönenden Chor erschallten. Eine unzählbare Menge der himmlischen Chöre war auch
gegenwärtig, deren süßen Gesang kein menschlicher Sinn begreifen und keine erschaffene
Zunge aussprechen kann. Die Chöre der Engel schauten den Priester an und neigten
sich vor ihm mit Ehrfurcht. Die Teufel aber erzitterten und flohen mit Schreck davon."
6. Wer wundert sich nicht über die große Vorbereitung, die der ganze Himmel zur
Wandlung trifft, damit dieses höchste Wunder und tiefste Geheimnis nach seiner großen
Würdigkeit vollbracht werde! Wir armselige Menschen wohnen diesem allergöttlichsten
Geheimnis ohne rechte Ehrerbietung bei und stellen uns kaum etwas Übernatürliches
dabei vor. O, wenn uns der liebe Gott unsere Augen öffnete, wie er sie der hl. Brigitta
eröffnet hat. was für Wunderdinge würden wir sehen! Wenn wir diese Vorbereitungen
des Himmels sehen könnten, so würden wir nach den Worten des hl. Jakobus
in Furcht und Zittern stehen und an nichts Irdisches mehr denken. Unsere Augen würden
sehen, wie der Sohn Gottes sich selbst anschickt, zu uns zu kommen, wie er
der hl. Mechthild geoffenbart hat:
7. „Erstens komme ich mit so tiefer Demut, daß keiner bei der Messe ist,
vor dem ich mich nicht demütig neige und zu ihm komme, sofern er es nur begehrt.
Zweitens komme ich mit so großer Geduld, daß ich selbst meinen größten Feind
dort geduldig leide, und wenn er mit mir versöhnt werden will, ihm mit Freuden alle
seine Schuld nachlasse. Drittens komme ich mit so großer Liebe, daß keiner
so kalt und verhärtet da ist, den ich nicht mit meiner Liebe entzünden und sein
Herz erweichen möchte, wenn er nur will. Viertens komme ich mit solcher milden und
überfließenden Freigebigkeit, daß keiner so arm da ist, den ich nicht überflüssig
reich machen könnte. Fünftens komme ich mit solch süßer Speise dahin, daß
keiner so bedürftig und hungrig ist, der nicht von mir könnte erquickt und vollkommen gesättigt werden. Sechstens komme ich mit so großer Klarheit dahin, daß
kein Herz so verblendet und mit Finsternis überzogen ist, das nicht durch meine
Gegenwart erleuchtet und gereinigt werden könnte. Siebtens komme ich mit solcher
Fülle der Heiligkeit und der Gnaden. daß keiner so träge, verdrossen und
unandächtig da ist, den ich von seinem Schlaf nicht erwecken könnte."
8. Beachte doch, auf was für liebreiche Weise dein Jesus vom Himmel herab
zu der hl. Messe kommt und wie herzlich er verlangt, alle Verachteten aufzunehmen,
alle Feinde zu ertragen, alle Verhärteten zu erweichen, alle Armen zu bereichern,
alle Hungrigen zu sättigen, alle Blinden zu erleuchten und alle Unandächtigen zu
ermuntern. Da erfüllt er, was er selbst gesagt hat: „Der Menschensohn ist gekommen,
zu suchen und selig zu machen, was verloren war" (Lk 19,10), und (Jo 3,17):
„Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, daß er die Welt richte, sondern
damit die Welt durch ihn selig werde." Er kommt nicht in der hl. Messe, um die
Sünder zu strafen oder zu verdammen, sondern um sie in Gnaden aufzunehmen und ihnen
Barmherzigkeit zu erzeigen. Deswegen soll sich auch kein Sünder scheuen, zur
hl. Messe zu kommen, denn er kommt nicht zu seinem Richter, sondern zu seinem Mittler.
Er begeht auch keine Todsünde, wenn er in einer bewußten Todsünde die hl. Messe
besucht, also ganz anders, als bei der hl. Kommunion; er macht sich vielmehr durch
den Besuch der hl. Messe viel eher der Verzeihung und Bekehrung fähig.
9. Von der Wandlung schreibt die hl. Brigitta: „Sobald der Priester die Worte
der Wandlung ausgesprochen hatte, da wurde das Brot zu einem lebendigen Lämmlein,
und dies Lämmlein hatte das Angesicht eines Menschen, und eine lebendige Flamme
erschien in und außer dem Lämmlein. Alle gegenwärtigen Engel beteten es an und
dienten ihm, und dieser Engel waren so viele, wie Stäublein in der Luft. Es
war auch eine große Menge heiliger Seelen gegenwärtig, so daß mein Gesicht sie in
der Länge und Breite und Höhe nicht übersehen konnte." Was muß das eine herrliche
Feier gewesen sein, welcher so viele tausend und abertausend Engel und so viel hunderttausend
Heilige beiwohnten. Keiner war zuviel, keiner war unnötig, keiner war müßig. Was
taten sie denn? Die hl. Brigitta sagt: „Sie beteten das Lämmlein an und dienten
ihm." Sie können ihm schon viele
Dienste erweisen; denn jenes Lamm ist der höchste Fürst und Herr.
10. Wenn wir einmal sehen dürften, was bei der Wandlung auf dem Altar vor sich geht,
wie würden wir erzittern! Höre, was der hl. Franziskus deswegen ausruft:
„Der ganze Mensch soll erstarren, die ganze Welt soll erzittern, und der ganze Himmel
soll sich fürchten, wenn der Sohn des lebendigen Gottes auf dem Altar in den Händen
des Priesters ist. O wunderbare Hoheit, o wunderbare Erniedrigung, weil der eingeborene
Sohn Gottes, der Herr aller Geschöpfe, sich so demütigt, daß er sich zum Heil der
Menschen unter der kleinen Brotsgestalt verbirgt!" Weil wir dieses nicht mit leiblichen
Augen sehen, so achten wir es nicht; die Engel aber, die es schauen, erzittern
davor. Ja, auch die Teufel erzittern vor diesem großen Geheimnis und fliehen
davon, wie Christus der hl. Brigitta geoffenbart hat mit den Worten: „Gleichwie
wegen des einzigen Wortes »Ich bin es«, meine Feinde zu Boden fielen, ebenso,
wenn das Wort gesprochen wird: »Das ist mein Leib«, da fliehen die Teufel
und hören auf, die Seelen der Gläubigen anzufechten."
11. Aus all diesen Dingen haben wir nun vernommen, was für große Geheimnisse
bei der Wandlung geschehen und wie glorwürdig sie vor sich geht. Gleichwie nun die
Engel und Heiligen ihr Äußerstes tun, um Christus hierbei zu dienen, erfordert es
da nicht unsere Pflicht von uns, daß auch wir unser Äußerstes tun und alle Kräfte
des Leibes und der Seele anspannen, auf daß dieses allergöttlichste Opfer auch die
reichsten Früchte hervorbringe: Uns Katholiken sagt es schon die Vernunft, daß wir
von unseren anderen Gebeten ablassen, unsere Augen auf den Altar richten, einen
lebhaften Glauben erwecken, das göttliche Lamm demütig anbeten, es dem himmlischen
Vater aufopfern und in diesen Übungen eifrig fortfahren sollen, solange Christus
auf dem. Altar gegenwärtig ist.
12. Das tun nun aber leider durchaus nicht alle, weil die meisten in ihren anderen
Gebeten fortfahren und sich gegen Christus nicht anders verhalten, als wenn er gar
nicht zugegen wäre. Wie unhöflich ist das! Christus kommt in allen Messen dir zulieb
vom hohen Himmel herab, dich zu besuchen, zu trösten und zu begnaden. Er ist
vor dir auf dem Altar, schaut dich mit seinen Augen an und erwartet, was du ihm
zu sagen hast. Und du grüßt ihn nicht, betest ihn nicht an, erzeigst ihm keine
Ehre?
13.
Was sollen aber diejenigen tun, welche außerhalb der Kirche sind und nicht
zur hl. Messe kommen können? Deshalb hat man den heiligen Brauch, daß zur Wandlung
mit der Turmglocke ein Zeichen gegeben wird, auf daß alle Abwesenden hören und wissen,
daß der heiligste Augenblick des ganzen Tages da ist. Zu diesem Glockenzeichen
sollten alle, die Kranken, die Arbeitenden in Feld und Haus, sich zur Kirche
hinwenden und ihren Gott und Herrn anbeten. Das ist ein heiliger und heilsamer
Brauch, der zur höheren Ehre Gottes und zu unserem größeren Seelenheil gereicht.
Inhaltsverzeichnis
30. Kap. - Meßandacht
- 2. Während und nach der Wandlung.
1. Frage: Was soll ich denn tun, wenn der Priester die Wandlungsworte gesprochen
hat? Antwort: Tue dasselbe, was du den Priester am Altar tun siehst. Denn sobald
der Priester die hl. Worte gesprochen hat, fällt er auf seine Knie und betet seinen
Gott, den er in seinen Händen hält, an. Eben das tue auch du: beuge dein Haupt und
deinen Rücken tief; denke daran, daß dein Gott unter den Gestalten wahrhaft gegenwärtig
ist, und bete ihn in tiefster Ehrerbietung an. Dies erfordert deine Pflicht und
sagt dir deine Vernunft. Dies zeigt auch die Hl. Schrift an vielen Stellen, und
zwar zunächst bei den hl. drei Königen, von denen Matthäus (2,11) sagt: „Sie
fanden das Kind mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an."
Als der Blindgewordene aus dem Mund Christi selbst hörte, daß dieser der
Sohn Gottes sei, da sprach er: „Herr, ich glaube", und er fiel nieder und betete
ihn an. (Jo 9,38.) Als die Jünger nach der Auferstehung Jesu auf dem Berg
sahen, wohin er sie beschieden hatte, „da beteten sie ihn an." (Mt 28,17.) Dasselbe
sollst auch du mit dem Priester tun: niederkniend Christus anbeten, und wenn
du es nicht tust, so kannst du nicht entschuldigt werden, sondern begehst eine Sünde.
2. Wenn der Priester zunächst die hl. Hostie und dann den hl. Kelch in die Höhe
hebt, so ist das die wichtigste Zeremonie der ganzen hl. Messe. Sie ist durch besondere
Eingebung des Hl. Geistes von der Kirche angeordnet und allezeit mit größter Andacht
und höchstem Nutzen geübt worden. O, was für ein Jubel entsteht dabei im Himmel,
was für ein Heil entspringt dann auf Erden, was für eine Erquickung empfängt dann
das Fegfeuer, was für ein Schrecken überfällt dann die Hölle! Jetzt hebt der Priester
ja nicht mehr Brot und Wein in die Höhe wie bei der Opferung, sondern er bietet
der allerheiligsten Dreifaltigkeit das allerkostbarste Geschenk an, das durch die
Hand der Engel empor getragen wird zum höchsten Thron Gottes. O, was für eine unergründliche
Freude ist das für den unendlichen Gott!
Denn was stellt der Priester hier Gott dem Herrn vor Augen? Es ist die vergöttlichte
Menschheit seines eingeborenen Sohnes, das vortrefflichste Ebenbild der allerheiligsten
Dreifaltigkeit, das allerkostbarste Kleinod, wie keines zu finden ist in allen Schätzen
der Welt. Diese vergöttlichte Menschheit zeigt der Priester Gott dem Herrn
gleichsam in vielerlei Bildern: wie von neuem Blut schwitzend, gegeißelt, mit
Dornen gekrönt, gekreuzigt und gestorben. Er zeigt dem himmlischen Vater die vergöttlichte
Menschheit Christi wie durch das bittere Leiden Gott versöhnend, das menschliche
Geschlecht erlösend, für die Schulden der Sünder genugtuend und am Kreuz für die
Sünder bittend. Er zeigt Gott dem Herrn die höchste Unschuld, die tiefste Demut,
die unüberwindlichste Geduld, die inbrünstigste Liebe, den vollkommensten Gehorsam
und alle die vielfältigen Tugenden, die sein Sohn ihm zuliebe auf Erden geübt hat.
O, welche Freude hat der himmlische Vater, wenn ihm sein Sohn bei der hl. Wandlung
in dieser Weise gezeigt wird!
3. Aber nicht so sehr der Priester, sondern Christus selbst stellt sich dann
seinem Vater vor Augen und opfert sich ihm auf eine so hohe Weise, daß kein erschaffener
Verstand es begreifen kann. Was meinst du nun, was wird der Vater empfinden,
wenn ihm dieses hochwürdigste Opfer von Christus selbst und dem Priester vorgestellt
und aufgeopfert wird? Wer will das ergründen? Denn dieses Geheimnis ist so groß,
daß ich meine, die höchsten Seraphim können es nicht ergründen. Gott hat dann
gleichsam von neuem seinen Sohn, weil dessen persönliche Gegenwart vermehrt worden
ist. Es wird ihm gleichsam ein neuer Spiegel vorgehalten, in dem er seine unendlichen
Vollkommenheiten schauen kann. Was Gott Vater dann zu seinem Sohn und was Gott Sohn
zu seinem Vater spricht, welche Liebe sie einander erweisen, davon muß alles Erschaffene
schweigen. Ohne Zweifel wird der Vater seine Worte wiederholen: „Du bist mein geliebter
Sohn an dem ich mein Wohlgefallen habe", und Gott Sohn: „Siehe, ich komme, deinen
heiligen Willen zu erfüllen." So können wir es uns wohl vorstellen, begreifen können
wir es ja nicht.
4. Während der Aufhebung soll das Volk seine Augen zum Altar erheben und
das hochwürdigste Sakrament andächtig anschauen. Wie sehr dieses Gott gefällt, hat
sich Christus gewürdigt, der hl. Gertrud zu offenbaren: „Sooft ein Mensch
mit Andacht die konsekrierte Hostie anschaut oder, wenn er es nicht kann, sie gern
anschauen wollte, so oft vermehrt er sein Verdienst im Himmel." Darum tun diejenigen
Leute nicht weise, welche die Augen nicht aufheben und nicht auf das Allerheiligste hinschauen. Heißt es ja doch ausdrücklich im Meßbuch:
„Der Priester hebt die hl. Hostie, soweit er bequem kann, in die Höhe und (was er
auch bei der Aufhebung des Kelches tut), die Augen darauf gerichtet, zeigt er sie
ehrfurchtsvoll dem Volk zur Anbetung." Daraus erhellt, daß es Sinn und Wille der
Kirche ist, daß das Volk beides anschauen und anbeten könne.
5. Wie nützlich ein solches andächtiges Anschauen ist, hat Gott zeigen wollen,
als er von Moses die eherne Schlange aufstellen ließ, damit die von den giftigen
Schlangen Gebissenen auf sie hinschauen sollten; „und die gebissen wurden und sie
ansahen, wurden geheilt." (Num 21,9.) Daß diese eherne Schlange ein Vorbild Christi
gewesen ist, bezeugt Jesus selbst mit den Worten: „Gleichwie Moses die Schlange
in der Wüste erhöht hat, so muß auch der Menschensohn erhöht werden." (Jo 3,14.)
Wie viel mehr als jener Blick auf die eherne Schlange wird das andächtige Anschauen
des bei der Messe erhöhten Christus die durch das Gift der Sünde verwundeten Seelen
heilen und die betrübten und kleinmütigen Herzen trösten und stärken.
6. Dieses Hinschauen ist auch das beste Mittel, um den Glauben zu erwecken, nämlich
den Glauben, daß unter den Gestalten der Hostie und des Weines wirklich Jesus Christus,
unser Schöpfer und Erlöser, persönlich gegenwärtig ist und sich auf dem Altar für
uns arme Sünder opfert. Diese Übung des Glaubens ist sehr tugendhaft und hochverdienstlich,
weil wir das glauben, was wir weder sehen, noch hören, noch schmecken, noch fühlen,
noch begreifen können. Denn es scheint gegen alle menschliche Vernunft zu sein,
daß durch die Kraft fünf kleiner Wörtlein das Brot in den Leib und der Wein in das
Blut Christi verwandelt werden soll. Die Türken, Heiden und viele Protestanten spotten
unser, weil wir dies glauben. Und doch bleiben wir fest bei dieser Wahrheit und
lassen uns ruhig verspotten und wenden auf uns an das Wort Christi: „Selig sind,
die nicht sehen und doch glauben." (Jo 20,
29.) Je öfter und kräftiger jemand diesen Glauben übt, desto mehr Stufen der Gnade
und Glorie verdient er sich.
7. Im Leben des großen Theologen Hugo von St. Viktor lesen wir, daß er oft
verlangt hatte, Christus unter der Gestalt der Hostie auch wirklich einmal schauen
zu dürfen. Endlich wurde sein Gebet erhört: Er sah bei der hl. Wandlung das Christkind
in wirklicher Gestalt auf dem Korporale liegen. Er hatte über diesen Anblick
große Freude, aber endlich sprach das Kindlein: „Weil du mich mit leiblichen Augen
hast sehen wollen, hast du viel von deinem Glaubensverdienst verloren." Durch dieses
Beispiel wirst du in deinem Glauben gestärkt und zugleich versichert, daß du dir
jedesmal großes Verdienst bei Gott erwirbst, sooft du beim Anschauen der hl. Hostie
den Glauben erweckst.
8.
Danach kann sowohl der Priester wie auch das Volk mit dem hl. Bonaventura
sprechen: „Siehe, o ewiger Vater, dieser dein eingeborener Sohn, den die ganze
Welt nicht fassen kann, ist jetzt unser Gefangener. Wir geben ihn dir nicht heraus,
es sei denn, daß wir erhalten, was wir demütig und inständig von dir begehren. Wir
bitten deswegen um Verzeihung unserer Sünden, um Nachlaß unserer Schulden, um Vermehrung
deiner Gnaden, um Überfluß der Tugenden und um die Freuden des ewigen Lebens." Der
Priester könnte dann mit Fug und Recht zum Volk sagen:
„Seht, ihr lieben Christen, hier ist euer Gott und Heiland, euer Erlöser und Seligmacher; schaut ihn mit wahrem Glauben an und gießt eure Herzen vor ihm aus. Selig sind
die Augen, die da sehen, was ihr seht." Jeder von uns kann mit dem Patriarchen Jakob
sprechen: „Ich habe Gott gesehen von Angesicht zu Angesicht, und meine Seele
war gerettet." (Gen 32,30.) Das können wir sogar mit viel mehr Recht sagen als
Jakob, denn dieser hatte nur einen von Gott gesandten Engel gesehen, du aber hast
deinen Heiland selbst und sein Angesicht wie mit dem zarten Schleier der Gestalten
bedeckt geschaut.
9.
Der hl. Paschalis, ein Franziskanerbruder, muß eine ganz besondere Liebe
und Freude bei dem Anschauen der hl. Hostie in seinem Leben empfunden haben. In
seiner Lebensbeschreibung lesen wir als sein Leichnam in die Kirche gebracht war
und das Seelenamt für ihn gelesen wurde, da hat der Tote bei der Erhebung der
hl. Hostie beide Augen geöffnet und die Hostie angeschaut. Die Umstehenden,
deren eine große Menge war, sahen dieses Wunder mit größter Freude und Verwunderung
und wurden dadurch nicht allein sehr erbaut, sondern auch machtvoll im Glauben gestärkt.
10.
Nach der Übung des Glaubens und der Anbetung soll die Aufopferung folgen.
Mache es so wie der Priester, da es ja ebenso dein Opfer wie das des Priesters ist.
Obwohl er schon vor der Wandlung die hl. Messe seinem Gott vielmals aufgeopfert
hat, obwohl er dasselbe auch bei der Wandlung getan, läßt er nicht damit nach, denn
er kann ja nichts Besseres tun als diese alleredelste Gabe seinem Gott immer wieder
aufopfern, um dadurch Gottes Wohlgefallen und Freude immer noch zu vergrößern und
zu vermehren. Deswegen fährt er unmittelbar nach der Wandlung fort: „Eingedenk des
bitteren Leidens deines Sohnes usw. opfern wir, deine Diener, und dein heiliges
Volk deiner hehren Majestät aus deinen Gaben ein reines Opfer, ein heiliges Opfer,
ein unbeflecktes Opfer, das hl. Brot des ewigen Lebens und den Kelch des immerwährenden
Heiles." Sanchez meint, das sei eines der tröstlichsten von allen Gebeten
bei der Messe, da man nichts Besseres bei derselben tun könne, als den Leib und
das Blut Christi aufzuopfern. Wenn du gleich nach der Wandlung dich zu deinen
gewöhnlichen Gebeten zurückkehrst, so willst du Gott statt des kostbaren Meßopfers
dein armseliges, trockenes Gebet aufopfern, was doch nicht besonders klug und wenig
verdienstlich ist.
11. Was haben wir arme Menschen denn, was wir dem reichen Gott schenken
könnten? Für gewöhnlich nichts Besonderes, aber bei der hl. Messe einen so reichen
Schatz, daß wir damit Himmel und Erde reich machen können. Von diesem Schatz spricht
der hl. Paulus: „Er hat seines eigenen Sohnes nicht geschont, sondern ihn für uns
alle hingegeben, sollte er uns nicht alles mit ihm geschenkt haben?" (Röm
8,32) Gott hat dies nicht allein vor 2000 Jahren getan, sondern in jeder Messe gibt
er seinen geliebten Sohn abermals für uns dar und schenkt uns mit ihm all seine
Reichtümer, auf daß wir ihm diese zur Zahlung unserer Schulden und zum Erwerb himmlischer
Güter anbieten und aufopfern sollen.
12. Wir sollen auch jedesmal Christus bitten, daß er unsern Mangel ersetzen und
an unserer Start die hl. Messe dem Vater aufopfern wolle. Wie viel das wert ist,
das lerne aus folgender Offenbarung: Als die hl. Mechthild einmal zu Ehren
der neun Chören der Engel neun Vaterunser gebetet hatte und es ihrem Schutzengel übertragen wollte, diese den anderen Engeln darzubieten, sprach Christus zu
ihr: „Befiehl mir, daß ich es verrichte, denn das macht mir unaussprechliche
Freude, weil jedes Opfer, das mir anbefohlen und von mir dem himmlischen
Heer übergeben wird, von mir also geadelt und gebessert wird wie ein geringes
Stück Geld, in flüssiges Gold geworfen: Nun scheint es nicht mehr zu sein, was
es vorher gewesen, sondern was es durch das Gold geworden ist." Diese Worte sollte
sich jeder merken und bei der hl. Messe sprechen: „Liebster Jesu, weil ich die hl.
Messe nicht recht aufopfern kann, so übertrage ich sie dir und bitte, du wollest
sie für mich deinem Vater aufopfern.
Inhaltsverzeichnis
3. Der dritte Hauptteil und der Schluß der hl. Messe.
13.
Der dritte Hauptteil der hl. Messe, die Kommunion, wird eingeleitet
durch das Vater unser, das Gebet des Herrn. Im Hochamt wird es gesungen; bei der
stillen Messe betet es der Priester und lädt dich ein, es mitzubeten. Bete es recht
andächtig und langsam, dann wirst du bald merken, daß man die tiefen Geheimnisse
dieses hochheiligen Gebetes nirgends besser begreift als gerade jetzt bei der hl.
Messe. Kurz vorher hat der Priester an die Brust geschlagen und gebetet, indem er
die drei ersten Worte etwas lauter sprach: „nobis quoque peccatoribus - auch uns
Sündern wollest du etwas Anteil und Gemeinschaft geben mit deinen Heiligen." Das
war unsere Bitte, an Gott gerichtet um seines eingeborenen Sohnes willen, der sich
soeben, aufs neue für uns aufgeopfert hat.
Wenn Gott dich nun auffordert, mit dem Priester zu sprechen: „Vater unser" - zeigt
er da nicht aufs deutlichste, daß er jenes Gebet gern anhören will? Er lädt dich
sogar ein, zum Zeichen der Erhörung und Versöhnung und als Unterpfand der ewigen
Seligkeit an seinem Tisch teilzunehmen und als kostbarste Speise das zu genießen,
was du ihm als kostbarstes Geschenk aufgeopfert hast, den Leib seines eingeborenen
Sohnes mit Gott und Menschheit, mit Leib und Seele mit Fleisch und Blut.
Durch nichts wird dann weiter der Name Gottes von uns Menschen mehr geheiligt als
durch das hl. Opfer und die Teilnahme an demselben. Dadurch kommt Gottes Heiligkeit
selbst auf die Erde herab und in unsere Herzen hinein, und es erfüllt sich bereits
an uns da schöne Wort eines der Zuhörer Jesu: „Selig, wer am Mahl im Reich Gottes
teilnehmen darf." (Lk 14,15.) Solltest du im Stand der Todsünde sein, so könntest
du natürlich nicht an diesem hl. Mahl teilnehmen, aber auch für dich würden Brosamen
da sein, wenn dein Glaube groß genug ist. (Mt 15,27) Wenn du aber als Kind Gottes
am Tisch des himmlischen Vaters teilnehmen darfst, wie wird da die Kraft in dir
wachsen, den Willen Gottes immer besser zu erfüllen! Und weil du durch Teilnahme
an der hl. Messe bewiesen hast, daß du das Reich Gottes suchst und seine Gerechtigkeit,
so wird der himmlische Vater auch gern das übrige dazugeben, um was wir im Vaterunser
bitten, was wir notwendig haben an Leib und Seele, ferner Verzeihung unserer Schuld,
Bewahrung vor der Versuchung und Erlösung von dem Übel. Vergiß bei der Bitte
um Nachlaß deiner Schulden nicht, gern allen zu verzeihen, die dir vielleicht Unangenehmes
zugefügt haben.
14. Nochmals kannst du dann mit dem Priester beim Agnus Dei um Verzeihung bitten:
„O du Lamm Gottes, das du hinweg nimmst die Sünden der Welt, erbarme dich unser,
- gib uns den Frieden!" Und wenn du dann mit dem Priester an die Brust geschlagen
und gebetet hast: „O Herr, ich bin nicht würdig, daß du eingehst unter mein Dach,
aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund", dann kannst du hinzutreten
zum Tisch des Herrn und dadurch deine Meßandacht zu einer wirklich vollkommenen
machen. Kannst du aber nicht wirklich kommunizieren, so erwecke dieselben Anmutungen
und kommuniziere geistiger Weise.
15. Bleibe dann noch andächtig und gesammelt auch bei dem letzten Teil der hl. Messe.
Der Priester sorgt zunächst dafür, daß weder an seinen Fingern noch im Kelch auch
nur die allerkleinste Spur von den heiligen Gestalten zurückbleibt; dann ordnet
er den Kelch und betet die Gebete des Dankes und der Bitte um Beharrlichkeit. Schließlich
ruft er noch den Segen des dreifaltigen Gottes unter dem Zeichen des hl.
Kreuzes über alle herab und liest dann das letzte Evangelium, für gewöhnlich den
Anfang des Johannesevangeliums. Dieses ruft uns den ganzen Wert und die Größe
der hl. Messe noch einmal ins Gedächtnis zurück und macht uns aufmerksam auf das
hohe Glück, das wir durch Teilnahme an derselben gehabt haben.
Das Wort, das von Ewigkeit her bei Gott war und Gott selbst ist, der eingeborene
Sohn Gottes, dieses „Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir
haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit wie die des Eingeborenen vom
Vater, voll der Gnade und Wahrheit" (Jo 1,14). Bitte noch einmal um reichen Segen
und um Verzeihung der Fehler, welche du bei der Feier durch Zerstreuung und Unaufmerksamkeit
dir vielleicht hast zuschulden kommen lassen, und dann vergiß den ganzen Tag nicht,
welcher Gnade und Ehre du am Morgen bist gewürdigt worden.
16. So will ich denn meine Meßerklärung schließen und mit der demütigen Bitte
beenden, daß alle, welche diese in die Hände bekommen, oft und aufmerksam darin
lesen wollen, auf daß sie ihre Andacht zu der hl. Messe vermehren und desto öfter
und eifriger besuchen mögen. Was für ein hohes Werk sie verrichten und welch gewaltigen
Lohn sie verdienen, haben sie in diesem Buch ausführlich vernommen und werden es
beim Sterben, viel mehr noch in der ewigen Seligkeit erfahren.
Jene aber, welche die hl. Messe für gering achten, sie oberflächlich mitfeiern und
leicht versäumen, werden es bei ihrem Sterben erfahren, zu spät bereuen und es im
heißen Feuer abbüßen müssen. Ich bitte den lieben Gott durch Jesus Christus, seinen
Sohn, daß er allen und jeden, die dieses nützliche Buch lesen, den Verstand erleuchten,
den Willen entzünden und das Herz erweichen wolle, auf daß sie dies allergöttlichste
Werk mit möglichster Andacht hören und mich Armseligen ihres Gebetes teilhaftig
machen wollen. Amen.
Inhaltsverzeichnis
Gebets-Anhang
zum Teil entnommen aus anderen Büchern Martin von Cochems
Begrüßung Jesu im hochhl. Altarssakrament
O Herr und Heiland Jesus Christus, ich freue mich, daß ich die Gnade habe, dich
hier im heiligsten Sakramente besuchen zu können. Aus Liebe zu uns Menschen weilst
du hier Tag und Nacht, rufst und empfängst uns mit liebevollem Erbarmen. O göttlicher
Heiland, ich glaube fest, daß du im allerheiligsten Sakramente gegenwärtig bist,
ich bete dich an und danke dir für die vielen Gnaden, die du mir erwiesen hast.
Von ganzem Herzen will ich dich lieben, und deswegen bereue ich alle Sünden, durch
die ich dich jemals beleidigt habe. Hilf mir doch, die Sünde und alle bösen Gewohnheiten
zu überwinden! Ich möchte dir auch Ersatz leisten für alles Unrecht, Verunehrungen
und Entweihungen, die dir in diesem wunderbaren Sakrament zugefügt werden. Laß uns
doch alle dazu gelangen, daß wir nichts suchen als deine heilige Liebe, die vollste
Erfüllung deines Willens und die beständige Beharrlichkeit. Ich empfehle dir auch
die armen Seelen im Fegfeuer und alle armen Sünder hier auf Erden. Laß uns alle
zu deiner ewigen Seligkeit gelangen. Amen.
Früher gab es für die lateinischen Messen , die meist vom Priester mit dem Ministranten
allein still gebetet wurde sogenannte Meßandachten. Der Schott kam erst Mitte des
20. Jahrhunderts richtig in Umlauf, doch viele hatten nur ein Gesang- oder Gebetbuch.
Dazu gehörten auch kleine Gebetbücher mit Meßandachten, die den die Messe erklärten
und zum wirklichen Mitbeten anleiteten, denn viele haben heute noch nicht den tiefen
Sinn der Messe verstanden, sitzen sie ab und gehen dann wieder, als ob nichts besonderes
gewesen wäre. Selbst viele Priester kennen nicht die Bedeutung der Messe. Hier eine
solche Meßandacht.
Meßandacht zu Ehren des bitteren Leidens und Sterbens Jesu
Wenn der Priester an den Stufen des Altars betet, erinnere dich des Gebetes
Christi am Ölberg.
O bis zur Erde verdemütigter Jesus, meine Sünden haben dich zu Boden geworfen. Ach!
es reut mich von Herzen, daß ich dich, meinen Gott, das beste Gut, jemals erzürnt
habe! O mein Jesus, opfere deinem himmlischen Vater dein dreistündiges Gebet zur
Genugtuung für meine Sünden auf, und verleihe mir kraft deines heiligen Gebetes,
jederzeit eifrig und andächtig zu beten. Amen.
Beim Sündenbekenntnis
bedenke, wie Christus aus Angst Blut geschwitzt
hat. O bis in den Tod betrübtester Jesus, der du im Ölgarten zu deinem himmlischen
Vater betend blutigen Schweiß vergossen hast, ich bitte dich, verleihe mir, daß
ich in meinem Gebet, mit deiner göttlichen Süßigkeit gespeist, anstatt der Blutstropfen
wahre Bußtränen vergießen möge. Amen.
Beim Altarkuß
betrachte, wie Christus dem Judas den Friedenskuß
nicht versagt. O Herr Jesus Christus! der du durch den Kuß des Judas hast verraten
werden wollen, gib mir die Gnade, aß ich weder dich noch meinen Nächsten jemals
ungerechterweise verrate, sondern dir allzeit getreu verbleibe und meinem Nächsten die schuldigen
Dienste der Liebe niemals versage. Amen.
Der Priester geht zur Lesungsseite und betet dort den Introitus:
Betrachte, wie Christus zu Annas geführt wird; dort wegen seiner Lehre befragt,
erhielt er einen Backenstreich. O sanftmütigster Jesus, der du, wie ein Missetäter
gefangen, zum gottlosen Annas wolltest geführt werden, wo du, über deine Lehre befragt,
mit einem harten Backenstreich in dein heiliges Angesicht geschlagen wurdest: ich
danke dir, mein geduldigster Jesus, für die große Liebe, mit welcher du den unbarmherzigen
Backenstreich gelitten hast, und bitte dich, bewahre mich durch deine schmähliche
Gefangennahme vor dem ewigen Gefängnisse der Hölle und führe mich in die himmlische
Stadt Jerusalem. Amen.
Beim Kyrie eleison
betrachte, wie Christus zu Kaiphas geführt
und von Petrus verleugnet wird.
O barmherzigster Jesus, der du im Haus des Kaiphas höchst betrübt worden
bist, da dich dein geliebter Jünger Petrus dreimal verleugnet hat: ich bitte dich,
bewahre mich vor böser Gesellschaft und schweren Versuchungen, damit ich niemals
durch eine Todsünde von dir geschieden werde. Amen.
Wenn das Gloria gebetet wird, betrachte die Freude der Juden über Christi
Schmach und Peinigung.
Ich lobe, preise und benedeie dich, o mein treuester Erlöser Jesus Christus! und
von Grund meines Herzens danke ich dir für alle Schmach, die du für mich gelitten.
Wievielmal du von den Juden gelästert worden bist, so vielhunderttausendmal preise
ich dich und sage dir für alle und jede zugefügte Schmach höchsten Dank, denn du
bist allein heilig, du bist allein lobwürdig, du bist allein der Allerhöchste, mit
dem Hl. Geist in der Herrlichkeit deines himmlischen Vaters. Amen.
Beim Dominus vobiscum
betrachte, wie Christus Petrus angeschaut
und bekehrt hat. O du Herr Jesus Christus, der du Petrus, nachdem er dich verleugnet,
mit gnädigen Augen angesehen und zur Buße bewogen hast: sieh auch mich mit gütigen
Augen an, damit ich meine Sünden vor deinem Angesicht recht beweine und dich, meinen
Gott und Herrn, niemals mit Worten oder Werken verleugne. Amen.
Bei den Tagesgebeten, der Lesung
und dem Graduale betrachte, wie
Christus zu Pilatus geführt und fälschlich angeklagt worden ist.
O heiligster Jesus, du warst ganz unschuldig, unbefleckt, weit von aller Sünde entfernt
und bist doch fälschlich als Übeltäter vor Pilatus angeklagt worden. Aber ach! meine
Sünden stehen allezeit wider mich und klagen mich an bei deiner Gerechtigkeit. O
wehe mir Elenden! Ewig gehe ich verloren, wenn mir deine Barmherzigkeit nicht hilft.
Deswegen werfe ich mich jetzt dir zu Füßen und bitte demütig mit dem Zöllner: Gott,
sei mir armen Sünder gnädig und erbarme dich meiner nach deiner großen Barmherzigkeit.
Amen.
Beim Evangelium
erinnere dich, wie Christus wegen der Verkündigung
des Evangeliums von den ungerechten Richtern viel leiden mußte.
O allerweisester Jesus, du bist als der göttliche Lehrmeister vom Himmel gekommen,
um den Weg des Herrn in der Wahrheit zu lehren und uns sicher zum Himmel zu führen
und zu leiten. Um dieses dein Amt desto vollkommener zu verrichten, hast du deine Lehre mit deinem allerheiligsten Beispiel selbst bekräftigen wollen,
so daß, gleichwie deine Worte die lautere Wahrheit, so auch dein unschuldigster
Lebenswandel lauter Heiligkeit gewesen ist. Und nichtsdestoweniger wolltest du,
der Herr, Meister und Richter aller Menschen, unter größtem Spott des Volkes vor
die gottlosen und ungerechten Richter geführt und von ihnen verhört und verurteilt
werden. Durch diese deine unerhörte Geduld und tiefste Demut verleihe mir, o Jesus,
daß ich den Samen des göttlichen Wortes und die Lehre deines heiligen Evangeliums
mit gutem Herzen und bereitwilligem Geist allzeit annehme und viele Früchte bringe
in Geduld. Amen.
Beim Credo
betrachte die große Beständigkeit der schmerzhaften
Mutter bei dem betrübenden Zustand ihres lieben Sohnes.
Groß wie das Meer ist dein Schmerz gewesen, du Gebenedeite unter den Frauen,
jedoch haben bei dir nicht abgenommen: Glaube, Hoffnung und Liebe. Fest hast du
geglaubt, du werdest einst die Güter des Herrn im Land der Lebenden sehen. Auf Gott
hast du deine Hoffnung gesetzt und bist nicht zuschanden geworden; ihn hast du geliebt
aus deinem ganzen Herzen, aus deiner ganzen Seele und aus allen deinen Kräften.
Durch deine Fürbitte, o allerseligste Jungfrau Maria, vermehre in mir den Glauben,
stärke die Hoffnung und mache vollkommen die Liebe, denn du bist die Mutter der
schönen Liebe. (Sir 24)
Bei der Opferung
und der Abdeckung des Kelches wird die Entblößung
Christi bei der Geißelung dargestellt und wie bereitwilligst sich Christus, alles
zu leiden, seinem himmlischen Vater aufgeopfert hat.
Gelobt seist du, o süßester Jesus, daß du dich deiner Kleider berauben und deinen
allerreinsten Leib dem frechen Angesicht der Soldaten ganz entblößt zur grausamsten
Geißelung hast darstellen lassen, um die Wunden meiner Seele durch die deinen zu
heilen. Reinige du selbst, o treuester Heiland, mein sündiges Herz von allen bösen
Gedanken; ziehe mir den alten Menschen aus samt seinen sündigen Werken, Lüsten und
Begierden und bekleide mich wieder mit dem neuen Menschen, welcher nach deinem Ebenbild
erschaffen ist in Heiligkeit und Gerechtigkeit. Gib mir Gnade, daß ich in Geduld
und Demut die Schläge deiner Hand, die zu meiner Züchtigung geschehen, willig annehme
und ertrage. Laß mich auch, o mein liebreichster Erlöser, alle Augenblicke bereit
sein, lieber mein Hab und Gut, ja Ehre und das Leben selbst zu verlieren, als etwas
zu tun, was deinen allerheiligsten Augen mißfallen möchte. Amen.
Wenn der Kelch zugedeckt wird:
Bedenke die schimpfliche
Krönung Christi. Sei gegrüßt, o Jesus, du gekrönter König der Juden, in deinem zerrissenen
Purpurkleid, mit deiner Dornenkrone und deinem schmählichen Zepter. O König aller Könige,
dessen Macht und Gewalt groß und ohne Ende ist, der du so spöttisch von Juden und
Heiden zu größter Verachtung mit Dornen gekrönt wurdest, deren Spitze und Schärfe
dein allerheiligstes Haupt durchdrangen. Durchbohre mein Herz, Sinn und Gedanken,
daß ich alle weltlichen Lüste und irdischen Freuden fliehe und meide, dem ewigen
Tod entgehe und durch dein allerheiligstes, bei der schmerzlichen Krönung vergossenes
Blut die Krone der ewigen Seligkeit erlange. Amen.
Wenn sich der Priester die Hände wäscht, betrachte,
wie Pilatus durch Waschen
seiner Hände nur den äußerlichen Schein der Unschuld gesucht hat. - O Herr Jesus
Christus, der du von Pilatus unschuldig verurteilt wurdest, damit er die Gunst der
Welt nicht verliert, verleihe, daß ich um deinetwillen gern der Welt Haß und Feindschaft
auf mich lade; behüte mich, o Herr, vor Heuchelei und lasse nicht zu, daß ich aus
eitler Furcht oder Menschenliebe etwas tue, was dir zuwider ist, sondern allein
dich fürchte, liebe und verehre und dir allein gefalle. Amen.
Beim ‘Betet Brüder’
gedenke, wie Christus von Pilatus dem Volk
mit den Worten vorgestellt worden: „Welch ein Mensch."
Herr Jesus Christus, der du mit einem Spottkleid angetan, ganz entstellt, dem
jüdischen Volk vorgestellt werden wollest, erbarme dich meiner, daß ich, wenn ich
vielleicht durch die Sünde vor deinen Augen häßlich und entstellt worden bin, wiederum
durch wahre Buße mit dem Kleid der Unschuld angetan, schön und herrlich vor dir
erscheinen möge. Amen.
Bei der Präfation
betrachte, wie das Todesurteil über Christus
gefällt wird. Ich danke dir, mein liebster Jesus, daß du bei deiner höchsten Gerechtigkeit,
Unschuld und Heiligkeit dennoch das Urteil des schmählichsten Todes am Kreuz,
der von deinem himmlischen Vater zu meinem und aller Menschen Heil verordnet war,
ganz willig und mit Freude auf dich genommen hast. Verleihe mir, o Herr, die Gnade,
daß ich mich auch dem Willen deines himmlischen Vaters in allem Tun und Lassen gänzlich
ergebe, seine göttlichen Anordnungen, sie seien zum Leben oder zum Tod, mit höchster
Ehrerbietung anbete, dieselbe mit willigem Herzen jederzeit auf- und annehme und
dafür in der Zeit und Ewigkeit ihn herzlich lobe und preise. Amen.
Beim Sanktus
betrachte, wie Christus sein Kreuz auf den Kalvarienberg
getragen. O Jesus, du geduldiges Lamm, der du von Pilatus zum allerschmählichsten
Tod verurteilt und den Händen der Henker zur Kreuzigung übergeben, ganz willig ohne
alle Widerrede in den Tod gegangen bist, damit wir vom ewigen Tod erlöst würden:
verleihe mir durch die Kraft deines hl. Kreuzes Stärke, Kraft und Geduld, daß ich
nicht allein das Joch deiner göttlichen Gebote willig auf mich nehme, sondern auch
mein eigenes Kreuz und alles, was mir von deiner väterlichen Hand zugeschickt wird,
geduldig leide und dir auf dem Weg des Kreuzes beständig nachfolge, bis
ich endlich zu dir auf den Berg der Glorie gelange. Amen.
Wenn der Priester das Kreuz über das Opfer macht, bedenke, wie Christus mit
Nägeln ans Kreuz geheftet worden.
O Herr Jesus Christus, der du für mich mit eisernen Nägeln ans Kreuz geheftet werden
wollest und zugleich die Handschrift unserer Sünden und des Todes daran geheftet
hast, ich bitte dich, durchbohre mein Fleisch mit deiner Furcht, damit ich mich
fest an dein Gesetz halte; hefte meine Hände an dein Kreuz, daß ich sie zu keiner
Sünde ausstrecke; durchnagle meine Füße, damit sie von bösen Wegen abgehalten werden;
und durch das hl. Blut, das aus deinen hl. Händen und Füßen geflossen, reinige mein
Herz und heilige meine Seele. Amen.
Bei der Erhebung der hl. Hostie
bedenke, wie Christus am Kreuz
erhoben wurde. - O Jesus, ich bete dich hier an, der du von der Erde wolltest erhoben
werden, damit du alles an dich ziehen könntest. Ach, ziehe mich zu dir mit den Banden
der Liebe, die du sterbend am Kreuz gezeigt hast! Mache, daß ich nichts anderes kenne noch
suche als Jesus den Gekreuzigten, noch eines anderen mich rühme als allein des Kreuzes
unseres Herrn Jesu Christi. Jesus, du Lamm Gottes, erbarme dich meiner! Amen.
Bei der Erhebung des Kelches
stelle dir vor, wie das Blut Christi
vom Kreuz herabfloß. - O Jesus, dies ist ebendasselbe Blut, welches aus allen Wunden
deines heiligen Leibes vom Kreuz herab zu unserem Heil geflossen ist; o liebreichster
Jesus, ach laß doch dein kostbares Blut an mir armen Sünder nicht verloren sein;
sondern laß dasselbe mir, allen Lebendigen, besonders... und Verstorbenen... zur
ewigen Seligkeit gereichen. Amen.
Von der Wandlung bis zum Paternoster
erinnere dich der Schmerzen,
die Christus drei Stunden lang am Kreuz gelitten.
O mein gekreuzigter Jesus, der du jetzt mit Leib und Seele auf dem Altar gegenwärtig
bist, ich falle demütig mit Maria Magdalena vor deinem hl. Kreuz nieder und umfange
dasselbe mit herzlichem Mitleiden. Ich gedenke, o Jesu, wie erbärmlich du am Kreuz
nackt und bloß hingst, zwischen zwei Mördern, mit großem Spott und Hohn und mit
Verachtung vor der ganzen Welt und unter der größten Schmerzen an deinen heiligen
Gliedern. Dein heiligstes Haupt war voll Schmerzen wegen der tief hineingedrückten
Dornenkrone; deine blutigen Arme waren voll Schmerzen wegen der schrecklichen Dehnung;
deine hl. Hände und Füße waren voll Schmerzen wegen der groben eisernen Nägel; dein
Herz und deine Seele waren voll Schmerzen, weil du selbst vom himmlischen Vater
dich verlassen fühltest; und dies alles neben vielen tausend Lästerungen hast du,
liebreichster Jesus, um unserer Sünden willen mit größter Geduld gelitten; dafür
danken wir dir innigst und bitten, du wollest uns durch die Kraft deines heiligen
Leidens in deiner Gnade also befestigen, daß wir niemals, durch eine Todsünde von
deiner Liebe getrennt werden. Amen.
Beim Vater unser,
das aus sieben Bitten besteht, betrachte die
sieben Worte Christi am Kreuz. - Ich danke dir, mein süßester Jesus, der du am Kreuz
hängend jene sieben geheimnisvollen Worte zum Trost meiner Seele gesprochen hast.
Verleihe mir deine kräftige Gnade, daß ich in der Stunde des Todes nicht an das
Zeitliche, sondern an das Ewige denke, daß ich meinen Feinden verzeihe, mein Vertrauen
auf deine Barmherzigkeit nimmer verliere, zur deiner reinste Mutter allezeit ein
kindliches Herz trage, nach dem Himmlischen mit Verachtung der Welt dürste und seufze,
in deiner Gnade bis ans Ende verharre, endlich, daß meine letzten Worte und Gedanken
seien: Vater, barmherziger Vater, in deine Hände empfehle ich meine Seele. Amen.
Beim Brechen der hl. Hostie
denke daran, wie Christus stirbt.
O mein Herr Jesus Christus, weil Himmel und Erde sich über deinen Tod entsetzt
haben, da die Erde erbebte, die Felsen zersprangen und die Sonne verfinstert war,
warum sollte denn ich, der ich durch meine Sünden einen solchen Tod verursacht,
dieselben nicht empfinden? O Gott Vater, durch den Tod deines eingeborenen Sohnes
bitte ich dich, verleihe mir die Gnade, allen Sünden und bösen Begierden abzusterben,
damit ich einst selig scheide und mit dir in alle Ewigkeit lebe. Amen. Wenn der
Priester ein Stück von der hl. Hostie in den Kelch senkt, gedenke, wie
Christus stirbt und seine Seele in die Vorhölle hinab fährt.
Ich danke dir, mein Jesus, der du durch dein Kreuz und deinen Tod das ganze menschliche
Geschlecht erlöst und die Seelen aus der Vorhölle errettet hast, lasse auch jetzt
die Kraft deines hl. Blutes hinabsteigen in das Fegfeuer über die Verstorbenen,
besonders... damit sie, aus zeitlicher Qual errettet, die ewige Ruhe genießen mögen.
Amen.
Beim Agnus Dei
gedenke, wie sich der Hauptmann und viele andere
bekehrt haben. - O Herr Jesus Christus, dessen Gottheit der Hauptmann selbst erkannt,
ob dessen geduldigen Leidens und seligen Sterbens auch viele andere an ihre Brust
geklopft, sich bekehrt und ihre Sünden beweint haben: gib mir durch die Verdienste
deines bitteren Leidens und Sterbens die Gnade, daß ich alle meine schweren Sünden
reumütig beichte und dich in Zukunft nicht mehr beleidige. Amen.
Bei der Kommunion des Priesters
erinnere dich des Begräbnisses
Christi und kommuniziere wenigstens geistiger Weise.
Dank sei dir, o Herr Jesus Christus, der du von Joseph und Nikodemus wolltest
vorn Kreuz abgenommen und in ein neues Grab gelegt werden; ich bitte dich, bereite
mein Herz also, daß es zu deiner angenehmen Ruhestätte tauglich sei.
Ach wie gern wollte ich dich jetzt mit dem Priester empfangen.
Komme wenigstens
geistiger Weise mit deiner Gnade zu mir;
reinige, erquicke und stärke mich;
vermehre
in mir den Glauben, denn an dich,
o ewige Wahrheit! glaube ich;
stärke in mir die
Hoffnung, denn auf dich,
o unendliche Güte! hoffe ich;
entzünde in mir deine Liebe,
denn über alles will ich dich lieben,
o mein Gott, o höchstes Gut und alles.
Seele Christi heilige mich,
Leib Christi mache selig mich,
Blut Christi tränke mich,
Wasser der Seite Christi wasche mich,
Leiden Christi stärke mich,
O gütigster Jesu, erhöre mich,
In deine Wunden verberge mich,
Von dir laß nimmer scheiden mich,
Vor dem bösen Feind beschütze mich,
In meiner
Todesstunde rufe mich,
Und heiße zu dir zu kommen mich,
Mit deinen Heiligen zu loben
dich,
In deinem Reiche ewiglich. Amen.
Beim Austrocknen des Kelches
bedenke die Salbung Christi
nach dem Tod. O Herr Jesus Christus, dessen Leichnam unter dem Wehklagen deiner
Freunde
in reine Leinwand gewickelt wurde und mit Spezerei gesalbt werden sollte, gib
meinem
Herzen Gnade, daß es allzeit rein sei und einen guten Geruch der Tugenden von sich
gebe, damit du jederzeit daran Wohlgefallen habest. Amen.
Wenn der Priester die Kommuniongebet betet
beherzige
die Auferstehung Christi. Dank sei dir, mein Jesus, der du glorwürdig von den Toten
auferstanden bist: gib mir Gnade, daß ich meinen alten sündhaften Wandel verlasse
und ein neues Leben anfange, damit ich einst glorreich und herrlich unter der Schar
deiner Auserwählten in deiner Glorie erscheine. Amen.
Beim Dominus vobiscum
betrachte Christi Erscheinung nach seiner Auferstehung.
O Herr Jesus Christus; der du nach deiner Auferstehung deine liebe Mutter und deine
Jünger mit dem Anblick deines glorreichen Leibes hast erfreuen wollen: gib mir Gnade,
daß ich dich, so nicht hier zeitlich, doch ewig in der künftigen Glorie schaue und
von deinem lieblichen Angesicht in Ewigkeit erfreut werden möge. Amen. Bei den
letzten Gebeten bedenke, wie Christus vierzig Tage noch auf der Erde blieb. - Angemessen sagen wir dir Dank, o Herr Jesus Christus, der du mit deinen
Jüngern vierzig Tage gewandelt bist, um sie vom Reich Gottes zu unterrichten, ihnen
die höchsten Geheimnisse zu offenbaren und dieselben fähig zu machen, deiner hl.
Kirche gut vorzustehen. Leite auch mich, allerliebreichster Heiland, daß ich beständig
bei deiner Lehre verbleibe und in aller Ehrfurcht, Liebe und im Gehorsam als ein
wahres Kind deiner heiligen Kirche bis in den Tod verharre. Amen.
Bei dem letzten Dominus vobiscum und Ite missa est
gedenke,
wie Christus in Gegenwart seiner Jünger zum Himmel aufgefahren ist.
Lob, Ehre und Dank sei dir, Jesus Christus, der du im Angesicht deiner Jünger
glorreich in den Himmel aufgefahren bist und dort zur Rechten deines himmlischen
Vater sitzt; gib meiner Seele Gnade, daß sie, über alles Irdische erhoben, dort
allein dich suche und in diesem Tal der Tränen nach dir allein seufze und mit allen
Kräften verlange. Amen.
Beim priesterlichen Segen
denke an die Sendung des Hl. Geistes.
Ich sage dir höchsten Dank, o Herr Jesus Christus, der du nach deiner Himmelfahrt
deinen Jüngern den Hl. Geist gesendet hast; ich bitte dich, reinige das Innerste
meines Herzens von aller Sünde und allen unordentlichen Gelüsten, damit der Hl.
Geist eine würdige Wohnung darin finde, dasselbe mit göttlichen Gaben und Gnaden
ziere, tröste und in allem Guten befestige. Amen.
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Inhaltsverzeichnis
Hausmesse, wenn man nicht zur Kirche kommen kann.
Gute Meinung
O dreifaltiger Gott, du weißt, wie gern ich jetzt
zur Kirche gehen und die hl. Messe hören möchte. Da ich ihr aber körperlich
nicht mitfeiern kann, so stelle ich mich im Geist an alle Altäre zu den
Priestern, besonders in meiner Pfarrkirche, und begehre mit ihnen Christus
anzubeten, aufzuopfern und zu empfangen. Ich vereinige mich auch mit all jenen,
die andächtig der hl. Messe mitfeiern. Ja, was Christus unter den Gestalten von
Brot und Wein auf allen Altären wirkt und tut, das wünsche ich mit ihm zu tun,
nämlich dich, o Gott, in Vereinigung mit ihm aufs vollkommenste zu loben, zu
lieben, zu ehren, zu bitten, dir zu danken, zu dienen, Genugtuung zu leisten und
die dir durch Sünden zugefügte Schmach wieder gutzumachen. Dazu verleihe mir
deine göttliche Gnade. daß ich dies alles mit herzlicher Andacht verrichten
möge. Amen.
Anbetung und Aufopferung.
Ich bete dich an, o
gütigster Jesu, auf allen Altären, auf denen du gegenwärtig bist, und an meine
Brust schlagend, bitte ich um Gnade. O Jesu, sei mir gnädig, sei mir barmherzig;
gütigster Jesu, verzeihe mir meine Sünden. Schaue herab, o allerheiligster
Vater, von deinem himmlischen Thron und siehe an deinen lieben Sohn, wie du ihn
angesehen hast in der Krippe und am Kreuz. Diesen opfere ich dir durch die Hände
aller die hl. Messe lesenden Priester auf; ich opfere dir seine Tugenden und
seine Verdienste, sein Leiden und Sterben, seine Gottheit und Menschheit, zu
deiner höchsten Ehre, zur Freude seiner allerseligsten Mutter und aller
Heiligen, zu meinem und aller Menschen Heil und Trost aller Armen Seelen im
Fegfeuer.
Ich bete dich an, o hl. Blut
Christi, auf allen Altären, wo du gegenwärtig bist, und an meine Brust
schlagend, bitte ich um Gnade. O hl. Blut, wasche mich von meinen Sünden; o
rosenfarbenes Blut, zahle die verdienten Strafen; o gnadenreiches Blut, rufe zu
Gott um Barmherzigkeit.
Allerheiligste Dreifaltigkeit, alle Tröpflein des Blutes Christi samt aller
Liebe, mit der sie unter Spott und Pein sind vergossen worden, opfere ich dir
auf durch die Hände Jesu und aller Priester und möchte sie jeden Augenblick
meines Lebens aufs kräftigste aufopfern, zu deiner höchsten Ehre, zur Verzeihung
meiner Sünden, zur Zahlung meiner Strafen, zur Abwaschung meiner Fehler, zur
Besserung meiner Nachlässigkeiten, zur Erstattung meiner Versäumnisse und
Nachlaß meiner Unwissenheit, wie auch zum Trost der Betrübten, zur Bekehrung der
Sünder, zur Stärkung der Sterbenden und zur Erquickung der Verstorbenen. O
Jesus, dein göttliches Blut, deine bitteren Tränen, deinen blutigen Todesschweiß
und das Blut und Wasser deiner Seite gieße doch aus über meine Seele, damit sie
rein werde, und über alle Seelen des Fegfeuers zu ihrer Erquickung; du mögest
sie dadurch trösten, reinigen und erlösen. Amen.
Bitten.
Jetzt wende ich mein Herz und meine Augen zu dir, o
gütigster Jesus! Ach, wende doch auch du deine Augen und dein Herz zu mir und
siehe an meine äußerste Not und die große Gefahr, in welcher meine Seele
schwebt. Ach, nimm dich doch meiner an und sei mein treuer Mittler und
Fürsprecher. In allen hl. Messen opfere dich doch auch für mich und erwirb mir
vollkommene Verzeihung meiner Sünden. Zeige deinem Vater dein dornengekröntes
Haupt, deinen verwundeten Leib, deine hl. fünf Wunden, dein durchstochenes Herz
und dein vergossenes Blut. Erzähle ihm, wie du für mich so schmerzlich bist
gegeißelt, gekrönt, gekreuzigt und getötet worden, und durch dies alles erbitte
mir, daß er mich nicht ewig verlorengehen läßt. Du wollest ihn auch in allen hl.
Messen für mich lieben, loben, ehren, ihm Dank und Sühne leisten und mir deine
Verdienste reichlich zueignen. Amen.
O du Lamm Gottes, das du jetzt
wiederum geistiger Weise leidest, erbarme dich meiner und opfere dein Leiden dem
himmlischen Vater auf zur Verzeihung meiner Sünden.
O du Lamm Gottes, das du jetzt wiederum geistiger Weise stirbst, erbarme dich
meiner und opfere deinen Tod dein himmlischen Vater auf zur Bezahlung meiner
Schulden.
O du Lamm Gottes, das du jetzt wiederum geistiger Weise dein Blut vergießest,
erbarme dich meiner und opfere dein hl. Blut Gott dem Vater auf zur Abwaschung
meiner Seele. Amen.
Geistige Kommunion.
O mein Jesus, wie glücklich sind die Priester und
alle jene, welche dich jetzt wirklich in der hl. Kommunion empfangen können. Wie
gern wäre ich bei ihnen, um durch den Genuß deines hl. Fronleichnams aufs
innigste mit dir vereinigt zu werden! So laß mich wenigstens geistiger Weise mit
ihnen zu deinem hl. Tisch treten; laß mich geistiger Weise mit deinem hl Leib
gespeist und mit deinem Blut getränkt werden. Stärke dadurch meine Seele zu
allem Guten, vermehre in ihr deine wunderbare Gnade und ziere sie mit allen
Tugenden. Amen.
Zum Schluß.
Nun, habe ich, o allerheiligste Dreifaltigkeit, mich
bemüht, durch Vereinigung mit allen hl. Messen dir das kostbarste Geschenk,
nämlich deinen
göttlichen Sohn, wieder darzubringen. Ich opfere dir diese unendlich große Gabe
abermals neben allem, was mein gütigster und liebenswürdigster Erlöser in allen
hl. Messen für mich getan, was er mir geschenkt und was ich selbst durch mein
unwürdiges Gebet verdient habe. Dies alles sende ich dir durch meinen hl.
Schutzengel in den Himmel hinauf und lege es auf deinen himmlischen Altar vor
dein göttliches Angesicht, auf daß es ewig vor dir bleibe und dir zu
immerwährendem Lob, mir aber und allen Gläubigen, Lebendigen und Verstorbenen,
zur ewigen Seligkeit gereiche. Amen.
Es segne mich der allmächtige Gott, † der Vater, der Sohn und der Hl. Geist.
Amen.
Inhaltsverzeichnis
Beichtandacht
In tiefer Demut nahe ich mich deinem hl. Richterstuhl, um mich in aufrichtigem
Bekenntnis als armen Sünder anzuklagen. Du willst ja nicht den Tod des Sünders und
stößt nicht zurück, der in Zerknirschung seines Herzens zu dir kommt. Deine Barmherzigkeit
ist größer als meine Sündenschuld; deshalb komme ich zu dir, o barmherziger Vater,
voll Vertrauen und bitte dich inständig: du mögest mir deinen Hl. Geist senden,
damit ich meine Sünden und Fehltritte recht erkenne, von Herzen bereue, aufrichtig
beichte und für mein späteres Leben ernste Vorsätze der Besserung fasse.
Gewissenserforschung.
Wann war die letzte, gültige Beichte? Buße verrichtet? - Überdenke die zehn Gebote
Gottes und die fünf Gebote der Kirche und erforsche dich, wie du gegen dieselben
durch Gedanken (Begierden), Worte, Werke und Unterlassung dich verfehlt hast. Nimm
es recht genau und ernst. Einmal mußt du deinem Gott eine genaue Lebensbeichte ablegen.
O Gott, ich habe gesündigt gegen den Himmel und dich; ich bin nicht wert, dein Kind
zu heißen. Deine Vatergüte habe ich aufs schmählichste mißachtet und deiner Liebe
den Rücken gewandt. 'Wie oft hast du mich gemahnt und gerufen, aber ich hörte nicht
auf deinen liebevollen Ruf. Du wurdest nicht müde, mich mit Wohltaten zu überhäufen,
aber ich habe gerade deine Gaben und Geschenke mißbraucht, um dich zu beleidigen.
O Gott, sei mir armen Sünder gnädig. Höre auf das Flehen meiner Seele; denn ich
bin krank durch meine Schuld. Wie schmerzt es mich, daß ich dein Vaterherz so betrübte.
Aus ganzer Seele verabscheue ich meine Sünden und bereue sie aus Liebe zu dir. Gib
Tränen meiner Seele, daß ich sie beweine und abwasche in heißer Liebesglut. Gekreuzigter
Heiland, der du für mich am Kreuz gelitten und einen grausamen Tod erduldet hast,
sieh voll Erbarmen auf mich der ich voll Schmerz zu dir flüchte. Nimm weg von mir
meine Sünden; ich nehme mir fest vor, dein gutes Herz nie mehr zu beleidigen und
zu betrüben. Alle Versuchungen will ich standhaft überwinden und jede Gelegenheit
zur Sünde ernstlich meiden. Das Unrecht; das ich getan, will ich nach Kräften wieder
gutmachen. Gib mir deine Gnade, o barmherziger Herr und Gott!
Hl. Maria, du Zuflucht der Sünder, stehe für mich ein bei deinem Sohn; und ihr hl.
Engel und Seligen des Himmels, unterstützt ihr Gebet, damit ich Gnade und Verzeihung
finde vor dem Angesicht des Herrn. Amen.
In der Beichte sei aufrichtig; Hinweg mit aller falschen Scham! Habe Vertrauen
und Demut.
Nach der Beichte.
O Gott, wie groß ist deine Güte und dein Erbarmen!
Durch den Mund des Priesters hast du zu mir gesprochen: Geh hin in Frieden; deine
Sünden sind dir vergeben. Wie glücklich bin ich: dein Friede und deine Freude sind
wieder in mein Herz eingekehrt; der Himmel ist mir wieder geöffnet. Wie soll ich
dir danken für deine übergroße Liebe. Ja, ich will halten, was ich dir versprochen
habe. Ich will dir treu bleiben bis in den Tod. Aber ohne dich vermag ich nichts.
Darum festige und stärke meinen Willen, daß ich von nun an allen Anfechtungen der
Hölle widerstehe und sie siegreich überwinde.
Bete, wenn möglich, jetzt die auferlegte Buße.
Himmlischer Vater, nimm diese Beichte huldvoll an und, was ihr an guter Vorbereitung
und Ausführung mangelte, ersetze es aus dem reichen Schatz der Verdienste deines
Sohnes. Segne mich und meine Vorsätze, damit ich mit doppeltem Eifer dir diene und
deine heiligen Gebote beobachte. Hl. Geist, Vater der Armen, vollende mit deinen
kostbaren Gaben in mir das Werk der Erbarmung. Entzünde mich mit dem stärkenden
Feuer deiner Liebe und führe mich den Weg des Heiles.
Hl. Maria, Mutter der Barmherzigkeit, nimm mich in deine mütterliche Hut und begleite
mich mit allen Engeln und Heiligen auf allen meinen Wegen, damit ich dereinst die
Krone des Lebens erlangen möge. Amen.
Kommunionandacht
Vor der hl. Kommunion
- Langsam und mit Bedacht beten!
Kommt zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken,
und ihr werdet Frieden finden für eure Seelen. Könnte deine Einladung, o Herr, liebevoller
lauten? In deiner Güte und Erbarmung rufst du alle: und darum nahe ich mich voll
Vertrauen dem Tisch deiner Gnaden. Ich bin krank; du kannst mich heilen. Ich bin
schwach und elend; du wirst mich stärken. Ich bin so liebe-leer und kalt; du, wirst
mein Herz entzünden und wärmen mit der Glut deines hl. Herzens. Sieh, o mein Heiland,
gnädig auf mich herab und laß die hl. Kommunion, in der ich mich jetzt mit dir vereinigen
will, mir zur Stärkung und zum ewigen Heil gereichen. Glaube und Anbetung.
O mein Jesus, du, die ewige Wahrheit, du hast gesagt: Dies ist mein Leib. In tiefster
Ehrfurcht bekenne ich meinen Glauben und meine Überzeugung, daß du in diesem Sakrament
mit Fleisch und Blut, mit Gottheit und Menschheit, gerade so wie du im Himmel weilst,
wahrhaft und wesentlich zugegen bist. Mein Leben würde ich bereitwilligst dahingeben
für diesen meinen Glauben. Ich werfe mich nieder vor deiner hl. Gegenwart und bete
dich aus der Tiefe meines Herzens an als meinen Herrn und Gott, als meinen Erlöser
und Seligmacher. O
Jesus, vermehre meinen Glauben!
Hoffnung und Aufopferung. Von dir, o mein Heiland, erhoffe ich
alles. Du selbst hast mich eingeladen; darum eile ich zu dir hin: du, wirst mich
nicht verstoßen. Meiner Sünden und Schwachheiten wirst du nicht gedenken, sondern
mich liebevoll in deine Vaterarme aufnehmen und mit der Gnade und Verzeihung beglücken.
Darum opfere ich mich dir ganz auf. Alles, was ich bin und habe, soll dein sein. Nichts
will ich für mich behalten. Alles sei deinem hl. Dienst gewidmet. Nimm das kleine
Opfer meiner selbst gütig an und segne es, damit ich mich nie trenne von dir, sondern
treu meinem Versprechen mit ganzer Seele dir anhänge. Stärke meine Hoffnung, o Jesus.
Liebe und Reue. O Jesus, wie hast du mich geliebt! Von Ewigkeit
her hast du meiner gedacht und mich zu deinem Kind erwählt. Dein Leben hast du für
mich am Kreuz dahingegeben, und jetzt gibst du dich in übergroßer Liebe hin als
Speise meiner Seele. Kann es eine größere Liebe geben, als du mir armen Sünder erwiesen
hast? Ach, wie schlecht habe ich aber bisher deine Liebe erwidert. Wie viel und
wie oft habe ich dein gutes Herz durch meinen Undank betrübt. Wie oft habe ich deiner
Liebe vergessen und meinte Liebe unwürdigen Geschöpfen geschenkt. Aus ganzem Herzen
schmerzt e mich, und in bitterster Bitterkeit meiner Seele beweine ich meine Sünden.
Von nun an soll mich nichts mehr trennen von deiner Liebe. Mit allen Kräften und
über alles will ich dich lieben, o bester Seelenfreund; entzünde in mir das Feuer
deiner Liebe.
Demut und Verlangen.
So komme denn zu mir, o mein höchstes Gut
und Glück. Mit heißer Sehnsucht verlange ich nach dir und deiner Vereinigung. Wie
trockenes Erdreich nach Regen verlangt, so sehne ich mich nach dir, o Jesus. Verweile
nicht länger und. komme in mein Herz. Doch je näher der glückliche Augenblick herannaht,
in dem ich dich in mein Herz aufnehmen soll, je mehr wächst mein Zagen. Denn wer
bin ich, daß ich mich dem hl. Gastmahl nahen darf. Ich bin so elend und arm, und
nicht rein ist das hochzeitliche Gewand. Du aber, o liebevoller Heiland, kannst
alles ersetzen. Schmücke mit deiner Gnade mein Herz, daß es eine würdige Wohnstätte
für dich werde. Und dann eile, zu mir zu kommen und bring mir deinen Frieden. Maria,
Mutter Jesu und auch meine Mutter, flehe für mich bei deinem Sohn. Ihr lieben Engel
und Heiligen, begleitet mich zum Tisch des Herrn, damit der Leib und
das Blut Jesu Christi mir zum ewigen Leben gereiche. Amen.
Herr; ich bin nicht würdig, daß du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein
Wort, so wird meine Seele gesund. (Dreimal.)
Nach der hl. Kommunion.
Lob und Anbetung. Hochpreist meine Seele den Herrn und alles,
was in mir ist, seinen hl. Namen. Er hat meiner Niedrigkeit nicht geachtet und ist
eingekehrt in mein Herz. O süßes Wort: Jesus wohnt in meiner Seele. Sei mir gegrüßt,
du wahres Gotteslamm! Du bist mein, und ich bin dein. O Jesus, du bist nun wirklich
in meinem Herzen; du hast dich nicht gescheut, dich so zu erniedrigen, um mich zu
beglücken. Mein Gott und mein Alles; ich bete dich an. O eilt herbei, ihr seligen
Chöre der himmlischen Geister, eilt herbei und schaut, was der Herr an mir getan.
Stimmt ein in meinen Lobgesang und preist mit mir den allgütigen Gott; denn seine
Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu Geschlecht. Er hat mich genährt mit seinem
Fleisch und Blut: kommt, laßt uns ihn anbeten!
Dank und Aufopferung.
O Jesus, du Sohn des lebendigen Gottes,
wie soll ich dir deine Huld und Gnade vergelten. Du wohnst in meinem Herzen; o unbegreifliche Güte und Liebe! Ich danke dir, o Jesus! Ich vermag dir nicht genug zu danken,
darum möge die ganze Schöpfung mit mir laut ausrufen: ich danke dir, o Jesus! Was
soll ich dir geben für deine Liebe? Ich weiß es, o Jesus. Ich weiß, was du von mir
verlangst. Nimm hin mein Herz, nimm hin meine Liebe, mich mit allen meinen Fähigkeiten,
meinem Verstand, meinem Willen. Dir schenke und übergebe ich alles; nichts soll
mehr mir gehören. Nimm alles zum ewigen Besitz und halte fest, was von nun an ganz
dein ist. Zugleich übergebe ich dir auch alle meine Schwächen und Fehler, damit
du sie bereinigst und verbrennst im Feuer deiner Liebe, auf daß kein Schatten meine
Liebe trübe. Auch das wenige Gute, das ich getan, soll dein sein. Ersetze, was mangelhaft
war, und hilf, daß es wachse dir zur Ehre und mir zum Heil. Amen.
Bitten. Deine Huld ist so groß, daß ich es wage, mich vertrauensvoll
an dein Herz zu wenden. Du selbst versprachst, unsere Bitten zu erhören. Und so
bitte ich dich um ein reines, keusches Herz, um eine große und innige Liebe zu dir
und zu deiner hl. Mutter Maria. Gib, daß ich dich liebe aus ganzem Herzen, aus ganzer
Seele und aus allen meinen Kräften. Verleihe mir auch eine große Liebe zu meinem
Nächsten. Stärke mich in der Geduld, Demut und allen Tugenden. Schmücke aus meine
Seele mit deiner Gnade, auf daß dein göttliches Auge immer mit Wohlgefallen auf
mir ruhe. Erfülle meine Seele mit inniger Sehnsucht nach den himmlischen Gütern,
damit sie das Irdische vergesse und nur dir anhange im Leben und im Tod. - Deinem
liebevollen Herzen empfehle ich auch alle, die mir lieb und teuer sind, besonders...
Verleihe deine Gnade allen Menschen. Erleuchte die Irrenden und Sünder. Bewahre
die Unschuldigen und Versuchten. Erbarme dich aller, die in Angst, Not und Traurigkeit
sind. Lindere die Qualen der Armen Seelen im Fegfeuer und schenke ihnen die ewige
Ruhe. Gieße aus die Fülle deines Segens über mich und alle Menschen, damit wir dereinst
dich schauen von Angesicht zu Angesicht in Glorie und Herrlichkeit. Amen.
Ablaßgebet.
Siehe, o gütiger und süßester Jesus! vor deinem
Angesicht werfe ich mich auf die Knie nieder und bitte und beschwöre dich mit der
heißesten Inbrunst meiner Seele: durchdringe mein Herz mit einem lebendigen Glauben,
Hoffnung und Liebe, und verleihe mir eine wahre Reue über meine Sünden mit dem unerschütterlichen
Willen, mich zu bessern, indem ich mit inniger Rührung und tiefem Schmerz deine
fünf Wunden betrachte und dabei beherzige, was dir, o guter Jesus, schon der Prophet
David in den Mund gelegt hat: „Sie haben meine Hände und Füße durchbohrt: alle meine
Gebeine haben sie gezählt."
O süßestes Herz Jesu, gib, daß ich stets mehr und mehr dich liebe. Amen
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