Buch 1
Luthers
Lebensende. Eine historische Untersuchung.
Orginal (Alte Schrift)
Von Paul Majunke. Buch aufgelegt 1891
Seite 1-100
Anhang Buch 1
Buch 2 Eine historische
Kritik über Luthers Lebensende.
Orginal (Alte Schrift)
Von Paul Majunke. Buch aufgelegt 1890
Seite 101-208
Buch 3 Ein letztes Wort
an die Luther-Dichter.
Orginal (Alte Schrift)
Von Paul Majunke. Buch aufgelegt 1890
Seite 209-260
Alle 3 Bücher in
einem Pdf:
Orginal (Alte Schrift)
Ergänzungen
unsererseits: Lateinische
Übersetzungen und zusätzliche Erklärungen (Wörter,
Personen) sind in dieser Farbe gehalten.
Buch 1 -
Eine historische
Untersuchung
Luthers Lebensende
eine historische Untersuchung
von
Paul Majunke
fünfte, verbesserte Auflage
Mainz,
Druck und Verlag von Fl. Kupferberg,
im Jahr 1891
Harvard College, Library (Bücherei-Archiv), 30. Jan.
1893
Vorbemerkung
In meiner unlängst erschienenen Volks-Ausgabe der
„Geschichte des Kulturkampfes“ hatte ich in der
historischen Einleitung unter anderem eine Stelle aus
den „Hamburger Briefen“ (Berlin „Germania“) zitiert, in
welcher angedeutet war, dass Luther keines natürlichen
Todes gestorben war (siehe dazu unten den Schluss des
Anhangs).
Da ich dies meinerseits für eine Tatsache ausgab, sind
eine große Anzahl an Anfragen an mich ergangen, ob und
wie sich jene Behauptung beweisen lasse. Als Antwort
stelle ich den Fragestellern die vorliegende Broschüre
zu, welche vielleicht auch für ein größeres Publikum
Interesse hat.
Da man auf protestantischer Seite nicht müde wird, immer
von Neuem die gehässigsten Geschichtslügen gegen die
Katholiken auszugraben, - erst in der jüngsten Zeit
sprachen die Anhänger des „Evangelischen Bundes“ wieder
von den „schlechten Päpsten“, vom „römischen Übermut“,
von „römischer Tücke“ (des bei den Tümmeleien verübten
Unfugs gar nicht zu denken) - so mögen in specie
(insbesondere)
den Mitgliedern jenes „Bundes“ im Nachfolgenden aus der
Geschichte ihrer „Kirche“ einige Blätter gewidmet
werden, die keine Geschichtslügen, auch keinen Übermut
und keine Tücke enthalten, die man aber in der
protestantischen Literatur zu entfernen oder zu
übertünchen pflegt.
Im Übrigen ist die vorliegende Schrift nicht fürs Volk,
sondern nur für wissenschaftliche Kreise berechnet,
weshalb auch die lateinischen Zitate ohne Übersetzung
geblieben sind.
Hochkirch bei Glogau, 14. Nov. 1889.
Der Verfasser.
Zur zweiten Auflage.
Unter den bis jetzt erschienenen Kritiken hat auch die
feindseligste nicht einen Beweis gegen die Echtheit der
hier mitgeteilten Dokumente und gegen die
Glaubwürdigkeit der gemeldeten Tatsachen vorbringen
können.
Es hat darum diese Auflage nur einige unwesentliche
Veränderungen resp. (respektive)
Zusätze erfahren.
Ein Hauptzweck der vorliegenden Arbeit sollte auch der
sein: dafür zu sorgen, dass die Ansicht, welche
die großen Theologen und Historiker des 16. und 17.
Jahrhunderts über Luthers Lebensende gehabt haben, nicht
in Vergessenheit gerate, wozu wir ja bereits – man
vergleiche unten das Schlusskapitel des Anhangs - auf
dem besten Wege waren. Dieser Zweck ist schon jetzt
erreicht.
6. Jänner 1890.
Der Verfasser.
Zur dritten Auflage.
Die vorliegende Auflage hat eine Bereicherung gefunden
durch Berücksichtigung der „Apologie“
(Verteidigungsrede),
welche der Wittenberger General-Super-Intendent
(leitender kirchenamtlicher Aufseher) Hofmann 1746 gegen die „Verleumder“ Luthers gerichtet
hat, sowie durch ein offenes direktes Geständnis
Luthers, dass er oft von Selbstmordgedanken befallen
sei.
19. Jänner 1890.
Der Verfasser.
Zur vierten Auflage.
In dieser ist das Zeugnis des Hosius
(polnischer Kardinal)
ausführlicher mitgeteilt, das des Claudius de
Sainctes neu hinzugefügt worden. Auch ist eine
Gegenschrift zur Apologie Müllers, sowie eine Duplik
(Gegenerklärung des Beklagten) des Letzteren
berücksichtigt.
19. Februar 1890.
Der Verfasser.
Zur fünften Auflage.
In dieser ist die Applikation
(Eingabe an die Behörde)
des Longolius in Wegfall gekommen (vergleiche
„Ein letztes Wort an die Luther-Dichter“ S. 12 ff.);
sonst sind nur Korrekturen formeller Natur vorgenommen
worden.
10. Dezember 1890.
Der Verfasser.
Der verabredete Bericht über Luthers Tod.
Bald nachdem Luther in der Nacht vom 17. zum 18. Februar
seinen Geist in seiner Vaterstadt Eisleben - wohin er
sich behufs (zwecks)
Schlichtung eines zwischen den Grafen von Mansfeld
ausgebrochenen Streites begeben – ausgehaucht, traten
die drei Prediger, welche dort in seiner Nähe waren,
Spezial-Famulus Aurifaber (Diener Aurifaber), Justus Jonas von Halle und der
Mansfeld'sche Hofprediger Michael Coelius zusammen, um
einen gemeinsamen Bericht über den Tod und die letzten
Lebenstage ihres Meisters für die Mit- und Nachwelt
festzustellen.
Dass dieser Bericht veranlasst war durch verschiedene
Gerüchte, welche sogleich nach Luthers Tode über die Art
und Weise seines Endes in der Stadt Eisleben
zirkulierten, geht hervor aus der Leichenrede, welche
Michael Coelius dem Verstorbenen am 20. Februar gehalten
hatte.
„Er ist noch nicht begraben“, sagte der Redner; „nicht
mehr denn einen Tag tot gewesen und schon fanden sich
Leute, die – durch den bösen Geist getrieben –
ausgebracht haben sollen, als hab' man ihn tot im Bette
gefunden.
Ja, ich trage nicht Zweifel, dass der, so von Anbeginn
ein Lügner ist, noch mancherlei mehr und schlimmere
Lügen erdenken wird, denn nicht um Luther ist's ihm mehr
zu tun, sondern um seine Lehre.“ (vergleiche den
Wortlaut des Originals unten im Anhang)
Welcher Art diese „schlimmeren Lügen“ hätten sein
können, oder schon gewesen waren, hatte der Prediger
nicht gesagt; aber dass solche „schlimmere Lügen“ in der
Tat bereits im Kurs gewesen sein mussten, geht daraus
hervor, dass der Redner, nachdem er im Folgenden den
„wahren Hergang“ beim Tode Luthers erzählt hatte,
zuletzt noch einmal mit verstärktem Pathos gegen die
„Lügner“ loszuziehen für nötig hielt.
Der „wahre Hergang“ zunächst sollte der gewesen sein,
dass Luther unter lauten Gebeten und Bibelsprüchen seine
letzten Augenblicke zugebracht habe. Wiederholt soll er
Psalmenstellen rezitiert und namentlich die Worte gesagt
haben:
„In manus
tuas commendabo spiritum meum, redemisti me
Domine Deus veritatis etc.“ („In
deine Hände übergebe ich meinen Geist, du hast mich
erlöst, oh Herr, Gott der Wahrheit etc.“)
Zuletzt hätten Doktor Jonas und der Redner Coelius ihn
noch einmal mit eindringlicher Stimme gefragt:
“Reverende (Hochwürden)
Pater, wollet ihr auf Euern Herrn Jesum Christum sterben
und die Lehre, so ihr in seinem Namen getan, bekennen?“
- worauf der Sterbende deutlich geantwortet: „Ja!“
„Hierauf fing er an, eine halbe Viertelstunde zu
schlafen; dann tät er einen tiefen Odem holen und hiemit
gab er sanft und in aller Stille mit großer Geduld
seinen Geist auf.“
Unmittelbar nach dieser Erzählung wendet sich Coelius
sogleich wieder an die „Lügner“.
„Das weiß Gott“, fährt er fort, „vor dem wir's auf unser
Gewissen nehmen, dass es mit seinem (Luthers) Abschied
also und nicht anders ergangen sei – wie man dasselbige
in einer Historia1
(Historie)
zusammengetragen und im Druck wird reichlicher ausgeben
lassen.“
1
Der
eingangs erwähnte Bericht von Jonas
(Justus
Jonas),
Aurifaber und Coelius
(Cölius Michael,
Mansfelder Schlossprediger), der
selbstverständlich mit dem Bericht des Coelius
übereinstimmt.
„Das aber habe ich
erzählet,“ so schließt Coelius , „dass man dem Teufel
und den Seinen ihren lügenhaften Rachen stille; damit
man, wenn man anders, wie jetzund
(soeben) gehöret, davon reden wird, dem
nicht Statt noch Glauben gebe. Denn ich und andere, so
dabei gewest (gewesen),
wollen dess'
(dessen) lebendige Zeugen sein. Wer uns nun
Glauben geben will, wohl gut; wer nicht will, der fahre
hin (fort), lüge und trüge
auf seine Abenteuer (Eigenverantwortung); ich weiß gottlob, dass ich
der Wahrheit Zeugnis geben hab.“
Es müssen allerdings sehr
bedenkliche Gerüchte gewesen sein, welche der „Teufel“
angestiftet hatte, wenn der Mansfelder Prediger mit
einem solchen heftigen und wiederholten Ansturm und mit
der ausgesprochenen Vermutung, dass sie nicht verstummen
würden, sich gegen dieselben zur Wehr setzte – trotzdem
das Lebensende Luthers ganz harmlos und naturgemäß
verlaufen sein sollte – und wenn die drei Theologen noch
angesichts des Leichnams Luthers eine „Historia
(Historie)“
(in der sich die Erzählung des Coelius Michael über des
Verschiedenen letzte Momente zum Teil wörtlich
wiederfindet) für Gegenwart und Zukunft
zusammenzustellen begannen1.
1
Außerdem verfasste Jonas noch einen Spezialbericht an
den sächsischen Kurfürsten. Dieser Brief wurde später
gleichfalls gedruckt. Der Druck stimmt natürlich mit den
Angaben der „Historia
(Historie)“
überein. Aber der Zweifel ist (trotz Seckendorf, der den
Brief „Jonae manu subscriptam“,
(von Jonas
handsigniert),
im Archiv zu Weimar - in „Reinschrift“ – gefunden hatte)
berechtigt, ob der Brief im Original so gelautet hat,
wie im Druck. – Für unsere spätere Darstellung ist
übrigens der Umstand von Interesse, dass, während die „Historia“
unter Luthers Dienern, welche zu Eisleben um ihn waren,
den Ambrosius „und andere Diener“ ausdrücklich erwähnt,
auch in dem Jonas'schen Briefe an den Kurfürsten
hervorgehoben wird, dass außer diesem Ambrosius „noch
ein oder zwei“ Diener in Luthers Umgebung sich befunden
haben.
Mit dieser Historia
(Historie)
hatten die Verfasser auch wirklich einen guten Griff
getan. Als Flugschrift wurde dieselbe sogleich in
hunderttausenden Exemplaren verbreitet, offiziell an die
Höfe1
versandt und in fremde Sprachen übersetzt.
1
So
u.a. an den Herzog Albrecht von Preußen. Dieser sandte
wiederum die „Historie“ an den Bischof von Ermland
(lat. und poln. Warmia),
damit derselbe „der Unwahrheit so vyl
(viel) weniger sich
besorgen“ möge. (Hipler, Nikolaus Kopernikus und Martin
Luther, Braunsberg 1868, S. 59) Dass man sich bis in
Königsberg gegen „Unwahrheiten“ über Luthers Tod wehrte,
ist jedenfalls charakteristisch.
Die (Historie) wurde später
auch Luthers Werken (am Schlusse) einverleibt und dient
seitdem sämtlichen protestantischen Luther-Biographen
bis auf den heutigen Tag2
als Haupt-Geschichtsquelle über Luthers' Tod.
2
So
z.B. dem Professor Köstlin. Dessen ganzes Lutherbuch ist
übrigens nur ein sehr weitschweifiges Kompilatorium
(Zusammenstellung), welches
von geschichtlicher Kritik keine Spur verrät. Die
mangelhafte Kenntnis der vorlutherischen Theologie,
insbesondere die Unkenntnis der christlichen Dogmatik,
sowie der Moral haben den Verfasser Luther idealisieren,
nicht nach der Natur malen lassen. – Doch diesen Fehler
hat ja Köstlin mit fast allen protestantischen
Luther-Biographien gemein. Aber überaus lächerlich
klingt es, wenn er aus Eigenem am Schlusse seines Werkes
bemerkt, Luther habe „das bisher allgewaltige Reich Roms
für immer in seinem Grund erschüttert“! – Wer so etwas
sagen kann heute, wo das Werk Luthers mit
Riesenschritten seiner Selbstauflösung entgegengeht,
während die Macht Roms über die Gemüter gewaltiger
dasteht, denn je seit 300 Jahren, für den scheint die
Vernunft nach Luthers Ausspruch eine „babylonische H . .
.“ zu sein!
Die Gerüchte
über Luthers Tod
Es frägt
(fragt) sich nun,
was das für Gerüchte gewesen sind, welche an Luthers
Bahre über die Todesart des Entseelten ausgesprengt
(verbreitet)
worden waren. Oder zunächst müsste man wohl fragen, wer
solche Gerüchte ausgestreut resp.
(respektive = beziehungsweise) weiter verbreitet
hat?
Nach der Ansicht des Coelius konnten die Urheber der
böswilligen, ja „teuflischen“ Erdichtungen wohl nur die
„Papisten“ (abwertende Bezeichnung
für Katholiken) gewesen sein.
Aber wie kamen diese in die Lutherstadt Eisleben, in
welcher im Jahre 1546 die „Freiheit“ der „christlichen
Lehre“ bereits in solcher Blüte stand, dass in ihren
Mauern ein „Papist“ gar keinen Atem mehr holen konnte!
1
1 In Döllinger's
„Reformation“! I, S. 27 wird nach Georg Wizel's
(Wicel, Witzel) Briefen der
Nachweis geführt, dass es schon im Jahre 1533 in
Eisleben „kaum 10 Katholiken“ gab, „und auch diese
besuchten aus Scheu vor den Lutheranern den öffentlichen
Gottesdienst nicht“.
Im Jahre 1538 starb der letzte der katholisch gesinnten
Grafen von Mansfeld.
Und wie kämen die „Papisten“ gar in die unmittelbare
Umgebung Luthers, in die Eislebener Theologen- und
Adelskreise, oder gar in Luthers Dienerschaft hinein –
denn nur von diesen Kreisen konnten nach Lage der
Verhältnisse die Gerüchte ausgegangen sein, welche dann
allerdings mit großer Schnelligkeit in der Stadt und
Umgegend sich verbreiten konnten.
Die Urheber der Gerüchte konnten demnach nur Anhänger
Luthers gewesen sein; diese würden aber gewiss nichts
gesagt oder angedeutet haben, wenn nicht ein plötzliches
und aus dem Rahmen des Natürlichen heraustretendes
Ereignis sie genötigt hätte, dem Publikum auf zahllose
Fragen Antwort zu geben.
Unter solchen Umständen war der Magister Coelius
sehr unklug gewesen, wenn er glauben konnte, dass
er mit seinem Gepoltere „dem Teufel und den Seinen ihren
lügenhaften Rachen stillen“ würde. Er hat auf diese
Weise erst recht Verdacht erweckt und für seine
Erzählung ungläubige Ohren geschaffen.
Er
scheint auch diese seine Unvorsichtigkeit bald bereut zu
haben, denn in der gedruckten „Historia
(Historie)“,
die er im Verein mit dem schlaueren Jonas und dem
gewandteren Aurifaber angefertigt und unterzeichnet
hatte, findet sich nicht die geringste Andeutung mehr
von jenen Gerüchten.
Und da, wie oben erwähnt, diese „Historia“ die
Hauptquelle bezüglich des Todes Luthers für spätere
Biographen blieb, so würden auch in der polemischen
Literatur der Protestanten jene Gerüchte totgeschwiegen
worden sein, wenn nicht katholische Schriftsteller von
denselben Notiz genommen und sie für glaubhaft
bezeichnet resp. (beziehungsweise)
sie als Tatsachen hingestellt hätten.
Welcher Art also waren diese Erzählungen, die bald in
ganz Sachsenland einer dem andern heimlich ins Ohr
anvertraut hatte?
Wenn sie
auch in Einzelheiten voneinander abwichen, so blieb bei
allen doch ein gemeinsamer, einheitlicher Kern zurück.
In der Hauptsache stimmten nämlich alle darin überein,
dass Luther eines ganz plötzlichen, unerwarteten und
dabei jämmerlichen Todes gestorben sei.1
1
In Georg
Eder's „Inquisition wahrer und falscher Religion“,
Dillingen 1573, S. 186, wird sogar Philipp Melanchthon
(eigentlich Philipp Schwartzerdt, Humanist und Theologe,
regte Luther zur Bibelübersetzung an und führte
nach Luthers Tod die Reformationsbewegung weiter)
als Zeuge dafür angeführt, dass
Luther „gächling“
(unvorhersehens)
gestorben sei.
Am 28. Jänner abends war Luther in Eisleben
eingetroffen. Bereits am 29. Jänner begann er mit den
Verhandlungen im Interesse seines Gönners, des Grafen
Albrecht zu Mansfeld. Nebenbei hatte er von jenem Tage
ab bis zu seinem Tode viermal gepredigt und sogar zwei
Priester ordiniert und geweihet1.
1
Die mehrerwähnte „Historia“
gedenkt ebenfalls dieser „Ordination“ sowie der vier
Predigten und bemerkt dabei, dass sie nach
„apostolischem Brauch“ (!!) geschehen.
Noch am Abend des 17. Februar nahm er, wie die „Historia“
zugibt, sein Abendessen in gewöhnlicher Weise ein und
bereits am achtzehnten morgens war er eine Leiche.
Da man von Luther wusste, dass er nicht nur gern aß und
trank, sondern dass er selbst die Unmäßigkeit liebte –
hatte er sich doch gerühmt, dass er „fresse wie ein
Böhme und saufe wie ein Deutscher“ – so wird wohl
zunächst das Gerücht verbreitet gewesen sein, dass ihn,
weil er sich zu voll gegessen und getrunken, ein
Schlagfluss (Schlaganfall)
(bei seinen ohnehin schon geschwächten körperlichen
Kräften) hinweggerafft habe.
Bei
Cochläus („De actis et
scriptis Lutheri“
„Über die
Machenschaften und Schriften Luthers“
Mainz 1548, Paris und Köln, 1565, p. 298 ff.)
(Johannes
Cochläus
Humanist und Theologe, einer
der erbittertsten Gegner Martin Luthers)
findet
sich ein ins Lateinische übersetzter Bericht „cujusdam
civis Mansfeldensis“ („eines
gewissen Mansfelder Bürgers“) abgedruckt, der in
zahlreichen Einzelheiten von der „Historia“ abweicht.
Hiernach habe Luther am Abend vor seinem Tode noch alle
seine Tischgenossen durch gewohnte Scherze aufgeheitert,
aber bald darauf – um die achte Stunde – sich etwas
unwohl gefühlt.
(Post medium noctis repente vocati sunt ad eum
Duo Medici, quorum alter Doctor, alter Magister
erat, qui ubi advenerunt non repererunt in eo
ullum amplius pulsum.* Scrisperunt tamen mox
Receptum quoddam pro immittendo Clisterio seu
Enemate1.) |
|
Nach
Mitternacht seien plötzlich die beiden
Eislebener Ärzte zu ihm gerufen worden, welche
bei ihrer Ankunft keinen Pulsschlag mehr bei ihm
angetroffen hätten. Sie verschrieben
dennoch sogleich ein ärztliches Rezept für eine
gewisse Verabreichung eines Klistiers oder auch
Darm-Einlaufs1. |
1
Das Gerücht, dass Luther bald nach oder gar vor
Mitternacht (zum 18. Feber) verschieden sei, muss sich
jedenfalls verbreitet und auch lange Zeit sich erhalten
haben. Denn unter den zahlreichen Münzen, welche aus
Anlass seines Todes geprägt wurden, befindet sich eine,
welche 1622 zu Eisleben geprägt war und als Todestag den
17. Februar angibt ( „Vita D. Martini Lutheri nummis
CXLV atque iconibus illustrata“, Francofurti et Lipsiae
1699. S. 177 ff.,
„Das Leben Luthers auf 145 Münzen und insbesondere auf
Ikonen-Abbildungen veranschaulicht“, Frankfurt und
Leipzig 1699. S. 177 ff.)
Darauf hätten sie nach dem Apotheker geschickt
mit der Weisung, ein Klistier zu bereiten. Nun
fährt der Bericht fort: |
(Nur in
Lateinisch im Buch) |
|
(Unsere
Übersetzung) |
Is
ubi advenit et medicorum jussu temperasset atque
calefecisset Clisterium, putabat illum adhuc
vivere. Cumque versum esset corpus, ut ei
Clisterium applicaretur, Apothecarius videns eum
mortuum iam esse, ait at Medicos:
„Mortuus
est, quid opus est Enemate?“
Aderat
comes Albertus et nonnulli homines eruditi.
Responderunt autem medici:
„Quid
tum? Appone Clisterium, si forte supersit ullus
adhuc spiritus, ut reviviscat.“ Ille ergo
cannulam apponens, sensit in saccum Clisterii
exire quasdam ventositates et bombos. Erat enim
totum corpus refertum humoribus ex superfluo
cibo potuque. Habuerat enim coquinam
magnifice instructam et vinum dulce atque
exoticum permultis metretis abundans in hospitio.
Ajunt sane, Lutherum omni prandio et coena unum
ebibisse sextarium
(d.h. fünf bis sechs Quart, 1 Quart ist ca. 1
Liter)
vini dulcis et exotici. Ubi igitur Apothecarius
Clisterium in corpus torsit, totum refusum est e
corpore in lectum, qui splendide praeparatus
erat. Ait itaque Medicis Apothecarius: „Non
remanet Clisterium“ - dixerunt illi: „Omitte
igitur.“
Contenderunt
autem inter sese duo illi Medici de genere
mortis. Doctor dicebat, Apoplexiam fuisse: Visa
est enim tortura oris et dextrum latus
totum infiscatum. Magister verum, qui
putabat, tam sanctum virum non debere manu Dei
per Apoplexiam interimi, dicebat fuisse
Catharhum suffocatiuum et per viam suffocationis
mortem intrasse. His ita peractis advenerunt
alii quoque, comites omnes; Jonas vero sedens ad
caput defuncti, vehementer lamentabatur, manus
invicem contorquens et jactitans. Interrogatus
ergo, an Lutherus hesterno (iam enim initium
erat diei sequentis1),
quae erat feria Quinta et Februarij Decima Octua)
vespere conquestus de aliquo fuisset dolore.
Respondit ille: „Ah non, fuit enim heri ita
laetus sicut nunquam fuit. Ah Domine Deus!
Domine Deus!“
1
Siehe vorangehende kleingedruckte Note |
|
Sobald als dieser dort eintraf und auf Anordnung
der Ärzte das Klistier richtig mischte und dazu
anwärmte, glaubte er, dass jener noch am Leben
ist. Und weil der Körper umgedreht war, um
diesem das Klistier zu verabreichen, sagte der
Apotheker jedoch dagegen zu den Ärzten - genau
sehend, dass dieser bereits tot ist:
„Er ist gestorben, welche Wirksamkeit hat da ein Einlauf?“(„quid opus est?“ =
„Wozu die Mühe?“)
Der Begleiter Albert war zugegen und etliche
gebildete Menschen, trotzdem aber antworteten
die Ärzte: „Was weiter? Wende das Klistier an,
wenn er vielleicht etwa noch am Leben ist,
irgendein Lebenshauch bis jetzt immer noch
vorhanden ist, auf dass er doch wieder
auferstehe.“ Jener - folglich die Kanüle (hohles
Röhrchen) ansetzend – bemerkte am Beutel das
Austreten des Klistiers (Einlauf-Flüssigkeit)
und irgendwelche (gewisse) Blähungen und dumpfe Geräusche
(Brummen). Denn der ganze Körper war durch
Essen und Trinken über das gewöhnliche Maß
hinausgehend
vollgestopft mit Flüssigkeiten.
Er (Luther) hatte nämlich eine großartig
ausgestattete Küche und süßen - insbesondere
ausländischen – Wein, in zahlreichen Weinfässern
für die Bewirtung (der Gäste) in Überfluss
vorhanden. Sie sagen in der Tat ,
dass Luther bei jedem Mittag- und Abendessen
sechs Quart (Liter) an süßem und exotischen Wein
ausgetrunken hat. Als der Apotheker daher das
Klistier in den Körper hineinwarf, wurde das Ganze wieder aus dem
Körper heraus zurückgeworfen
in das Bett, wie prächtig es doch
vorbereitet war. Infolgedessen sagte
der Apotheker zu den Ärzten: “Das Klistier
verbleibt nicht.“ – Jene sagten darauf: “Lass es
also sein!“ („So gib es auf!“)
Jene zwei Ärzte
aber hingegen stritten unter sich über die Art
des Todes. Der Doktor sagte, es sei ein
Schlaganfall gewesen: Denn es wurden krampfartige
Verzerrungen des Gesichts
gesehen und die
gesamte rechte Seite war verfärbt.
Der Magister allerdings, welcher meinte, so ein
heiliger Mann muss nicht über einen Schlaganfall
durch die Hand Gottes hinfort genommen worden
sein, sagte, dass es ein Erstickungs-Katarrh gewesen sei und auf diese
Art und Weise der Atemnot sei
dabei der Tod eingetreten. Im Zuge dieser
Ausführungen kamen damit auch
noch andere hinzu, allesamt Gefährten; Jonas
jedoch saß beim Haupt des Verschiedenen, der im
höchsten Maße bedauert wurde,
die Hände abwechslungsweise
zusammenschlagend und herum werfend. Daher
stellte sich die Frage, ob Luther nicht etwa
gestern (denn schon zu Beginn des
darauffolgenden Tages1, welcher ein Donnerstag
und der 18. Februar war) abends über
irgendwelche Schmerzen geklagt hätte. Jener
erwiderte: „Ach nein, denn gestern war eine so
schöne Nacht, wie sie es
niemals zuvor war. Oh Herrgott ! Herr Gott !“
|
Der Bericht erzählt dann,
dass man abermals Wiederbelebungsversuche angestellt,
dass diese aber wiederum erfolglos gewesen seien.
Wiederbelebungsversuche bei einem Toten, der –
wie die „Historie“ behauptet – „friedlich und sanft im
Herrn entschlafen“ sein sollte, sind jedenfalls eine
auffallende Seltenheit.
Nicht minder merkwürdig
ist die nachstehende nunmehr folgende Stelle des
Berichts:
Habuit Lutherus quemdam apud se Magistrum
fabulantem sibi. Qui a comitibus interrogatus,
an Lutherus praecedente vespere de dolore aliquo
conquestus fuisset.
Respondit, eum ita laetum fuisse, ut longo
tempore tam laetus non fuerit. Narrabat enim
historiam de quodam, qui diabolo se addixerat,
magnam passus famem, ut ipsum cibaret. Diabolus
ergo procurans abundanter et elixas et assatas
carnes, ubi vidit eum plane saturatum, petiit eo
animam ipsius, promissam sibi, quia iam satur
esset.
Ille autem respondit, expectandum esse, donec
moreretur. Non enim corpus sed animam ei
addiert. Contra vero ait diabolus: „Nonne qui
equum emit, frenum quoque equi retinet?“
Annuente illo
intulit Diabolus sic: „Anima equus est, corpus
frenum“, atque his dictis abripuit eum
cum corpore pariter et anima.
Laethi itaque fuerunt omnes, qui heac
et id genus plure ab eo audierant. |
|
Luther hatte bei sich in der Wohnung einen gewissen Magister.
Dieser wurde von den Gefährten
gefragt, ob Luther am Vorabend über irgendwelche
Schmerzen geklagt hätte. Er antwortete, dass
dieser so glücklich gewesen sei, so froh, wie er
es seit langer Zeit nicht mehr gewesen sei. Denn
er erzählte nämlich die Geschichte über eine
bestimmte Person, die großen Hunger gelitten
hat, die sich dem Teufel verkaufte, um sich
selbst zu ernähren. Der Teufel, folglich daher
überreichlich sorgend und zwar mit gekochten und
gebratenen Fleischstücken, verlangte - alsdann
er ihn vollkommen gesättigt erblickte - deshalb
von ihm die Seele desselben, die ihm versprochen
wurde, da er bereits gesättigt war.
Jener aber erwiderte, dass er abzuwarten habe,
bis er sterbe. Denn nicht den Leib, sondern die
Seele hätte er ihm als Eigentum zugesagt.
Demgegenüber jedoch sagte der Teufel: „Hält denn
nicht auch der die Zügel des Pferdes in der
Hand, der das Pferd kauft?“
Mit einem Kopfnicken flößte der Teufel jenem
folgendes ein: „Die Seele ist das Pferd, der
Körper die Zügel“, und so raffte er ihn darauf
mit diesen Sätzen hinfort, zusammen mit dem
Körper, ebenso wie auch mit der Seele. Und
so waren daher alle zusammen fröhlich, welche
von ihm das eben erwähnte mitangehört
hatten. |
Des Weiteren werden im Bericht die
Leichenfeierlichkeiten geschildert. Die Darstellung
weicht insofern von der der „Historie“ ab, als erzählt
wird, es hätten die Leiche Luthers, nachdem man sie von
Eisleben nach Wittenberg geschafft, einige Professoren
und Doktoren der Wittenberger Universität vom Stadttor
bis zum Schlosstor tragen wollen, zu welchem Zweck eine
eigene Bahre verfertigt worden sei. Wegen des
pestilenzialischen Gestanks1
aber, den die Leiche verbreitete, – trotzdem sie sich in
einem metallenen Sarg befand und eisige Kälte herrschte
– wäre es unmöglich gewesen, sie zu tragen, weshalb sie
bis zur Schlosskirche gefahren werden musste.
1
Nach anderen Berichten
hat dieser Gestank schon in Eisleben die Lüfte erfüllt,
und zwar so, dass Tausende von schwarzen Raben hinzu
geflogen seien und die Leiche bis Wittenberg begleitet
hätten. – Die Mystiker gaben hierzu freilich eine andere
Auslegung, als die Ornithologen (Vogelkundler).
(Siehe unten den Bericht des Helmesius, des Thyräus usw.
darüber)
Cochläus selbst geht auf die Gerüchte, welche bezüglich
der Todesart Luthers zirkulierten, nicht des Näheren
ein. Aber auch er erwähnt, dass der Verstorbene am Abend
vor seinem Tode reichlich Speise zu sich genommen und
mit seinen Tischgenossen Scherze getrieben hätte.
De cuius obitu, Über dessen Tod, fährt er dann fort (l.
c. p., vergl. S.294):
Multi multa scribunt. Aliter narrant et scribunt
ex vicinis locis Catholici, aliter loquuntur et
scribunt Lutherani. Multos enim agminatim
emittunt germanice libellos ad persuadendum
cunctis, quam sancte mortuus sit ille
sanctissimus, ut aiunt, omnium eorum pater. |
|
Viele schreiben viel. Die einen erzählen und
schreiben als Katholiken aus den Nachbarländern, die anderen sprechen und
schreiben als Lutheraner. Denn sie senden viele
scharenweise aus, Bücher auf deutsch zur
Überzeugung aller, wie ehrwürdig jener sehr Heiliger doch gestorben sei, wie man sagt, deren aller Vater. |
An einer anderen Stelle sagt
Cochläus (S. 298), dass die „Historie“ des Jonas „mendax
et futilis“, lügenhaft und unzuverlässig sei und dass
sie „complures stultitia“,
ziemlich viele Dummheiten
enthalte, „quae apud eruditos et cordatos viros Lutheri
famam magis denigrant, quam celebrant“,
welche bei den Gelehrten und
Verständigen den Ruf Luthers mehr einschwärzen als ihn
zu feiern.
Aber obgleich man die mehrerwähnte
„Historia (Historie)“
und die im Seperat-Abdruck erschienenen Leichenreden
(welche Jonas am 19. Februar und Coelius am 20. Februar
in Eisleben, Johannes Bugenhagen - Doktor Pomeranus
genannt, war ein Reformator und Weggefährte Martin
Luthers - am 22. Februar und Melanchthon an demselben
Tage in Wittenberg gehalten) mit einem Bildnis
umgab, in welchem Luther im Heiligenschein dargestellt
wurde; obgleich man sogar Denkmünzen
(Gedenkmünzen)
mit solchen Bildnissen prägen ließ – der Glaube an
Luthers heiligmäßigen Tod fand nur wenig Anhänger. Ja
nach der Redeweise mehrerer katholischer Schriftsteller
zu schließen, muss auch auf Seite der Protestanten die
Anschauung vorherrschend gewesen sein, dass der
„Reformator“ eines plötzlichen und elenden Todes
gestorben sei.
Helmesius, Ord. St. Francisci,
bemerkt in seiner 1557 (zu Köln) erschienenen Schrift: „Captivitas
Babylonica Martini Lutheri“,
„Die babylonische Gefangenschaft
des Martin Luther“
(I, H):
„Repentinus ei (Luthero)
supervenit interitus, sicut dolor in utero habentis et
Dominus partem eius cum infidelibus posuit et cum
perfidis haereticis in profundissimo inferno1.“
„Plötzliches Verderben kam über ihn (Luther), genauso
wie die Schmerzes-Wehen einer schwangeren Frau und wie
der Herr seinen Anteil für die Ungläubigen festsetzt und
mit den treulosen Ketzern in der tiefsten Hölle verfährt
1.“
1
Nähere Angaben über Luthers Todesart macht auch
Helmesius nicht. Interessant dagegen ist sein
Bericht über die Raben, welche der Leiche
Luthers folgten. Er sagt darüber: |
„Quum cadaver
scelesti (Lutheri) cum pompa maxima ad
civitatem Hallensem in curru allatum fuisset
et positum in Ecclesiae Virginis Mariae
tanta corvorum multitudo cum corpore illo
venit et altera die cum eo recessit, quantam
nulla aetas hominum vidit vel audiuit.
Tanta
multitudo corvorum venit cum cadavere
Lutheri, quod tecta domorum et arborum rami
vix sufficiebant, ut loca sibi in eis in
quibus residerent acciperent. Luderani in
templo excubias iuxta corpus servabant tota
nocte illa atque haeretica cantica sua et
die blasphemias sine intermissione
altissimis vocibus reboabant. Et corvi in
tectis et arboribus residentes, simili
alacritate suum Cras crocitabant sine
cessatione, ut nescias an faex Luderana aut
corvi potiores fuerint in clamore. Mane
autem facto, quum cadaver impii cum pompa
maxima extra civitatem portaretur, sicut cum
veniente corvi venerunt sic cum recedente
recesserunt eumque conduxerunt.
Sed quousque
nescio. Haec ego audivi a multis in
civitate Hallensium, ad quam post mortem
impii illius non post multos dies et ibidem
diu mansi.“ |
|
„Als der
Leichnam (von Luther) des Unglücklichen mit
einer großen Prozession auf einem Wagen zur
Gemeinde Halle gebracht und in der Kirche
zur Jungfrau Maria abgesetzt wurde, kam
zusammen mit jenem Körper eine so große
Vielzahl an Raben und verschwand mit ihm am
nächsten Tag wieder, wie man es zu keiner
Menschheits-Epoche jemals gesehen oder
gehört hat. Eine derartig große Anzahl an
Raben kam mit dem Kadaver Luthers, dass die
Dächer der Häuser und die Zweige der Bäume
kaum ausreichten, so dass die Plätze, in
denen, in welchen sie hausten, sie hätten aufnehmen können.
Die Lutheraner hielten im Kirchengebäude
unmittelbar neben dem Leichnam in jener
besagten Nacht durchgehend Wachdienst und
dazu hallten ihre ketzerischen Gesänge - und
bei Tag Gotteslästerungen - ohne
Unterbrechung in den höchsten Tönen –
wider. Und die auf den Dächern und den
Ästen sitzenden Raben
krächzten
mit einer ähnlichen Begeisterung ohne
Unterlass seinen Morgen, wobei man nicht
sagen kann, ob der lutherische Abschaum oder
die Raben im Beifallsgeschrei besser
gewesen seien. Aber am Morgen, als
der Leichnam des Gottlosen mit einem
sehr großen Umzug aus der Stadt getragen
wurde, verschwanden die Raben wieder mit dem
Rückzug, so wie sie mit dem Kommen kamen und
ihn auch dabei begleiteten. Aber ich weiß
nicht wie lange. Dies aber habe ich von
vielen in der Stadt Halle gehört, bis nach
dem Tod jenes Gottlosen, nicht erst nach
vielen Tagen und ich verblieb dort lange
Zeit.“ |
Die hier ausführlich berichtete Erscheinung
wird von Petrus Thyräus (De Daemoniacis,
Über die von Dämonen Besessenen, I. disp. 8
sect. 11) wie folgt erklärt: |
„Quo die Martinus Lutherus ex hac vita
discessit Daemoniaci qui Gheelae (Brabantiae
oppidum) plurimi erant et patrocinio St.
Dympnae (quod iam multi multis annis
expertis erant) liberationem expectabant,
omnes a daemonibus liberati sunt, sed non
ita multo post ab iisdem rursus occupati.
Res haec obscura non est, siquidem postera
die, quum miseros homines rursus crudeles
spiritus torquerent, interrogati, ubi pridie
latuissent, responderunt se mandato
Princibis sui ad novi prophetae et fidelis
cooperarii Lutheri funus evocatos fuisse
eidemque interfuisse.“ |
|
„An dem Tag, als Martin Luther aus dem Leben
schied, wurden die Besessenen, derer in
Gheel sehr viele waren und sich unter der
Schirmherrschaft von der Heiligen Dympna
Befreiung erhofften, alle zusammen von den
Dämonen befreit, aber nicht gerade viel
später wurden sie danach von denselben
wiederum besetzt.
Diese Sache ist kein Rätsel, insofern sie
nämlich am darauffolgenden Tag, als die
grausamen Geister diese bedauernswerten
Menschen nochmals entstellten (quälten),
befragt wurden, wo sie sich denn am Tag
zuvor versteckt hielten, antworteten sie,
dass sie auf Befehl ihres Anführers zum
Begräbnis Luthers, des neuen Propheten und
des treuen Gehilfen, herbeigerufen geworden
seien und diesem auch beiwohnten. |
Cornelius a Lapide (Cornelis van Stein), bekanntlich
ein Niederländer, entnimmt dieselbe Erzählung aus
Tilmann Bredenbach, Sacrae collationes (Heilige
Versammlungen), lib. 7 cap. 39, und bemerkt
seinerseits, dass er persönlich Gheel kenne und die
Besessenen selbst gesehen habe, welche dorthin zum
Grabmal der heiligen Dympna zusammenströmten. („Oppidum
hoc vidi in Brabantia et energumenos, qui eo ad St.
Dympnam confluunt.“ Comment. in Apocal. S. Johannis,
Cap. XX, B.)
Der Ort Gheel, zwischen Brüssel und Antwerpen
gelegen, hat noch heute eine berühmte Kolonie
(Personenverband in einem Gebiet außerhalb des
angestammten Siedlungsgebietes, auswärtiges
abhängiges Gebiet eines Staates) von Geisteskranken.
Karl Baedeker (Reiseführer: Belgien und Holland, S.
74) bemerkt darüber:
„Gheel est interessant par sa colonie
d'aliénés. Dans cette localité et les
villages et fermes environnants sont placés
prés de 900 aliénés. Cette contrée,
d'environ 10 lieues de périmétre est
partagée en 4 sections ayant chacune un
médecin et un surveillant. On remarque á
Gheel la belle église du style ogivale
tertiaire dediée á Ste. Dympne, princesse
irlandaise convertie au christianisme et qui
eut en cet endroit la téte tranchée par son
pére payen; c'est par suite des miracles de
cette sainte, que s'est formée la colonie
d'aliénés.“ |
|
„Gheel ist für seine Kolonie
der Verrückten interessant. An diesem Ort,
in den Dörfern und den umliegenden Höfen,
sind fast 900 Geisteskranke platziert.
Dieses Land, ungefähr im Umkreis von 10
Meilen, ist in 4 Sektoren unterteilt, mit
jeweils einem Arzt und einer
Aufsichtsperson.
Wir
stellen fest, dass Gheel eine schöne Kirche
im gotischen Stil hat und der Heiligen
Dympne geweiht ist, die als irländische
Prinzessin zum Christentum konvertierte und
welcher
genau an dieser Stelle durch ihrem
heidnischen Vater das Haupt abgeschnitten
wurde; dies aufgrund
der Wunder
dieser Heiligen,
die die
Kolonie der Verrückten gegründet hat.“ |
Genebrardus, der
Gelehrte der Sorbonne sagt in seinen 1581 zu
Köln erschienenen „Chronographiae“
(Chronografien =
Geschichtsschreibungen nach der Zeitfolge)
auf Seite 1181: |
Lutherus Islebii cum vespere egregie esset
pastus et potus, mane repertus est ad
Satanam descendisse. |
|
Luther wäre zu Eisleben im Zuge des Abends
außerordentlich angefressen und angetrunken
gewesen, frühmorgens wurde er aufgefunden -
hinabgestiegen zu Satan. |
Floremund Raemund berichtet in
seiner „Histoire de la naissance etc. de l'hérésie“
(Geschichte der Geburt
usw. der Ketzerei,
lateinisch übersetzt Köln 1655) S. 265:
„A quibusdam proditum invenio, eodem modo Lutherum,
quum (= cum) e lectulo ventris exonerandi causa
surrexisset, quo Arium intestina effudisse.“
„Zufällig stoße ich auf (finde / entdecke ich) eine
Überlieferung von gewissen Leuten, dass dem Luther
auf die gleiche Weise, als er aufgrund der
Entleerung (= zur Erleichterung) des Bauches aus dem
Bettlager aufgestanden wäre, wie bei Arius*
die
Gedärme hervorgequollen sind.“
*
Der Ketzerkönig Arius starb eines grausamen Todes,
indem sein Darm unerklärlicherweise zerriss. Der
Heilige Athanasius überliefert die Geschichte von
Arius und dessen mysteriöse Todesursache (Sprengen
des Darms). Arius aus Alexandria (Ursprung der Ormus-Rosenkreutzer-Gesellschaft: 46 n. Chr.) war
ein geheimer Häretiker und Feind der Kirche, der
sich als Scheinchrist tarnte (Anführer der 5.
Kolonne = jüdische Geheimagenten innerhalb der
Kirche), Papst werden wollte und den Arianismus
sowie die arianischen falschen Bischöfe
hervorbrachte.
Floremund Raemund gibt nicht die Quellen für
seine Mitteilung an, wie er denn überhaupt – wie
wir später sehen werden – in der
Quellenbenutzung sehr ungenau zu Werke geht.
Eine Ansicht, welcher der
später von Bozius (Antonius
Bosius, siehe
unten) vertretenen nahe kommt, hat der Kardinal
Bellarmine (Roberto
Bellarmine machtvoller Verteidiger des
katholischen Glaubens und des Apostolischen
Stuhles gegen die Irrlehren der
Reformatoren,1930 heilig gesprochen)
gehabt, der in seinen (von 1570 bis 1576 zu
Löwen gehaltenen, 1615 zu Köln gedruckten)
Predigten (Concio IX, Vortragsrede Nr. IX, S.
562) bemerkte: |
„Martinus
Lutherus nonne sicut Epicureo more vixit, ita
quoque more Epicureo extinctus est? Nam quum
nocte quadam optimam coenam sumpsisset, sicut
semper solebat, et fabulis et facetiis omnibus
convivis risum movisset, post paucas horas
ore contorto animam
diabolo reddidit.“ |
|
„Hat Martin
Luther denn nicht mehr wie ein Epikuräer*
gelebt, und ist er so denn nicht auch wie ein
Epikuräer gestorben? Denn als er in einer
gewissen Nacht reichlich
Abendmahl zu sich genommen hätte, so wie er es
immer pflegte zu tun, und mit
Geschichten und Scherzen alle Tischgenossen zum
Lachen bewegt hätte, hat er nach wenigen Stunden
mit verzogenem Gesicht dem
Teufel die Seele wieder zurückgegeben.“ |
*
Epikur: Vertreter des Hedonismus
(„Genussmensch"), er bestritt nachdrücklich die
Schöpfung und die Lenkung der Welt durch eine
göttliche Instanz, doch ging er davon aus, dass
es tatsächlich Götter gibt. |
Der Kardinal Stanislaus Hosius meinte, dass wie Luther
bei fast allen seinen Worten, Schriften und Werken auf
Antrieb des Teufels gesprochen, geschrieben und
gehandelt habe, so sei dies auch bei seinem Lebensende
geschehen. In seiner klassischen Schrift „Confutatio
prolegomenon Brentii, Coloniae 1560“
(Widerlegung der wissenschaftlichen Vorrede des Johannes
Brenz, Köln 1560),
sagt der Kardinal darüber S. 8 ff.:
„Cum itaque
(Lutherus) in omnibus dictis, scriptis, factis
suis, non alios quam iram et odium pessimos
consultores adhibuerit, erit adhuc quisquam qui
dubitet, quaecumque ab eo profecta sunt, aliunde
quam a Diabolo profecta esse? Si quis est
huiusmodi, tollet illi dubitationem hanc
Lutherus ipse, qui in libro quem inscripsit „De
Missa angulari“, quem habuerit autorem doctrinae
suae, non obscure fert. Inducit enim ibi
Diabolum secum disputantem, ac fortiora contra
Missam argumenta proferentem, quam quae refelli
a se potuerint. Cuius etiam vocem in ibi
describit, quod ea gravis et robusta sit,
tamquam terribiliter insonet, ut usu quandoque
eveniat, quod post collationem cum Daemone
nocturnam homines postridie mane mortui
reperiantur: Nam et corpus, inquit, occidere
potest, deinde vero animam ita reddit anxiam, ut
in uno momento quandoque necesse habeat e
corpore migrare.
Quod saepe sibi
quoque ipsi propemodum accidisse scribit.
Quin et accidit ad extremum. Nam qui vespere
bene potus erat et hilaris, postridie mane
repertus est in lecto mortuus, cum totos
annos undetriginta magnos in Ecclesia Dei motus
excitasset. Atque hoc est illud, quod adeo
magnifice praedicatur a quibusdam, Dei verbum &
Evangelium, non a Christo, sed ab autore Sathana
profectum, sicut ipse fatetur, qui primus id in
lucem edidit. Nam ab eo sibi gloriatur argumenta
esse suppeditata, quibus sacerdotium &
sacrificium everteret.“ |
|
„Wenn also
infolgedessen Luther in allen seinen Worten,
Schriften und Werken keine anderen als wie Wut
und Hass als die schlechtesten Berater
herangezogen hat, wird er bis hier jemand sein, welcher Bedenken
trägt - welche auch immer von
ihm geschaffen wurden, ob sie
anderswoher als vom Teufel
bewerkstelligt worden sind? Wenn
jemand von dieser Art ist, wird Luther
selbst dabei den Zweifel
nehmen, der diesen in einem Buch beschreibt
„Über die Winkel-Messe“, den er als Verfasser
seiner Lehre betrachtet, daraus keinen Hehl
macht. Denn er sagt darin
einleitend, dass der Teufel mit ihm disputiert
(gestritten) hätte, und dazu gegen die Messe
besonders starke Belege vorbrachte,
als diese von ihm hätten widerlegt werden
können. Er beschreibt auch an dieser Stelle die
Stimme dessen, insofern als diese schwer
und stark sei, sowie sie furchtbar
schrecklich dröhnt, sodass es manchmal vorkommt, dass Menschen nach einer
nächtlichen* Verbindung mit dem Teufel
(Dämon) am nächsten Morgen tot vorgefunden
werden: Denn auch den Leib, sagte er (Satan),
kann er töten, darauf aber versetzt er die Seele
in einen Zustand voll quälender Unruhe, um in
einem Augenblick - sooft sie es muss - aus dem
Körper zu fahren. Er schreibt, dass ihm selbst
das sogar ebenso fast passiert ist. Ja
vielmehr kommt das bis zum Äußersten vor. Denn
dieser war nämlich zur Abendzeit recht voll
gesoffen und fröhlich, tags darauf wurde er am
Morgen im Bett tot vorgefunden, nachdem er
all die 29 Jahre hindurch in Gottes Kirche große
Bewegungen verursacht
hätte.
Und zwar, ist das jene Sache, welche von gewissen
Leuten besonders großartig gepriesen wird, dass
das Wort und das Evangelium Gottes nicht von
Christus, sondern vom Verfasser Satan
angefertigt worden ist, so wie er es selbst
zugibt, da er das als Erster zur Welt gebracht
hat. Denn er brüstete sich selbst nämlich damit,
dass die Beweise zur Genüge gegeben sind, mit
welchen er das Priestertum und das Messopfer
zugrunde richtete.“ |
Hosius gibt diesem Kapitel die Aufschrift:
„Lutherum malo spiritu actum pleraque perfecisse.“
„Das
lutherische Werk wurde größtenteils von einem bösen
Geist (Dämon) ausgeführt.“ -
Die Stelle aus Luthers Werken, welche zitiert wird,
findet sich in der berüchtigten 1533 erschienenen
Schrift: „Von der Winkel-Messe und Pfaffenweihe.“
Luther kritisierte bestimmte Formen der Privatmesse und
nannte sie Winkelmessen.
Luther erzählt daselbst, dass er über dieses Thema in
einer Nacht mit dem Teufel eine ernste Disputation
gehabt.
Er sagt in der Wittenberger Ausgabe von
1561 (VII 443 b. ff.):
„Ich bin einmal zu Mitternacht
auferwacht / da fieng
(fing) der Teufel mit mir
in meinem Herzen / eine solche Disputation an (wie er
mir denn gar manche Nacht bitter und sauer genug machen
kann). Höret ihr's / Hochgelehrter / (sprach der Teufel)
wisset ihr auch / dass ihr fünfzehen
(15) Jahr lang habt
/ fast alle Tage / Winckelmessen gehalten / Wie wenn ihr
mit solcher Messe hettet (hättet) eitel Abgötterei
getrieben / und nicht Christus Leib und Blut / sondern
eitel Brot und Wein da angebetet / und anzubeten andern
furgehalten (vorgehalten)?
Ich antwortet / Bin ich doch ein
geweiheter Pfaff (Pfarrer)
/ habe Kresem (Chrisam,
Salböl) und Weihe vom
Bischof empfange / dazu solches alles aus Befehl und
Gehorsam getan / wie sollt ich denn nicht haben
gewandelt / weil ich die Wort mit Ernst gesprochen / und
mit aller müglicher
(möglicher) Andacht Messe
gehalten / Das weißest du fur war
(fürwahr)
/ Ja / sprach er / Es ist wahr /
Aber die Türken und Heiden tun auch alles in ihren
Kirchen / aus Befehl und ernstlichem Gehorsam / die
Pfaffen Jerobeam* zu Dan und Bersebe täten alles /
vielleicht mit großer Andacht / weder die rechten
Priester zu Jerusalem / Wie wenn deine Weihe / Kresem
(Salböl)
und Consecrirn
(Konsekrieren / weihen) auch unchristlich
und falsch wäre / wie der Türken und Samariter.
Hier brach mir wahrlich der
Schweiß aus / und das Herz begonst
(begann)
mir zu zittern und zu pochen / Der Teufel weiß seine
Argument' wohl anzusetzen und uns fort zu dringen
(wegzudrängen) / und hat eine
schwere starke Sprache / Und gehen solche Disputation'
(Streitgespräche)
nicht mit langen und viel Bedenken zu / Sondern ein
Augenblick ist ein' Antwort umbs ander
(um das andere)
/ Und ich habe da wohl erfahren /
wie es zu gehet / dass man des Morgens die Leute im
Bette tot findet / Er kann den Leib erwürgen / Das ist
eins / Er kann aber auch der Seelen so bange machen mit Disputirn
(Streitgespräch) / dass sie
(die Seele)
ausfahren muss in einem Augenblick
/ wie ers
(er es) mir gar oft fast nahe gebracht hat /
Nu (nun)
/ Er hatte mich in dieser
Disputation ergriffen / Und ich wollte ja nicht gern für
Gott einen solchen unseligen Haufen Grewel
(Gräuel)
auf mir lassen / sondern meine
Unschuld verteidigen / und höret ihm zu / was er für
Ursachen hätte / wider meine Weihe und Consecrirn
(Konsekrieren).“
*
Jerobeam erbaute die Heiligtümer von Bet-El und auch in
Dan, nach der Bibel ließ er dort goldene Kälber
aufstellen, damit das Volk sie als Götzen anbeten
konnte.
So ging die Disputation noch eine Stunde lang fort, bis
schließlich der „Mann Gottes“ dem Teufel recht gab.
Der Gedankengang bei Hosius ist nun folgender:
Der Kardinal will sagen, dass
Luther, wie er sich bei Lebzeiten dem Teufel ergeben,
dies auch „ad extremum“
(bis zum Äußersten),
im Momente des Absterbens getan habe. Aber – und das
muss zwischen den Zeilen gelesen werden, – es könne
dahingestellt bleiben, ob Luther vor Schreck und
Aufregung gestorben, oder ob der Teufel (mit Zulassung
Gottes), nachdem das Maß der Übeltaten des „Reformators“
voll war, ihn erwürgt, oder ob Luther (wie Montanus*)
als Werkzeug des Teufels sich selbst entleibt hat
(Selbstmord).
*Arnoldus
Montanus,
eigentlich Arnold van den Berghe,Theologe und
Historiker, rebellierte als „Prophet“ gegen die
„Scheinheiligkeit“ und „nur vorgespielte Christlichkeit“
der Kirche.
Diese letzte Annahme scheint nach
der Kapitels-Aufschrift „Lutherum malo spiritu actum
pleraque perfecisse“ („das
lutherische Werk wurde größtenteils von einem bösen
Geist-Dämon ausgeführt“)
dem Autor am nächsten gelegen zu haben.
Unter Bezugnahme auf den vorstehenden Passus bei Hosius
glaubt Gabriel Prateolus Marcossius (Dr. theol.) in
seiner 1583 zu Köln erschienenen Schrift:
„De
vitis etc. omnium haereticorum“,
„Über den Lebenswandel
aller Ketzer“
konstatieren
(feststellen)
zu sollen, „Lutherum non tam
mortuum quam suffocatum esse“,
„Luther ist nicht so sehr gestorben, als er erwürgt wurde“.
(S. 294)
1)
1S.
294: Der Autor hebt dabei besonders hervor, dass der
Mitteilung des Hosius mehr Glauben zu schenken sei, als
der Darstellung der „Augenzeugen“ Justus Jonas,
Aurifaber und Coelius (Cölius
Michael), welche alle zugleich die Gefährten Martin
Luthers waren.
Gleichfalls bezugnehmend auf
Hosius, aber anscheinend auf eigene speziellere
Nachrichten gestützt, sprach sich Claudius de Sainctes
(Bischof von Evreux und Theologe des französischen
Königs auf dem Konzil von Trient) in seinem Werke „De
rebus Eucharistiae“ (Parisiis 1575),
„Traktat über die Eucharistie"
(Sachverhalte und Wesen der Dinge über die Eucharistie,
Paris 1575) über Luthers
Tod aus.
Dieser Autor sagt (S. 26 b):
„Diabolus seipsum quoque exeruit in furiis atque
agitationibus animi, quibus diu noctuque
inquieti et tamquam abrepti torquentur
adversarii ipsi, necnon in mortibus violentis ac
repentinis, quibus plerosque ex illis sustulit,
ut Cinglium Lutherum, Carolstadium, Empserum,
Oecolampadium, atque alios. Per spectra etiam et
visa, qualis esset, talis spiritus aliquando
internosci voluit: Atque hoc Dei iussu ac nutu
contigit, ne diu liceret Angelo Satanae se
ementiri pro Dei spiritu. Lutherus libro de
Missa angulari, inducit diabolum secum
colloquentem de Missae sacrificio et valentiora
proferentem argumenta, quam ipsi satisfacere
potuerit. Eius vocem inibi describit tam gravem
et robustam, tamque terribiliter insonantem, ut
usu quandoque eveniat, quod post collationem
nocturnam cum daemone, homines postridie mane
mortui reperiantur, quia spiritus ipsi a Satana
praecludantur: Atque ita se credere extinctos
Empserum et Oecolampadium.
Addamus et nos credere ita quoque extinctum
Lutherum: Qui cum vespere egregie potus lecto
decubuisset, mane nigricans inventus est
occubuisse, lingua exerta, hominis strangulati
instar.“ |
|
„Der
Teufel selbst offenbart sich ebenso auch in
Wutanfällen und aufgeregten Bewegungen
der Seele,
in welchen sie bei Tag und bei Nacht unablässig
sowie ebenso als Hinweggeraffte gequält
werden – gegen sich selbst gerichtet,
und gewiss auch
mit gewaltsamen
wie plötzlichen Todesarten, mit denen er die
meisten unter jenen hinweg genommen
hat wie den Cinglius
(Ulrich Zwingli),
den Luther, den Carolstadium*, den Empserus*
(Hieronymus
Emser)
und
Oecolampadius*
sowie andere. Im Verlauf der
Vorstellungen
und auch des Gesehenen,
verlangte er manchmal
- so beschaffen wie ein Geist
- voneinander unterschieden zu werden: Und das
hat er auf Befehl und Verlangen Gottes erreicht,
damit es dem Engel Satan bei Tag nicht gestattet
ist, sich fälschlich für den Geist Gottes
auszugeben. Luther sagt im Buch „Über die
Winkel-Messe“ einleitend, dass sich der Teufel
mit ihm über die heilige Messe besprochen hat
und stärkere
Argumente vorbrachte, als er sich ihm selbst
hätte zur Genüge darlegen können.
Gerade da
beschreibt er die Stimme dessen als schwer und
stark sei, sowie sie furchtbar
schrecklich dröhnt, sodass es manchmal vorkommt,
dass die Menschen nach einer nächtlichen
Verbindung mit dem Teufel
(Dämon)
am nächsten Morgen tot aufgefunden werden, weil
die Geister selbst von Satan ausgeschlossen
würden:
Und
zwar so, dass Empserus und Oecolampadius für
ausgelöscht zu halten sind.
Wir müssen hinzufügen, dass nach unserem Glauben
genauso auch Luther in der Weise ausgelöscht
wurde:
Dieser hätte sich zur Abendzeit
reichlich abgefüllt
ins Bett gelegt, am Morgen ist er - davor
hingestreckt - schwärzlich
gefunden worden, mit herausgestreckter Zunge,
ganz nach der Art eines
strangulierten
Menschen. |
*
Carolstadius
(Andreas Rudolf Bodenstein von Karlstadt)
beschuldigte Luther quasi
(gleichsam) des Atheismus:
. . . das er nlt glaubt habe / dass weder inn Himmelen
noch auff Erden ein Gott seye
. . . dass er nicht daran geglaubt hat, nämlich dass
weder im Himmel noch auf der Erde ein Gott sei.
*
Empserus: Emser Hieronymus war ein Gegenspieler Luthers,
indem er Luther Irrtümer und Lügen bei seiner
Bibelübersetzung vorwarf, etwa in der Leipziger
Streitschrift.
*
Oecolampadius:
Johannes Oekolampad war Humanist und ebenfalls
Reformator (Basel).
Hiernach war also Luther am Morgen des 18. Februar „mit
schwärzlichem Gesicht, mit herausgestreckter Zunge, so
wie ein strangulierter Mensch aufgefunden worden“.
Diese Angaben lauten so bestimmt,
dass sie auf zuverlässige Informationen schließen
lassen. Sie stimmen mit der später bekannt gewordenen
Aussage von Luthers Famulus
(Diener), vergleiche
das zweitfolgende Kapitel) genau überein.
(Man kann noch
heutigen Tages an den einzelnen Totenmasken Luthers die
hier geschilderten Symptome bemerken
1).
1
Auch berichtet der
oben erwähnte „Civis Mansfeldensis“,
ein Mansfelder
Bürger,
dass man zur Leiche Luthers einen Maler
(Furtenagel)
aus Halle schnell habe
kommen lassen, der zweimal des Toten Antlitz
abgemalt
habe, weil das erste Mal die Zeichnung misslungen sei.
Es scheint, dass die erste Malerei zu naturgetreu
gewesen war. – Als das zweite Abmalen längere Zeit in
Anspruch nahm, glaubten einige der vor dem Sterbehause
sich Aufhaltenden, dass der „so heilige Mann“ inzwischen
von den Toten wieder auferstanden sei (siehe: Cochläus
I. c. 303 b.).
Zwischen den Zeilen kann man dabei dasselbe lesen, wie
bei Hosius.
Dass Luther „a Daemone suffocatum
esse“, von einem Dämon
erwürgt wurde, war eine
unter den Katholiken des 16. Jhdts. sehr verbreitete
Ansicht
2.
2
Theatrum vitae
humanae“, Colonia 1631, pagina 240.
„Schauplatz
(öffentliche Bühne) des menschlichen Lebens“, Neuauflage
Köln 1631, S. 240.
Dieses Buch ist eine Art Universal-Enzyklopädie in
Latein, die nach aristotelisch-ramistischer Methode
systematisch strukturiert ist. Das Werk wurde erstmals
1565 in Basel von Theodor Zwinger dem Älteren
publiziert. Zedelmeier, S. 113: Theodor Zwingers „Theatrum
vitae humanae“ ist die vielleicht umfangreichste
Wissenssammlung, die ein einzelner Mensch je in der
frühen Neuzeit erstellte.
Vorbereitet wurde dieselbe durch die außerordentlich
häufige Bezugnahme des „Gottesmannes“ auf den Teufel;
sodann lag die Ursache davon in einem speziellen
Vorgange, der sich kurz vor Luthers Tode zutrug und
dessen Bekanntwerden wir in vorderster Linie wieder dem
redseligen Coelius verdanken.
Coelius erzählt nämlich in seiner
Leichenrede, dass Luther ihm wenige Tage vor seinem Tode
„mit Thränen geklaget“
(unter Tränen), er habe,
während er zum Fenster hinaus gen Himmel schauend habe
beten wollen, „den Teufel auf dem Röhrkasten
(Brunnen-Kasten)
sitzen und das Maul gegen ihn aufsperren sehen“, das habe ihn so betrübt,
dass er, wie gesagt, bei der Erinnerung daran Tränen
vergossen.
Der Medicus Ratzeberger, der Leibarzt des sächsischen
Kurfürsten, erzählte später in der von ihm verfassten
Luther-Biographie1
diesen Vorgang noch etwas ausführlicher.
1
herausgegeben von C. G. Neudecker, Jena 1850
Er berichtet:
„Man saget, da Doctor Lutherus zu
Eisleben seiner Gewohnheit nach abendt
(abends),
ehe er sich niederlegt, sein Gebet zu Gott in
aufgethanem (geöffneten)
Fenster gesprochen und vorrichtet
(verrichtet),
habe er den Sathanam
(Satan) uff
(auf)
dem Rohrbrunnen
(Brunnen-Behälter),
welcher zur
seiner Herberge gestanden,
gesehen, Der Ihm die „posteriora“
(zukünftige Ereignisse) gezeiget und
sein (ihm
gegenüber) gespottet
(hat),
Als das (nämlich dass)
er nichts ausrichten wurde
(würde), Solches
soll Herr Lutherus D. Jonae und Herrn Michaeli Caelio
(dem Doktor Jonas und dem Michael Coelius)
erzelet
(erzählt)
haben, Dan
(denn)
es half bei den vorwirreten
(verwirrten)
Grafen uff
(auf)
beeden (beiden)
Teilen kein vormanen
(Mahnen)
noch Flehen,
wie sie dan (denn)
noch heutiges Tages nicht eins
(einig)
sind und daruber (darüber)
von Tage zu Tage abnehmen
und vorderben (verderben),
In Massen
Ihnen Doctor Luther
zuvorgeweissaget (zuvor
geweissagt)
hatte, wie aus seinen Warnungen und Schriften zu
ersehen.“
„Es
sagen auch ehrliche stadtliche und glaubwirdige
(glaubwürdige)
Leute, als Doctor Luther gesehen,
Das (dass)
alle seine muhe
(Mühe)
und Arbeit vergebens und ohne Frucht gewesen,
soll er noch zuletzt und zum Valete
(Lebewohl)
für sein geliebdtes
(geliebtes)
Vaterland gebeten haben, Weil doch
der Teuffel (Teufel)
nach seinem Tode allerlei Jamer
(Jammer)
erregen werde, das
(dass)
doch der Allmechtige
(allmächtige)
Gott sein vaterlandt
(Vaterland)
bei seinem heiligen Warhaftigen
(wahrhaftigen)
Worte bestendig
(beständig)
wolte (wollte)
erhalten, und dasselbige darinnen
(darin)
rein und unvorfelscht
(unverfälscht) biß (bis) zu
seiner göttlichen Zukunft bewaren
(bewahren).“
Über die letzten Lebensstunden
Luthers berichtet Ratzeberger nur mit wenigen Zeilen;
auch er verweist auf die „weitleuftige Historia“1
(weitläufige Historie*).
1
Die Mittheilungen
(Mitteilungen),
welche Ratzeberger selbst über Luthers letzte Stunden
gibt, lauten: „Den abendt
(Abend) zuvor vor seinem Ende
zu Eitzleben (Eisleben)
war er mit Doctore Jona
(Doktor Jonas)
und Michaele Caelio
(Michael Coelius)
seinen hausgenossen
(Hausgenossen)
heimlich guter Dinge, und da er
sich nach gehaltenem Abendmahl hatte wollen zu ruhe
(Ruhe) legen, hatt
(hatte)
er folgenden Vers mit kreiden
(Kreide)
an die wandt
(Wand)
geschrieben:
Pestis eram vivus, moriens ero mors tua, papa.
Papst, da ich lebte, da war ich deine Pestilenz,
wenn ich sterbe, werde
ich dein Tod sein.
Darauf ist er seiner Gelegenheit
nach (wie gewohnt)
ans Fenster gegangen und hat seine
Gebete mit bloßem Haupte
kegen
(gegen) himel
(Himmel)
zu unserem Hern Gott
gesprochen, Darnach
sich niedergelegt und zu morgens
fruhe (früh)
zwischen drey
(drei)
und vier uhren
(Uhr) sanfteglich
(sanft) In Gott dem hern (Herrn)
entschlaffen, wie solches ferner in der gedruckten
Historia seines Abschiedes von dieser welt
(Welt)
weitleuftig
(weitläufig)
zu lesen ist.“ – Diese (auch von
Janssen – in den ersten Auflagen der deutschen
Geschichte – wiedergegebene) Darstellung Ratzebergers,
wonach Luther am Abend vor seinem Ende die Worte
geschrieben:
„Pestis eram vivus“
(die Pest war ich als Lebender)
etc. ist indetz
(indes) unrichtig.
Nach den von Aurifaber
(Diener)
herausgegebenen „Tischreden“ (Eisleben 1569 fol. S. 317
b) hat Luther diese Worte bei einer früheren Gelegenheit „von sich selbst
gemacht.“
Also
auch für ihn war der verabredete Bericht des Jonas,
Coelius und Aurifaber (die
drei Gefährten Luthers)
bereits eine Geschichtsquelle.
Wir sind ihm aber dankbar dafür, dass er die
Teufelserscheinung, welche Luther kurz vor seinem Tode
gehabt, uns ausführlicher als Coelius beschreibt.
Auch über diese Erscheinung
kursierten im Publikum verschiedenartige Gerüchte und es
konnte nicht Wunder nehmen,
wenn diejenigen, welche es nicht mit Luthers Lehre
hielten, meistens der Überzeugung Ausdruck gaben, dass
der Teufel ihn „geholt“ habe. Manche mögen wohl
angedeutet haben, dass dies geschehen sei, während
Luther sich im Zustande des Deliriums*
befunden habe.
*
Verwirrtheitszustand, hirnorganisches Syndrom, eine
mögliche Ursache wäre u.a. Alkoholabhängigkeit
Stand der
Sache von 1546 bis 1592.
Im
Vorstehenden sind nur solche Gerüchte verzeichnet
worden, von denen die zeitgenössischen katholischen
Schriftsteller in ihren Werken Notiz genommen hatten.
Nach der Redeweise des Coelius zu schließen, dürften
aber „noch mancherlei mehr und schlimmere“ Versionen,
namentlich solche von mehr konkreter Art in Umgang
(Umlauf)
gewesen sein. Diese wurden indes mangels stichhaltiger
Beweise von den – sehr rücksichtsvollen – katholischen
Autoren nicht verzeichnet.
In der Hauptsache blieb darum die Welt noch immer im
Ungewissen.
Auf der einen Seite hatte man zwar
die von „Augenzeugen“ verfasste „Historia“
(Historie);
aber diese fand selbst bei den Anhängern Luthers nicht
allgemeinen Glauben, geschweige denn bei den Gegnern;
auf der anderen Seite wurden vielerlei der „Historia“(Historie)
entgegengesetzte Gerüchte geglaubt, aber diese waren
wiederum durch keinen Augenzeugen verbürgt.
Die Angaben des
„Civis Mansfeldensis“
(„des Bürgers von Mansfeld“)
bei Cochläus enthielten nichts in
Bezug auf das punctum saliens
(den springenden Punkt); die
hierauf bezüglichen Mitteilungen von
Stanislaus
Hosius,
Robert
Bellarmin und Claudius de
Sainctes klangen aber noch zu mystisch und waren deshalb
verschiedener Deutungen fähig.
Die erste authentische Nachricht über Luthers Lebensende
(1592)
So blieb der
Tod Luthers ein Geheimnis, zu welchem nur einige wenige,
welche an seinem Todesbett gestanden, den Schlüssel
hatten.
In diesem Stadium verblieb auch
die Angelegenheit über vierzig Jahre hindurch, bis
endlich im Jahre 1592 ein namhafter katholischer
Kontroversist (lat: contra:
entgegen; versus: gerichtet, Wortführer einer länger
anhaltenden theologischen Debatte, Kontrovers-Theologie
vor und nach der Reformation)
und Historiker, der gelehrte
Oratorianer Thomas Bozius (Bosius,
Oratorianer-Orden, abgeleitet von lat. Oratorium:
Gebetshaus, Ordensgründer ist der Heilige Philipp Neri)
auftrat, der einen Bericht
von einem Augenzeugen, und zwar von Luthers eigenem
Diener, veröffentlichte.
Dieser Diener befand sich noch im jugendlichen Alter,
als sein Herr verstarb.
Nach dem Tod desselben kehrte er in die katholische
Kirche zurück und trat hierauf entweder in persönliche
Beziehungen zu Bozius (oder Bozio) oder zu dessen
Freundeskreis, gerade als derselbe sein berühmtes, von
den Theologen des folgenden Jahrhunderts häufig
zitiertes Werk „De signis ecclesiae“,
„Über
die Zeichen der Kirche“,
(Rom und
Köln 1592 und 1593) schrieb.1
1Der
Kölner Druck erschien mit kaiserlichem Privileg. – Über
den Autor sind die katholischen Enzyklopädien voll des
Lobes. Aber auch das sehr katholikenfeindliche
„Universal-Lexikon aller Wissenschaften uns Künste“,
gedruckt bei Zedler (Halle und Leipzig 1733) schreibt
über ihn: „Ob er gleich in vielen Wissenschaften,
sonderlich in der Theologie erfahren war, legte er sich
doch am meisten auf die Historia.“
Aufgrund seiner Aussagen
berichtet nun Bozius in dem Kapitel, welches
über das traurige Ende aller Häresiearchen
(Anführer von
Ketzern) handelt
(l. c. lib. XXIII, cap. 3): |
„Lutherus, quum vespere laute coenasset ac
laetus somno se dedisset, ea nocte suffocatus
interiit.
Audivi haud ita pridem compertum testimonio
sui familiaris, qui tum puer illi serviebat
et superioribus annis ad nostros se recepit,
Lutherum sibimetipsi laqueo iniecto necem
miserimam attulisse; sed datum protinus cunctis
domesticis rei consciis iusiurandum, ne factum
divulgarent, ob honorem adiecere Evangelii.“ |
|
„Als
er am Abend vornehm gespeist hätte
und sich fröhlich dem
Schlaf überlassen hätte, ist Luther in dieser Nacht erwürgt
zugrunde gegangen.
Ich habe vor nicht allzu langer Zeit durch die
zuverlässige Zeugenaussage seines Hausdieners
gehört, welcher jenem damals als junger Mann
diente und sich in den späteren Jahren zu den
Unsrigen zurückgezogen
hat, dass Luther
sich durch einen sich selbst angelegten Strick
einen unglücklichen gewaltsamen Tod beigebracht
haben soll; indessen wurde aber von allen in die Sache
eingeweihten Hausbewohnern sofort ein eidliches
Versprechen gegeben, dass
sie die Tat keinesfalls allen preis
geben sollten, zur Ehre
des Evangeliums, haben sie hinzugefügt.“ |
Diese Mitteilung, aus äußeren Gründen authentisch, aus
inneren nicht unwahrscheinlich, fand bei den
katholischen Schriftstellern sogleich allgemeinen
Glauben.
Zunächst
übernahm sie Cornelius a Lapide (Cornelissen
van den Steen, Cornelis van Stein, Jesuit und Professor
für Exegese, d.h. Textauslegung, seine Schriften zur
Bibelauslegung waren im 17. bis 19. Jahrhundert sehr
verbreitet, S. J., Societas Jesu, d.h. Gesellschaft
Jesu), der in seinem (gegen 1660 verfassten)
Kommentar zu 2 Petri 2, 12 („pseudoprophetae in
corruptione sua peribunt“,
„die falschen Propheten werden in ihrer
eigenen Verderbtheit zugrunde gehen“)
bemerkte:
„Sane
Lutherum, quum vespere laute coenasset, noctu
desperatione et furiis daemonis actum, sibi
iniecto laqueo necem intulisse, asseruit eius
famulus postea ad orthodoxam fidem conversus,
uti refert Thomas Bozius „de signis ecclesiae“,
tom. 2. lib. 23. c. 3.“ |
|
„Führwahr
hat Luther, als er am Abend
vortrefflich gespeist hätte, in der Nacht von
Verzweiflung und
Wutanfällen eines bösen Geistes
(Dämon) getrieben, sich mit einem selbst angelegten
Strick einen gewaltsamen Tod zugefügt, er hat hinzugefügt, dass dessen Hausdiener sich
später zum rechten Glauben
(orthodox =
rechtgläubig, röm.-katholisch) bekehrte, wie
Thomas Bosius in „Über die Zeichen der Kirche“
berichtet,
Tom. 2. lib.
(Buch-Nr.) 23. c. 3.“ |
Der gefeierte Exeget (Fachmann
für Text-Auslegung und Interpretation)
fügt noch eine Erklärung zu dem hinzu, was Bozius
berichtete: dass nämlich Luther seine letzte Tat „desperatione
et furiis daemonis actus“
(„aus Verzweiflung und von der Wutraserei eines Dämons
getrieben“) begangen habe1.
1
In dem einige Jahre vorher geschriebenen Kommentar zu
den vier großen Propheten sagte Cornelius a Lapide noch
aufgrund der zirkulierenden Gerüchte:
„Lutherus
dormiens cum sua pellice noctu est suffocatus.“ (Comm.
in Ezech. XIII, 9.)
„Luther wurde in der Nacht beim Beischlaf mit seiner
Nebenfrau (Konkubine) erwürgt.“(Comm. in Ezech. XIII,
9.) –
Dieselbe Version gibt noch ein 1650 zu Augsburg
erschienenes Buch:
„Optica Praelatorum per Carolum Stengelium Ord. S.
Benedicti.“ pagina 138.
„Die Sichtweisen der Prälaten durch Karl Stengel vom
Orden des Heiligen Benedikt, Seite 138.
Köln 1684. Prälat ist
ein Würdenträger in der christlichen Kirche und Inhaber
ordentlicher Leitungsbefugnisse.
– Übrigens bekennt sich Cornelius a Lapide in dem
zuletzt von ihm geschriebenen Kommentar zur Apokalypse
noch einmal zu der Ansicht des Bozius.
Gleichzeitig übernahm die Mitteilung des Bozius der
Martin Becanus, S. J., welcher zu der Zeit, als Bozius
seine Schrift in Köln drucken ließ, daselbst Professor
der Philosophie war.2
2
Über
Cornelius a Lapide dürften nähere Erläuterungen nicht
erforderlich sein. Über den heute minder bekannten
Martin Becanus
(auch Verbeeck, van der Beeck, ursprünglich Schellekens)
sagt das bereits
zitierte Universal-Lexikon von 1783: „Becanus, Martin,
ein Jesuite aus Hilvarenbeck
(heute
Hilvarenbeek),
einem Städtchen in
N-Brabant,
schiene recht zu denen
(zu den)
Studiis
(Studien)
geboren zu sein, und
vornehmlich zu der Philosophie und Theologie, davon er
jene 4 Jahre, diese aber 22 Jahre zu Mainz, Würzburg und
Wien gelehret, woselbst er auch Ferdinandi II.
(des Kaiser Ferdinand II.)
Beichtvater ward
und den 24. Jan. anno
1624 im 63. Jahre seines Alters starb.“ --- Die Stelle,
welche Becanus aus
(von)
Bozius übernommen
hatte, findet sich in einer gegen die Calvinisten
gerichteten Schrift des
Verfassers. (Gesamt-Ausgabe, Moguntiae
= Mainz
1631, Tom. II. pagina
460.)
Demnächst wurde auch der Wortlaut der Erklärung bekannt,
welche der Diener Luthers abgegeben hatte.
Dieselbe war schriftlich aufgezeichnet und in mehrfachen
Abschriften verteilt worden.
Zuerst veröffentlichte sie im
Druck der tatkräftige und vielgereiste Heinrich Sedulius
(eigentlich Hendrik de Vroom), Ord. Min.,
(Minoriten-Orden der minderen
Brüder, Franziskaner, nach seiner Flucht erster
Provinzialminister der Tiroler Franziskanerprovinz),
der von ihr zu Freiburg Breisgau Einsicht genommen
hatte, in seinem Werke: „Praescriptiones adversus
heareses“, Antverpiae 1606
1
„Vorschriften gegen
Ketzer“, Antwerpen 1606
1
1
Über diesen Autor bemerkt das
protestantische Universal-Lexikon von 1733: „Sedulius,
Heinrich, ein Franziskanermönch, war zu Cleve
(Kleve), der
Hauptstadt im Herzogtum gleichen Namens, um das Jahr
1550 geboren. Nachdem er unter George Macropedius
(auch: Joris van Lanckvelt)
den nötigen Grund seiner Studien
in schönen Wissenschaften geleget, trat er in dem
neunzehnten Jahre seines Alters in den Orden und
erlangte nach der Hand darinnen viele Ehrenstellen, wie
er denn an vielen Orten Guardian
(Beschützer, Aufsichtsperson = Superior der Frankiskaner), desgleichen
Kommissarius (kirchlicher
Beauftragter und Bevollmächtigter)
in unterschiedlichen Provinzen,
wie auch zweimal Provinzial in denen
(in den)
Niederlanden und endlich
Definintor Generalis
(bestimmender oberster Rat der
höheren Klosteroberen)
geworden. Ferdinand von Österreich, Herzog von Bayern,
trug ihm einige Geschäfte in Rom bei dem Papst Paul V.
auf. Im Jahre 1618 wohnte er noch dem General-Kapitel
(das lat. „capitulum
abbatum“ ist eine Versammlung der Äbte aller Zisterzen
und die höchste Autorität der „Gesellschaft des
Göttlichen Wortes") zu
Salamanca (Hauptstadt von
Kastilien) bei, starb aber
nicht gar lange hernach, nämlich den 5. März, oder wie
andere wahrscheinlicher berichten, den 26. Februar
1621.“ – (Es folgt nunmehr das ausführliche Verzeichnis
aller von Sedulius verfassten Schriften, worunter sich
auch die oben erwähnten „Praescriptiones adversus
heareses“ = „Verordnungen gegen Ketzer“
befinden.)
Der Diener, welcher, wie erwähnt,
später zur katholischen Kirche zurückgekehrt war,
bemerkt darin im Eingange, dass ihm allerdings einst
geboten worden sei, über den traurigen Vorgang zu
schweigen, dass er aber Gott und der Stimme seines
Gewissens mehr gehorchen müsse, als den Menschen. Er
beschreibt dann auf sehr drastische Weise, wie er als der
Erste seinen Herrn am Morgen des 18. Februar 1546 „iuxta
lectum suum pensilem et misere strangulatum“,
„neben seinem Bettlager erhängt
und kläglich erdrosselt“
gefunden habe.
(Unten im Anhang ist diese
Erklärung nebst der dazu gegebenen Einleitung des
Sedulius in extenso
(ausführlich) mitgeteilt1.
1
Der Wortlaut der Erklärung mag schon hier seine
Stelle finden. Die quasi zu Protokoll gegebene
Aussage des Dieners lautete, wie folgt: |
„Dant quidem
calcar ad abrumpendum omnem humanae
indignationis seu offensae metum et ad debitum
veritati perhibendum testimonium addunt
religiosae vestrae preces: sed longe vehementius
eodem me impellit summi Numinis Divorumque
omnium reverentia. Neque enim ignoro mirabilibus
Dei operibus suam ubique tribuendam esse gloriam,
meque divino magis praecepto quam humano debere
parere mandato. Proinde, licet gravissime
interminati sunt Germaniae Heroes, ne mortalium
cuiquam horrendum domini mei Martini Lutheri
exitum eliminarem: non celabo tamen, sed ad
Christi gloriam revelabo et ad totius Reipub.
Catholicae aedificationem propalabo, quod ipse
vidi et in primis comperi, ipsisque Principibus
viris Islebii congregatis enunciavi, nullius
odio lacessitus, nullius amore aut favore
provocatus. Contigit cum Martinus Lutherus
aliquando inter illustriores Germaniae Heroes
Islebii genio suo largius indulsisset et plane
obrutus potu cubitum a nobis ductus, atque in
lectulum foret compositus, ut nos ei salutarem
quietem precati in nostrum abiremus conclave,
ibique nihil sinistre vel ominantes vel
suspicantes, placide obdormiremus. Postridie
vero ad dominum reversi, quacum solemus in
vestitu operam daturi, vidimus – proh dolor ! –
eundem dominum nostrum Martinum iuxta lectum
suum pensilem et misere strangulatum. Ad
quod sane horribile spectaculum suspendii
ingenti perculsi pavore, non diu tamen
haesitantes, ad hesternos eius compotores et
Principes viros prorupimus eisque execrabilem
Lutheri exitum indicavimus. Illi porro non
leviori quam nos formidine perterriti omnia
polliceri, multaque obtestari coeperunt: primum
omnium, ut rem constanti ac fideli premeremus
silentio, ne quid in lucem proferretur; tum ut
expeditum laqueo foedum Lutheri cadaver in
lectum collocaremus, denique in hominum vulgus
spargeremus, dominum meum Martinum repentina
morte ex hac vita discessisse: id quod et
precibus illorum Principum et non secus, quam
adhibiti Dominico monumento vigiles, amplis
corrupti promissis facturi eramus, nisi vis
quaedam insuperabilis veritatis aliud
persuasisset: quae vel hominum metu seu
reverentia vel lucri spe aliquamdiu quidem premi
potest, sed exstimulante religionis, vel
conscientiae oestro, in perpetuum opprimi non
potest.“ |
|
„Sie geben zwar
einen Ansporn / Anreiz, um die ganze Angst vor
der menschlichen Empörung oder der Kränkung zu
verscheuchen und um aus moralischer
Verpflichtung der Wahrheit Zeugnis zu geben,
fügen sie die Gebete ihrer Religiosität hinzu:
Indessen aber drängt mich eben deswegen die
Ehrfurcht vor der höchsten Gottheit und vor
allen Himmelsbewohnern zusammen bei weitem umso
stärker voran. Denn ich weiß recht wohl um die
wunderbaren Werke Gottes und überall ist ihm
Ehre zu erweisen, und was mich betrifft, dem
göttlichen Gebot ist mehr als einem menschlichen
Befehl zu gehorchen.
So denn, mag es auch sein, dass die germanischen
Helden noch so sehr verpönt sind, damit ich nach
dem schrecklichen (entsetzlichen) Lebensende
meines Herrn Martin Luther niemanden unter den
Sterblichen verstoße:
Ich werde dennoch nicht schweigen, sondern zum
Ruhme Christi und der katholischen Gemeinschaft
insgesamt werde ich aufklären und den Bauplan
(des Hauses) skizzieren, was ich selbst gesehen
und zuerst entdeckt habe und den versammelten
Fürsten von Eisleben persönlich verkündet habe,
dabei keinerlei Hass herausgefordert habe, das
ohne Zuneigung oder Beifall geerntet zu haben.
Es traf sich sodann zu, dass Martin Luther
manchmal unter den berühmteren Helden
Deutschlands zu Eisleben seinem Genius
reichlicher (in größerem Umfang) gefrönt hätte
und im Liegen gänzlich überwältigt vom Trank
war, der von uns herangeschafft wurde, und so
wäre er zu Bett gegangen, als wir ihm heilsame
Ruhe wünschten, gingen wir in das Gemach von
uns, und indem wir dort sowohl nichts
Unheilvolles anwünschten als auch vermuteten,
schliefen wir allmählich ein.
Am darauf folgenden Tag aber - zum Herrn
zurückgekehrt, bei dem wir ihm wie gewöhnlich
auf alle Weise ins Gewand halfen
(um ihm, wie
gewohnt, beim Ankleiden zu helfen)
- haben wir jedoch – ach Schmerz, welch ein
Jammer – denselben unseren Herrn Martin neben
seinem Bettlager erhängt und kläglich erdrosselt
gesehen. Darauf hat uns das wahrlich ganz
schreckliche Schauspiel des Erhängens mit
unermesslich großem Angstzittern erschüttert;
indem wir dennoch nicht lange zögerten, sind wir
zu den gestrigen Trinkgenossen von ihm und zu
den Fürsten losgestürmt und haben ihnen den
verabscheuungswürdigen Ausgang Luthers gemeldet.
Ferner haben jene begonnen – durch das
Schreckensbild nicht weniger erschrocken als wir
- alles zu versprechen und vielerlei inständig
zu bitten:
Das Erste von allem, dass wir die Angelegenheit
im beständigen und außerdem treuen
Stillschweigen bedeckt halten sollten, damit es
nicht ans Licht gebracht werde; wie wir dann den
vom Strick befreiten, scheußlichen Leichnam
Luthers ins Bett legten, sollten wir dann
schließlich unter die Masse der Menschen
gerüchteweise verbreiten, dass unser Herr Martin
durch einen plötzlichen Tod aus diesem Leben
geschieden sei:
Das was wir nicht nur durch Bitten jener
Fürsten, sondern ebenso - sowie die Wächter am
Sonntag beim Grabmal hinzugezogen wurden - durch
große Versprechungen der Bestechung machen
sollten, außer: es sei denn die Kraft (höhere
Gewalt) einer gewissen unübersteigbaren Wahrheit
hätte als etwas anderes überzeugt:
Was sowohl aus Furcht vor Menschen oder aus
Ehrfurcht / Scheu, als auch durch Hoffnung auf
Gewinn gewiss eine Zeitlang zu unterdrücken
möglich ist, aber durch Anstacheln des Glaubens
oder sogar auch durch die Pferdebremse des
Gewissens, auf Dauer unmöglich zu erzwingen
ist.“ |
Theodor Petrejus, Ord. Carth.
(Kartäuser-Orden, Ordo
Cartusiensis), nahm die
Hauptstelle der Erklärung in seinen 1629 zu Köln
erschienenen „Catalogus haereticorum“,
„Verzeichnis von
Ketzern“ auf und fügte
seinerseits hinzu (pagina 120): „quod et ego in iusto
quodam bibliothecae nostrae Coloniensis scripto
consignatum vidi“.
(Seite 120): „insofern als dass ich das in
einer gewissen Vollständigkeit in
unserer Bibliothek zu Köln in einem Schriftstück
urkundlich beglaubigt gesehen habe“.
Ich selbst habe in einer
schlesischen Bibliothek ein altes Scriptum
(Schriftstück)
gefunden, wonach Luther die bewusste Prozedur
„durch behuff eines
handthuchs“ (mithilfe eines
Handtuchs) an sich
vorgenommen habe.
Die Aussage des Dieners macht es
auch verständlich, wie die – nach dem obigen Berichte „cuiusdam
civis Mansfeldensis“ (eines
gewissen Mansfelder Bürgers)
– herbeigerufenen Ärzte samt
Apotheker am Sterbelager Luthers erst nach eingetretenem
Tode erschienen.
Sie erklärt es ferner, wie die –
auch von der „Historia“
(Historie) erwähnten –
auffälligen Wiederbelebungsversuche vorgenommen werden
konnten.
Endlich bringt die Aufklärung über den noch
auffälligeren, von der „Historia“ ebenfalls angeführten
Umstand , dass die Leiche vom Sopha („Ruhebett“), wo man
sie gefunden, in ein (schnell bereitetes) Federbett
übertragen wurde.
Wenn auch alle beteiligten Diener anfänglich in der
Hauptsache Schweigen beobachteten, so scheinen sie doch
in Andeutungen sich ergangen zu haben; auch scheinen sie
bezüglich einzelner Nebenumstände sich gar keine
Zurückhaltung auferlegt zu haben, z.B. nicht
hinsichtlich der Wiederbelebungs-Versuche und der
Übertragung der Leiche ins Bett. Zweck der „Historia“
war es daher, auch diese Nebenumstände auf eine harmlose
Weise zu deuten – für diejenigen, die ihr glauben
wollten. (Der Wortlaut der Historie befindet sich unten
im Anhange.)
Die Replik der
Protestanten auf die katholischerseits
veröffentlichten Verhüllungen.
Gespannt musste man nun darauf sein, was man
protestantischerseits auf die von katholischen
Schriftstellern seit 1592 in die Öffentlichkeit
gebrachten Mitteilungen antworten würde.
Die Antwort ließ – wohl in Folge der kriegerischen
Verhältnisse – etwas lange auf sich warten.
Sie erschien erst 1635 in Hamburg und führte den Titel:
Lutherus Defensus
(der verteidigte Luther, Luther-Verteidigungsschrift):
Das ist:
Gründliche Widerlegung dessen /
was die Päbstler
(Papstanhänger) D.
(Doktor)
Lutheri Person fürwerffen
(vorwerfen)
/ von seinen Eltern / Geburt /
Beruff (Beruf)
/ Ordination
(lat. ordinatio: „Bestellung, Weihe“) / Doctorat
/ Ehestandt / Unzucht / Meineyd / Gotteslästerung /
Ketzerey / Hoffart
(Stolz) / Sauffen /
Unfläterey (Unflätigkeit)
/ Unbeständigkeit / Auffruhr
(Aufruhr)
/ Lügen / Gemeinschaft mit
dem Teuffel / Verfälschung der Schrift / Tod und
Begräbniß.
Durch Johannem Müllern
(Johannes
Möller, auch Johann Müller, 1634, Autor und Herausgeber
neben der namensgleichen Ausgabe von Melchior Zeidler
von 1689)
/ der H. Schrift D. / Pastorem
(lat.: pastor = Hirte) der
Hauptkirchen S. Petri in Hamburg.
Dieses Buch fand alsbald eine große Verbreitung; es
erlebte binnen Kurzem vier Auflagen
(Hertel,
Hamburg 1658, 6. Auflage: Frankfurt am Main,
Härtel-Verlag: 1706).
Für uns ist hier von alleinigem Interesse, was der
Verfasser über Luthers Tod sagt.
Es handelt davon im letzten Kapitel und schreibt
wörtlich wie folgt:
„Gleich wie die Päbstler Lutheri
Leben allerley schändliche Dinge angetichtet
(angedichtet)
/ also schreiben diese grewliche
(gräuliche)
Lügener
(Lügner) auch von seinem
Tode / dass er ein gar böses Ende genommen habe.
Etzliche
(etliche)
geben für
/ dass Lutherus des Abends wol
(wohl)
gezechnet
(gezecht) zu Bette
gangen (gegangen) / und des Nachts erstickt sey. (Bozius
de sign. Eccl., lib. 23 c. 3. Grets. Tom. I. Def.
Bellarm. Col. 855.)
Item
(lat.: ebenso) dass er ein
Strick genommen / und sich selbst elendiglich erhencket
(erhängt) habe / wie wol
(wiewohl)
also bald sey
(sei) geboten
worden allen
denen / die im Hause gewohnet
/ dass
sie dem Evangelio zu Ehren
(zu Ehren des Evangeliums)
solches verschweigen solten
(sollten). (Bozius lib. 23
c. 3. Claudius de Sainctes Repet. I de Euchar. cap. 10.)
Andere geben für
(vor) / dass Lutherum (den Luther)
ein großer Hund erschreckt
habe / und die Teuffel bey (bei) seinem Tode sich haben
sehen lassen. (Bredenbach colloq. sacr. lib. 7 cap. 39.)
Andere geben für
(vor)
/ Lutherus habe für (vor)
seinem Tode gute Possen
(Späße) gerissen (Scherer Conc. 2 in
profest. Trium Reg. pag. 94.) und nachdem er mit Lachen
und Kurtzweil (Kurzweil)
die Zeit zugebracht / sei er eines
gehlichen (jähen)
Todes gestorben (Eder in inquisit.
pag. 186.) sein böse Gewissen
habe ihm Angst gemacht für
(vor)
seinem Tode / dieweil
vieler tausend Seelen Verderb von
seinen
Händen solle gefordert werden. (Cochlaeus
de actis Luther. pag. 309., Über die Werke Luthers, S.
309)
1
1
Die von Müller zitierten
Quellen sind von uns insgesamt berücksichtigt worden,
bis auf Jakob Gretser
(lateinischer Philologe = Sprachforscher, Historiker).
Bei diesem lautet die in Betracht kommende Stelle (in
Controversiarum Roberti Bellarmini Defensio. Ingolstadt
1607. Columna 855, die
Verteidigungsschrift der Streitfragen)
wörtlich: „Lutherus adeo vorax bibaxque fuit, ut ne
ultimo quidem vitae suae die a largo prandio et opipara
caena abstinuerit; ut testantur epistolae, quae de morte
eius vulgatae sunt.“ „Luther
ist bis dahin gefräßig und angetrunken
gewesen, dass er sich nicht einmal am letzten Tag seines
Lebens von einem reichlichen zweiten
Frühstück und einem prächtigen Abendessen enthalten
konnte; wie es die Briefe
bezeugen, welche
über dessen Tod unter die große Menge gebracht
wurden.“
Der Jesuitenpater Gretser hat sich
also auf die „Historia“ (die „epistolae“,
die Briefe)
verlassen. --- Beachtung verdient, dass Müller die oben
(S. 21 im Originaltext von
Paul Majunke, hier in diesem Text auf S. 19, 20)
zitierte Stelle des Claudius de Sainctes so auffasst,
als habe der Autor sagen wollen, dass nicht der Teufel,
sondern Luther propria manu
(durch seine eigene Hand)
des Teufels Programm ausgeführt.
Antwort: Das ist nichts newes
(Neues)
/ dass man nach Lutheri Tod solche
Lügen ertichtet (erdichtet)
/ dieweil
es schon bey
(bei)
seinem Leben geschehen ist / er
selber hat in seinen Schriften auffgezeichnet die
Welsche Lügenschrift
/ welche zu Rom von seinem Tode ausgegangen war / es
lautet aber dieselbe also: Martin Luther / als er krank
war / begehrt er das heilige
Sakrament / des Leibes unseres HErrn JEsu Christi /
welches / als er empfangen hätte / ist er alsbald
gestorben.
Und in seiner Krankheit / als er
sahe / dass sie gar hefftig
war / und gänzlich sich zum Tode
neiget / hat er
geboten
/ dass sein Leib auff einen Altar
solte gesetzet und angebetet werden / als ein Gott.
Aber die göttliche
Güte und Fürsichtigkeit
/ als sie hat wollen einen so
grossen Irrthumb (Irrtum) ein Ende machen /
und ein wenig stillschweigen / hat sie nicht
abgeschlagen (verhindert) / solche
Wunderzeichen zueröffnen / welche sehr
von nöthen (Nöten)
waren / auff dass das Volck
abstunde (Abstand nehme)
von solchem grossen
Irrthumb (Irrtum)
/ Zerstörung und Verderbnis
/ welche obgenannter Luther in dieser
Welt hat angerichtet / darumb
(darum)
sein Leib alsbald ins Begräbniß
(Begräbnis) ist geleget worden /
ist alsbald ein erschrecklich Rumor
(Lärm)
und Getümmel gehöret worden / als
fiele Teuffel und Helle
(Hölle) in einander
/ durch welche alle die Irrigen
/ so gegenwertig
(gegenwärtig)
waren / kamen in ein grotz
(großen)
Schrecken / Entsetzen und Furcht /
und als sie die Augen gegn Himmel huben
(erhoben)
/ sahen sie klärlich
(klar) die
allerheiligste Hostia unsers HErrn JEsu Christi / welche
ein solch unwürdig Mann / hat dürfen empfahen
(empfangen).
Ich sage auch / daß alle die / die
dabey sind gewesen / scheinbarlich gesehen haben
die allerheiligste Hostia in der Lufft hangen.
Derhalben
mit grosser Andacht und
Ehrerbietung haben sie die allerheiligste Hostia mit
großer Ehr und Andacht zu den Heiligthumen
(Heiligtümern) ehrlich
gethan
(getan).
Da das geschehen ist / hat man
denselbigen
Tag nicht mehr ein solch
Getümmel
und ein hellisch rumpeln
(einen höllischen Lärm)
gehöret. Aber die folgende Nacht
an demselbigen Orth / da der Leib Martini Luthers war
begraben / hat jedermann gemeinlich
gehöret ein grösser Ungestüm
/ denn
(als)
das erste
(vorhergehende).
Darumb auch das Volck
auffgestanden (darum war
das Volk auch aufgebracht)
/ und kam in eine große
Furcht und Entsetzung.
Derhalben
(deswegen) / als es Tag
ward (wurde)
/ giengen
(gingen)
sie hin / auffzuthun das Grab
/ da der Gottlose Leib des Martini Luthers hingeleget
war / welches Grab / als es auff ward gethan
(es geöffnet wurde)
/ sahe (sah)
man klärlich
(deutlich, klar)
/
daß da weder Leib /
oder Fleisch / noch Bein / noch einige Kleider waren
/ aber es war voll solches
geschwebliches (schwefelartigen)
Gestanks / daß es alle / die da
umbher stunden (umher standen) / kranck
(krank machte) machte
/ dadurch viele ihr Leben haben gebessert zu dem
heiligen / Christliche(n)
Glauben / zur Ehre / Lob und Preiß
JEsu Christi / und (zur)
Befestigung
(Festigung) und
Bekrefftigung
(Bekräftigung)
seiner heiligen Christlichen Kirchen
(Kirche) / die da ist ein
Pfeiler
der Wahrheit.
Hiervon ist D. Martini Lutheri
Gutdüncken
dieses:
Ich Martinus Lutherus D. bekenne
und zeige mit dieser Schrifft / daß ich solches zornige
Getichte (Dichterei) vor meinem Tode
empfangen habe am 21. Martij
(März)
/ und fast gern und fröhlich
gelesen / außgenommen die Gotteslästerung / da solche
Lügen / der hohen Göttlichen Majestät wird
zugeschrieben.
Sonst thut mirs sanfft
(tut es mir wohl)
auff der rechten Kniescheibe / und
an der linken Fersen (Fußferse) / daß mir der Teuffel
und seine Schupen (Schuppen)
/ Pabst und Papisten / so hertzlich feind seyn
(von Herzen Feinde
sind) / GOtt bekehre sie
vom Teuffel.
Jsts
(ist es) aber beschlossen /
daß mein Gebet für die Sünde zum Tod
(Todsünde)
vergeblich ist / Wolan
(wohlan) / so gebe Gott /
daß sie ihre Maß voll machen
/ und nicht anders / denn
solche Büchlin
(Bücher)
zu ihrem Trost und Fremden
(Befremden)
schreiben.
Laß nunmehr hinfahren / sie fahren recht /
sic voluerunt
(sie haben es
so gewollt), ich will
dieweil zusehen / wie sie
wollen seelig (selig)
werden / oder wie sie
büssen / und wiederruffen
(widerrufen)
mögen alle ihre Lügen und
Gotteslästerunge(n)
/ damit sie die Welt füllen.
Wie es aber eigentlich mit dem
Tode Herrn Lutheri beschaffen gewesen / das haben
kürzlich zusammen gefasset D. Justus Jonas, M. Michael
Coelius und andere / welche als lebendige Zeugen sind
darbey (dabei)
gewesen / ihre Beschreibung lautet
also:
Nun folgt wörtlich die
vielgenannte „Historia“ und ein Hinweis auf Thuanus
(Jacques-Auguste de Thou,
Staatsmann und Historiker).
Was zunächst die angeblich in Rom
ein Jahr vor Luthers Tod gedruckte Schrift
(die besagte „Lügenschrift“)
betrifft, so müsste eine
solche Publikation, wenn sie wirklich in Rom erfolgt
wäre, doch im Interesse der „Päbstler“
(Papst-Anhänger)
gelegen haben.
Nach Lage der Dinge konnte sie
aber nur den Katholiken schaden, weil die Entrüstung,
welche bei der Lektüre des Libells
(lat. Büchlein, Schmähschrift)
die deutschen Leser ergreifen
musste, die Katholiken als die vermeintlichen Urheber
treffen musste.
In der Tat hat sich denn auch
niemand mehr die (weitere)
Verbreitung der Schrift
angelegen sein lassen,
als – Luther. Auch manche der darin vorkommenden
Wendungen (Redewendungen)
im Stil
sowie der phantastische
Gedankengang lässt vermuten, dass der Geist, der die
Schrift diktiert hat, Luthers eigener Geist gewesen war
1.
1
Aus Seckendorf
(Ludwig von Seckendorff),
Hist. Luth. III. p. 580 -
Gotha 1688, 3 Bände.,1692 vollendet, eine Entgegnung auf
Louis Maimbourgs Histoire du Luthéranisme -
geht hervor, dass schon die
katholische Zeitgenossen der Meinung waren, Luther
selbst „vel aliquis ex suis“
(oder sogar jemand von den Seinen,
aus den eigenen Reihen) sei
der Urheber des Libells (lat.
Büchlein, Klageschrift, Schmähschrift)
gewesen. – Welche zahllosen
Intrigen der „Mann Gottes“ durch den Druck
verübt hat, davon gibt
insbesondere Ulenberg's „Vita Lutheri“, Coloniae 1589
(das Leben Luthers, Köln 1589, Historie von Caspar
Ulenberg, Theologe, Bibelübersetzer, Dichter)
fast auf jeder dritten Seite einen
Beleg.
Unterlassen wir es, uns hierbei
auf das Gebiet der Psychologie zu begeben und den
Gründen nachzuspüren, die der „Reformator“, der so oft
nach dem Grundsatze handelte, dass der Zweck die Mittel
heilige, der von Intrigen durch und durch
zusammengesetzt war, zu einem solchen Vorgehen bewogen
haben mochten; aber der frivole Schimpf,
welcher hier der katholischen Literatur angetan wird,
kann nicht unwidersprochen bleiben.
Wir haben oben gesehen, wie die
katholischen Schriftsteller – deutsche wie römische –
zuerst die kursierenden Gerüchte über Luthers Tod und
später die traurige Wahrheit darüber mit größter
Objektivität und Ruhe erzählen; nicht eine Spur findet
sich bei ihnen von dem entsetzlich gemeinen Ton, wie er
jeden Leser auf fast jeder Seite bei Luthers
Original-Werken anekelt; sie waren gar nicht fähig, das
ihnen zugeschriebene, angeblich römische Schand-Libell
(schändliche Schmähschrift)
zu verfassen; – auch hier
fällt nur wieder die Gemeinheit, welche Luther auf die
katholische Literatur zu wälzen suchte, auf
ihn selbst zurück !
Ja ein von den Protestanten
besonders angefeindeter Schriftsteller des 17.
Jahrhunderts, der bereits oben erwähnte Floremund
Raemund, sucht in seiner „Historia“ etc. Luther wegen
seiner letzten Tat noch zu entschuldigen ! – Er
registriert die verschiedenen über Luthers Tod
zirkulierenden Gerüchte, misst dann dem Bericht des
Bozius den meisten Glauben bei und bemerkt schließlich,
Luther habe diesen Schritt getan, weil er „extremis
oppressus calculi doloribus mortem vehementer optavit“,
er hat von äußersten Schmerzen überwältigt aus
Berechnung heftig den Tod
verlangt.1
1
Der Autor kann übrigens nicht den
Bericht des Bozius im Original vor sich gehabt haben,
denn er meint, dass nach Bozius Luther durch
hinzukommende Personen an der Ausführung seines
Vorhabens verhindert worden sei. Hiervon sagt Bozius
bekanntlich nichts.
Auch gibt Floremund Raemund den Titel der Bozius'schen
Schrift nicht richtig an.
Selbst der Jesuitenpater Scherer –
es ist ein Glück, dass die Jesuiten in unserer Affäre
nicht als Quellen-Schriftsteller fungieren – zitiert in
seinem berühmten Predigtwerke (Köln 1683) in einer
Stelle über Luthers Tod eine Predigt von Mathesius
(Johannes Mathesius, Pfarrer und
lutherischer Reformator),
der seinerseits wieder auf die „Historie“ sich stützt !
2
2
Das Zitat oben S. 31 bei Müller.
Vergleiche dort auch das Zitat aus dem
(vom) Jesuitenpater Gretser.
In späteren Zeiten haben ja Gustav
Adolph und Friedrich II. von Preußen ebenfalls das
Manöver versucht, dass sie den Katholiken Brandschriften
imputierten (zurechneten), die von ihnen
selbst ausgegangen, aber mit dem Druckort Rom, Köln
versehen waren. Noch während des letzten „Kulturkampfes“
hatte man zu demselben Mittel gegriffen.
Kein Wunder also, dass man schon
im „Kulturkampfe des sechzehnten Jahrhunderts“ auf
dieses Expediens
(Auskunftsmittel)
verfallen war ! – Die vestigia
(Merkmale)
führen dabei zu Luther vel aliquem
ex suis (oder sogar jemanden aus den eigenen Reihen),
nicht auf die katholischen Schriftsteller.
Doch – kehren wir zu Müller zurück
! – was hatte er in seinem „Lutherus defensus“
(Luthersche Verteidigungschrift)
dem Bozius und anderen
katholischen Schriftstellern bezüglich deren Berichte
über Luthers Tod entgegenzusetzen ?
Zunächst das in Deutschland
gedruckte, mit römischem Titel versehene Falsifikat
(Fälschung).
Sodann eine nochmalige Reproduktion
(Wiederauflage)
der „Historia“.
Selbst angenommen nun, jenes ein Jahr vor Luthers Tode
erschienene Falsifikat wäre echt gewesen – was wäre
damit gegen die Erzählung des Bozius, des Sedulius, des
Petreius bewiesen ? Und was beweist gar die „Historia“ ?
Sehr charakteristisch ist es auch,
dass Müller seinen Lesern nicht zu verraten wagt, dass
er Luther „defendire“
gegen eine Aussage, die von des „Reformators“ eigenem
Diener
stammt.
Und doch musste dieser Umstand s.
Z. (seinerzeit)
ein ungeheures Aufsehen erregt
haben, wie er ja auch in der Tat das Schlimmste besagte,
was die „Päbstler Lutheri Person fürwerffen“
konnten !
Auch beachte man, dass Müller mit
keiner Silbe des Sedulius erwähnt, obgleich er sich
sonst in der katholischen Literatur sehr bewandert zeigt
! – Hingegen beruft er sich mit Genugtuung am Schlusse
auf den „Päbstischen Historicus“
(päpstlicher Historiker)
Thuanus, der den Tod Luthers nach
der „Historia“ erzähle.
Thuanus (de Thou) war ein
französischer „liberal“-katholischer Schriftsteller, ein
Gallikaner * und ein
Beförderer des Edikts von
Nantes.
*
Gallikanismus (aus
Gallien / Frankreich) war die im Spätmittelalter
aufgekommene französische Form des Episkopalismus. Es
handelte sich um ein kirchenrechtliches System, mit dem
die katholische Kirche in Frankreich eine Art
Unabhängigkeit vom römischen Stuhl herzustellen suchte.
Dazu wurden gewisse Vorrechte, die gallikanischen
Freiheiten, aufgestellt. Im Wesentlichen ging es darum,
die weltliche Macht des Papstes in nationalpolitischen
Fragen zu minimieren und seine Position dem nationalen
Konzil der Bischöfe unterzuordnen.
Im evangelischen Bereich bezeichnet Episkopalismus eine
staats-kirchen-rechtliche Rechtstheorie, wonach dem
jeweiligen Landesherren die bischöfliche Kirchenhoheit
übertragen worden sei (Episkopalsystem).
In seinem großen Geschichtswerk (Frankfurt 1625)
schreibt er über Luthers Tod nur ein paar Zeilen.
Er folgt dabei, ohne sie zu nennen, der „Historia“.
Andere Quellen kannte er wahrscheinlich gar nicht.
Dabei diente dieses Müller'sche
Buch über ein Jahrhundert hindurch als Hauptquelle der
lutherischen Apologetik
(Verteidigungs-Ansprachen
und Rechtfertigung von Glaubenslehrsätzen).
So heißt es z.B. noch in der 1747 erschienenen, vom
katholischen Standpunkte geschriebenen Biographie der
Katharina von Bora1,
Band. II. S. 46:
„Alle katholische Skribenten
(Schreiberlinge) werden von
den lutherischen Prädikanten
(Hilfsprediger in der
evangelischen Kirche) an
den Müllerum (Müller)
gewiesen, welcher Lutherum und
seine Räth' (Rat,
Versammlung von auserwählten Männern)
so fürtrefflich
(vortrefflich)
solle gereinigt
haben.“
1
Katharina von Bora, genannt „Die Lutherin“, war die
Ehefrau des deutschen Reformators Martin Luther.
Biographie:
Der Morgenstern von Wittenberg.
Das ist: Vollständiger Lebenslauf Catharinae von Bore,
des vermeinten Eheweibs D. Martini Lutheri. Landsperg
1747.
Nach Beendigung des 30-jährigen Krieges ließ der
ostpreußische Jesuitenpater Karl von Kreutzen eine
Antwort auf das Müller'sche Buch erscheinen.
Dieselbe war 1655 in Braunsberg
gedruckt und führte den Titel: „Der unverteidigte
Luther, entgegengesetzet
(gegenübergestellt) dem
verteidigten Luther (des)
Johannes Mülleri.“
Ich habe diese Schrift selbst auf den größten
Bibliotheken in Preußen-Deutschland nicht erlangen
können; nicht einmal in Braunsberg selbst ist sie zu
haben.
2
2
Zwei Bibliothekare von österreichischen und russischen
Bibliotheken, an die ich mich ebenfalls gewendet,
schrieben mir übereinstimmend, das Buch müsse schon vor
200 Jahren von den Protestanten völlig aufgekauft und
gänzlich vernichtet sein.
Zum Glück hat aber der eifrige
„Müllerus“ (Müller)
sofort eine Dublik
(Dublikat, Zweitschrift,)
dagegen erscheinen lassen, von
welcher natürlich noch zahlreiche Exemplare vorhanden
sind.
Man kann daraus wenigstens
einigermaßen ersehen, was
P. Carll von Kreutzen
(preußischer Jesuit)
geschrieben hatte.
Müller gibt seiner Gegenschrift den Titel:
Defensio Lutheri Defensi
(die Verteidigung gegen den verteidigten Luther)
Das ist:
Der wohlverteidigte Luther
entgegengesetzet
dem unverteidigten Luther
des preußischen Jesuiten
Pater Carll von Kreutzen.
Darinne
(darin sind)
die Einwürffe
(Einwände)
des Jesuiten gründlich beantwortet
/
und bestendiglich
(letztlich / mit Bestand)
wird erwiesen / das Lutherus kein
Teuffels-Sohn / kein Sodomit
(Homosexueller)
/
kein Nonnenschender
(Schänder)
/ kein Zigeiner
(Zigeuner)
/
Gotteslästerer / noch Auffrührer / etc. gewesen
und sich nicht erkencket
(erhängt)
habe / etc.
Hamburg 1659.
Im Vorwort bemerkt der Verfasser,
dass von Kreutzen „sich bedüncket
(gemeint)
habe, Luthern dermaßen
schwartz gemacht zu haben, dass Er nun gantz
darniederliege (am Boden
zerstört sei) / inmassen
(in dem Maße, als)
er denselben mit schändlichen
Lügen und Verleumdungen angetastet / ihn für einen
Sodomiter und Nonnenschender
(Nonnen-Schänder)
außgeschrien
(verschrien)
/ der vom Teufel gezeuget sey / denselben auch zum
Lehrmeister gehabt / endlich sich selbst erhencket habe
/ wie denn
die Teuffel in Gestalt der schwartzen Raben ihn zum
Grabe begleitet
etc.“1
1
Neu dürfte hier den Lesern nur dasjenige sein, was über
die Herkunft Luthers gesagt wird. Zahlreiche katholische
Schriftsteller des 16. und 17. Jahrhunderts behaupten in
dieser Beziehung, dass Luther auf mystische Weise
außerhalb der Ehe per medium incubi genitum esse
(mittels eines nächtlichen Dämons
gezeugt worden ist).
Es sind keine Epitheta ornantia
(schmückende Beiwörter),
welche der Pater von Kreutzen dem Wittenberger
„Heiligen“ beigelegt hatte; insbesondere scheint dem
Lebensende desselben ein drastisches Kapitel gewidmet
gewesen zu sein. In letzterer Beziehung lässt Müller den
Pater allerdings nur folgende kurze aber vielsagende
Sätze aufstellen:
„Es sagen etliche nicht umbsonst
(umsonst)
/ er habe sich erhencket
(erhängt)
/ sey (sei)
aber verboten solches zu
offenbahren / Er muss rasend
und unsinnig
gewesen sein / da Er
befohlen für unseren HErrn Gott und sein Evangelium zu
beten.“
Man kann hieraus nicht ersehen, ob und welche Quelle
Pater von Kreutzen bei dieser Mitteilung genannt hat.
Jedenfalls hat er die
bezügliche Behauptung anderer
(„etlicher“) für begründet (für „nicht umbsonst“ )
und die Müller'sche Widerlegung für misslungen gehalten.
In seiner Dublik gibt nun Müller folgende „Antwort“:
„Wenn man von P. Kreutz außbrechte
(daraus schliessen würde)
/ er hette sich erhencket /
were
(wäre)
es denn gnug (genug)
und bewiesen ? Das
(dass) Jesuiten in
Engelland (England)
gehencket worden / wegen
ihrer verrätherischen Thaten ist gewiß / wollen sie
Gesellschaft haben / werden sie selbige an Luthero nicht
finden. Wer hats gesehen / das
(dass)
sich Lutherus erhencket: er nenne
die Leute / ist's verboten zu offenbaren / wie hats
(hat es)
denn P. Kreutz erfahren?“
Wie man sieht, wird Müller immer schwächer mit seinen
Argumenten. Er kann sich jetzt nur noch mit Phrasen
retten. Die Hohlheit der letzteren wird wohl auch von
denjenigen seiner Leser zugegeben werden, welche an die
„verrätherischen Thaten der Jesuiten in Engelland“
glauben. Dabei wagt er noch immer nicht anzudeuten, dass
die „Päbstler“ eine ganz bestimmte Persönlichkeit
bezeichnet hatten, welche Luthers Leichnam zuerst vor
allen anderen gesehen hatte.
Dafür frägt
(fragt)
er pharisäisch: „Wer hat's gesehen
?“
Durch Sophismen
(ausgeklügelte Scheinbeweise)
wird dann Luther wegen
seiner Äußerung: „Betet für unseren Herrgott“
verteidigt. Wir gehen hierauf – als für unseren Zweck
nebensächlich – ebenso wenig ein, wie auf die nunmehr
folgende breite Polemik
(Feindseligkeit), welche
Müller gegen von Kreutzen wegen dessen Behauptung
betreffs des Begräbnisses Luthers, der Raben usw.
eröffnet.
In gleicher Beweisführung wie bei Müller bewegt sich der
Artikel über Luther in dem großen „historisch-kritischen
Wörterbuch“ von Bayle Gottsched (Leipzig 1743,
die deutsche Übersetzung, verfasst von mehreren anonymen
Mitarbeitern unter Leitung des bekannten Literaten
Johann Christoph Gottsched, erschien 1741-44 als „Peter
Baylens historisches und kritisches Wörterbuch“ in
Leipzig – verfasst von Pierre Bayle, französischer
Schriftsteller, Philosoph, zentrale Figur der Aufklärung).
Nur dass hier der Verfasser hervorhebt, dass es „keine
unbekannte Leute, sondern sehr berühmte Skribenten“
(Schreiber)
gewesen seien, welche
„Unwahrheiten“ über Luthers Tod verbreitet hätten.
Dieser Autor hat auch die Courage,
das Zitat aus Cornelius a Lapide anzuführen (siehe oben), in welchem vom „Famulus“
(Diener“)
Luthers die Rede ist; aber
die darin enthaltene „Unwahrheit“ kann er gleich Müller
nur widerlegen durch den Hinweis auf das „italienische“
Falsifikat („Fälschung aus Rom“) und
die „Historia“.
Ludwig von
Seckendorf in seiner großen
„Historia Lutheranismi“ (Leipzig 1694,
Geschichte der Luther-Reformation)
drückt sich an der Sache mit der Phrase vorbei, es sei
ihm zu „verächtlich“, auf die Behauptungen, welche
katholischerseits über Luthers Tod verbreitet wurden,
einzugehen, polemisiert aber wieder sehr eingehend mit
katholischen Schriftstellern betreffs des Begräbnisses
Luthers.
So kam der 18. Februar 1746 heran, der 200-jährige
Gedächtnistag von Luthers Tod.
Der Tag wurde natürlich in Sachsen besonders gefeiert
und auch verschiedene Schriften erschienen zu seiner
Verherrlichung.
In dem später (Leipzig 1764) edierten Werke von
Friedrich Sigismund Keil: „Dr.
Martin Luthers merkwürdige Lebens-Umstände“ werden
dieser Schriften sieben aufgeführt und als die vornehmste
das Buch des Wittenberger General-Super-Intendenten
Carl Gottlob
Hofmann
(Oberpfarrer an der Wittenberger Stadtkirche):
„Memoria saecularis funeris et sepulcri Dr.
Martini Lutheri, Wittenbergae 1746“,
„Das Andenken an die
weltliche Beerdigung (die
Jahrhundert-Bestattung) und
das Grabmal des Dr. Martin
Luther, Wittenberg 1746“
bezeichnet.
Nach Keil soll „diese wichtige
Schrift“ eine hervorragende Aufmerksamkeit der Leser
verdienen, weil sie „eine Rettung der Ehre Lutheri wider
seine Verleumder“ sei. „Alles“,
sagt Keil, „was Bellarmin, Thyräus, Cochläus, Bozius,
Bredenbach usw. von einem unerträglichen Gestank, von
einer Begleitung vieler bösen Geister, von von schwarzen
Raben und dergleichen, bei der Leiche des seligen Mannes
durch ganz unvernünftige Lügen ausgebreitet, imgleichen
(ebenfalls), was Maimburg
und Fontanus von seinem prächtigen Leichenbegängnis
spöttisch vorgebracht – das wird hier von
Herrn Dr. Hofmann gelehrt und gründlich widerlegt. –
Nach diesem hat der Herr General-Super-Intendent von dem
seligen Ende, von dem Leichenbegängniß und Begräbniß
unsers theuern Lutheri eine
vollständige historische Nachricht mit großem Fleiß
aufgesetzt.“
So Keil (Seite 295). Wem es wie
mir begegnete,
dass er die Keil'sche Schrift eher in die Hände bekam,
als das Hofmann'sche Buch, der musste erwarten, dass das
letztere, zumal es auch vom „seligen Ende“ Luthers
handeln sollte, sich auch mit den auf den Tod Luthers
bezüglichen „Verleumdungen“ des Bozius, Bellarmin usw.
befassen würde. Jedenfalls musste man gespannt darauf
sein, ob Herr Hofmann mit besserem Glück gegen Bozius
und Genossen respektive
gegen Luthers Diener operieren
würde, als es ein Jahrhundert vor
ihm Johannes Müller vermochte.
Aber welche Enttäuschung !
Herr Hofmann sagt gleich in der Einleitung, dass die
„calumniae,
quibus grex Pontificius obitum b. (id est: beati
!) Lutheri placidissimum vituperare studet,
vulgo prostant: hoc tamen eventu, ut manifestus
dissensus, narrationum absurditas, testium
allegatorum perfidia sint infallibili indicio,
nil (= nihil)
nisi mendacia afferri, atque data opera confingi.“ |
|
„die
Verleumdungen, durch
welche die zum Pontifex
(Papst) gehörige Herde
- nach dem äußerst sanften
Hinscheiden des St.
Luther - eifrig bestrebt ist zu tadeln,
geben sie dem Pöbel öffentlich preis:
indessen
seien durch dieses Ereignis,
wie z.B. der deutlich abweichende
Widerspruch, der Widersinn der Erzählungen, die
Unredlichkeit von den angestifteten Zeugen
durch einen untrüglichen „Beweis“ nichts als
nur Unwahrheiten
dargebracht und dazu noch absichtlich erdacht worden.“ |
Seine „Aufgabe“, fährt er fort,
verbiete es ihm daher, die „Fabeln“ über Luthers Tod,
obschon sie weit und breit ausgestreut seien,
(„passim divulgatas“,
überall weit und breit veröffentlicht)
eingehender zu behandeln, sonst könnte er mit Dingen
aufwarten, die teils Lächeln, teils Indignation
(Unwillen)
erregen würden.
Kaum finde man ja einen zweiten berühmten Mann, über
dessen Lebensende „genius infernalis plures rumores
incertos, dubios, discordes, falsosque spargere studuit,
quam de Luthero.“
„der Genius (Schutzgeist) der Hölle hat danach gestrebt
mehrere unzuverlässige, zweifelhafte, widersprüchliche und dazu
falsche Gerüchte zu verbreiten, wie hinsichtlich über Luther.“
„Diese Arbeit“, meint dann der Autor, „haben wir einem
anderen überlassen, dessen Bemühungen wir nicht haben
vorgreifen wollen. Unsere Aufgabe wird es sein, de
funere et sepulcro Megalandri
(d.h. „des großen
Mannes“)
commentari et ostendere, quam multae sint
fabulae, quam atroces iniuriae quibus funus tumulumque
b. Lutheri in contemptionem adducere student homines,
superstitioni pontificiae addicti et alii malo in
nostram ecclesiam animo occupati.
über die Bestattung und das Grabmal des
großen Mannes (griechisch: Megalandri) zu berichten und aufzuzeigen,
seien viele Geschichten, wie schreckliche
Beleidigungen, durch welche sie danach trachten, die Menschen zu verführen, für die Beerdigung und den
Grabhügel des St. Luther Verachtung entgegenzubringen, dem päpstlichen
Aberglauben
verfallen und
andere
in
unserer Kirche sind
von einem bösartigen
Geist ergriffen.
Und nunmehr verschwendet dieser Buchmacher sein ganzes
Papier für den versuchten Nachweis, dass Luther ohne
Gestank und ohne Raben begraben worden sei, sowie dass
der Vorwurf, den einige „päpstliche“ Schriftsteller
erhoben, er sei „wie ein reicher Mann mit Pomp
und nicht wie ein armer Apostel einfach
begraben worden“, unbegründet
gewesen sei. Zuletzt handelt der Verfasser noch
eingehend von Luthers Grabmal.
Von den viel wichtigeren „Verleumdungen“ aber, welche
„weit und breit“ über Luthers Tod ausgestreut waren,
spricht er mit keinem Worte; von Luthers Diener ist im
ganzen Buche mit keiner Silbe die Rede !
Auch der „Andere“, dessen Bemühungen Herr Hofmann nicht
„vorgreifen“ wollte, ist bis zu dieser Stunde, bis zum
Jahre 1891 noch nicht erschienen und noch nicht zur
Widerlegung der „weit verbreiteten Verleumdungen“
gekommen.
Und doch wäre diese „Aufgabe“ wohl für die Sache der
Herren notwendiger gewesen, als die Widerlegung des
Tadels, dass Luther zu pomphaft beerdigt worden sei.
Ich meinerseits habe diesem von
einigen katholischen Schriftstellern des 16. resp.
des 17. Jahrhunderts (Maimburg
usw.) erhobenen Tadel so wenig Bedeutung beigelegt, dass
ich von demselben überhaupt keine Notiz genommen habe.
Ich werde auch weiterhin nicht davon reden. Es ist mir
wirklich gleichgültig, ob vor Luthers Leiche hundert
oder tausend Trompeter oder Reiter hergegangen sind und
auch auf die Geschichte von den Raben und dem Gestanke
lege ich keinen sonderlichen Wert. Und hierin begegne
ich speziell wieder Bozius und Bellarmin, welche beide
ganz nebenbei einmal diese Umstände erwähnen, das
Hauptgewicht aber auf das Sterben Luthers legen.
Trotzdem umgeht Herr Hofmann diese Hauptsache gänzlich !
Hundert Jahre vorher wagte Müller doch wenigstens noch
den „Strick“ zu erwähnen, freilich ohne Hinweis auf
Luthers Diener; 1746 dagegen muss Alles verschwiegen
werden trotz oder richtiger wegen der weitverbreiteten
„Verleumdungen“ !
1
1
Die Raben-Affäre glaubt H. durch einen Witz beseitigen
zu können. Er lässt einen „Bauern“ erzählen, dass in
ähnlicher Weise einst alle bösen Geister in Rom waren,
als die „Päpstin Johanna“ auf der Straße ein Kind gebar.
Der „altkatholische“ Bischof Reinkens
(Joseph Hubert Reinkens,
Hochschullehrer und erster Bischof der Alt-Katholischen
Kirche in Deutschland)
pflegte früher in seinen Kollegien (Universität) zu
sagen, an die „Päpstin Johanna“ glaubten nur noch
„liberale“ Zeitungsschreiber und protestantische
Elementarlehrer
(Grundschullehrer).
Im vorigen Jahrhundert haben haben also auch noch
protestantische General-Super-Intendenten daran
geglaubt. – Helmesius (vergleiche oben) kam bekanntlich
wenige Tage nach Luthers Begräbnis nach Halle und hörte
dort von zahlreichen Bürgern die Erzählungen, welche
über die Raben verbreitet waren, bestätigen.
Auch auf Sedulius wagte man nicht hinzuweisen; obgleich
dessen Werk bald von den Bibliotheken der
protestantischen Universitäten usw. angeschafft worden
war.2
2
Das von mir benutzte Exemplar des
Sedulius führt noch jetzt den Stempel der ehemaligen
Hochschule zu Frankfurt an der Oder, welche bereits 60
Jahre vor dem Erscheinen des Sedulius'schen Buches
protestantisiert
worden war.
Weder Müller noch Hofmann erwähnen
auch nur mit einer Silbe des Sedulius und des
Dokumentes, welches er veröffentlichte ! Je mehr wir uns
dann dem gegenwärtigen Jahrhundert nähern, desto mehr
nimmt das Schweigen und Verschweigen auf
protestantischer Seite zu. Hieraus erklärt es sich, dass
man auch katholischerseits anfing, über Luthers
Lebensende zu schweigen, wie überhaupt in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts, in der Periode des
romfeindlichen Josephinismus und Febronianismus
(1763 durch J. Febronius
ausgelöste aufklärerisch orientierte Reformbewegung bis
1806 in der katholischen Kirche),
den Protestanten das Geschichts-Monopol überlassen wurde
und die konfessionellen Kontrovers-Schriften
(Glaubensbekenntnis-Gegenschriften
mit dem Hinweis auf die Unterschiede)
unter den katholischen Theologen
zu verschwinden begannen, ein Übelstand,
der sich bis fast in die Mitte des gegenwärtigen
Jahrhunderts fortsetzte.3
3
Eine fernere Ursache, weshalb man auf katholischer Seite
angefangen über Luthers Lebensende zu schweigen, lag
auch in dem Umstande, dass unter allen
Kontrovers-Schriften, welche nach dem 30-jährigen Kriege
herausgekommen waren, das Buch des Floremund Raemund
(eines ehemaligen
französischen Calvinisten, der zum Katholizismus
zurückgekehrt war und dessen Buch erst in Deutschland
ins Lateinische aus dem Französischen übersetzt wurde):
„Historia memorabilis“ (die
denkwürdige Geschichte) die weiteste
Verbreitung in Deutschland gewann. In allen späteren
Schriften der katholischen Polemiker
(Kritiker)
findet man dieses Wort fast
ausschließlich zitiert, während die Bücher von Bozius
und Sedulius durch den 30-jährigen Krieg vielfach in
Vergessenheit geraten waren. – So vortrefflich nun auch
die Ausführungen des Floremund Raemund im Allgemeinen
waren, so hatte er doch, wie wir oben sahen, über
Luthers Tod aufgrund eines mangelhaften Quellenstudiums
eine eigene Sage aufgebracht – nämlich Luther habe sich
das Leben nehmen wollen, sei aber durch hinzueilende
Personen daran verhindert worden, – auf welche man
katholischerseits naturgemäß wenig Wert legte.
Im Jahre 1846 erschienen zum 300-jährigen Todestage
Luthers mehrere Gedächtnis-Schriften.
Die verbreitetste unter ihnen war
das Buch von Julius Leopold
Pasig „Dr. Martin Luthers
letzte Lebenstage, Tod und Begräbnis“ (Leipzig,
Verlag von Friedrich Wilhelm
Grunow).
Der Verfasser sagt gleich in der Einleitung:
„Wir haben uns nicht darauf eingelassen, die lügenhaften
und verleumderischen Berichte über Luthers Tod und
Begräbnis, welche römischerseits, namentlich von
Bellarmin, Thyräus, Cochläus, Maimburg und anderen
verbreitet worden sind, zu widerlegen, weil dieselben so
albern und abgeschmackt sind, dass sie sich von selbst
widerlegen und man sich nur wundern kann, wie Leute,
welche Gelehrte sein wollten, solchen unsinnigen Lügen
haben Glauben schenken können.“
In einer anderen ebenfalls 1846 erschienenen Schrift von
Moritz Meurer:
„Luthers letzte Lebenstage, Tod
und Begräbnis“ (Dresden,
Verlag Justus Naumann)
heißt es:
„Von all' dem Kot, den Luthers
Feinde Lügenhaftigkeit auch auf seine letzten
Lebensstunden geworfen, hat die wahrhaftige Geschichte
ihn längst so rein gewaschen, dass es verlorene Mühe
wäre, daran noch ein Wort zu wenden
(verschwenden),
wenn auch etwa wieder einmal eine alte Lüge auf's Neue
ausgeschmückt werden sollte.“
Man sieht, die Herren sind in de Verteidigung Luthers
mit der Zeit „fortgeschritten“.
Während ein Jahrhundert vorher Hofmann die Widerlegung
der „Verleumdungen“ noch „einem Anderen“ reservierte,
und 200 Jahre vorher Müller wenigstens einen
schüchternen Versuch zu einer Antwort machte, widerlegen
sich vor der Kritik des 19. Jahrhunderts alle jene
„Verleumdungen“ einfach von selbst; ja die „wahrhaftige
Geschichte“ soll bereits eine „Reinwaschung“ mit solcher
Kunstfertigkeit längst vorgenommen haben !
Wahrscheinlich geschah es durch
jene „katholischen“ Kirchengeschichts-Lehrer in Wien,
welche nach dem Lehrbuch des Protestanten Schröck ihre
„Wissenschaft“ tradierten
(überlieferten).
Aber wie dem auch sei: Charakteristisch bleibt es, dass
man protestantischerseits im Jahre 1846 noch recht gut
der alten „Verleumdungen“ über Luthers Tod sich
erinnerte, während man auf katholischer Seite nicht die
geringste Erinnerung mehr daran zu haben schien !
Da hatten denn freilich die
neuesten Luther-Biographen, welche aus Anlass des im
Jahre 1883 stattgehabten
(stattgefundenen) Jubiläums
den Büchermarkt überschwemmten, leichtes Spiel; sie
konnten sich der Aufgabe gänzlich überhoben
(enthoben)
halten, auf die alten
Anklagen der „Päpstler“ bezüglich Luthers
Lebensende einzugehen. Aber konstatieren
(feststellen)
wollen wir doch ausdrücklich, dass auch sie keine
Neigung hatten, Material gegen Bozius und Genossen oder
richtiger gegen Luthers Diener
vorzubringen.
Diesem sind sie ALLE aus dem Wege
gegangen – inklusive
Köstlin.1
1
Um einen Beweis zu geben, mit
welcher „Gründlichkeit“ und „Unparteilichkeit“ Julius
Köstlin (Theologe,
Kirchenhistoriker, Mitbegründer des „Vereins für
Reformationsgeschichte")
gearbeitet hat, sei nur erwähnt dass er in seiner gegen
Johannes Janssen
(katholischer Priester und Historiker)
gerichteten Broschüre „Luther und
Janssen, der deutsche Reformator und ein ultramontaner
(= streng päpstlich gesinnter)
Historiker“, Halle 1883, am
Schlusse sagt: „Darüber, was Luther (kurz vor seinem
Tode) geredet, haben wir noch Aufzeichnungen, welche ü b
e r h a u p t über seine letzten Stunden gleich nachher
gemacht worden sind, (nämlich die „Historia“), deren
Glaubwürdigkeit noch niemand anzuzweifeln
vermochte.“ – Mit einer solchen Behauptung wagt sich an
die Öffentlichkeit ein Lehrer an einer deutschen
Hochschule im Jahre 1883 !
Die Gemütsstimmung Luthers gegen Ende seines Lebens.
Wer sich einen annähernden Begriff machen will von der
traurigen Lage, in welcher das neue „Evangelium“ selbst
im lutherischen Kirchenstaate, in Kursachsen, im
Todesjahr Luthers sich befand, der muss die Vorrede
lesen, mit welcher der Prediger Creutziger die von
seinem Meister 1544 gehaltene Predigt zur Einweihung der
neuen Schlosskirche zu Torgau in der Wittenberger
Ausgabe von Luthers Werken von 1561 (Band VII, fol. 566
ff.) einleitet.
Creutziger sagt dort – und diese seine am 1. Oktober
1546 niedergeschriebenen Worte beschlossen damals die
erste Gesamtausgabe von Luthers Werken:
„Wol
(Wohl) denen / HERR / die
in deinem Hause wonen
(wohnen) / Die loben dich
jemerdar (immerdar) / Spricht der 84.
Psalm. Dieser schöner trost
(Trost)
ist zu dieser letzten betrübten
und gantz (ganz)
schweren zeit
/ allen Christen hoch von nöten zu fassen
(höchst wichtig zu
bewahren) / wider
so grosse fahr
(Gefahr)
/ trübsal / angst und not / so die Kirche Gottes teglich
(täglich)
leidet ond dere (und derer) sie noch grösser
(größeres) ond
(und noch)
mehr gewarten mus
(ertragen muss)
/ in grossen scheuslichen zerrüttungen / ond
fast endlichem untergang
der Regiment (Herrschaft) / ond
(und)
friedlichen stands
(Standes) auff erden
/ Welche einen
(einem)
Christen keinen andern
anblick
oder ansehen geben / denn als
müsse das obrige heuflin
(Häuflein)
der Kirchen / zuvor ond
(und) ehe
der Welt ende
kömpt
(kommt)
/ auch gar zu grund
(zugrunde)
gehen / und in kurtzem
(bald) nirgend(wo)
nichts mehr davon
bleiben werde.
Denn wir sehen jtzt
(jetzt)
ja greifflich gnug
(greifbar)
/ wie (z.B.) des leidigen Teuffels
grimmiger zorn / wüten und toben / so gar
grewlicher weise
(gräulicherweise)
oberhand nimpt (überhand
nimmt) / welches er durch
die böse Welt treibet
(treibt) ond obet
(und ausübt)
/ die reine Lere
(Lehre) göttliches Worts /
ond (und)
das Heuflin
(Häuflein)
/ so dasselbe lernet / leret ond
bekennet (lehrt und
bekennt) / gantz
(ganz)
ond endlich zu tilgen / Ond
(und)
gehen zugleich starck ond mechtig
(stark und mächtig)
an
/
schreckliche straffen
(Strafen) ober
(über)
die hoch ond gros obermachte
(die hohe und grosse Obermacht)
/ ond nu
(und nun)
gantz
(ganz)
eingewurtzelte ond verhartete
(verhärtete)
verachtung / ond ondanckbarkeit
(und Undankbarkeit)
/ des grossen Hauffens / fur
(für)
das selige Liecht
(Licht)
des Evangelij
(Evangeliums)
/ ond
(und) so grosse wolthat
(Wohltat)
/ so ons
(uns)
Gott mit demselbigen zu dieser
onser (unserer)
zeit gegeben hat.
Zu dem / so sind auch bey
(bei)
den wenigen / die noch Gottes wort
mit ernst meinen / lieben / ehren /
ond in seinem gutem hertzen
(Herzen) behalten - wie
Christus spricht / so gar grosse
schwachheit ond gebrechlichlkeit
/ die sie bey
(bei)
jenen selb fülen
(selbst fühlen)
/ ond an andern
sehen / Ond ist nichts auff
(auf)
menschenschutz / rettung / oder trewen
(treuen)
und festen
beystand
(Beistand) /
ond (und)
zusamen haltung
(Zusammenhalt)
gewis
(gewiss) zu setzen.“
Luther hatte einst geglaubt, dass
er noch bei seinen Lebzeiten das ganze Papsttum
vernichten und sein „Evangelium“ an dessen Stelle setzen
würde. Dafür musste er, je älter er wurde, desto mehr
die Überzeugung gewinnen, dass seine Sache von Jahr zu
Jahr rückwärts, die des Papsttums, das im Konzil von
Trient wieder seine ganze Macht entfaltete, vorwärts
schritt. Dem dogmatischen Gezänke
der lutherischen Theologen, von
denen auch nicht drei zusammen ein wirklich
einheitliches Glaubensbekenntnis anstelle des Symbolums
(Bekenntnis)
der alten Una sancta
(einzige heilige Kirche)
aufzusetzen vermochten, entsprach
der moralische Rückgang der Bekenner des neuen Glaubens.
Zügellosigkeit im sittlichen, Revolution im politischen
Leben drohten nicht allein die neue „Kirche“, sondern
auch das deutsche Vaterland an den Rand des Abgrunds zu
bringen. Und hatte Luther noch einen Funken deutschen
Gefühls in sich, so musste er sich sagen, dass er durch
den von ihm hervorgerufenen Dualismus*
das vorher einige und mächtige
Vaterland von innen zerrüttet, nach außen durch
Begünstigung der Franzosen und Türken geschwächt hatte.
*
philosophisch-religiöse Lehre von der Existenz zweier
Grundprinzipien des Seins, die sich ergänzen oder sich
feindlich gegenüberstehen (z. B. Gott – Welt; Leib –
Seele)
Als einst bei Tische „von dem
Spruche Jeremiae (Jeremias),
da der Prophet den Tag verfluchet, an dem er geboren
ward (wurde)“,
geredet und Luther gefragt wurde, ob nicht solche Worte
Sünde wären, antwortete er, es sei „ein recht
Murmeln des Jeremiae.“
Man müsse Gott bisweilen
mit
solchen Worten „aufwecken“.
Dann fuhr er fort:
„Es verdreust
(verdrießt)
einen, wenns
einer so hertzlich gut gemeint
und es gehet doch nicht von statten.
Also lasse ich auch die gedanken
nimermehr fa(h)ren nemlich
(nämlich), das
(dass)
ich wündsche
(wünsche),
und wolt (wollte),
Das (dass)
ich diese Sache nie nicht angefangen hette
(hätte).
Item
(ebenso)
ich wolt lieber tod sein, denn
das (als dass) ich die verachtung Gottes Worts und seiner trewen
(treuen)
Diener sehen sol1.“
1
Tischreden, Eisleben 1569, fol.
185.
Das ist die bündigste
Verurteilung
der „Reformation“ durch den „Reformator“!
Zu dieser allgemeinen trostlosen
Situation kam noch die überaus traurige Lage, in welcher
Luther zuletzt persönlich hineingeriet. Wo er nur
hinsah, da nahten ihm Ärger und Verdrießlichkeiten.
Zunächst im eigenen Hause. Er, der
stolz Papst und Kaiser getrotzt hatte, geriet bald unter
die schimpfliche Herrschaft
seiner „Räte“, die er, um nicht zum Schaden
noch den Spott anderer einzuernten,
scherzhaft seinen „Herrn“ nannte.
Seine Kinder wuchsen heran und machten ihm Sorgen – umso
mehr, als sie auch nach dem damaligen weltlichen Gesetz
gleich seinem „Ehebunde“ als rechtmäßig nicht betrachtet
und nur durch gewaltsame Beugung des bestehenden Rechts
legitimiert werden konnten.
Weitaus die Mehrzahl der Fürsten
und Adeligen, vor denen er nicht aufhörte, in niedriger
Weise zu kriechen, verachtete ihn, nachdem er seine
Schuldigkeit getan und durch das „Wort Gottes“ ihren
Kirchen- und Klosterraub saniert hatte. Viele Juristen
ließen sich selbst durch die grässlichsten Flüche und
abscheulichsten Sudeleien,
die er gegen sie ausstieß, seine Kinder zu legitimieren
oder ihn in weltlichen Dingen mitreden zu lassen, und
fanden hierbei die Unterstützung selbst mancher
protestantischen Fürsten. Der demokratische Stadt-Pöbel,
der ihn einst gleich den revolutionären Bauern auf den
Schild erhoben, die enttäuschte unterste Volkshefe
(Abschaum),
die er durch zwei Jahrzehnte mit Kot gemästet, wurde
dieser Nahrung endlich satt und fing seiner und seiner
„Familie“ zu spotten an. Einzelne von denjenigen, welche
früher an das Wittenberger Augustiner-Kloster Abgaben zu
entrichten hatten, jetzt aber an den alleinigen Bewohner
desselben zahlen sollten, blieben unter Berufung auf das
„Wort Gottes“ mit ihren Leistungen aus, so dass sich
bisweilen auch noch materielle Sorgen bei dem
„Reformator“ einstellten.
So kam es denn, dass er „im Juli 1545“ – um mit
Neudecker1
zu reden – „Wittenberg verlassen, aus Argwohn gegen
Melanchthon, aus Unwillen über die Verdrießlichkeiten,
die er dort erleben musste, wie aus Unwillen über das
ärgerliche Leben, das unter den Wittenberger Frauen sich
gebildet hatte.
1
Die handschriftliche Geschichte Matthäus Ratzebergers
über Luther und seine Zeit, von Dr. Christian Gotthold
Neudecker. Jena 1850.
Er hatte beschlossen, nach
Wittenberg gar nicht wieder zurückzukehren, ja er
hatte selbst seiner Frau (die er trostlos verlassen)
geschrieben, sie möge Garten, Haus und Hof verkaufen,
sich auf das ihm gehörige Landgut Zeulsdorf zurückziehen
und das Wittenbergische Sodom meiden; nach seinem Tode
würden seine Feinde sie doch nicht länger dulden; er
könne des Zornes und der Unlust nicht länger leiden und
wolle lieber und wolle lieber das Bettelbrot essen, als
seine letzten Tage mit dem unordentlichen Wesen in
Wittenberg martern
und beunruhigen mit Verlust seiner
sauren teuren Arbeit.“
Schon im Jahre 1539 hatte er einmal geäußert, er möchte
„einen Henker mieten“, der ihm „den Kopf abschlüge.“
(Tischreden I. c. 450 b.)
Die Klage, dass er der Welt und
die Welt seiner satt sei, wurde von ihm in den letzten
Lebensjahren noch öfters ausgesprochen. Seine beiden
Hausdiener, sagte er einmal bei Tische, sein Famulus
(Diener)
und seine Köchin hätten es viel
besser, als er und seine Räte. „Denn der Ehestand bringt
mit sich seine Beschwerung und das heilige Kreuz;“ „aber
niemand,“ fuhr der enttäuschte „Ehemann“ fort, lässt
sich an seinem Stande genügen (niemand begnügt sich mit
seinem Stand). Wenn dem Esel zu wohl ist, so gehet er
aufs Eis gumpen (springen)
und bricht
(sich)
ein Bein.“ (Tischreden, Eisleben
1569, Blatt 431 b.)
Er hatte ja eben schon „Weib“ und Kind verlassen gehabt
und nur den eindringlichen Vorstellungen der Universität
– insbesondere Melanchthons, der sein Leben mit seinen
Schafen nun auch nicht länger teilen wollte – sowie des
Kurfürsten, der ihm seinen Leibarzt Ratzeberger in das
Exil nachsandte, war es gelungen, ihn wieder nach
Wittenberg zurückzubringen.
Ja nach der Leichenrede, welche Bugenhagen am 22.
Februar in Wittenberg gehalten, hätte der „Mann Gottes“
im Jahre vor seinem Tode sich sogar mehrmals von den
Seinigen entfernt.
„Es sind auch vorgehende
Anzeigungen (Anzeichen)
gewesen,“ sagte der
Prediger, „dass unser lieber Vater, Doctor Martinus
(Doktor Martin),
in ein besser
Leben wandern würde, denn dies
ganze Jahr durch hat er oft zu uns gesagt, er begehre an
einen andern Ort zu ziehen; ist auch ofter
(öfter)
in diesem Jahre vor seinem Tode
ausgezogen, denn
zuvor in vielen Jahren: nehmlich
(nämlich) in sein Vaterland
gen
(gegen)
Mansfeld, zum Bischofe gen Zeiz
(nach Zeitz),
gen Merseberg, gen Halle.“
Des weiteren verrät uns Bugenhagen, dass Luther in den
letzten Monaten seines Lebens oft zu ihm gesagt, er
wünsche bald „aus diesem Jammerthale“ zu scheiden; er
könne „nichts mehr thun auf Erden“, er sei „nichts mehr
nütze“, man solle nicht beten, dass er noch länger lebe.
Schon vor dem Jahre 1530 hatte Luther „prophezeit“:
„Lasst
uns das Evangelium noch zwei Jahre treiben
(betreiben), so solt (sollst, kannst) du wohl sehen, wo
Pabst
(Papst),
Bischove
(Bischof),
Pfaff
(Pfarrer),
Münch
(Mönch),
Nonne, Mess
(Messe),
Kutten
(Mönchskleidung),
Kappen
(Kapuzen),
Platten
(Glatzköpfe)
und das ganze Gewürm und Geschwürm
(Geschwüre)
Päpstlichs Regiments bleibe1.“
1
Tom. 2 jen. germ. fol. 69 a.
Immer von Neuem waren „zwei Jahre“ vergangen; aber immer
kräftiger wurde das Papsttum, immer schwächer das
Luthertum, und in seinen letzten Lebensstunden gestand
Luther dem Coelius, wie uns dieser wieder in der
Leichenrede verraten hat:
„Wenn
mich der Papst oder meine Widersacher in ihre Hände
bekämen und mir vieles
Leides anthun
(antun) wollten, so bin ich
zu schwach, ich stürbe ihnen bald in ihren Händen.“
Er begnügte sich denn schließlich mit der Prophezeiung,
dass er durch seinen Tod den Papst töten würde:
„Pestis eram vivens, moriens ero mors tua, Papa !“1
Papst, da ich lebte, da war ich deine Pestilenz, als Sterbender
werde ich dein Tod sein.1
1
Die „Prophezeiung“ ist in die „Historia“
(Historie)
nicht aufgenommen. Nach
Jonas' Leichenrede hat sie wie oben gelautet, nach
Bugenhagen's:
„Pestis veram vivus, mortuus tua mors ero, Papa !“
Ich war als Lebender die Pest, als Toter werde ich dein Tod sein.
Vergleiche oben die Version Ratzebergers. Über die
„Prophezeiung“, dass das Papsttum in zwei Jahren
zugrunde gerichtet sein würde, bemerkt Bozius in seinem
(1592 im Druck erschienen) ersten Bande
„De signis Ecclesiae“,
„Über die Zeichen der
Kirche“.
„Anni, ex quo id est vaticinatus homo vanissimus,
quinquaginta praeterierunt et tantum abest, ut Papae
nomen sit deletum, ut potius eius potestas magis sit
intra hoc spacium temporis amplificata, quam mille et
quingentis annis, quibus Lutherus non fuit. Ad extremos
enim terminos orbis pervenit, intimos Indos pervenit,
Antipodas pervasit.“
„Seitdem, gemeint ist der prophezeite Windbeutel
*,
sind 50 Jahre vergangen und er ist weit davon entfernt,
dass der Name des Papstes ausgelöscht worden
sei, als wie dessen Macht
innerhalb dieses Zeitraums eher mehr
erweitert worden sei, als wie in
1500 Jahren (zuvor), in welchen Luther nicht da gewesen
ist. Denn er (der Papst) ist bis zu
den äußersten Grenzen der Welt gelangt,
ist zu den - dem fernsten Rand
- Indios gekommen und hat
die Antipoden-Menschen auf der anderen Seite der Welt
erreicht.“
*
= homo vanissimus = oberflächlicher, leichtlebiger,
fruchtloser, unzuverlässiger Mensch - so bezeichnete
Luther den Papst in seinem lateinischen Brief, heute
würde man den Begriff Luftikus verwenden, oder aus
jemanden kommt nur heiße Luft raus, um das lateinische
Wort vanus (= inhaltlos, nichtig, eitel, lügenhaft,
falsch) mit dessen Steigerung vanissimus (= vollkommen
falsch) zu verwenden.
Diese fortlaufenden
Enttäuschungen, die er erlebte, mussten die Zweifel, die
schon früher öfters in ihm aufgestiegen waren, ob er
nämlich auf dem richtigen Wege sei und Millionen Seelen
wirklich zum Heile geführt habe, in seinem Innern
stündlich lebhafter sich entwickeln lassen; der
wiederholte Bruch der feierlichen Gelöbnisse, die er als
Priester, als Mönch und als Doktor der Theologie
geleistet, die Erkenntnis, dass er einen Bau zertrümmern
wollte, der 1500 Jahre – also sicherlich nicht ohne den
Schutz der göttlichen Vorsehung – auf Erden bestanden
hatte, ohne etwas besseres an seine Stelle setzen zu
können; die kirchlichen, politischen und sozialen
Wirren, welche seine Lehre unter Hunderttausenden
hervorgerufen, mussten zuletzt die fürchterlichsten
Gewissensqualen in ihm aufwühlen, die er vergebens durch
„Fressen und Saufen“, vergebens an den Zöpfen seiner
„Bora“, vergebens im Kreise seiner Kinder, die alle nur
schreckende (erschrockene) Zeugen
seines tiefen Falles waren, zu ersticken suchte.
Bei einem solchen psychischen Zustande war eine
ungeheure moralische Kraft erforderlich, um sich aus dem
tiefen Sumpfe wieder heraus zu retten. Aber diese Kraft
besaß der „Reformator“ nicht und zwar infolge – wenn wir
von mystischen Ursachen absehen wollen – seiner
unchristlichen und unsinnigen Theorie von der
Rechtfertigung des Menschen.
Diese Theorie, sein Phantom von der
Stellung des freien oder vielmehr unfreien
Menschenwillens zum Guten und zum Bösen, artete zuletzt
bis zu dem Grade aus, dass er den Teufel für
mächtiger hielt, als den allmächtigen Gott.
„Betet für unsern Herrn Gott
und sein Evangelium, daß es ihm wohlgehe; denn das
Concilium zu Trient (Konzil
von Trient) und der leidige
Papst zürnen hart mit ihm (wüten, sind zornig auf ihn,
aufgebracht und hassen ihn)“ – sagte er gegen Ende
seines Lebens nach der hier unverdächtigen Quelle der „Historia“
(Historie
1).
1
In Karl Friedrich Beckers Weltgeschichte, herausgegeben
von Johann Wilhelm Loebell (1837, VII. S. 287), ist das
Wörtchen „für“ in „zu“ gefälscht – ein Beweis, dass der
Fälscher Luthers Theologie und Seelenzustand gar nicht
kannte.
Das „Orate pro deo“ (Betet für
Gott) kam übrigens den Freunden der „Reformation“ von
Anfang an so ungeheuerlich vor, dass schon Johannes
Sleidan, Diplomat,
Übersetzer und Historiker
(„Commentarii de statu religionis“ 1555,
„Kommentare / Notiz-Berichte über den Zustand / die Lage
der Religion“) daraus ein „Orate
deum“ (Betet zu Gott) – fälschte.
Hatte er doch schon zu Genesis 28, 12 – 14 bemerkt:
„Darumb
(darum) ist beides
wahr, wenn ich sage: Die höchste Gottheit ist die
unterst (unterste) Kreatur und ist
aller Menschen Knecht
worden, ja sie ist dem Teufel selbst unterworfen
worden
2.“
2
Altenb. Ausg, Tom. IX. fol. 871 a.
So fühlte er auch sich selbst immer mehr dem Teufel
unterworfen.
Schon in seiner 1533 verfassten
Schrift über die „Winckelmesse“
(Winkelmesse)
(vergleiche oben das Zitat
daraus S. 19) erklärt er, dass er vom Teufel nicht nur
im Disputieren (Streitgespräch)
überwunden worden sei, sondern
dass er es „da wol erfaren“
(wolle erfahren)
habe, wie es zugehe, dass man nach einer heftigen
Disputation (Streit)
mit dem Teufel „des morgens die
Leute im bette tod (im Bett
tot) findet“.
Der Teufel könne, so fuhr er fort,
„den Leib erwürgen“, er könne „aber auch der Seelen so
bange
machen mit Disputirn, das
(dass) sie ausfahren mus in
einem augenblick, wie er's
mir's gar offt fast nahe gebracht hat.“
Unter diesen Umständen konnte es
nicht Wunder nehmen, dass
seine Freunde, von denen kaum einer an eine solche Macht
des Teufels glaubte, befürchteten, er könne einmal
sich selbst ein Leid zufügen, und dass sie deshalb
in den letzten Jahren seines Lebens einen besonder(e)n
Bedienten bei ihm anstellten, „der dißfalls
(für diesen Fall)
auff ihn Hutt haben
(Obhut haben)
sollen.“1
1
Johann Kraus, Der
wunderbare wunderthätige
und wundersame Luther, Prag
1716, S. 74.
Dies wurde insbesondere dann notwendig, als Luther ganz
offen erklärte, dass er oft von Selbstmordgedanken
befallen sei.
Als einst (im Jahr 1541) bei Tisch der Pfarrer von Guben
erzählte, er sei oft, wenn er ein Messer in die Hand
genommen, vom Teufel versucht worden, sich zu erstechen,
oder wenn er Zwirnsfäden gesehen, diese zu sammeln und
zu einem Stricke zusammenzudrehen, um sich damit zu
erhängen – erwiderte der „Reformator“:
„Das
ist mir auch offt begegnet,
das (dass),
wenn ich ein Messer habe in die Hand genomen,
so sind mir dergleichen böse gedancken
(Gedanken)
eingefallen.“
(Tischreden, Eisleben 1569, Bl. 277 a.).2
2
Von seinen unsinnigen Kasteiungen
(von lat. castigatio,
‚Züchtigung': freiwillige Entbehrungen und Leiden um
eines höheren Gutes willen)
im Kloster gestand er später, dass
sie „nichts Anderes als Selbstmord“ gewesen. (Janssen,
II, S. 71.) Vielleicht wäre er diesem schon damals
erlegen, wenn nicht die Ordensbrüder seine Klosterzelle,
in die er sich verschlossen, erbrochen
(aufgebrochen)
und ihn unter Beaufsichtigung
gestellt hätten.
In solcher Gemütsverfassung kam nun Luther 1546 nach
Eisleben, in die Stadt, in welcher er geboren und in der
er das heilige Sakrament der Taufe empfangen hatte.
Dass hier sein ganzer stürmischer Lebenslauf peinigend
an seinem im ermatteten Körper bereits schwach
gewordenen Geiste vorüberzog, dass die Gewissensbisse,
die er in den letzten Jahren erlitten, hier doppelt
folternd für ihn werden mussten, lag in der Natur der
Verhältnisse.
Zum Unglück schlug auch noch das Einigungswerk fehl, das
er in Eisleben erzielen wollte, obgleich er auch dort
sich nicht gescheut hatte, zur Intrige zu greifen und
einen Juristen, der anderer Meinung war, als er, aus dem
Rate der Grafen zu entfernen.1
1
Ratzeberger, a. a. O. S. 135.
Diesen Moment schien der Feind des Menschengeschlechts
für geeignet gehalten zu haben, um Luther zur
Verzweiflung zu bringen.
Er erschien ihm über dem
Röhrbrunnen
(Brunnen-Kasten),
sperrte den Mund gegen ihn auf und spottete seiner, dass
ihm, sowie ihm seine Hauptaktionim
Leben misslungen, auch noch dieses sein vermutlich
letztes Werk in seiner Vaterstadt missraten sei.
Luther sprach zwar zu Coelius noch
die Hoffnung aus, dass „Gott noch stärker sein würd',
als der Satan“; aber er sagte das bereits „mit Trähnen“,
bis er zuletzt geradezu in die Blasphemie
(Gotteslästerung)
ausbrach, man solle für Gott
zum Teufel beten.
Da es ihm so völlig an Gottvertrauen fehlte, hatte der
Feind leichtes Spiel und es ist somit auch aus innern
Gründen wahrscheinlich, dass der Mann, der einst
„den Papst an den Schlüsseln erhencken“2
wollte, so geendigt hat, wie es von seinem
Famulus
(Diener) erzählt wurde und wie es als
glaubhaft von den hervorragendsten Theologen und
Historikern des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts
der Nachwelt überliefert ist.
2
Tischreden in
Anton
Lauterbach's
lateinischem
Tagebuch, Dresden 1872, S. 30,
Martin Luthers Schüler Lauterbach gehörte zum Kreis
seiner Tischgenossen und Vertrauten.
Schlusswort
Wenn auch hervorrragende
Theologen, wie die Kardinäle
Robert
Bellarmin und
Stanislaus
Hosius
(Bischof von Kulm und von Ermland,
Kardinal und päpstlicher Legat in Polen, sein Name
bedeutet im Slawischen: der im Lager Berühmte),
sowie andere mit und nach ihnen der Meinung waren, dass
Luther seine Seele „diabolo reddidit“
(dem Teufel aushändigte), so ist damit
natürlich noch kein Verdammngsurteil seitens der
Kirche ausgesprochen – selbst dann nicht, wenn die
von Bozius, Sedulius und andern öffentlich kundgegebene
Nachricht auf Wahrheit beruht.
Die Kirche verdammt Niemanden,
auch nicht die im Banne Stehenden, sondern überlässt das
Gericht hierüber Dem, dem es alleine zukommt dem allgerechten Gott.
Und wenn die Kirche niemanden
verdammt, so darf es schon längst
kein
Historiker tun.
Dieser hat überhaupt nicht zu untersuchen, was aus einer
Seele nach ihrem Hinscheiden geworden ist; aber was sie
auf Erden getan, ja wie sie aus dieser
Welt geschieden – das zu untersuchen, ist Sache
der historischen Kritik.
Jedermann wird uns das Zeugnis
geben müssen,
dass wir in unserm konkreten Falle diese Kritik
möglichst objektiv
und unter absoluter
Fernhaltung
einer auf die Volksmassen
berechneten Tendenz
geübt haben.
Aber wir halten es an der Zeit,
unsern unruhigen Gegnern zu eröffnen, dass, wenn sie ihr
konfessionelles
Gehetze gegen den katholischen Glauben und gegen die
kirchenpolitischen Rechte, welche sich die deutschen
Katholiken nach den schwersten Opfern endlich wieder
zurückerobert haben, nicht einstellen, man leicht
versucht sein könnte, einmal Repressalien
zu üben und dem staunenden Volke
einmal ein ganz naturgetreues Lutherbild vor
Augen zu führen, wie es von katholischer Seite infolge
von – vielleicht übertriebener – Rücksichtnahme auf
protestantische Zeitgenossen seit 200 Jahren nicht mehr
geboten worden ist.
Der letzte, in konfessioneller Hinsicht so überaus
versöhnlich gehaltene gemeinsame Hirtenbrief unserer
hochwürdigsten Bischöfe ist von protestantischen
Versammlungen in Erfurt, Eisenach, Breslau usw. in
wahrhaft empörender Weise behandelt worden und zwar von
Leuten, welche angeblich die kirchliche „Freiheit“ auf
ihre Fahne geschrieben haben !
Ne quid nimis !
(Nichts war zu viel, übertreibe
nichts, d.h. man muss keine Sache übertreiben,
Weisheitsspruch des Griechen Cheilon).
Wir unsererseits akzeptieren das
Freiheits-Prinzip. In freier wissenschaftlicher
Konkurrenz wollen wir allen andern „Kirchen“
gegenüberstehen; denn eine Kirche die bei echter
Freiheit nicht in sich selbst zu bestehen vermag, kann
nicht die Kirche Gottes sein.
Aber unsere Gegner wollen weder für uns, noch für
sich selbst Freiheit haben, denn in beiden
Fällen ist die Freiheit ihr Untergang.
Wir sind aber noch am Leben
und werden die freigeborne Gottesanstalt
auch fernerhin
zu verteidigen wissen !
Anhang
(Seite 56 bis
100)
Inhalt
Wortlaut der „Historia“.
Vom christlichen
Abschied des ehrwürdigen
Herrn Dr.
Martini Lutheri.
Phil. 1. V. 21.
(Philipper 1,
Vers 21)
Christus ist
mein Leben und Sterben mein Gewinn.
Am 23. Tag'
Januarii ist aus Erforderung der edelen und
wohlgeborenen Grafen und Herren zu Mansfeld der
ehrwürdige Herr Doctor Martinus Luther von Wittenberg
ausgezogen, und die erste Nacht zu Bitterfeld gelegen.
Und ist aber die
Erforderung Herrn Doctoris Martini von wohlgedachten
Grafen aus der Ursachen geschehen, dass sich zwischen
Ihren Gnaden viel und große Irrungen und Gebrechen
etzliche Zeit her erhalten, daraus der Herrschaft
Mansfeld allerley Weiterung zu befahren gewesen.
Derhalben die Grafen semptlich Herrn Doctorem Martinum,
als der aus Ihrer Gnaden Herrschaft, nehmlich von
Eisleben, bürtig, gebeten, sich mit der Unterhandlung zu
beladen, und zu fleißigen, so viel möglich, die Sachen
zu vertragen und zu vergleichen. Wiewohl aber Herr
Doctor Martinus sich in solche weltliche Händel
einzulassen nicht gepflegt, sondern seines Berufs je und
allwegen mit Predigen, Lesen, Schreiben und Anderm, wie
männiglich bewußt, höchsten Fleißes gewartet, so hat er
doch, seines Vaterlandes halben, damit dasselbige zu
Einigkeit gebracht, Weiterung vorkommen, und die Grafen
mit einander freundlich möchten versühnet und vertragen
werden, diese Reise nicht weigern noch abschlagen
wollen, ob es ihm wohl solcher Zeit zu reisen, und sich
mit diesen Dingen zu beladen, ganz ungelegen, auch
beschwerlich und wider seinem Gebrauch gewesen. Ist
derwegen den Tag, wie ob stehet, von Wittenberg in dem
Namen des Allmächtigen nach Eisleben gereiset.
Am 23. Tag des
Jänners ist auf Forderung der edlen und wohlgeborenen
Grafen und Herren zu Mansfeld der ehrwürdige Herr Doktor
Martin Luther von Wittenberg aus weggezogen, und war die
erste Nacht in Bitterfeld (zwischen Halle und
Wittenberg / Sachsen Anhalt).
Die Bestellung
des Herrn Doktor Martin ist von den klugen Grafen aber
aus folgenden Gründen geschehen, nämlich weil sich
zwischen Ihren gnädigen Herrschaften untereinander viele
und große Uneinigkeiten und Missstände etliche Zeit lang
gehalten haben, woraus für die Herrschaften Mansfelds
allerlei unerwünschte Auswirkungen / unangenehme Folgen
auszustehen / zu befürchten waren. Deshalb haben die
Grafen sämtliches Herrn Doktor Martin - als der aus
Ihrem gnädigen Herrschaftsbereich, nämlich aus Eisleben,
kommende und auch gebürtige - übertragen und ihn
gebeten, eine Unterhandlung aufzunehmen und sich zu
bemühen, so viel wie ihm möglich sei, die
Angelegenheiten vertraglich zu schlichten und zu
vergleichen. Obwohl aber Herr Doktor Martin, sich in
solche weltlichen Geschäfte einzulassen, es nicht
gewohnt war, sondern seines Berufes wegen von jeher und
immer mit Predigen, Lesen, Schreiben und anderem - wie
jedermann weiß - mit höchstem Fleiß große Sorgfalt
aufgewendet hat, so hat er doch seines Vaterlandes
wegen, damit dasselbige zu Einigkeit gebracht werden
kann, falls unerwünschte Auswirkungen vorkommen sollten
und damit die Grafen miteinander freundlich versöhnt und
vertragen werden mögen, diese Reise weder verweigern
noch abschlagen wollen, obwohl es ihm zu solcher Zeit zu
reisen und sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen
ganz ungelegen kam, aber auch mühsam und entgegen seiner
Gewohnheit gewesen war.
Deswegen ist er
an dem Tag, wie es oben steht, im Namen des Allmächtigen
von Wittenberg nach Eisleben abgereist.
Den 24. Tag
Januarii ist er um eilf Uhr Vormittag zu Hall'
einkommen, und bey Doctor Jonas zu Herberg gelegen.
Den 25., 26. und
27. Januarii ist er zu Hall' geblieben, verhindert
durchs Wasser; und hat den 26. Tag, welcher war der
Dienstag nach Conversionis Pauli
(Bekehrung des Apostels Paulus am 25. Jänner),
allda in unser lieben Frauen Kirchen gepredigt aus den
Actis Apostolorum
(Apostelgeschichte) von Pauli Bekehrung.
Auf den
Donnerstag, welcher war der 28. Januarii, ist er von
Hall' aus, sammt seinen drei Söhnen und Doctor Jonas,
wahrlich mit etwas Gefahr, auf'm Kahn über das Wasser
gefahren, daß er auch selbst sprach zu Doctor Jonas:
„Lieber
Doctor Jonas, wär' das dem Teufel nicht ein fein
Wohlgefallen, wenn ich, Doctor Martinus, mit dreien
Söhnen und euch, in dem Wasser ersöff ?“ und folgends
nach Eisleben gereiset.
Und nachdem er
auf der Gränz mit hundert und dreizehn Pferden
angenommen vor Eisleben kam, wurd' er fast schwach im
Wagen, also, daß man sich auch seines Lebens befahret.
Doch als man ihn in der Herberge mit warmen Tüchern
gerieben, aß und trank er den Abend und war zufrieden,
klagt' sich nicht mehr.
Aber zuvor auf
dem Wagen, wie ihn die Krankheit anstieß, sagt' er:
„Das
thut mir der Teufel allweg, wenn ich etwas Großes vorhab
und ausrichten soll, daß er mich zuvor also versucht und
mit einer solchen Tentation
(Versuchung zum Bösen) angreift.“
Von dem 29. Tag
Januarii an bis auf den 17. Tag Februarii inclusive ist
er zu Eisleben gewesen in der Handlung*), und [hat]
neben der Handlung vier Predigten gethan;
einmahl
offentlichen vom Priester, so an dem Altar die Kommunion
gehalten, die Absolution empfangen und zwier **)
communicirt; und bey der andern Communion, nehmlich
Sonntags am Tag Valentini, hat er zween Priester nach
Apostolischem Brauch selbst ordiniert und geweihet.
*)
Verhandlung. **) zweimal.
Am 24. Tag des
Januar ist er um elf Uhr vormittags in Halle angekommen
und hat bei Doktor Jonas eine Herberge (gastliche
Aufnahme) erhalten.
Den 25., 26. und
27. Jänner ist er zu Halle geblieben, weil er durch das
Wasser verhindert war (die Saale führte Hochwasser);
und er hat am 26. Tag, welcher der Dienstag nach
Conversionis Pauli (der Bekehrung des Apostels Paulus,
wird heute am 25. Januar gefeiert) war, daselbst
in der Kirche unserer lieben Frau (Maria) aus den Actis
Apostolorum (aus der Apostelgeschichte) von der
Bekehrung des Paulus gepredigt.
Am Donnerstag,
welcher der 28. Januar war, ist er von Halle aus samt
seinen drei Söhnen und Doktor Jonas - wahrlich mit etwas
Gefahr verbunden - auf dem Kahn über das Wasser
gefahren, sodass er selbst zu Doktor Jonas auch sprach:
„Lieber
Doktor Jonas, wäre das dem Teufel nicht ein feines
Wohlgefallen, wenn ich - Doktor Martin - mit meinen drei
Söhnen und euch, in dem Wasser ersöffe ?“ und folglich
darauf ist er nach Eisleben gereist.
Und nachdem er
an der Grenze - mit 113 Pferden empfangen - vor Eisleben
ankam, wurde er fast schwach im Wagen (=
Schwächeanfall), sodass man daher auch um sein Leben
fürchtete. Doch nachdem man ihn in der Herberge mit
warmen Tüchern gerieben hat, aß und trank er am Abend
und war zufrieden und beklagte sich nicht mehr.
Aber zuvor auf
dem Wagen, als ihn die Krankheit angeschlagen hat, sagte
er:
„Das
macht der Teufel mit mir immer, wenn ich etwas Großes
vorhabe und etwas ausrichten soll, so dass er mich daher
zuvor versucht und mich mit einer solchen Tentation
(Versuchung zum Bösen) angreift.“
Vom 29. Tag des
Jannuar an bis zum 17. Tag des Februar inklusive (=
einschließlich) ist er in Eisleben in der Verhandlung
gewesen, und hat parallel neben der Verhandlung vier
Predigten gehalten; einmal hat er offensichtlich vom
einem Priester, der so am Altar die Kommunionsfeier
gehalten hat, die Absolution
(= Lossprechung
von den Sünden im Sakrament der Buße) empfangen und
zweimal kommuniziert (= die Kommunion zweimal
empfangen); und bei der anderen Kommunion, nämlich
sonntags am Valentins-Tag, hat er nach apostolischem
Brauch selbst zwei Priester ordiniert (= feierlich in
ihr Amt eingesetzt) und geweiht.
Es sind auch von
dem 28. Januarii an bis auf den 17. Februarii gar viel
seiner tröstlicher Rede von ihm gehört, da er oft seines
Alters, und daß er sich daheim, wenn er gen Wittenberg
wieder kommen würde, zur Ruhe legen, gedacht hat; auch
viel wichtiger, tröstlicher Sprüche der Schrift über
Tisch, im Beiseyn der Grafen und unser Andern, die wir
mit ihm zu Tisch saßen, ausgelegt, welche zu seiner Zeit
sollen in einem sonderlichen *) Verzeichniß ausgehen.
Und sonderlich
alle Abend, die ein und zwanzig
(21) Tage durch, ist er aus der großen Stuben vom
Tisch in sein Stüblein gangen um 8 Uhr, oder oft dafür
**);
auch die Abend'
alle eine gute Weil im Fenster gestanden, und sein Gebet
zu Gott so ernstlich und so emsig gethan, daß wir,
Doctor Jonas, Magister Celius, Ambrosius, sein Diener,
Johannes Aurifaber Vinariensis
(von Weimar), (nachdem wir still waren) oft
etlich Wort gehöret, uns verwundert; darnach hat er sich
aus dem Fenster umgewandt, fröhlich als hätte er aber
***) eine Last abgelegt, und gemeiniglich noch eine
halbe Viertelstunde mit uns geredt, alsdann zu Bett
gangen.
Auf den Mittwochen aber, den 17. Februarii, haben die
Herren und Grafen, U.G.H.
(unseren gnädigen Herrn)
selb gebeten, und wir alle: er wollt vor Mittag nicht in
die großen Stuben zu der Verhandlung gehen, sondern
ruhen. Da hat er in seinem Stüblein auf einem ledern
Bettlein gelegen, auch im Stüblein umgangen und gebetet;
nichts desto weniger aber, Abends und Morgens daniden
****) in der großen Stuben auf seinem Stuhl sich an
Tisch gesetzt, und dasselbige Abendmahl zuvor
†),
als er den Morgen
kurz vor drey Uhr seliglich in Gott verschieden ist, hat
er viel wichtige Wort und Rede vom Tod' und künftigen
ewigen Leben geredt; unter andern gesagt:
„Ach
lieber Gott, zwanzig Jahr ist eine geringe Zeit, noch
††)
macht die kleine Zeit die Welt wüst; wenn Mann und Weib
nicht nach Gottes Geschöpf
†††)
und Ordnung zusammen kämen, wie gar ist's eitel Creatio
!
*)
besonderen
**)
früher.
***)
abermals.
****)
unten.
†)
bei dem Abendessen zuvor. ††)
dennoch. †††)
Schöpfung.
Es sind auch vom
28. Januar an bis zum 17. Februar von ihm gar viele
seiner tröstlichen Reden gehört worden, da er oft seines
(hohen) Alters und sich daheim zur Ruhe zu legen
gedacht hat, wenn er wieder nach Wittenberg kommen
würde;
auch viele
wichtige, tröstliche Sprüche aus der Hl. Schrift hat er
über den Tisch hinweg - im Beisein der Grafen und uns
anderen, die wir mit ihm zu Tisch saßen - ausgelegt,
welche zu seiner Zeit in einem besonderen
Buch-Verzeichnis (Tischreden) ausgehen (=
gedruckt werden) sollen.
Und besonders an
jedem Abend, die ganzen 21 Tage hindurch, ist er um 8
Uhr aus der großen Stuben vom Tisch weg in sein Stüblein
gegangen, oder öfters auch davor / früher; er ist auch
jeden Abend eine gute Weile am Fenster gestanden, und
hat sein Gebet zu Gott dermaßen ernsthaft und so emsig
verrichtet, sodass wir, Doktor Jonas, Magister Coelius,
Ambrosius, sein Diener, Johannes Aurifaber von Weimar,
(nachdem wir still waren) oft etliche Worte gehört
haben, die uns verwundert haben; danach hat er sich am
Fenster zu uns umgedreht, fröhlich - als hätte er
abermals eine (schwere) Last abgelegt, und
gewöhnlich mit uns noch eine halbe Viertelstunde
geredet, alsdann ist er zu Bett gegangen.
Am Mittwoch aber, den 17. Februar, haben die Herren und
Grafen, unseren gnädigen Herrn selbst gebeten, und wir
alle: er möge vor Mittag nicht in die große Stube zur
Verhandlung gehen, sondern (besser)
ruhen. Da hat er in seinem Stüblein auf einem ledernen
Bettlein gelegen, ist auch im Stüblein umher gegangen
und hat dabei gebetet; trotzdem aber, hat er sich abends
und morgens in der großen Stube unten / darunter auf
seinen Stuhl zum Tisch hingesetzt, und beim selbem
Abendmahl (tags)
zuvor,
als er morgens
kurz vor drei Uhr früh selig in Gott verschieden ist,
hat er viele wichtige Worte gesprochen und Reden vom Tod
und vom zukünftigen ewigen Leben gehalten; unter anderem
hat er gesagt:
„Ach
lieber Gott, zwanzig Jahre sind eine geringe Zeit,
dennoch macht
bereits eine kleine Zeit die Welt wüst (= öde /
hässlich);
wenn Mann und
Weib nicht nach Gottes Schöpfung und Ordnung
zusammenkämen,
wie gar sehr
wäre das eine leere / vergebliche Creatio (= Schöpfung)
!
Gott sammlet ihm
sein christlich Kirch ein groß Theil aus den kleinen
Kindern.
Denn ich gläube,
wann ein Kind von einem Jahr stirbt, daß allezeit
tausend oder zweitausend jährige Kinder mit ihm sterben.
Aber wenn ich,
Doctor Martinus, drey und sechsziger sterb, so halte ich
nicht, daß ihr'r sechszig oder hundert durch die Welt
mit mir sterben, denn die Welt wird jetzund nicht alt.
Wohlan, wir Alten müssen darum so lang leben, daß wir
dem Teufel in den Hintern sehen; soviel Bosheit, Untreu,
Elend der Welt erfahren, auf daß wir Zeugen seyn, daß
der Teufel so ein böser Geist gewesen.
Menschlich
Geschlecht ist wie ein Schaafstall der Schlachtschaaf'
*).“
*)
Wie ein Schaafstall, darin eitel (nutzlose)
Schlachtlämmlein stehen. (Mathesius.)
Auch gedachte der Herr Doctor denselben letzten Abend
über Tisch dieser Fragen, nehmlich: Ob wir in jener
seligen, ewigen, künftigen Versammlung und Kirchen auch
einander kennen würden. Und da wir fleißig baten des
Berichts, da sprach er:
„Wie
thät Adam? Er hatt' Evam sein Lebtag nie gesehen, lag da
und schlief.
Als er aber aufwachte, da saget' er nicht: Wo kommst du
her? Was bist du? sondern:
„Das
Fleisch ist von meinem Fleisch, das Bein ist von meinen
Beinen genommen.“
Woher wußt' er das, daß dies Weib aus keinem Stein
gesprungen wäre?
Daher geschah es, daß er des heiligen Geistes voll und
im wahrhaftigen Erkenntniß Gottes war. Zu dem Erkenntniß
und Bild werden wir in jenem Leben wiederum in Christo
erneuert, daß wir Vater, Mutter und uns unter einander
kennen werden von Angesicht, besser, dann wie Adam und
Eva.“
Nicht lang nach
diesen Worten ist er aufgestanden und in sein Stüblein
gangen, und sind ihm seine zween kleine Söhne, Martinus,
Paulus, Magister Celius bald nachgefolget; hat er sich,
seiner Gewohnheit nach, im Stüblein in das Fenster
gelegt, zu beten. Ist Magister Celius wieder
herabgegangen, und ist Johannes Aurifaber Vinariensis
hinaufkommen; hat der Doctor gesagt:
„Mir
wird aber **) weh und bange, wie zuvor, um die Brust.“
**)
wiederum.
Da hat Johannes gesagt: „Ich hab' gesehen, da ich der
jungen Herren Präceptor
(Lehrmeister / Erzieher)
war, wenn ihnen um die Brust oder sonst übel ward, daß
ihnen die Gräfinn Einhorn ***) gegeben hat; wollt' ihr's
haben, will ich es holen.“
***)
Narwalzahn.
Gott sammelt
sich einen Großteil seiner christlichen Kirche aus den
kleinen Kindern.
Denn ich würde glauben, wenn ein Kind im Alter von einem
Jahr stirbt, dass dann immer / gewiss 1000 oder 2000 ein
Jahr alte Kinder (zugleich)
mit ihm sterben.
Aber wenn ich, Doktor Martin, als 63-Jähriger sterbe, so
meine ich nicht, dass ihrer 60 oder 100 in der Welt (zusammen)
mit mir sterben, denn die Welt wird gegenwärtig / jetzt
nicht (besonders)
alt. Wohlan denn (= nun gut), wir Alten müssen darum so
lang (wie
möglich)
leben, sodass wir dem Teufel in den Hintern sehen (können);
soviel Bosheit, Untreue, Elend haben wir von der Welt
erfahren, auf dass wir Zeugen seien, dass der Teufel so
ein (derart)
böser Geist gewesen ist.
Das
Menschen-Geschlecht ist wie ein Schafstall der
Schlachtschafe *).“
*)
Wie ein Schafstall, darin eitle (= nutzlose)
Schlachtlämmer stehen. (nach
Mathesius.)
Auch gedachte der Herr Doktor am selben letzten Abend zu
Tisch dieser Fragen, nämlich: Ob wir in jener seligen,
ewigen, künftigen Versammlung und Kirche auch einander
kennenlernen würden.
Und da wir ihn unablässig um einen Bericht (= Auskunft)
baten, da sprach er:
„Wie
/ was täte Adam? Er hatte Eva sein Leben lang nie
gesehen, er lag da und schlief. Als er aber aufwachte,
da sagte er nicht:
Wo kommst du (denn)
her? Was bist du?, sondern:
„Das
Fleisch ist von meinem Fleisch, das Bein ist von meinen
Beinen genommen.“
Woher wusste er das, dass dieses Weib keinem Stein
entsprungen ist?
Daher geschah es, dass er voll des heiligen Geistes war
und in der wahrhaftigen Erkenntnis Gottes war. Bezüglich
dieser Erkenntnis und dieses Bildes werden wir in jenem
Leben wiederum in Christus erneuert, sodass wir Vater,
Mutter und uns untereinander kennenlernen werden - von
Angesicht zu Angesicht, (noch)
besser als wie Adam und Eva.“
Nicht lange nach
diesen Worten ist er aufgestanden und in sein Stüblein
gegangen,
bald darauf sind
ihm seine zwei kleinen Söhne, Martinus, Paulus und
Magister Coelius nachgefolgt; dann hat er sich, seiner
Gewohnheit nach, im Stüblein in das Fenster
(Fensterbank) gelegt, um zu beten. Magister Coelius ist
wieder hinuntergegangen, und Johannes Aurifaber von
Weimar ist hinaufkommen; da hat der Doktor gesagt:
„Mir
wird abermals / wiederum weh und bange, so wie zuvor,
nämlich um die Brust herum (= im Brustbereich =
Brustverengung = Atembeschwerden).“
Darauf hat Johannes gesagt: „Ich habe - als ich von den
jungen Herren Präzeptor (= Lehrmeister und Erzieher)
war, wenn ihnen um die Brust herum oder sonst übel wurde
- gesehen, dass ihnen die Gräfin Einhorn (=
Narwalzahn-Pulver).gegeben hat; wenn ihr es haben wollt,
dann will ich es holen.“
Hat der Doctor Ja gesagt. Indem ist Johannes, ehe er zur
Gräfin gangen, eilend herunter gelaufen, und ruft Doctor
Jonas und Magister Celio, die über zwey Vater
Unser lang nicht da gewesen, und schnell hinaufgelaufen.
Als wir hinauf kamen, hat er sich aber hart geklaget um
die Brust; da wir von Stund' an, seinem Gebrauch nach,
wie er daheim gepfleget, mit warmen Tüchern ihn wohl
gerieben, das er empfand und sprach: ihm wäre besser.
Kam Graf Albrecht selber gelaufen mit Magister Johanne,
brachten das Einhorn, und sprach der Graf: „Wie geht’s,
o lieber Herr Doktor?“
Darauf der Doctor sprach: „Es hat keine Noth, gnädiger
Herr, es beginnt sich zu bessern.“ Da hat ihm Graf
Albrecht selb das Einhorn geschabet, und nachdem der
Doctor Besserung fühlet', ist er wieder von ihm gangen,
[und hat] seiner Räthe einen, Conrad von Wolframsdorf,
neben uns, D. Jona, M. Celio, Johanne, Ambrosio, bey ihm
gelassen. Da hat man auf's Doctor's Begehren das
geschabt' Einhorn in einem Löffel mit Wein zwier
(= zweimal)
ihm eingegeben, da Conrad von Wolframsdorf zuvor selbst
einen Löffel voll, damit der Doctor desto weniger Scheu
hätt', genommen.
Da leget er sich ungefährlich
(= nicht mit Gefahr verbunden)
um neun Uhr auf's Ruhebettlein und sprach: „Wenn ich ein
halb Stündlein könnt' schlummern, hofft' ich, es sollt'
alles besser werden.“ Da hat er anderthalbe
(= eineinhalb)
Stund bis auf zehn Uhr sanft und natürlich geschlafen;
sind wir, Doctor Jonas und Magister Michael Celius,
sammt seinem Diener Ambrosio und seinen zween kleinen
Söhnen, Martino und Paulo, bey ihm blieben.
Als er aber gleich in puncto zehn Uhr aufwacht', sprach
er:
„Siehe,
sitzt ihr noch? möcht' ihr euch nicht zu Bett legen?“
Antworteten wir: „Nein, Herr Doctor ! Jetzt sollen wir
wachen und auf euch warten.“
Mit dem begehrt' er auf; und stand auch vom Ruhbettlein
auf, und ging in die Kammer hart an
(= knapp neben)
der Stuben, die mit Fenstern für aller Luft verwahret
(= geschützt);
und wiewohl er da nicht klaget', doch, da er über die
Schwellen der Kammer ging, sprach er: „Walt's Gott, ich
gehe zu Bett.
In manus tuas commendo spiritum meum; redemisti me,
Domine, Deus veritatis.“
Darauf hat der Doctor Ja gesagt. Währenddessen ist
Johannes, bevor er zur Gräfin gegangen ist, eilend
heruntergelaufen und rief Doctor Jonas und Magister
Coelio, die über zwei Vater Unser lang (kurze
Zeit)
nicht da gewesen waren, und sind schnell hinauf
gelaufen.
Als wir hinauf kamen, hat er sich aber hart geklagt um
die Brust; da wir von Stunde an, seinem Gebrauch nach,
wie er daheim gepflegt, ihn mit warmen Tüchern wohl
gerieben haben, das er so empfand und er sprach: ihm
wäre besser.
Da kam Graf Albrecht selbst gelaufen - zusammen mit
Magister Johannes, brachten das Einhorn mit, und der
Graf sprach: „Wie geht es, o lieber Herr Doktor?“
Darauf sprach der Doktor: „Es hat keine Not (= Eile),
gnädiger Herr, es beginnt sich zu bessern.“ Da hat ihm
Graf Albrecht selber das Einhorn (zu
Pulver)
geschabt, und nachdem der Doktor eine (gewisse)
Besserung fühlte, ist er wieder von ihm weggegangen, und
hat einen seiner Räte, nämlich Conrad von Wolframsdorf,
neben uns, Dr. Jonas, Magister Coelius, Johannes,
Ambrosius, bei ihm (Luther)
gelassen.
Da hat man auf des Doktors Begehren ihm das geschabte
Einhorn in einen Löffel mit Wein zweimal eingegeben, da
Conrad von Wolframsdorf zuvor selbst einen Löffel voll
genommen hat, damit der Doktor weniger Abscheu davor
hätte.
Da legte er sich - nicht mit Gefahr verbunden
-
um neun Uhr auf das Ruhebettlein und sprach: „Wenn ich
ein halbes Stündlein schlummern könnte, würde ich
hoffen, dass alles besser werden sollte.“ Da hat er
eineinhalb Stunden bis zehn Uhr sanft und natürlich
geschlafen; da sind wir, Doktor Jonas und Magister
Michael Coelius, samt seinem Diener Ambrosius und seinen
zwei kleinen Söhnen, Martin und Paul, bei ihm geblieben.
Als er aber in Hinblick auf zehn Uhr sogleich aufwachte,
sprach er:
„Siehe,
ihr sitzt noch da? möchtet ihr euch nicht zu Bett
legen?“
Darauf antworteten wir: „Nein, Herr Doktor ! Wir sollen
jetzt wach bleiben und auf euch aufpassen.“
Darauf begehrte er auf und stand auch vom Ruhebett auf,
und ging in die Kammer gleich neben der Stube, die mit
Fenstern vor allem Luftzug geschützt ist; und wenn auch
er darüber nicht klagte, so sprach er doch - als er über
die Schwelle der Kammer ging: „Gott gebe es, ich gehe
nun zu Bett.
In manus tuas commendo spiritum meum; redemisti me,
Domine, Deus veritatis.
In deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich
erlöst, Herr, du treuer Gott (= Gott der
Wahrhaftigkeit).“
Als er nun zu Bett ging, welches wohl zubereitet mit
warmen Betten und Kissen, legt' er sich ein, gab uns
allen die Hand und gute Nacht, und sprach:
„Doctor
Jona und Magister Celi und ihr Andern ! betet für unsern
Herrn Gott und sein Evangelium, dass es ihm wohlgehe.
Denn das Concilium zu Trient und der leidige Pabst
zürnen hart mit ihm.“
Da ist die Nacht bey ihm in der Kammer blieben Doctor
Jonas, seine zween Söhne, Martinus, Paulus, sein Diener
Ambrosius und andere Diener.
Diese ein und zwanzig Tag' hat man alle Nacht Licht in
der Kammer gehalten; dieselbige Nacht aber auch das
Stüblein lassen warm halten. Da hat er wohl geschlafen
mit natürlichem Schnauben, bis der Zeiger eins
geschlagen; ist er erwacht, und [hat] seinen Diener
Ambrosium gerufen, ihm die Stube einzuheizen. Als aber
dieselbige die ganze Nacht warm gehalten, und Ambrosius,
der Diener, wiederkam, fragt' ihn Doctor Jonas, ob er
wieder Schwachheit empfände? sprach er: „Ach, Herre
Gott, wie ist mir so wehe ! Ach, lieber Doctor Jonas,
ich achte, ich werde hie zu Eisleben, da ich geboren und
getauft bin, bleiben.“
Darauf Doctor Jonas und Ambrosius, der Diener,
geantwortet:
„Ach,
reverende Pater
(= ehrwürdiger Vater)!
Gott, unser himmlischer Vater, wird helfen durch
Christum, den ihr geprediget habt.“ Da ist er ohne Hülfe
oder Handleiten durch die Kammer in das Stüblein gangen,
auch im Schritt über die Schwellen gesprochen, inmaßen
er zu Bett' gangen, diese Wort:
In manus tuas commendo spiritum meum; redemisti me,
Domine, Deus veritatis.“
In deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich
erlöst, Herr, du treuer Gott (= Gott der
Wahrhaftigkeit).
Auch ist [er] einmahl oder zwier im Stüblein hin und
wieder gangen; leget' sich hernach auf das Ruhebettlein,
und klagt', es drück' ihn um die Brust sehr hart.
Aber doch schonete es noch des Herzen.
Da hat man ihn, wie er begehrt', und zu Wittenberg im
Brauch gehabt, mit warmen Tüchern gerieben, und ihm
Kissen und Pfuhl
(= Polster)
gewärmet; denn er sprach:
es hülf' ihm wohl, dass man ihn warm hielt.
Als er nun zu Bett ging, welches mit warmen Betten und
Kissen wohl zubereitet war, legte er sich hinein, gab
uns allen die Hand, sagte gute Nacht, und sprach:
„Doktor
Jonas und Magister Coelius und all ihr anderen ! Betet
für (!) unseren Herr Gott und sein Evangelium, dass es
ihm wohl ergehe.
Denn das Konzil zu Trient und der leidige Papst zürnen
hart mit ihm.“
Darauf sind in der Nacht bei ihm der Doktor Jonas, seine
zwei Söhne, Martin und Paul, sein Diener Ambrosius und
noch andere Diener in seiner Kammer geblieben.
Diese 21 Tage lang hat man jede Nacht in der Kammer
Licht gehalten (= brennen lassen); in derselben Nacht
hat man aber auch das Stüblein (= Zimmer) warm halten
lassen.
Da hat er gut geschlafen - mit natürlichem Schnauben (=
Atmen), bis der Uhrzeiger eins geschlagen hat; da ist er
aufgewacht, und hat seinen Diener Ambrosius gerufen, ihm
die Stube einzuheizen. Als aber dieselbe die ganze Nacht
lang warm gehalten wurde, und der Diener Ambrosius
wiederkam, fragte ihn der Doktor Jonas, ob er (Luther)
wieder Schwachheit empfindet? Da sprach dieser: „Ach,
Herr Gott, es tut mir so weh! Ach, lieber Doktor Jonas,
ich erachte / gedenke, ich werde hier zu Eisleben, wo
ich geboren und getauft bin, bleiben.“
Darauf haben Doktor Jonas und Ambrosius, der Diener,
geantwortet:
„Ach,
ehrwürdiger Vater ! Gott, unser himmlischer Vater, wird
durch Christus helfen, den ihr gepredigt habt.“ Da ist
er ohne fremde Hilfe oder Handbegleitung (= Stütze)
durch die Kammer in das Stüblein (Zimmer) gegangen, und
hat auch beim Schritt über die Schwelle, indem / während
er zu Bett gegangen ist, diese Worte gesprochen:
In manus tuas commendo spiritum meum; redemisti me,
Domine, Deus veritatis.
In deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich
erlöst, Herr, du treuer Gott
(= Gott der Wahrhaftigkeit).“
Auch ist er einmal oder zweimal im Stüblein hin und her
gegangen; legte sich danach auf das Ruhebett, und
klagte, es drücke ihn sehr hart um die Brust herum.
Jedoch verschonte es (der
Schmerz)
noch das Herz.
Da hat man ihn, so wie er es wünschte und zu Wittenberg
in Brauch (= üblich) war, mit warmen Tüchern gerieben,
und ihm Kissen und Polster gewärmt; denn er sprach:
es helfe ihm sehr wohl, dass man ihn warm hält.
Vor diesem Allen, und da der Doctor nun sich auf's
Ruhebettlein gelegt, kam Magister Celius aus seiner
Kammer, hart an
(= neben)
der unsern, gelaufen, und bald nach ihm Johannes
Aurifaber. Da hat man ganz eilend den Wirth
(= Hausherr),
Johann Albrecht, den Stadtschreiber, und sein Weib
aufgeweckt, dergleichen
(= genauso)
die zween Medicos in der Stadt, welche alle (nachdem sie
nahe wohneten) in einer Viertelstund gelaufen kamen.
Erstlich
(= zuerst)
der Wirth mit seinem Weibe, darnach Magister Simon Wild,
ein Arzt, und Doctor Ludwig, ein Medicus; bald darauf
Graf Albrecht mit seinem Gemahl
(= mit Gemahlin),
welche Gräfinn allerley Würz
(= Wurzeln, Heilmittel)
und Labsal mitbracht, und ohn' Unterlaß mit allerley
Stärken *) ihn zu erquicken, sich befleißiget.
Aber in dem Allen sagt' der Herr Doctor: „Lieber Gott,
mir ist sehr weh und angst;
ich fahr dahin; ich werde nun wohl zu Eisleben bleiben?“
*)
Stärkungsmittel
Da tröstet' ihn Doctor Jonas und Magister Celius und
sprachen: „Reverende Pater
(ehrwürdiger Vater),
rufet euern lieben Herrn Jesum Christum an, unsern hohen
Priester, den einigen Mittler ! Ihr habt einen großen,
guten Schweiß gelassen; Gott wird Gnade verleihen, daß
es wird besser werden.“
Da antwortet' er
und sprach: „Ja, es ist ein kalttodter Schweiß; ich
werde meinen Geist aufgeben, denn die Krankheit mehret
sich.“ Darauf fing er an und sprach:
„O
mein himmlischer Vater, ein Gott und Vater unseres Herrn
Jesu Christi, du Gott alles Trostes, ich danke dir, daß
du mir deinen lieben Sohn Jesum Christum offenbart hast,
an den ich gläube, den ich gepredigt und bekannt hab',
den ich geliebet und gelobet hab', welchen der leidige
Pabst und alle Gottlosen schänden, verfolgen und
lästern. Ich bitte dich, mein Herr Jesu Christe, laß dir
mein Seelichen befohlen seyn.
O himmlischer Vater, ob ich gleich diesen Leib lassen
und aus diesem Leben hinweg gerissen werden muß, so weiß
ich doch gewiß, daß ich bei dir ewig bleiben, und aus
deinen Händen mich niemands reißen kann.“
Allen voran, und da sich der Doktor nun auf das Ruhebett
gelegt hat, kam Magister Coelius aus seiner Kammer -
neben der unseren gelegen - gelaufen und bald nach ihm
Johannes Aurifaber. Da hat man ganz eilend den
Hausherrn, Johann Albrecht, den Stadtschreiber und sein
Weib aufgeweckt, genauso die zwei Ärzte der Stadt,
welche alle (nachdem sie in der Nähe wohnten) innerhalb
einer Viertelstunde gelaufen kamen.
Zuerst der Hauswirt mit seinem Weib, danach Magister
Simon Wild, ein Arzt, und Doktor Ludwig, ein Doktor der
Medizin; bald darauf Graf Albrecht mit Gemahlin, welche
Gräfin allerlei Wurzeln (= Heilmittel) und Labsal
mitbrachte und sich darum bemühte, ihn ohne Unterlass
mit allerlei Stärkungsmitteln zu erquicken.
Aber zu dem Ganzen sagte der Herr Doktor vor allen:
„Lieber
Gott, ich habe sehr Weh und große Angst, ich fahre dahin
(= zu sterben / verlorenzugehen); werde ich nun wohl in
Eisleben bleiben?“
Da tröstete ihn Doktor Jonas und Magister Coelius und
sie sprachen:
„Ehrwürdiger
Vater, ruft euren lieben Herrn Jesus Christus an,
unseren hohen Priester, den einigen Mittler ! Ihr habt
viel und gut geschwitzt; Gott wird Gnade verleihen,
sodass es besser werden wird.“
Da antwortete er
und sprach: „Ja, es ist (wahrlich) ein todeskalter
Schweiß; ich werde meinen Geist aufgeben, denn die
Krankheit nimmt überhand.“
Darauf begann er
zu sprechen:
„O
mein himmlischer Vater, ein Gott und Vater unseres Herrn
Jesus Christus, du Gott allen Trostes, ich danke dir,
dass du mir deinen lieben Sohn Jesus Christus offenbart
hast, an den ich glaube, den ich gepredigt und bekennt
habe, den ich geliebt und gelobt habe, welchen der
leidige Papst und alle Gottlosen schänden, verfolgen und
lästern. Ich bitte dich, mein Herr Jesus Christus, lass
dir mein kleine Seele befohlen sein.
O himmlischer Vater, wenn auch ich diesen
Leib gleich verlassen und aus diesem Leben hinweg
gerissen werden muss, so weiß ich doch gewiss, dass ich
bei dir ewig bleiben werde, und mich aus deinen Händen
niemand wegreißen kann.“
Weiter sprach er
auch:
„Sic
deus dilexit mundum, ut unigenitum filium suum daret,
ut omnis, qui
credit in eum, non pereat, sed habeat vitam aeternam.“
„Denn
Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen
einzigen / eingeborenen Sohn hingab, damit jeder, der an
ihn glaubt, nicht zugrunde geht / verloren gehe, sondern
das ewige Leben habe.“ (Johannes 3, 16).
Und die Wort'
aus dem acht und sechzigsten Psalm:
„Deus
noster, Deus salvos faciendi, et Dominus est Dominus
educendi ex morte.“
Das ist Deutsch:
Wir haben einen Gott des Heils, und einen Herrn Herrn,
der mitten aus dem Tode uns führet *).
*)
Psalm 68, 21.
Indem versucht'
der Magister noch ein sehr köstliche Arzney, die er zur
Noth allzeit in seiner Taschen hatte, des der Doctor
einen Löffel voll einnahm. Aber er sprach abermahl: „Ich
fahr dahin; meinen Geist werd' ich aufgeben.“
Sprach deshalb
dreimahl sehr eilend auf einander:
„Pater,
in manus tuas commendo spiritum meum; redemisti me, Deus
veritatis.“
„Vater,
in deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich
erlöst, Herr, du treuer Gott (= Gott der
Wahrhaftigkeit).“
Als er nun
seinen Geist in die Hände Gottes, des himmlischen
Vaters, befohlen hatte, fing er an still zu seyn. Man
rüttelt' aber, rieb, kühlet' und rief ihm, aber er that
die Augen zu, antwortet' nicht. Da strich Graf
Albrecht's Gemahl und die Aerzte ihm den Puls mit
allerley Stärkwassern, welche ihm die Doktorinn
geschickt, und er selbst pfleget' zu gebrauchen.
Indem er aber so
still ward, rief ihm Doctor Jonas und Magister Celius
stark ein:
„Reverende
Pater
(ehrwürdiger Vater),
wollet ihr auf Christum, und die Lehre, wie ihr die
gepredigt, beständig sterben?“ Sprach er, daß man es
deutlich hören konnt': „Ja.“
Mit dem wandt' er sich auf die rechte Seiten, und fing
an zu schlafen, fast ein Viertel Stunde, daß man auch
der Besserung hoffet'. Aber die Aerzte und wir sagten
alle:
dem
Schlaf wäre nicht zu vertrauen; leuchteten ihm mit
Lichten fleißig unter das Angesicht.
Weiters sprach
er auch:
„Sic
deus dilexit mundum, ut unigenitum filium suum daret,
ut omnis, qui
credit in eum, non pereat, sed habeat vitam aeternam.“
„Denn
Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen
einzigen / eingeborenen Sohn hingab, damit jeder, der an
ihn glaubt, nicht zugrunde geht / verloren gehe, sondern
das ewige Leben haben möge.“ (Johannes 3, 16).
Und darauf die
Worte aus dem 68. Psalm:
„Deus
noster, Deus salvos faciendi, et Dominus est Dominus
educendi ex morte.“
Unser Gott
ist der Gott, um uns heil zu machen und auch ist der
Herr der Herr, um uns aus dem Tod heraus zu führen / uns
vom Tod zu erlösen
(Psalm 68, 21).
Das ist Deutsch:
Wir haben einen Gott des Heils, und einen Herrn Herrn,
der mitten aus dem Tode uns führet.
Währenddessen
versuchte der Magister noch eine sehr köstliche Arznei,
die er für den Notfall immer in seiner Tasche hatte, von
der der Doktor einen Löffel voll einnahm. Aber er sprach
abermals:
„Ich
fahre dahin; meinen Geist werde ich aufgeben.“
Er sprach
deshalb dreimal sehr eilend aufeinander:
„Pater,
in manus tuas commendo spiritum meum; redemisti me, Deus
veritatis.“
„Vater,
in deine Hände befehle ich meinen Geist, du hast mich
erlöst, Herr, du treuer Gott (= Gott der
Wahrhaftigkeit).“
Als er nun
seinen Geist in die Hände Gottes, des himmlischen
Vaters, befohlen hatte, fing er an ganz still zu sein.
Man rüttelte ihn aber, rieb ihn, kühlte ihn und rief ihm
zu, aber er schloss die Augen zu, und antwortete nicht
mehr. Da strichen ihm Graf Albrecht's Gemahlin und die
Ärzte die Schlagader (den Puls) mit allerlei stärkenden
Wassern (Kraftwässerchen) ein, welche ihm die Doktorin
geschickt hatte, und die er selbst zu gebrauchen
pflegte.
Indem er aber so
still wurde, riefen ihm Doktor Jonas und Magister
Coelius laut zu:
„Ehrwürdiger
Vater, wollt ihr standhaft in Treue zu Christus und der
Lehre, wie ihr diese gepredigt habt, sterben?“
Darauf sprach er, sodass man es deutlich hören konnte:
„Ja.“
Damit drehte er sich auf die rechte Seite um und fing an
zu schlafen, das fast eine Viertel-Stunde lang, sodass
man auch auf eine Besserung hoffte.
Aber die Ärzte und wir sagten alle:
diesem
Schlaf wäre nicht zu trauen;
so leuchteten wir ihm fleißig mit Lichtern unter das
Gesicht.
Indem kam Graf
Hans Heinrich von Schwarzenburg sammt seinem Gemahl auch
dazu. Nachdem bald erbleicht der Doctor sehr unter dem
Angesicht; wurden ihm Füße und Nase kalt; thät ein tief,
doch sanft Odemholen, mit welchem er seinen Geist
aufgab, mit Stille und großer Geduld, daß er nicht mehr
ein'n Finger noch Bein reget', und konnt niemands merken
(das zeugen wir vor Gott auf unser Gewissen) einige
Unruhe, Quälung des Leibes oder Schmerzen des Todes,
sondern entschlief friedlich und sanft im Herrn, wie
Simeon singet *).
*)
Lucas 2, 29.
Daß wohl der
Spruch Johannis am achten an ihm wahr ward:
„Wahrlich,
sag' ich euch, wer mein Wort hält, wird den Tod
nimmermehr sehen ewiglich.“ Welcher Spruch Johannis 8,
die letzte Handschrift ist, so er auch den Leuten zu
Gedächtnis in Bibeln geschrieben, und dieselbige seine
Handschrift [ist] gen Elrich Hans Gasmann, dem
Hohnsteinischen Rentmeister
(Finanzverwalter der grundherrschaftlichen Einnahmen von
Hohnstein), zukommen, vorn in einer Hauspostill
(religiöses Erbauungsbuch zur
häuslichen Andacht).
Welchen Spruch
der liebste herzliche Vater also ausgelegt:
Den Tod
nimmermehr sehen.
„Wie
ungläubig ist doch das gered't, und wider die
öffentliche und tägliche Erfahrung.
Dennoch ist es
die Wahrheit. Wenn ein Mensch mit Ernst Gottes Wort im
Herzen betrachtet, ihm gläubet und darüber einschläft
und stirbet, so sinket und fähret er dahin, ehe er sich
des Todes versiehet oder gewahrt wird, und ist gewiss
selig im Wort, das er also gegläubet und betrachtet, von
hinnen (von hier weg)
gefahren.“
Unter dies war
geschrieben:
Martinus Luther,
Doctor. 1546. Geschehen am VII Tag Februarii.
Indessen kam
Graf Hans Heinrich von Schwarzenburg samt seiner
Gemahlin auch noch hinzu. Nach dem bald darauf
erbleichte der Doktor im Gesicht gar sehr; es wurden ihm
die Füße und die Nase kalt; er nahm einen tiefen, doch
sanften Atemzug (= er holte Odem), mit welchem er seinen
Geist aufgab, mit Stille und großer Geduldsamkeit,
sodass er nicht mehr einen Finger noch ein Bein regte,
und niemand konnte (das bezeugen wir vor Gott auf unser
reines Gewissen) eine Unruhe, ein Leiden des Leibes oder
Todes-Schmerzen bemerken, sondern er ist friedlich und
sanft im Herrn entschlafen, so wie Simeon singt *).
*)
Lucas 2, 29.
Auf dass wohl
der Bibelspruch aus Johannes 8 an ihm wahr
geworden ist:
„Wahrlich,
ich sage euch, wer da mein Wort hält, der wird den Tod
ewiglich nicht mehr sehen.“ Dieser welcher Spruch aus
Johannes 8 ist die allerletzte Handschrift, so hat er
ihn auch den Leuten zum Gedächtnis in der Bibel
niedergeschrieben, und dieselbe seine Handschrift hat er
- adressiert an - Elrich Hans Gasmann, Finanzverwalter
der grundherrschaftlichen Einnahmen von Hohnstein,
zukommen lassen, vorne an in einer Haus-Postille (=
religiöses Erbauungsbuch zur häuslichen Andacht). Diesen
welchen Spruch hat der liebste herzliche Vater so
ausgelegt:
Den Tod niemals
mehr sehen.
„Wie
ungläubig ist doch das Gerede, und entgegen der
öffentlichen und alltäglichen Erfahrung. Dennoch ist es
die Wahrheit. Wenn ein Mensch mit Ernst Gottes Wort im
Herzen betrachtet, ihm glaubt und darüber einschläft und
stirbt, so sinkt und fährt er dahin, ehe er sich des
Todes versieht oder dessen gewahr wird, und er ist
gewiss im Wort selig, das er so glaubt und betrachtet,
dahingeschieden.“
Unter diesem
stand geschrieben:
Martin Luther,
Doktor. 1546. So geschehen am 7. Tag des Februar.
Als er nun im
Herrn verschieden, und Graf Albrecht, sein Gemahl, der
von Schwarzenburg u.s.w. sammt uns erschracken, immer
noch schrieen, man sollt' mit Reiben und Laben
(Stärkung mit Arzneien) nicht ablassen, thät man
alles, was menschlich und möglich war, aber es ward der
Leib immer kälter und tödtlicher.
Und nachdem der
todte Leib also auf dem Ruhebettlein bis in drei viertel
Stund gelegen, machet man darneben von vielen
Federbetten drey Unterbetten und Tücher oben, hart bey
dem Ruhebett, darin man ihn hub, der Hoffnung, wie wir
alle wünscheten und beteten, ob Gott noch wollt' Gnade
geben.
Da kamen, ehe es
Tag ward, um 4 Uhr, der Durchläuchte Hochgeborne Fürst
und Herr, Herr Wolf, Fürst zu Anhalt, die Edlen,
Wohlgebornen Grafen und Herren, Philippus, Johann Görg,
Gebrüder, Graf Volrad, Graf Hans, Graf Wolf, auch
Gebrüder, Grafen und Herren zu Mansfeld, und andere
Herren auch vom Adel.
Auf dem Bette
ließ man den Leib liegen von vieren an bis nach neunen,
das ist, fünf ganzer Stunden. Da viel ehrlicher Bürger
kamen, und den todten Leib mit heißen Thränen und Weinen
ansahen; darnach kleidet' man ihn in einen weißen neuen
Schwäbischen Kittel (mantelartiges Kleidungsstück), legt
die Leich in die Kammer auf ein Bett und Stroh, bis so
lang ein zienern Sarg gegossen, und er darein gelegt
ward.
Da haben ihn in
dem Sarg liegen sehen viel vom Adel, die ihn das mehrer
Theil gekannt, Mann und Weib, etliche hundert, und ein
sehr groß Anzahl Volks.
Den achtzehnten
Februarii hat man die Leich in der Herberg, Doctor
Trachstet's Hause, stehen lassen.
Als er nun im
Herrn verschieden war, und Graf Albrecht von Mansfeld,
seine Gemahlin, der Graf von Schwarzenburg u.s.w. samt
uns erschraken, die wir immer noch (panikartig)
schrien, man solle mit dem Reiben und der Stärkung durch
Arzneien nicht aufhören, hätte man alles getan, was
menschenmöglich gewesen wäre, aber der Leib wurde immer
kälter und abgestorbener.
Und nachdem der
tote Leib so auf dem Ruhebettlein bis zu einer
dreiviertel Stunde gelegen hat, machte man daneben aus
vielen Federbetten drei Unterbetten mit Tüchern oben
drauf, direkt neben dem Ruhebett, in das man ihn
hineingehoben hat, in der Hoffnung, wie wir alle
wünschten und darum beteten, ob Gott doch noch Gnade
zeigen wolle.
Da kamen, ehe es
Tag wurde, um 4 Uhr früh, Seine Durchlaucht, der
Hochgeborene Fürst und Herr, nämlich Herr Wolf, Fürst zu
Anhalt, und die edlen, wohlgeborenen Grafen und Herren
Philippus, Johann Görg, die Gebrüder Graf Volrad, Graf
Hans, Graf Wolf, auch die anderen / übrigen Gebrüder,
Grafen und Herren von Mansfeld, und auch andere /
weitere Herren vom Adel.
Man ließ von
vier Uhr früh bis nach neun Uhr den Leib auf dem Bett
liegen, das sind fünf ganze Stunden, weil viele
ehrenwerte / rechtschaffene Bürger herkamen, und den
toten Leib mit heißen Tränen und Weinen ansahen; danach
kleidete man ihn in einen weißen neuen Schwäbischen
Kittel (= mantelartiges Kleidungsstück), legte die
Leiche in die Kammer auf ein Bett mit Stroh, und das so
lange bis ein Sarg aus Zinn gegossen und er darin
hineingelegt wurde.
Da haben ihn in
diesem Sarg viele vom Adel, die ihn größtenteils gekannt
haben, Männer und Frauen, deren etliche hundert, und
eine sehr große Anzahl des Volkes liegen gesehen.
Am 18. Februar
hat man die Leiche in der Herberge, im Haus des Doktor
Trachstet, stehen lassen.
Den neunzehnten
Februarii um zwey Uhr nach Mittag hat man ihn nach
christlichem Gebrauch mit großer Ehrwürdigkeit und
geistlichen Gesängen in die Hauptpfarrkirchen zu St.
Andres getragen. Da ihn Fürsten, Grafen und Herren,
darunter auch Graf Gebhard mit seinen zwei Söhnen, Graf
Jörgen und Christoffel,
gewesen sammt
ihren Frauenzimmern, und einer sehr großen, trefflichen
Anzahl Volks begleitet und nachgefolget.
Da hat Doctor
Jonas bald, als die Leich in den Chor
(= Chorhaus) gesetzt, eine
Predigt gethan, welche excipirt ist. Erstlich, von der
Person und Gaben Doctor Martini; zweytens, von der
Auferstehung und ewigem Leben; Warnung den Widersachern,
daß der Tod würde Kraft hinter sich haben wider des
Satans Reich, über die Stelle aus
Brief I Thessal. 4, 13
u.s.w. Da hat man die Nacht über die Leich' in der
Kirchen stehen und mit zehen Bürgern bewachen lassen.
Als aber auf
Erforderung unsers G. H. (gnädigen
Herrn), des Churfürsten zu Sachsen, die Leich
sollte gen Wittenberg gebracht werden, welche die Grafen
und Herren zu Mansfeld auch gern bey sich in ihrer
Herrschaft behalten, aber doch zu Gefallen dem
Churfürsten haben folgen lassen, hat man auf den
zwangigsten Tag Februarii, welcher war Sonnabend und
Valentini, zu Früh' abereins eine Predigt gethan, die
durch Magister Michael Celium geschehen, auf den Spruch
Jesaiä 56, 1:
Justus perit
et nemo considerat.
Jesaja 57
(nicht 56): Der Gerechte kommt um und niemand beherzigt
/ erwägt es.
Und folgends
zwischen zwölfen und einem Schlage hat man ihn wiederum
mit aller Ehrwürdigkeit und christlichen Gebräuchen und
Gesängen aus der Stadt Eisleben geführt; da abermahls
die obgedachten Fürsten, Grafen und Herren, und darneben
Graf Gebhard mit zweien Söhnen, Graf Jörgen und Graf
Christoffel, auch Grafen und Herren zu Mansfeld, sammt
Graf Gebhards Gemahl und ihrem Frauenzimmer (wie dann
dieselbigen zuvor bey dem Kirchgang auch gewesen) und
eine große Anzahl Volks nachdächtig nachgefolget, und
bis vor's äußerste Thor mit vielen Thränen und Weinen
die Leich begleitet haben. Also ist man mit ihm diesen
Abend bis gen Hall kommen.
Den 19. Februar
um zwei Uhr nachmittags hat man ihn nach christlichem
Brauch mit großer Ehrwürdigkeit und geistlichen Gesängen
in die Hauptpfarrkirche von Sankt Andreas getragen. Da
haben ihn Fürsten, Grafen und Herren, darunter auch Graf
Gebhard mit seinen zwei Söhnen, Graf Jörg und Christoph,
die samt ihren Frauenzimmern da gewesen sind, und eine
sehr große, treffliche (= überragende) Anzahl vom Volk
begleitet und sind nachgefolgt.
Dann hat Doktor
Jonas bald darauf, als die Leiche in das Chorhaus (=
Altarraum, nur für die Priester bestimmt) gesetzt wurde,
eine Predigt gehalten, welche exzipiert
(=
herausgenommen) ist. Erstens, von der Person und den
Gaben / Begabungen des Doktor Martin; zweitens, von der
Auferstehung und vom ewigem Leben; dann eine Warnung an
die Widersacher, dass der Tod hinter sich eine (treibende)
Kraft haben würde - entgegen dem Reich von Satan, dazu
die Stelle im 1. Brief des Paulus an die Thessalonicher,
Kapitel 4, Vers 13 u.s.w. Dann hat man die Leiche die
Nacht über in der Kirche stehen und von zehn Bürgern
bewachen lassen.
Als aber auf
Anordnung unseres gnädigen Herrn, des Kurfürsten zu
Sachsen, die Leiche nach Wittenberg gebracht werden
sollte, welche die Grafen und Herren zu Mansfeld auch
gerne bei sich in ihrer Herrschaft hätten behalten
wollen, aber dann doch dem Kurfürsten zum Gefallen haben
nachfolgen lassen, hat man am 20. Februar, welcher ein
Sonntagabend und Valentinstag war, in der Früh noch
einmal eine Predigt gehalten, die durch Magister Michael
Coelius geschehen ist, nämlich über den Spruch aus
Jesaja 56, 1:
Jesaja 57
(56
ist falsch, der Satz ist in Jes. 57): Justus perit et
nemo considerat.
Der Gerechte
kommt um und niemand beherzigt / erwägt es.
Und darauf
folgend hat man ihn zwischen zwölf und Schlag eins Uhr
wiederum mit aller Ehrwürdigkeit und christlichen
Gebräuchen und Gesängen aus der Stadt Eisleben geführt;
da sind abermals die oben genannten Fürsten, Grafen und
Herren, und daneben Graf Gebhard mit seinen zwei Söhnen,
Graf Jörg und Graf Christoph, auch die Grafen und Herren
von Mansfeld, zusammen mit Graf Gebhards Gemahlin und
ihrem Frauenzimmer (dieselben Frauen, wie sie auch zuvor
bei dem Kirchgang dabei gewesen waren) und eine große
Anzahl des Volkes andächtig nachgefolgt, und haben mit
vielen Tränen und Weinen die Leiche / den Leichenzug bis
vor das äußerste Stadttor begleitet. Und so ist man mit
ihm diesen Abend bis nach Halle kommen.
Zu Eisleben, ehe
diese Kirchenceremonien alle gebraucht, haben zween
Mahler also das todte Angesicht abconterfeit
(abgebildet); einer von
Eisleben, dieweil (während)
er noch im Stüblein auf dem Bett gelegen; der andere,
Meister Lucas Fortennagel von Hall, da er schon eine
Nacht im Sarg gelegen.
Als man ihn nun
aus Eisleben führet', hat man auf dem Wege von Eisleben
fast auf allen Dörfern geläutet, und [ist] das Volk aus
den Dörfern zugelaufen, Mann, Weib und Kinder, und
[haben] Zeichen eines ernstlichen Mitleidens gegeben.
Seind also vor
fünf Uhr vor Hall kommen. Und da man etwas der Stadt
genahet,
da sind auch
heraus weit über den Steinweg Bürger und Bürgerinn
entgegenkommen; und da man in die Stadtthor mit der
Leich kommen, sind die beiden Pfarrherren, (nachdem der
Superattendent, Doctor Jonas, der Leiche nachfuhr) St.
Ulrich's und Mauritii, und alle Diener des Evangelii,
auch ein Ehrbar Rath zu Hall, sammt einer großen Anzahl
aller Rathspersonen, auch die ganze Schul, Schulmeister
mit allen seinen Knaben, mit gewöhnlicher
Leichceremonien und Gesängen entgegengangen; auch ein
groß mächtig Volk, darunter viel ehrlicher Bürger, viel
Matronen (würdevolle ältere
Frauen), Jungfrauen, Kinder am äußersten Thor
entgegenkommen mit solchem lauten Wehklagen und Weinen,
daß wir es dahinten in dem letzten hintersten Wagen
gehört.
Und als man bey
St. Moritz in die Gassen den alten Markt hinaufgezogen,
ist, wie auch auf der Brücken und im Thor, ein solch
groß Gedräng um den Wagen der Leich und ander gewesen,
daß man oft hat müssen in der Gassen und auf dem Markt
still halten, und man sehr spat, fast halb sieben, in
die Kirchen Unserer lieben Frauen zu Hall kommen ist.
In Eisleben
haben - ehe diese Kirchenzeremonien alle beendet waren -
zwei Maler alsdann das tote Angesicht abgebildet; einer
(Cranach) aus Eisleben, während er (Luther)
noch im Stüblein auf dem Bett gelegen hat; der andere,
Meister Lucas Furtenagel aus Halle, als er schon eine
Nacht im Sarg gelegen hat.
Als man ihn nun
aus Eisleben führte, hat man auf dem Weg von Eisleben
fast in allen Dörfern die Glocken geläutet, und das Volk
ist aus den Dörfern zugelaufen gekommen, Männer, Weiber
und Kinder, und sie haben Zeichen eines ernsten Mitleids
(Beileidsbekundungen) gegeben.
So sind wir also
vor fünf Uhr vor Halle angekommen. Und da man sich
bereits ein wenig der Stadt näherte, sind von dort
heraus - weit über den Pflasterweg hinaus - auch Bürger
und Bürgerinnen entgegengekommen; und als man mit der
Leiche durch das Stadttor gekommen ist, sind die beiden
Pfarrherren (nachdem der Superintendent Doktor Jonas der
Leiche hinterher gefahren ist) von St. Ulrich und
Mauritius, und alle Diener des Evangeliums, auch ein
ehrbarer Rat zu Halle, samt einer großen Anzahl aller
Ratspersonen, auch die ganze Schule, der Schulmeister
mit allen seinen Knaben, mit üblichen Leichenzeremonien
und Gesängen entgegengegangen;
auch ein mächtig
großes Volk, darunter viele ehrbare Bürger, viele
Matronen (würdevolle ältere Frauen), Jungfrauen, Kinder
am äußersten Tor mit solch einem lauten Wehklagen und
Weinen entgegengekommen, sodass wir es nach hinten bis
zum letzten hintersten Wagen gehört haben.
Und als wir bei
St. Moritz in die Gasse den alten Markt hinaufgezogen
sind, ist - wie auch auf der Brücke und beim Tor - ein
solch großes Gedränge um den Wagen der Leiche und der
anderen herum gewesen, dass man oft hat müssen in der
Gasse und auf dem Markt still stehen / anhalten, und man
sehr spät - erst um fast halb sieben Uhr - in der Kirche
Unserer lieben Frau zu Halle angekommen ist.
Die Kirch aber
zu Unserer lieben Frauen ist allenthalben sehr voll
Volks gewesen, da sie den Psalm
130: Aus tiefer Noth, mit kläglicher, gebrochener
Stimme mehr herausgeweint denn gesungen haben. Und wo es
nicht so gar spat gewesen, hätt' man eine Predigt gethan.
Und man hat also eilend die Leich in die Sacristey
(Sakristei = Nebenraum in der
Kirche) tragen lassen, und die Nacht mit etlichen
Bürgern bewachen.
Des folgenden
Morgens um sechs Schläge ward die Leiche wieder aus
Halle mit Geläute, welches zuvor auch in allen Kirchen
geschehen, und ehrlicher christlicher Begleitung bis vor
das Thor abermahl, wie auf den Abend zuvor, bracht, mit
Begleitung eines ganzen ehrbaren Raths, aller Prediger
und der Schulen daselbst.
Von Hall ist die
Leich gefahren auf den Sonntag den ein und zwanzigsten
Februarii gen Bitterfeld, dahin auf den Mittag gebracht.
Da auf der Gränz und auch im Städtlein die Verordneten
(Beauftragten) unsers
gnädigsten Herrn, des Churfürsten zu Sachsen, der
Hauptmann zu Wittenberg, Erasmus Spiegel, zu Dieben,
Gangloff von Heilingen, zu Brehne, Dietrich von
Taubenheim, die zween Grafen und uns, so die Leich
geleitet, angenommen und den Abend bis gen Kemberg
gebracht haben;
da man dann,
beide zu Bitterfeld und Kemberg, mit gewöhnlichen
christlichen Ceremonien die Leich ehrlich angenommen und
begleitet.
Des Montags, den
zwei und zwanzigsten Februarii, haben die edlen und
wohlgebornen Grafen und Herren, Graf Hans und Graf Hans
Hoier, Grafen und Herren zu Mansfeld, (wie sie denn aus
Eisleben ohngefährlich = ungefähr
mit fünf und vierzig gerüsteten Pferden geritten)
von Wittenberg an des Elsterthor die Leich bracht.
Da sind bald am
Thor, wie das zuvor aus Churfürstlichem Befehl
verordnet, versammlet gestanden Rector
(Rektoren = kirchliche Leiter),
Magistri und Doctores, und die ganze löbliche
Universität, sammt einem ehrbaren Rath und ganzer
Gemeine und Bürgerschaft.
Da sind die
Diener des Evangelii und Schul mit gewöhnlichen
christlichen Gesängen und Ceremonien der Leich
vorgegangen, vom Elsterthor an, die ganze Länge der
Stadt bis an die Schloßkirchen.
Die Kirche zu
Unserer lieben Frau aber ist überall sehr voll von
Leuten aus dem Volk gewesen, dort haben sie den Psalm
130 : „Aus tiefer Not“ (ist auch Luther-Lied) mit
einer kläglichen und gebrochenen Stimme mehr
herausgeweint als gesungen.
Und wenn es
nicht allzu spät gewesen wäre, hätte man eine Predigt
gehalten.
Und so hat man
schnell die Leiche in die Sakristei (= Nebenraum in der
Kirche) tragen lassen, und die Nacht über von etlichen
Bürgern bewachen lassen.
Am folgenden
Morgen um Schlag sechs Uhr wurde die Leiche wieder aus
Halle mit Glockenläuten, welches auch zuvor in
sämtlichen Kirchen veranstaltet wurde, und abermals mit
ehrenhafter christlicher Begleitung bis vor das Tor
gebracht, so wie am Abend zuvor - in Begleitung des
ganzen ehrwürdigen Rates, aller Prediger und der Schulen
daselbst.
Von Halle weg
ist dann die Leiche am Sonntag den 21. Februar nach
Bitterfeld gefahren worden, mittags wurde sie dorthin
gebracht. Dort an der Grenze und auch im Städtlein haben
die Beauftragten unseres gnädigsten Herrn, des
Kurfürsten von Sachsen, nämlich der Amtshauptmann von
Wittenberg, Erasmus Spiegel, in Dieben der Gangloff von
Heilingen, in Brehna der Dietrich von Taubenheim, die
zwei Grafen und wir, die wir die Leiche begleitet haben,
diese entgegengenommen und am Abend bis nach Kemberg
gebracht; dort hat man dann, beide - in Bitterfeld und
in Kemberg, die Leiche mit den üblichen christlichen
Zeremonien ehrwürdig entgegengenommen und begleitet.
Montags, den 22.
Februar, haben die edlen und wohlgeborenen Grafen und
Herren, Graf Hans und Graf Hans Hoyer, die Grafen und
Herren von Mansfeld, (wie sie denn aus Eisleben mit
ungefähr 45 gerüsteten / geschmückten Pferden geritten
kamen) die Leiche von Wittenberg bis zum Elster-Tor
gebracht.
Dort am Tor sind
bald darauf, so wie das zuvor aus Kurfürstlichem Befehl
verordnet wurde, Rektoren (= kirchliche Leiter),
Magister und Doktoren, und die gesamte lobenswerte
Universität, samt dem ehrenhaften Rat und der ganzen
Gemeinde und der Bürgerschaft versammelt gestanden.
Da sind die
Diener des Evangeliums und der Schule mit den üblichen
christlichen Gesängen und Zeremonien der Leiche
vorangegangen, vom Elster-Tor an, die Strecke der ganzen
Stadt entlang bis hin zur Schlosskirche.
Vor der Leich
sind geritten die obgemeldeten
(oben genannten)
Verordneten unsers gnädigen Herrn, des Churfürsten zu
Sachsen, und obgemeldete zween junge Grafen und Herren
zu Mansfeld, ohngefährlich (ungefähr)
in die fünf und vierzig Pferde;
und nächst nach dem Wagen, darauf die Leich gefahren,
ist sein ehelich Gemahl, die Frau Doctorin, Katharina
Lutherinn sammt etlichen Matronen auf einem Wäglein
hinach (hinterher) geführt.
Darnach sind seine drey Söhne, Johannes, Martinus,
Paulus Lutheri, Jacob Luther, Bürger zu Mansfeld, sein
Bruder, Jörg und Ciliax Kaufmann, seiner Schwester
Söhne, auch Bürger zu Mansfeld, und andere der
Freundschaft gefolget. Darnach Magnificus Dominus Rector
(Magnifizenz Herr Rektor = Titel des obersten
Vorstehers:) der Löblichen
Universität mit etlichen jungen Fürsten, Grafen,
Freiherren, so in der Universität Wittenberg Studii
halben (wegen)
sich enthalten. Darnach ist der Leich gefolgt D.
Gregorius Brück,
D. Philippus
Melanchthon, D. Justus Jonas, D. Pomeranus, D. Caspar
Creutzinger,
D. Hieronymus,
und andere älteste Doctores der Universität Wittenberg;
darauf alle
Doctores, Magistri und ein ehrbarer Rath sammt den
Rathspersonen; darnach der ganze große Haufe und
herrliche Menge der Studenten, und darnach Bürgerschaft,
dergleichen viel Bürgerinn, Matronen, Frauen,
Jungfrauen,
viel ehrlicher
Kinder, jung' und alt', alles mit lautem Weinen und
Wehklagen.
In allen Gassen
und auf dem ganzen Markt ist das Gedräng so groß und
solche Menge des Volks gewesen, daß sich's billig in der
Eil zu verwundern, und viel bekannt [haben], daß sie
dergleich zu Wittenberg nicht gesehen.
Als man die
Leich in die Schloßkirchen bracht, hat man dieselbige
gegen den Predigtstuhl (= Kanzel)
niedergesetzt; da hat man erst christliche
Funebres Cantiones (=
Bestattungslieder) gesungen; darnach ist der
ehrwürdige Herr Doctor Pomeranus aufgetreten, und da vor
etlich tausend Menschen gar eine christliche tröstliche
Predigt gethan, welche auch wird an Tag gegeben werden.
Nach der Predigt
Herrn Pomerani hat Herr Philippus Melanchthon aus
sonderlichen herzlichen Mitleiden, und die Kirchen zu
trösten, eine schöne Funebrem Orationem
(= Grabes-Rede / Leichenrede)
getahn, welche allbereit im Druck ist ausgangen, und
hernach auch Deutsch wird ausgehen.
Der Leiche voran
sind die oben genannten Beauftragten unseres gnädigen
Herrn, des Kurfürsten von Sachsen, und die oben
genannten zwei jungen Grafen und Herren von Mansfeld
geritten, ungefähr an die 45 Pferde; und direkt danach
der Wagen, auf dem die Leiche befördert wurde. Seine
eheliche Gemahlin, die Frau Doktorin, Katharina - die
Lutherin - ist zusammen mit etlichen Matronen (älteren
Frauen) auf einem kleinem Wagen hinterher gefahren.
Danach sind seine drei Söhne, Johannes, Martinus und
Paulus Luther, sein Bruder Jacob Luther, ein Bürger zu
Mansfeld, dann Jörg und Ciliax Kaufmann, die Söhne
seiner Schwester, ebenfalls Bürger zu Mansfeld, und
andere aus dem Freundeskreis gefolgt. Danach der Herr
Magnifizenz Rektor (= Titel des obersten Vorstehers) der
lobenswerten Universität zusammen mit etlichen jungen
Fürsten, Grafen und Freiherren, die sich deswegen dem
Studium an der Universität Wittenberg in dieser Weise
enthalten haben.
Danach ist der
Leiche Dr. Gregor von Brück (= Gregorius Henisch),
Dr. Philipp
Melanchthon, Dr. Justus Jonas, Dr. Pomeranus, Dr. Caspar
Creutziger,
Dr. Hieronymus
und andere der ältesten Doktoren der Universität
Wittenberg gefolgt; darauf alle Doktoren, Magister und
der ehrbare Rat samt den Ratspersonen; danach der ganze
große Haufen und die herrschaftliche Menge der
Studenten, und danach die Bürger, dergleichen viele
Bürgerinnen, Matronen, Frauen, Jungfrauen, viele
ehrliche Kinder, junge und alte, und das alles mit
lautem Weinen und Wehklagen. In allen Gassen und auf dem
ganzen Markt ist das Gedränge so groß und solch eine
große Menge des Volkes da gewesen,
dass es (sich) zu Recht schnell / leicht zu
verwundern ist und viele bestätigen konnten, dass sie
dergleichen zu Wittenberg niemals zuvor gesehen haben.
Als man die
Leiche in die Schlosskirche brachte, hat man dieselbe
gegenüber dem Predigt-Stuhl / der Kanzel niedergesetzt;
da hat man zuerst einleitend christliche
Bestattungslieder gesungen; danach ist der ehrwürdige
Herr Doktor Pomeranus aufgetreten und hat da vor
etlichen tausenden Menschen eine gar sehr christliche
tröstliche Predigt gehalten, welche auch am Tag darauf
wiedergegeben wurde.
Nach der Predigt
des Herrn Pomeranus hat Herr Philipp Melanchthon aus
besonderen Gründen des herzlichen Beileids, und um die
Kirche zu trösten, eine schöne Leichenrede / Grabes-Rede
gehalten, welche bereits überall im Druck ausgegangen
ist, und später auch auf Deutsch ausgehen / gedruckt
wird.
Nachdem die
Oratio (Rede) geendet,
haben die Leich hingetragen etliche gelehrte Magistri,
dazu verordnet, welche die Leich in das Grab gelassen
und also zur Ruhe gelegt.
Und ist also das
theure Organum (Organ /
Instrument) und Werkzeug des heiligen Geistes,
der Leib des ehrwürdigen Doctoris Martini alda
(daselbst) im Schloß zu
Wittenberg, nicht fern vom Predigtstuhl
(= Kanzel), da er am Leben
manniche gewaltige christliche Predigten vor den Chur-
und Fürsten zu Sachsen und der ganzen Kirchen gethan, in
die Erde gelegt, und, wie Paulus I Corinth. 15, 43
spricht: gesäet in Schwachheit, daß er aufgehe an jenem
Tage in ewiger Herrlichkeit.
Gesät wird in
Vergänglichkeit, auferweckt wird in Unvergänglichkeit.
Was gesät wird,
ist armselig, was auferweckt wird, herrlich.
Es wird gesät in
Unehre, und wird auferstehen in Herrlichkeit. (1
Korinth. 15, 43)
Zu einem solchen
christlichen Abschied aus diesem elenden Leben helfe uns
allen der ewige himmlische Vater, so gemeldeten Doctor
Martinum zu dem großen Werk berufen hat, und unser Herr
Jesus Christus, welchen er treulich gepredigt und zu dem
bekannt, und der heilige Geist, der ihm wider Pabst und
alle Pforten der Höllen solche sonderliche Freudigkeit,
großen Muth und Herz durch seine göttliche Kraft in
vielen hohen Kämpfen gegeben hat.
Wir, Doctor
Justus Jonas, und Magister Michael Celius und Johannes
Aurifaber Vinariensis (von Weimar),
obgenannt, wie wir bey des löblichen Vaters seligem Ende
gewesen sind von Anfang bis auf seinen letzten Odem
(Atemzug), zeugen dies vor
Gott und auf unser eigen letzte Hinfahrt und Gewissen,
daß wir dieses nicht anders gehört, gesehen, sammt den
Fürsten, Grafen, Herren, und Allen, die dazu kommen,
und, daß wir es nicht anders erzählet, dann wie es
allenthalben (an allen Enden =
überall / allseits = durchgehend ) ergangen und
geschehen.
Gott, der Vater
unsers Herrn Jesu Christi, verleihe uns allen seine
Gnade. Amen.
Nachdem die Rede
beendet war, haben etliche gelehrte Magister die Leiche
auf Anordnung dahin getragen, welche dann die Leiche in
das Grab hinabgelassen und so zur Ruhe gelegt haben. Und
so ist das teure Instrument (= Organ) und Werkzeug des
heiligen Geistes, der Leib des ehrwürdigen Doktor Martin
daselbst im Schloss von Wittenberg, nicht fern von jener
Kanzel, wo er im Leben so manche gewaltige christliche
Predigt vor dem Kurfürsten, den Fürsten von Sachsen und
der ganzen Kirche gehalten hat, in die Erde gelegt
worden, und - wie Paulus im 1. Brief an die Korinther
(Kapitel 15, Vers 43) spricht:
„Gesät
in Schwachheit, auf dass er aufgehe an jenem Tage in
ewiger Herrlichkeit.“
1. Kor. 15,
43: Gesät wird in Vergänglichkeit, auferweckt wird in
Unvergänglichkeit.
Was gesät
wird, ist armselig, was auferweckt wird, herrlich.
Es wird gesät
in Unehre, und wird auferstehen in Herrlichkeit.
Zu einem solchen
christlichen Abschied von diesem elenden Leben helfe uns
allen der ewige himmlische Vater, der den besagten
Doktor Martin so zu jenem großen Werk berufen hat, und
unser Herr Jesus Christus, welchen er getreulich
gepredigt und zu dem er sich bekannt hat, und der
heilige Geist, der ihm durch dessen göttliche Kraft -
entgegen dem Papst und allen Pforten der Hölle – in
vielen hohen / bedeutenden Kämpfen solch einen
besonderen Frohsinn, großen Mut und auch Herz gegeben
hat.
Wir, Doktor
Justus Jonas, und Magister Michael Coelius und Johannes
Aurifaber von Weimar, wie bereits oben genannt, die wir
beim seligen Ende des löblichen Vaters von Anfang bis zu
seinem letzten Atemzug dabei gewesen sind, bezeugen dies
vor Gott und hinsichtlich unseres eigenen letzten
Hinganges / Absterbens und unseres Gewissens, dass wir -
zusammen mit den Fürsten, Grafen, Herren und allen, die
dazu gekommen sind - dies alles nicht anders gehört und
gesehen haben und dass wir es nicht anders erzählt
haben, als wie es durchgehend (an allen Enden /
allseits) hergegangen und geschehen ist.
Gott, der Vater
unseres Herrn Jesus Christus, verleihe uns allen seine
Gnade. Amen.
Wahrscheinliches
und Unwahrscheinliches der„Historia“.
Die Verfasser
der „Historia“ hatten bei Herstellung ihres Berichtes
ein doppeltes Ziel zu verfolgen.
Einmal mussten
sie ein möglichst anziehendes Bild von einem überaus
seligen Ende des „Reformators“ entwerfen, andererseits
mussten sie aber auch Rücksicht nehmen auf die Gerüchte,
welche über ein nichts weniger als harmloses und
naturgemäßes Ende des „Gottesmannes“ bereits ins
Publikum gedrungen waren.
Diese Gerüchte
glaubte man am besten dadurch zu widerlegen, dass man
einzelne Nebenumstände, die im Volke mit großer
Bestimmtheit erzählt wurden, nicht ableugnete, sondern
ihnen nur eine andere Deutung gab, um damit zugleich
noch schlimmere Erzählungen zu dementieren
(bestreiten / verneinen).
Liest man die „Historia“
genau durch, so wird man finden, dass in ihr
folgende Tatsachen zugegeben werden:
-
Luther ist
unvermutet schnell verschieden.
-
Man hat sehr
spät nach den Ärzten geschickt.
-
Die Hinzukommenden sind
erschrocken
und haben geschrien.
-
Man hat
durch Reiben usw. Wiederbelebungsversuche
an dem bereits Entseelten angestellt.
-
Dieser ist
nicht auf
seinem gewöhnlichen
nächtlichen Lager, im Bett, verschieden.
-
Man hat erst
den toten Leib von einem ledernen Ruhebett
d.h. einem Sofa mit mittelalterlichem Bettpfosten in
ein schleunigst nebenan bereitetes Federbett,
das dem Lebenden sonst nicht zur nächtlichen
Lagerstätte diente, gelegt, dort den
Hinzukommenden die Leiche gezeigt, und diese dann
auf das Bett in der Kammer, wo der Entseelte sonst
schlief, bis zum Eintreffen des Sarges geschafft.
Es war also
der Tod nicht auf der gewöhnlichen
nächtlichen Ruhestätte des Verstorbenen erfolgt.
Das waren sechs
Punkte, die im Publikum durch die Aufregung der
Adeligen, der Diener, der Ärzte (der Apotheker, von dem
der „Civis Mansfeldensis“ - der
anonyme Mansfelder Bürger – sprach, wird in der „Historia“
nicht erwähnt) und vor Allen
(allen voran) der Theologen selbst, bekannt
geworden und welche nicht zu verschweigen waren.
Nun vergleiche
man, in welcher gewaltsamen
(zwanghaften / gekünstelten) und meist
lächerlichen Weise ihnen die „Historia“ eine natürliche
Erklärung zu geben versucht !
Wie einfach
klären sie sich dagegen auf durch die Aussage, welche
Luthers Diener später zu Protokoll gegeben hatte !
Wir wollen
zunächst ganz absehen davon, dass der „Reformator“,
nachdem er sein Übermaß Wein noch am Abend vor seinem
Tode zu sich genommen hatte, wohl nicht Alles so
gesprochen und „gebetet“ haben wird, wie es ihm von der
„Historia“ in den Mund gelegt wird.
Aber man beachte
die bis zur Minute genau angegebene Präzision, mit
welcher das allen so unerwartet gekommene Absterben
Luthers sich vollzogen haben sollte.
Es ist wie wenn
jemand auf der Theaterbühne nach einem bestimmten
Programme stürbe.
Und welches
Glück Jonas und Genossen hatten ! Nachdem man weder
durch Rütteln noch durch Reiben, weder durch Kühlen noch
durch Zurufen eine Antwort mehr aus dem Sterbenden
herausbekommen hat, da
erhalten die Freunde eine Viertelstunde vor dem Tode
doch noch einmal das Jawort und zwar ein deutliches1) !
1)
Einige
übereifrige Luther-Dichter haben ihn sogar zweimal
„Ja“ rufen lassen.
Natürlich aber
alle auf Grund derselben „Quelle“ der „Historia“.
Man beachte
auch, dass der Todkranke in einer auffälligen
Bewegung bleibt.
Um neun legt er
sich aufs lederne „Ruhebettlein“ (Sofa) und schläft, „puncto
zehn“ (um genau 10 Uhr)
wacht er auf, erhebt sich und geht in sein anstoßendes
(benachbartes)
Schlafgemach, in die „Kammer“, und legt sich dort ins
Federbett.
Um ein Uhr steht
er hier wieder auf, geht zurück in das größere Zimmer
und legt sich abermals auf das „Ruhebettlein“. Jetzt
erst wird nach den Ärzten geschickt, die „nahe wohnten“,
nachdem der Patient bereits um neun Uhr über
„abermaliges Weh um die Brust“
(neuerliche Schmerzen im Brustbereich) geklagt
hat !
Da gibt die
Aussage des Dieners doch eine bessere Erklärung dafür,
dass man so spät nach den Ärzten geschickt
hat !
Auch ist dem „Civis
Mansfeldensis“ zu glauben, dass die Ärzte erst nach dem
Tode des „Kranken“ eingetroffen
sind.
Auch über den
auffallenden Umstand, dass Luther während der Nacht
nicht in seinem gewöhnlichen Bett, sondern außerhalb
desselben geendet ist, gibt
die Erklärung des Dieners einen allein zureichenden
Aufschluss, während das Hin- und Herlaufen, von dem die
„Historia“ zu erzählen weiß, zumal
(vor allem) bei einem „Gottesmann“ völlig
unerklärbar ist.
Schließlich
vergleiche man einmal das Verhalten, welches Luther im
Jahre 1537 bekundete, als er wegen seines schweren
Stein-Leidens, gleichfalls außerhalb Wittenbergs, sich
dem Tode nahe fühlte, mit dem Gebahren
(Verhalten), welches ihm
die „Historia“ zuschreibt.
Damals (in
Gotha) „beichtete“ der „Reformator“ bei seinem
Reisegefährten Bugenhagen und empfing von ihm die
„Absolution“ 1).
1)
Nach Fabricius, Centifolium Lutheranum
(„100-blättrige“ -
Lutherische Bibliographie),
Hamburg 1728 Seite 497, war in Eisleben Coelius
Luthers „Beichtvater“.
Er beauftragte
denselben, „sein liebes Philippchen“ (Melanchthon) und
seine anderen Kollegen um Verzeihung zu bitten, wenn er
wider sie gesündigt hätte, ferner seiner „treuen Käthe“
(Katharina Luther), den
Predigern und der Gemeinde zu Wittenberg, sowie dem
Kurfürsten seinen letzten Gruß zu bringen und für seine
Kinder so viel als möglich zu sorgen.
Von all' dem
liest man in der „Historia“ keine Silbe. Dass die
Verfasser derselben vergessen konnten, den sterbenden
Luther seines „Weibes“ und seiner Kinder gedenken zu
lassen, obschon (obwohl)
wenigstens zwei seiner Söhne Zeugen seines Todes gewesen
sein sollen, dass sie den „Gottesmann“ ohne „Beichte“
und „Absolution“ scheiden ließen, obgleich der
„Beichtvater“ an seinem Sterbebett gestanden haben
sollte, war von ihrem Standpunkte aus ein großer Fehler,
der auch dadurch nicht gutgemacht wurde, dass sie am
Schlusse ihres Berichtes versicherten, sie legten ihr
Zeugnis ab „vor Gott“ sowie auf ihre „eigene letzte
Hinfahrt und Gewissen“.
Schüler eines
der größten Intriganten, die jemals den Frieden in der
Christenheit gestört haben,
Zöglinge eines Meisters, der seine Jünger offen zum
Lügen anspornte, sobald der Zweck die Mittel „heilige“
1), haben jedes Anrecht zu Berufungen auf ihr „Gewissen“
verloren.
1)
„Si vim
evaserimus, pace obtenta,
dolos,
mendacia
ac lapsus nostros facile emendabimus“
(Luthers Brief an Melanchthon: „Wenn wir mit Gewalt
entkommen sind, werden wir - durch den erhaltenen
Frieden – die Täuschungsmittel / Arglist, die Lügen und
unsere Fehler leicht wiedergutmachen.“)
– diesen Rat gab Luther den Seinen, damit sie auf dem
Reichstage zu Augsburg 1530 Schein-Konzessionen den
Katholiken machten.
(Chytraei hist. August. confess. Francof.1578 p. 295.)
= Chyträus, Historia Confessio Augustana, Francoforti
1578 pagina 295 = Herausgeber: David Chyträus,
Geschichte der Augsburger Konfession, Frankfurt 1578,
Seite 295.
Zitat Luther: Nos hic persuasi sumus -
ad papatum decipiendum omnia licere. =
Wir sind davon
überzeugt - um das Papsttum zu täuschen / zu
hintergehen, ist alles erlaubt.
Bei de Wette
(IV. Seite 156) ist die Stelle schon um das Wort „mendacia“
(Lügen) purgiert
(von Störendem befreit /
gerechtfertigt). Die allergröbsten Lügen hielt
Luther in dem Ehehandel Philipp's von Hessen nicht nur
für erlaubt, sondern für geboten. Vergleiche
Johann Baptist Rady,
Die Reformatoren
in ihrer Beziehung zur Doppelehe des Landgrafen Philipp,
Franfurt 1890.
Über das
Verhalten Luthers in den sogenannten „Pack'schen
Händeln“ (fiktive Bedrohung durch
den Betrüger Otto von Pack) vergleiche „Histor.
pol. Bl.“ (historisch politische
Blätter) Band 104, Heft 1 fflgd.
Entsetzlich
frevelhaft ist aber gar die Berufung auf ihre „eigene
letzte Hinfahrt“.
Möglich zwar,
dass sie auch von diesem Mittel glaubten, es könne durch
seinen „guten“ Zweck geheiligt werden. Aber Gott hat
anders geurteilt: Der Hauptverfasser der „Historia“,
Jonas, hat eine „Hinfahrt“ gehabt, die nicht viel
weniger schauerlich war, als die seines Meisters Luther.
Gleich diesem
starb er (öffentlich verspottet von seinem Sohne, der in
der Verbannung enthauptet wurde) in heller Verzweiflung
und zeigte sich in seiner Gewissensangst so
unempfänglich für jeglichen Trost der Theologen, dass
ihn sein Bedienter erst zu einiger Fassung bringen
musste 2).
2)
Die Quellen
hierüber bei Döllinger, „Reformation“ II, Seite 117.
Leichenpredigt des
Coelius.
gehalten zu
Eisleben am 20. Februar 1546.
Dieweil wir nu
heute zusammen kommen seyn, durch Gottes Befehl und
wohlhergebrachten alten Brauch der heiligen christlichen
Kirchen, bey der Leiche des ehrwürdigen und
hochgelehrten Herrn Doctor Martin Luther's, in Gott
selig verschieden, auf daß wir Ursach haben, solchen
tödtlichen Abgang von Herzen zu beklagen und uns
wiederum auch zu trösten, wollen wir zum Eingang dieses
Sermons (Leichenrede) oder
Predigt den Spruch Esaiä (von
Esaias = Jesaja) für uns nehmen, da der Prophet
am 56 Capitel (Kapitel 56 ist
falsch, richtig ist Jes. 57) also sagt.
Jes. 57:
„Der
Gerechte kommt um, und niemand ist, der es zu Herzen
nehme; und heilige Leute werden aufgerafft
(weggerafft / aufgesammelt),
und niemand achtet darauf. Denn die Gerechten werden
weggerafft für
(vor)
dem Unglück; und die richtig für sich gewandelt haben,
kommen zum Fried und ruhen in ihren Kammern.“
Diese Wort' hab' ich also zum Eingang dieses Sermons für
mich genommen, wie gehört, nicht daß ich allerding
(gänzlich)
den Sinn oder Meinung des Propheten geben will, welcher
in diesen und nähest vorgehenden Worten beschreibt die
falschen und rechtschaffenen Lehrer der Kirchen: wer die
seyn; was ihre Erungenschaft, Thun, Wesen und Ende sey;
als nehmlich die falschen und unrechten Lehrer, sagt der
Prophet, daß sie wohl Wächter seyn, das ist: sie sitzen
in ordentlichem Amt der Kirchen, wie auch jetzund der
Pabst, sein Cardinäl, Bischoff', Mönch' und Pfaffen;
aber es sind blinde Wächter, die nichts wissen; keinen
Verstand der Schrift, noch des Geheimniß der heiligen
Evangelii haben; dazu sind sie stumme Hunde, die nicht
strafen können; sind faul, liegen und schlafen gern.
Aber es sind gleichwohl starke Hunde vom Leibe, die
nimmer satt werden können, geitzen und raffen aller Welt
Güter zusammen, daraus sie in aller Wollust leben, und
endlich das höllische Feuer zu Lohne haben.
Aber die
aufrichtigen und rechtschaffenen Lehrer, der'r einer
auch dieser unser lieber Herr und Lehrer, Doctor Martin
Luther, gewest ist, das sind gerechte, das ist:
die Gott in
seinem Wort wahrhaftig erkannt, und die Gerechtigkeit
des Glaubens,
so für Gott
gilt, sampt den guten Werken, die er gebothen, lehren
und predigen.
Und diese haben nicht viel guter Tage in der Welt,
welche nicht ruhet, bis sie umkommen und aufgerafft
(weggerafft)
seyn. Als denn aber, schleußt
(schließt)
der Prophet, „kommen sie zum Frieden und ruhen in ihren
Kammern“. Aber dies wollen wir also fahren lassen und zu
diesem Mal, wie oben gehört, auf daß wir uns des
Abschieds dieser Leiche annehmen, und, wie uns Paulus zu
den Thessalonichern nachläßt
(hinterlässt / vererbt),
trauern, aber doch auch wiederum christlich trösten
mögen. So will ich allein anzeigen: Was Doctor Martinus
für ein Mann und Lehrer gewest; wie und warum er jetzund
zu dieser Zeit im Herrn entschlafen;
und was nu
endlich bis auf den Tag des Herrn sein Thun und Wesen
sey.
Wenn man in der
Welt einen Mann beschreiben oder loben will, so sagt
man, was ehrlichs Geschlechts; wer seine Voreltern; was
Standes, Würdens und Wesens er sey; was für gute
Tugenden und Sitten er gehabt; wie er derselbigen
gebraucht und sein Ende beschlossen habe. Und wer
hierinnen (darin) einen
guten Nahmen hat, das ist eine große Gabe Gottes,
sonderlich (besonders) wo
es recht gebraucht wird, und billig
(recht), daß man Gott dafür
danke.
Und wiewohl man
des (dessen) viel auch von
diesem theuren Mann sagen künde*), daß er, sampt seinem
Geschlecht, vielleicht den Nahmen und Herkommen von
Kaiser Luther**) haben; oder aber doch, wie es mit den
Geschlechtern pflegt in der Welt zu gehen, daß sie im
Ansehn steigen und fallen, wie auch David's Stamm zu
Christi Zeiten gefallen war, daß ihm Esaias
(Jesaja) einen alten dürren
Ploch***) vergleichet, und nu dieses unseres lieben
Herrn und Vaters Geschlecht auch nicht mehr in großem
Ansehn ist. So weiß aber gleichwohl das diese Stadt
Eisleben und das ganze Mannsfeldische Land, daß er von
ehrlichen, frommen Eltern, allhie
(hier an diesem Ort) zu Eisleben ehelich geboren,
und als ein Christ getauft worden.
Und nach einem
halben Jahr haben ihn dieselben seine Eltern zu
Mannsfeld erzogen, da sie den mehren Theil
(Großteil) ihres Lebens in
Ehren zubracht.
Welch ein Leben
sie auch allda (an diesem Ort /
daselbst) beschlossen, und beide, Vater und
Mutter, wie er, der liebe Mann Gottes, auch mir in
meinen Händen mit seligem Bekenntniß ihres Glaubens und
Anrufung göttliches Nahmens im Herrn entschlafen sein.
Denen Gott ewiglich genade.
*)
könnte
**)
Lothar
(Bekanntlich hat sich Luther aber anfänglich selbst
„Luder“ geschrieben.
***)
Block; mit Hindeutung auf Jes. 11, 1.
Doch aus dem
Baumstumpf Isais wächst ein Spross hervor, ein junger
Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht. (= Der Messias
kommt aus dem Hause David.)
Der
vorhergehende Textabschnitt im heutigen Sprachjargon:
Weil wir nun
heute zusammengekommen sind, durch Gottes Befehl und den
althergebrachten (überlieferten) alten Brauch der
heiligen christlichen Kirche, bei der Leiche des
ehrwürdigen und hochgelehrten Herrn Doktor Martin
Luther, der in Gott selig verschieden ist, auf dass wir
Grund dazu haben, diesen solchen tödlichen Abgang von
Herzen zu beklagen und um uns wiederum auch gegenseitig
zu trösten, so wollen wir eingangs dieser Leichenrede
oder Predigt für uns den Spruch aus Jesaja herausnehmen,
da der Prophet im 56. Kapitel (Kapitel 56 ist falsch,
richtig ist Jes. 57) es so sagt:
„Der
Gerechte kommt um, und niemand ist, der es zu Herzen
nimmt; und heilige Leute werden weggerafft, und niemand
achtet darauf. Denn die Gerechten werden weggerafft vor
dem Unglück; und die für sich recht gewandelt haben,
kommen zum Frieden und ruhen in ihren Grabeskammern.“
Diese Worte habe ich also anfangs dieser Leichen-Predigt
für mich verwendet, wie eben gehört, nicht dass ich
gänzlich den Sinn oder die Meinung des Propheten
wiedergeben will, welcher in diesen und den nächsten
vorhergehenden Worten die falschen und die
rechtschaffenen Lehrer der Kirche beschreibt: nämlich
wer diese sind; was ihre Errungenschaft, ihr Tun, ihr
Wesen und deren Ende ist; als dass die falschen und
unrechten Lehrer - so sagt der Prophet - zwar Wächter
sind, indem sie in einem ordentlichen Amt der Kirche
sitzen, so wie auch jetzt momentan der Papst, seine
Kardinäle, die Bischöfe, Mönche und Pfaffen (Pfarrer);
aber es sind blinde Wächter, die nichts wissen; kein
Verständnis von der Schrift, noch vom Geheimnis des
heiligen Evangeliums haben; noch dazu sind sie stumme
Hunde, die nicht strafen können (zu
nichts taugen);
sind faul, liegen herum und schlafen gern (Jes.
56, 10).
Aber es sind zugleich starke Hunde bezüglich des Leibes,
die niemals satt werden können, geizen und von aller
Welt die Güter zusammenraffen, von daher leben sie in
aller Wollust, und erhalten letztendlich dafür zum Lohn
das Höllen-Feuer.
Aber die
aufrichtigen und rechtschaffenen Lehrer, unter denen
einer auch dieser unser lieber Herr und Lehrer Doktor
Martin Luther gewesen ist - das sind Gerechte, die da
sind: die Gott in seinem Wort wahrhaftig erkannt haben
und die Gerechtigkeit des Glaubens - so wie sie für Gott
gilt, samt den guten Werken, die Er geboten hat - lehren
und predigen. Und diese haben nicht viele gute Tage in
der Welt, welche solange nicht ruht, bis sie umgekommen
und dahingerafft sind.
Dann aber, so
schließt der Prophet den Bibel-Vers, „kommen sie zum
Frieden und ruhen in ihren Grabeskammern“.
Aber dies wollen
wir dabei belassen und dieses Mal gilt, wie bereits oben
gehört, dass wir uns des Abschieds von dieser Leiche
annehmen und - so wie uns das Paulus im Brief an die
Thessalonicher hinterlässt – trauern mögen, aber doch
auch dass wir uns wiederum gegenseitig christlich
trösten mögen. Somit will ich allein darauf hinweisen:
Was Doktor Martinus für ein Mann und Lehrer gewesen ist;
wie und warum er
gerade jetzt zu dieser Zeit im Herrn entschlafen ist;
und was nun
letztendlich bis zum Tag des Herrn sein Tun und Wesen
sei.
Wenn man in der
Welt einen Mann beschreiben oder loben will, so spricht
man davon, wessen ehrlichen Geschlechts er sei (von
welchem ehrwürdigen Geschlecht er abstammt); wer seine
Vorfahren waren; welchen Standes, von welcher Würde (moralische
Ehrbarkeit oder amtliche Würde) und welchen Wesens
(Charakter) er ist; was für gute Tugenden und Sitten er
gehabt hat, von denselben er Gebrauch machte und wie er
sein Lebensende beschlossen habe (Todesart). Und wer
darin einen guten Namen hat, für den ist es eine große
Gabe Gottes, besonders wenn diese recht gebraucht wird,
und es ist recht und billig, dass man Gott dafür danke.
Und wenn man
auch von diesem teuren Mann viel darüber sagen könnte,
nämlich auch dass er, samt seinem Geschlecht
(Vorfahren), vielleicht den Namen und seine Herkunft von
Kaiser Lothar her hat - oder aber doch, wie es mit den
(alten) Geschlechtern in der Welt zuzugehen pflegt, dass
sie im Ansehen steigen und fallen, so wie auch der Stamm
Davids zur Zeit Christi gefallen war, sodass ihn Jesaja
mit einem alten dürren Holzblock vergleicht, und nun
dieses unseres lieben Herrn und Vaters (Luthers)
Geschlecht auch nicht mehr in großem Ansehen steht.
So weiß das aber
diese Stadt Eisleben und das ganze Land Mansfeld
dennoch, dass er von ehrlichen, frommen Eltern hier an
diesem Ort zu Eisleben ehelich geboren und als Christ
getauft worden ist.
Und nach einem
halben Jahr haben ihn dieselben seine Eltern zu Mansfeld
erzogen, wo sie den Großteil ihres Lebens in Ehren
zubrachten.
Welch ein Leben sie
auch an diesem Ort / daselbst beschlossen haben, und
beide, Vater und Mutter, wie auch er, der liebe Mann
Gottes, sind bei mir in meinen Händen mit seligem
Bekenntnis ihres Glaubens und unter Anrufung des
göttlichen Namens im Herrn entschlafen. Gott sei Ihnen
ewiglich gnädig.
So könnte man
ihn auch viel seiner guten Tugenden halben rühmen; denn
er Mässigkeit (Tugendhaftigkeit in
allen leiblichen Genüssen) und Zucht
(gute Sitten / züchtiges und
gesittetes Benehmen) geliebet und gehalten hat;
des (dessen) ihm mit
Wahrheit niemand anders nachsagen kann. Aber von diesem
und Anderm will ich Andere, die grössers Vermögens zu
reden und zu schreiben seyn, sagen lassen, und zu diesem
mal alleine anzeigen von seinem Ampte, dazu er von Gott
berufen, das er in der Kirchen geführt, und was die
heilige christliche Kirche an ihm gehabt habe, ein wenig
euer' Liebe vermahnen (ermahnen).
Es soll niemand,
der Gottes Wort und Wahrheit erkannt hat und liebet,
daran zweifeln, daß dieser Mann des
(dessen) selige Leiche wir noch allhie
(hier an diesem Ort) vor
unsern Augen sehen stehen, das Amt in der Kirchen
geführt, welches zu seiner Zeit, Elias und Jeremias,
Johannes der Täufer oder der Aposteln einer geführt
haben. Denn ob diese wohl mit etzlichen sonderlichen
(etlichen besonderen) Gaben
vor ihm sind von Gott begnadet gewest, doch, so viel das
Ampt belangt, ist er wahrhaftig zu unser Zeit ein
rechter Elias oder Jeremias, und für dem großen Tage des
Herrn Johannes, der Vorläufer, oder ein Apostel.
Denn wenn man je sagen muß, wer die Wahrheit bekennen
will, daß
[es] in der Kirchen eben gestanden, da Gott diesen Mann
in sein Ampt erwecket und berufen hat, wie es stund
(stand)
zu'n Zeiten Eliä, Jeremiä, Johannis, und da die Aposteln
von Gott zu predigen ausgesandt wurden. Die Schrift
sagt: 1 B. d. Könige 18
(1.
Buch der
Könige 18).
Daß zur Zeit des Propheten Eliä das ganze Israel von
Gott abgefallen und dem abgöttischen Dienst Baal
angehangen sey; daß auch Elias klaget: er sei alleine
ein Prophet überblieben
(übrig geblieben)
in Israel; alle andere waren abgefallen und dienete
einer diesem, der andern einem andern Gott;
der wahrhaftige Gott hatte nicht mehr denn einen
einzigen Propheten;
Baal hatte ihr'r vier hundert und funfzig
(450).
So waren der Propheten des Hayns, die vom Tische Isebel
aßen, auch vierhundert*).
*)
1 B. d. Könige 18, 19.
(1.
Buch der
Könige 18,
19)
Also auch zur Zeit Jeremiä klaget Gott über sein Volk am
2 Capitel und sagt:
Ihr habt mein Erbe zum Gräuel gemacht; die Priester
gedenken nicht, wo ist der Herr? Und die Gelehrten
achten mein nicht, und die Hirten führen die Leute von
mir, und die Propheten weissagen von Baal und hängen an
den unnützen Götzen; ich muß mich immer mit euch und mit
euren Kindeskinder schelten, spricht der Herr.
(Jer. 2,8 - 9)
So könnte man
ihn auch vielfach wegen seiner guten Tugenden rühmen;
denn er liebte die Mässigkeit (Tugendhaftigkeit in allen
leiblichen Genüssen) und die Zucht (gute Sitten /
züchtiges und gesittetes Benehmen) und hat dies auch
gehalten;
über das ihm
wahrhaft niemand etwas anderes nachsagen kann. Aber von
diesem und anderem will ich besser andere Leute, die ein
größeres Vermögen haben, zu reden und zu schreiben,
sprechen lassen, und dazu diesmal einzig und allein auf
sein Amt hinweisen, nämlich wozu er von Gott berufen
wurde, das er in der Kirche führte / innehatte und was
die heilige christliche Kirche an ihm gehabt hat, und
auch ein wenig zu eurer Liebe ermahnen.
Es soll niemand, der Gottes Wort und die Wahrheit
erkannt hat und auch liebt, daran zweifeln, dass dieser
Mann, dessen selige Leiche wir immer noch hier an diesem
Ort vor unseren Augen stehen sehen, das Amt in der
Kirche führte, welches damals seinerzeit Elias und
Jeremias, Johannes der Täufer oder etwa einer von den
Aposteln geführt haben. Denn obwohl diese vor ihm von
Gott mit etlichen besonderen Gaben begnadet gewesen
sind, so ist jedoch er - so viel sein Amt belangt - zu
unserer Zeit wahrhaftig ein rechter Elias oder Jeremias
und vor dem großen Tag des Herrn wie der Johannes - der
Vorläufer (Wegbereiter
Jesu)
- oder etwa gleich einem Apostel gewesen.
Denn wenn man jemals sagen muss, sofern wer die Wahrheit
bekennen will, nämlich dass
es in der Kirche genau so gestanden ist (beschaffen
war), wo Gott diesen Mann in sein Amt erweckt und
berufen hat, so wie es auch zu den Zeiten von Elias,
Jeremias und Johannes stand (gegeben war) und wo die
Aposteln von Gott ausgesandt wurden, um zu predigen. Die
Schrift sagt im
1.
Buch der
Könige 18, dass zur Zeit des Propheten Elias das ganze
Volk Israels von Gott abgefallen und dem abgöttischen
Dienst Baal angehangen sei; und dass auch Elias klagte:
er alleine sei in Israel als ein einziger Prophet übrig
geblieben; alle anderen waren abgefallen und der eine
diente diesem und der andere einem anderen Gott; während
der wahrhaftige Gott nicht mehr als einen einzigen
Propheten hatte; Baal hatte davon 450. Genauso zählten
die Propheten des Hayns (Aschera) auch 400, welche vom
Tisch Isebels aßen.
1.
Buch der
Könige 18,
19:
Isebel wird vorgeworfen, für die Ermordung zahlreicher
Jahwe-Propheten verantwortlich zu sein, sodass sie zur
Feindin von Elias wird. Als Elias durch ein
„Gottesurteil“ klären will, wer denn die mehr als drei
Jahre anhaltende Dürre verschuldet hat bzw. beenden
kann, lässt er durch den Ehemann Isebels, nämlich Ahab,
die Propheten verschiedener Glaubensrichtungen auf dem
Berg Karmel versammeln. Elija spricht zu Ahab:
„Wohlan,
so sende nun hin und versammle zu mir ganz Israel auf
dem Berg Karmel und die 450 Propheten Baals, auch die
400 Propheten der Aschera, die vom Tisch Isebels essen.“
So klagte Gott auch zur Zeit von Jeremias über sein Volk
im 2. Kapitel und sagt:
Ihr habt mein Erbe zum Gräuel gemacht; die Priester
gedenken meiner nicht und fragen: Wo ist der Herr? Und
die Gelehrten achten meiner nicht, und die Hirten führen
die Leute in Untreue von mir weg, und die Propheten
weissagen im Namen Baals und hängen an ihren unnützen
Götzen; immer noch muss ich mit euch und mit euren
Kindeskindern hadern und sie tadeln, so spricht der
Herr. (Jer 2,8 – 9)
Wie es aber in den Kirchen stund
(stand)
zur Zeit Johannis des Täufers, ist klar aus dem neuen
Testament zu sehn; daß, ob nach der Babylonischen
Gefängniß schon die Abgötterey nicht aufgerichtet wurde,
wie zuvor, so hatte sich eben das Volk in Sekten
zerspalten und waren Essäer
(Essener),
Pharisäer und Sadducäer, der'r jeglicher wollte besser
seyn, denn der andere; verließ sich jeder Theil auf sein
eigen gut Leben und, wie der Prophet saget, beteten an
das Werk ihrer eigenen Hände*).
*)
Jerem. 1, 16.
Daraus schreiet und klaget nun über alle Maße der
Prophet Jeremias.
Elias aber tödtete auf einen Tag alle Baalitische
Pfaffen**);
**)
1 B. d. Kön. 18, 40.
1. Buch der Könige 18, 40.
Johannes heißt sie Schlangen und Ottergezüchte***);
***)
Matth. 3, 7.
greifen mit hohem Geiste in alles abgöttische Wesen,
stoßen es um, und richten wiederum auf die reine Lehre
von der Buße und Vergebung der Sünden, und lehren was
ein rechtschaffener Gottesdienst sey.
Also, meine lieben Freunde, wie oben berührt, hat es
noch leider gestanden in der heiligen christlichen
Kirchen, jetzund in den letzten Tagen unter dem
päbstischen Antichrist; da sind alle Irrthümer, Ketzerey,
Secten und Abgötterey zusammen in eine Grundsuppen
(schlammiger Bodensatz eines flüssigen Körpers =
Grundübel)
alles Gräuels geflossen, es ist kein rechter Verstand
der heiligen Schrift gewesen, keine reine Lehre zu Trost
der Gewissen gepredigt; Menschensatzungen
(Menschen-Gebote, die dem göttlichen Gesetze
widersprechen)
sind über Gottes Wort gehalten; niemand hat gewußt, wie
man Gott anrufen, weß man sich in Nöthen zu ihm versehen
(sich vertrauensvoll an ihn wenden),
was man doch thun oder wie man dienen sollte; Finsterniß
haben bedeckt den ganzen Erdboden;
kein Licht hat geschienen in der Kirchen.
In Summa
(in einem Wort
zusammengenommen),
wie der Prophet sagt am 34 Cap. v. 5. 6
(Kapitel 34, Vers 6 -
7):
„Die
Schaafe haben geirret, wie in einer Wüsten auf allen
Bergen, da kein Hirt ist.“
Hesekiel 34, Vers 5: Da verliefen sie sich, denn sie
hatten ja keinen Hirten, und fielen Raubtieren zum
Opfer. So zerstreuten sich (Matthäus 9, 36) meine Schafe
und irrten im ganzen Land umher, auf Bergen und Hügeln.
Niemand fragte nach ihnen und niemand suchte sie.
Und auch wie Esaias am 53sten spricht: „ein jeglicher
ist auf seinen Weg gewichen.“
Jesaja 53, 6: Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, /
jeder ging für sich seinen Weg.
Doch der Herr lud auf ihn (Jesus)
/ die Schuld von uns allen.
Aber Gottes Weg, welchen die Schrift lehret, und
Christus, der Sohn Gottes ist, den hat niemand gegangen.
Und ist der Schade grösser, denn ihn jemand mit Worten
erlangen mag.
Denn, wie zur
Zeit Eliä nicht Gott, sondern Baal angerufen wurde, und
Johannis des Täufers Zeiten alles voller Secten war, und
eine der andere sich fürziehen wollt';
also hat man die verstorbenen Heiligen, ja auch wohl
Holz und Steine, und wie man in unsrem Mannsfeldischen
Lande erfahren, den Weidenstock, welchen sie Gedut
genannt, und den guten Lupen
(Lupus = Wolf),
welches ein todter Hund sein soll, angerufen, und bey
ihnen Trost und Hülfe gesucht, wie in andern Landen auch
geschehen, und die starken Pfeiler der antichristlichen
Kirche, die elenden Theologen zu Löwen
(Stadt in Belgien),
in ihren Artikeln noch bestätigen und erhalten wollen.
Wie es aber um die Kirche zur der Zeit des Johannes des
Täufers stand, ist klar aus dem neuen Testament zu
ersehen, als dass - obschon nach der Babylonischen
Gefangenschaft die Abgötterei (Götzendienst) nicht
aufgerichtet wurde, wie auch zuvor - sich das Volk eben
in Sekten aufgespalten hatte und das waren die Essener,
die Pharisäer und die Sadduzäer, von denen jeder besser
sein wollte als der andere; jeder Teil verließ sich auf
sein eigenes gutes Leben und - wie der Prophet sagte -
sie beteten das Werk ihrer eigenen Hände an (Jeremias 1,
16).
Daher schrie und klagte nun der Prophet Jeremias über
alle Maßen.
Elias aber tötete an einem Tag alle Baals-Priester (1.
Buch der Könige 18, 40).
Johannes nennt sie Schlangen und Otter-Gezücht (Matthäus
3, 7).
Sie greifen mit hohem Verstand / mit hoher Denkart in
jegliches Götzen-Wesen ein, stoßen es um und richten
darauf wiederum die reine Lehre von der Buße und der
Vergebung der Sünden auf, und lehren was ein
rechtschaffener Gottesdienst sei.
So, meine lieben Freunde, wie oben angesprochen, war
leider lange Zeit die Lage in der heiligen christlichen
Kirche und so verhält es sich jetzt in den letzten Tagen
unter dem päpstlichen Antichristen; da sind alle
Irrtümer, jede Form der Ketzerei, Sekten und
Götzendienst zusammen in eine Grundsuppe (schlammiger
Bodensatz eines flüssigen Körpers / Grundübel) bestehend
aus allen Gräueln geflossen, es ist kein rechter
Verstand der heiligen Schrift vorhanden gewesen, keine
reine Lehre zum Trost der Gewissen (Betroffenen) wurde
gepredigt; Menschensatzungen (Menschen-Gebote, die dem
göttlichen Gesetze widersprechen) sind über das Wort
Gottes gestellt worden; niemand hat gewusst, wie man
Gott anrufen soll, weswegen man sich in Nöten zu ihm
versehen / sich vertrauensvoll an ihn wenden soll, was
man tun oder wie man dienen sollte; Finsternis hat den
ganzen Erdboden bedeckt; kein Licht hat in der Kirche
geschienen.
In summa (=
zusammenfassend / insgesamt) wie der Prophet im Kapitel
34, Vers 5 – 6, sagt:
„Die
Schafe haben geirrt, wie in einer Wüste auf allen
Bergen, weil kein Hirte da ist.“
Hesekiel 34, Vers 5: Da verliefen sie sich, denn sie
hatten ja keinen Hirten, und fielen Raubtieren zum
Opfer. So zerstreuten sich (Matthäus 9, 36) meine Schafe
und irrten im ganzen Land umher, auf Bergen und Hügeln.
Niemand fragte nach ihnen und niemand suchte sie.
Und auch wie Jesaja im 53. Kapitel spricht: „ein
jeglicher ist auf seinen (eigenen) Weg gewichen.“
Jesaja 53, 6: Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe,
jeder ging für sich seinen Weg.
Doch der Herr lud auf ihn (Jesus)
die Schuld von uns allen.
Aber Gottes Weg, welchen die Schrift lehrt, und
Christus, der der Sohn Gottes ist, den Weg hat niemand
begangen. Und so ist der Schaden größer, als ihn jemand
mit Worten zu beschreiben vermag.
Denn so wie zur Zeit des Eliias nicht Gott, sondern Baal
angerufen wurde, und zu den Zeiten Johannes des Täufers
alles voller Sekten war und sich eine der anderen
vorziehen / überordnen wollte; so hat man die
verstorbenen Heiligen, ja sogar sehr wohl auch Holz und
Steine, und wie man in unserem Land Mansfeld erfahren
hat, den Weidenstock, welchen sie „Gedut“ nannten und
den „guten Lupen“ (Lupus = Wolf), welcher ein toter Hund
sein soll, angerufen und bei ihnen Trost und Hilfe
gesucht, so wie das in anderen Ländern auch geschehen
ist, und was die starken Pfeiler der antichristlichen
Kirche, die elenden Theologen von Löwen (Stadt
in Belgien),
in ihren Schriftstücken auch noch bestätigen und
erhalten wollen.
So sehe man auch
an die seltsamen und wunderlichen Secten, daß es zu
Johannis Zeiten Kinderspiel gewesen gegen den wüsten
Gräuel der Mönche und Nonnen, Cardinäl, Bischöfe und
alles geistlichen Haufens; da es keiner mit dem andern
gehalten, jede Sect einen eigenen Gott, ihre eigenen
Werke, Regeln und Orden ausgeworfen, dadurch sie haben
wollen selig werden. Und ist der Glaub' an Jesum
Christum bey ihnen gar eine schlechte Sach gewesen; man
müßte viel höher' und größer' Ding zur Seligkeit haben,
denn der liebe Gottessohn gelehrt.
Also ist's in den Kirchen leider gestanden, wie es noch
zu beweisen ist mit der That, wo der Pabst regieret, als
lang
(so lang)
bis uns Gott vor seinem großen Tage den theuren Mann
erwecket hat, der zu unsrer Zeit ein rechter Elias und
Johannes gewest ist. Denn wie Elias zu seiner Zeit die
Abgötterey angegriffen und niedergelegt
(beendet /
niedergeworfen),
also hat Doctor Martin Luther auch den gewaltigen Abgott
(Idol / falscher Gott)
des päbstischen
Ablasses angetastet und zu Boden geschlagen
(niedergeschlagen).
Und wie Elias die Paffen
(Priester)
des Baals getödtet, also hat der Mann Gottes mit dem
Schwerdt göttliches Wortes die Meßpfaffen
(priesterlichen
Altardiener)
und ihren Abgott
(Götze / falscher
Gott)
umgestoßen.
Dagegen aber hat
er, wie Johannes, der heilige Täufer, christliche und
rechtschaffene Buße gelehret, und geprediget, wie und
wodurch man zu rechter Erkenntniß der Sünde komme,
wodurch man Vergebung der Sünden erlange, was
rechtschaffene Früchte der Buße seyn, wie man Gott
dienen und ihn anrufen soll;
und in Summa die
Heilige Schrift, welche zuvor ein verschlossen und
versiegelt Buch war, hat Gott durch ihn eröffnet, daß
fint der Apostel Zeit sie mit solchem Verstand, wie
jetzund, nicht ist gelesen worden.
So kann man auch
an den seltsamen und wunderlichen Sekten erkennen, dass
das zu den Zeiten von Johannes im Gegensatz zu dem
wüsten Gräuel der Mönche und Nonnen, Kardinäle, Bischöfe
und des ganzen geistlichen Haufens ein Kinderspiel
gewesen ist, weil keiner zum anderen gehalten hat und
jede Sekte einen eigenen Gott, ihre eigenen Werke,
Regeln und Orden entworfen hat - allein dadurch wollten
sie selig werden. Und der Glaube an Jesus Christus galt
bei ihnen als eine gänzlich schlechte Sache, denn man
müsse viel höhere und größere Dinge zur Erlangung der
Seligkeit haben, als es der liebe Gottessohn gelehrt
hat.
So ist es leider um die Kirche gestanden, wie es auch
noch anhand der Tat zu beweisen ist, nämlich wo der
Papst regiert, so lange bis Gott vor seinem großen Tag
für uns den teuren Mann erweckt haben wird, der zu
unserer Zeit ein rechter Elias und Johannes gewesen ist.
Denn so wie Elias zu seiner Zeit den Götzendienst
angegriffen und beendet / niedergeworfen hat, so hat
auch Doktor Martin Luther den gewaltigen Abgott (Idol /
falscher Gott) des päpstlichen Ablasses angetastet und
niedergeschlagen. Und so wie Elias die Pfaffen
(Priester) des Baals getötet hat, so
hat auch der Mann Gottes mit dem Schwert des göttliches
Wortes die Messe-Pfaffen (priesterlichen Altardiener)
und ihren Abgott (Götze / falscher Gott) umgestoßen.
Er aber hat
dagegen - wie Johannes, der heilige Täufer - die
christliche und rechtschaffene Buße gelehrt und
gepredigt, wie und wodurch man zu einer rechten
Erkenntnis von der Sünde kommt und wodurch man eine
Vergebung der Sünden erlangen kann, was rechtschaffene
Früchte der Buße sind, wie man Gott dienen und wie man
ihn anrufen soll; und in summa (= insgesamt) hat Gott
durch ihn die Heilige Schrift eröffnet / offenbart -
welche zuvor nur ein verschlossenes und versiegeltes
Buch war, sodass er sie - wie zur Zeit der Apostel - mit
solch einem Verstand gefunden hat, wie sie (die Bibel)
jetzt und nie gelesen worden ist.
Denn da haben
wir nu einen richtigen Unterscheid des Gesetzes und
Evangelii;
was jedes sey,
was es wirke; wie man seiner seliglich gebrauchen solle;
welches gute Werk seyn; wie die Gott gefallen; warum man
sich darinnen soll üben; was denselbigen durch Gottes
Verheißung folge. Und ist dieser Verstand
(Verständnis) auch den
lieben Vätern, als Hieronymo
(Hieronymus: Heiliger und Kirchenvater), Cypriano
(Cyprianus: Heiliger und Bischof
von Karthago), Tertulliano
(Tertullian: früher christlicher Schriftsteller aus
Karthago) und andern gar seltsam
(selten) und theuer gewest,
aber etzliche hundert Jahre unter dem Pabstthum ganz
verfallen, daß man keinen beständigen Trost der Gewissen
in Anfechtung (Angriffe /
Versuchung) und Todesnöthen hat haben können. So
die Mönche bei sterbenden Menschen gewest, und sie
trösten sollen, haben sie dieselbigen auf Mariam geweist
(verwiesen). Denn da hat
man den Leuten vorgesungen und gesagt:
„Maria,
mater gratiae, mater misericordiae, tu nos ab hoste
protege, in hora mortis suscipe,“ das ist: „Maria,
die du bist eine Mutter der Gnad, und aller
Barmherzigkeit, errette
(beschütze) uns von unsern Feinden, und nimm uns
auf in der Stunde des Todes,“ oder haben sie auf andere
Heilige, ihre Orden und gute Werke geweiset, welches die
lieben Heiligen nie begehret; und die Gewissen kein
beständigen Grund gehabt, des sie sich hätten trösten
mögen; sind endlich (letztendlich)
in Verzweiflung ihrer Sünden gestorben.
Jetzund haben
wir aber den großen und wahrhaftigen Grund, daß wir auf
den Sohn Gottes, Jesum Christum, unsern lieben Herrn und
Heiland, leben und sterben, singen mit dem lieben
Simeon: Nunc dimittis servum tuum, Domine etc.
secundum verbum
tuum in pace = Nun lässt du deinen Knecht, Herr, gemäß
deinem Wort / wie du gesagt hast, in Frieden scheiden. (dimittere:
ausschicken, entlassen = vom Dienst entbinden).
Lobgesang des Simeon. Martin Luther schuf ausgehend vom
„nunc dimittis“ den Choral: „Mit Fried und Freud ich
fahr dahin“.
Mit Fried und
Freud ich fahr dahin in Gottes Willen etc. Item
(ebenso) wir singen mit dem
lieben Stephano: Herr Jesu, nimm mein Geist auf zu dir,
Apostelgesch. 7, 59.
Gebet des
heiligen Stephanus bei seiner Steinigung.
Und wissen mit
S. Paulo, daß wir leben oder sterben, so sind wir des
Herrn. Röm. 14, 8. Ja, wer hat uns aber diese selige
Kunst gelehrt, und den Grund angezeiget, dawider alle
höllische Pforten nichts vermögen, daß aus Kreuz und
Leiden Trost und Freude, aus dem Tod ein feiner, sanfter
und sicherer Schlaf werden muß, wie man an unsern Leuten
unter dem heiligen Evangelio, Gottlob, an so viel, beyde
Jungen und Alten, fürnehmlich aber, wie wir hören
werden, an diesem Manne Gottes erfahren und gesehen
haben, daß keine Furcht des Todes an ihm gespürt wird,
und etzliche mit Gesang, etzliche mit herzlicher
Begierde und Anrufung göttlichen Namens und mit Freuden
sich in den Tod begeben.
Denn hier haben
wir nun einen richtigen Unterschied zwischen dem Gesetz
und dem Evangelium, nämlich was jedes an sich ist und
was es bewirkt; wie man davon selig Gebrauch machen / es
verwenden soll; was gute Werke sind; wie sie bei Gott
Gefallen finden, warum man sich darin üben soll; was
denselben (guten Werken) durch die Verheißung
Gottes nachfolgt. Und dieses Verständnis darüber ist
auch den lieben Vätern, wie Hieronymus (Heiliger und
Kirchenvater), Cyprianus (Heiliger und Bischof
von Karthago), Tertullianus (früher christlicher
Schriftsteller aus Karthago) und anderen selten und
teuer gewesen, ist aber etliche hundert Jahre lang unter
dem Papsttum ganz verfallen, sodass man bei einer
Anfechtung (Angriffe / Versuchung) und in Todesnöten von
gewissen Leuten keinen beständigen Trost hätte haben
können. So sind die Mönche bei sterbenden Menschen
gewesen, hätten diese auch trösten sollen, sie aber
haben dieselben einfach auf Maria verwiesen.
Denn da hat man
den Leuten vorgesungen und gesagt:
„Maria,
mater gratiae, mater misericordiae, tu nos ab hoste
protege, in hora mortis suscipe,“ das heißt :
„Maria, die du bist eine Mutter der Gnade, und aller
Barmherzigkeit, errette (beschütze) uns von unseren
Feinden, und nimm uns auf in der Stunde des Todes,“ oder
sie haben auf andere Heilige, deren Orden und ihre guten
Werken hingewiesen, was die lieben Heiligen selbst nie
begehrt haben;
und die besagten
Leute haben keinen beständigen (dauerhaften) Grund
gehabt, dessen sie sich hätten trösten können, sondern
sind letztendlich in Verzweiflung ihrer Sünden
gestorben.
Jetzt haben wir
aber einen großartigen und wahrhaftigen Grund, dass wir
für den Sohn Gottes, Jesus Christus, unseren lieben
Herrn und Heiland, leben und sterben, und mit dem lieben
Simeon singen: Nunc dimittis servum tuum, Domine etc.
secundum
verbum tuum in pace =
Nun lässt du
deinen Knecht, Herr, gemäß deinem Wort / wie du gesagt
hast,
in Frieden
scheiden. (dimittere: ausschicken, entlassen = vom
Dienst entbinden).
Lobgesang des
Simeon. Martin Luther schuf ausgehend vom „nunc dimittis“
den Choral:
„Mit
Fried und Freud ich fahr dahin“.
Mit Fried und
Freud ich fahr dahin in Gottes Willen etc. Ebenso singen
wir mit dem lieben Hl. Stephan: Herr Jesus, nimm meinen
Geist auf zu dir, Apostelgesch. 7, 59.
Gebet des
heiligen Stephanus bei seiner Steinigung.
Und wir wissen
durch den heiligen Apostel Paulus, dass wir leben oder
sterben, so gehören wir dem Herrn. Röm. 14, 8.
Leben wir, so
leben wir für den Herrn, sterben wir, so sterben wir für
den Herrn.
Ob wir leben
oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn.
Ja, aber wer hat
uns diese selige Kunst gelehrt, und den Grund angezeigt,
warum alle höllischen Pforten dagegen nichts vermögen
(ausrichten können), nämlich dass aus dem Kreuz und dem
Leiden heraus Trost und Freude entsteht, aus dem Tod ein
feiner, sanfter und sicherer Schlaf werden muss, wie man
es an unseren unter dem heiligen Evangelium stehenden
Leuten, gottlob (Gott sei Lob und Dank), an so vielen,
an beiden - Jungen und Alten, vornehmlich (vor allem)
aber - wie wir hören werden - an diesem Manne Gottes
erfahren und gesehen hat, dass an ihm keine Todes-Furcht
gespürt (bemerkt) wurde, und etliche mit Gesang,
wiederum etliche mit herzlicher Begierde
(leidenschaftlichem Verlangen) und die sich durch die
Anrufung des göttlichen Namens mit Freuden in den Tod
begeben haben.
Freilich haben
wir die Kunst nicht vom Pabst, welcher lieber wollte,
daß wir noch auf seine Ablaßbrief' und Gnade stürben,
und also ewig verdürben, allein, daß er sampt den
Seinen, in Würden und Reichthum ein sanftes Epikurisches
Leben (Epikureismus: Lust als das
einzige wirkliche Gut) führen möchte. So lehren's
die Bischöfe auch nicht, denn sie weder Prediger noch
Kranke besuchen.
So wollten uns
die Mönch' viel lieber in ihren Mönchskappen
(Mönchskutte mit Kapuze)
und auf die Orden begraben, denn daß wir auf Christum
sterben; ihrenthalben (ihretwegen
= wegen ihnen) würden wir den rechten Weg zum
ewigen Leben nicht treffen.
Darum haben wir
solches Gott, dem ewigen Vater unsers Herrn Jesu
Christi, zu danken, der durch seinen heiligen Geist aus
grundloser (selbstloser)
Gnad' und Barmherzigkeit diesen seinen treuen Diener
erleucht't und erwecket hat, der mit allem Fleiß und
Treuen durch's Evangelium den Sohn Gottes geprediget,
wie der der alten Schlangen (Teufel)
den Kopf zutrete (zertrete),
das ist (das heißt), vom
Teufel und seiner Gewalt errette, und zum Tode saget:
„Tod, wo ist nu dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?
Aber der Stachel des Todes ist die Sünde; die Kraft aber
der Sünde ist das Gesetz; Gott aber sey Dank, der uns
den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesum Christum
!“ *)
*)
1 Cor. 15, 55.
1. Brief des
Paulus an die Korinther 15, 55.
Dies ist's, das
der Mann gelehret hat, und die Gläubigen daraus einen
Muth fassen wider Sünde, Tod, Hölle und Teufel.
Wohlan ! Der
Mann, welcher zu unseren Zeiten im Geist und Kraft Eliä
gewandelt, auch ein Vorläufer vor dem jüngsten Tage, ein
rechter Johannes gewest ist, der ist nu durch seinen
letzten Abschied dahin, und
[wir] werden ihn vor dem Ende der Welt nicht mehr sehen.
Darum wir billig
(zu Recht)
auch, wie Elisa
(= Elischa / Elisäus),
der Prophet, klagen: „Mein Vater! mein Vater! Wagen
Israel und seine Reuter
(Reiter / Ritter)!
**) und, mit den Jüngern Johannis ***), ihn mit allen
Ehren, christlich zur Erden bestatten.
**)
2 B. d. Könige 2, 12.
2. Buch der Könige 2. 12:
2,11 Während sie miteinander gingen und redeten,
erschien ein feuriger Wagen mit feurigen Pferden und
trennte beide voneinander. Elija fuhr im Wirbelsturm zum
Himmel empor.
2,12 Elischa sah es
und rief laut: Mein Vater, mein Vater! Wagen Israels und
sein Lenker!
Als er ihn nicht mehr
sah, fasste er sein Gewand und riss es mitten entzwei.
2,13 Dann hob er den Mantel auf, der Elija entfallen
war, kehrte um und trat an das Ufer des Jordan.
2,14 Er nahm den Mantel, der Elija entfallen war, schlug
mit ihm auf das Wasser und rief:
Wo ist der Herr, der Gott des Elija? Als er auf das
Wasser schlug, teilte es sich nach beiden Seiten und
Elischa ging hinüber.
***)
Matth. 14, 12.
Und seine Jünger kamen herbei, hoben den Leib auf und
begruben ihn.
Und sie kamen und verkündeten es Jesus. (Kapitel: Der
Tod des Täufers)
Wir sollen aber auch nicht unterlassen, mit dem Elisa
nach dem Mantel dieses Eliä zu greifen; welches sind
seine Bücher, die er auf Eingebung Gottes Geistes
geschrieben und hinter sich verlassen; auf daß wir auch
seines Geistes daraus empfahen
(empfangen).
Denn ob ****) er nach dem Leib gestorben, so lebt er
aber nach seinem Geist, und in seinen Büchern.
*****)
obgleich
Er wird auch, will's Gott, mit seinen Schriften nach
seinem Tode des Pabst's Tod seyn, wie er
(Luther)
bei Leben seine Pestilenz gewest ist. Und mögen [wir]
uns nu also zu denselbigen Büchern halten, sie lieb und
werth haben
(wertschätzen),
die uns auf die heilige Schrift weisen, und Gott dafür
danken.
Freilich haben
wir diese Kunst nicht vom Papst, welcher lieber wollte,
dass wir immer noch auf seine Ablassbriefe und seine
Gnade hin sterben sollen und so für ewig verderben
würden, allein dadurch, dass er samt den Seinen in Würde
und Reichtum ein sanftes epikureisches Leben (Epikureismus:
Lust als das einzige wirkliche Gut) führen möchte.
So lehren es die Bischöfe auch nicht, denn sie besuchen
weder die Prediger noch die Kranken.
So wollen uns
die Mönche viel lieber in ihren Mönchskutten (mit
Kapuze) und für die Orden begraben, als dass wir für
Christus sterben; ihretwegen (wegen ihnen) würden wir
den rechten Weg zum ewigen Leben nicht antreffen
(finden).
Darum haben wir
solch einem Gott, dem ewigen Vater unseres Herrn Jesus
Christus, zu danken, der durch seinen heiligen Geist aus
grundloser (selbstloser) Gnade und Barmherzigkeit diesen
seinen treuen Diener erleuchtet und erweckt hat, welcher
mit allem Fleiß und in Treue durch das Evangelium den
Sohn Gottes gepredigt hat, wie dieser der alten Schlange
(Teufel) den Kopf zertritt, das bedeutet, dass er
uns vor dem Teufel und von seiner Gewalt errettet, und
zum Tode sagt: „Tod, wo ist nun dein Stachel? Hölle, wo
ist dein Sieg? Aber der Stachel des Todes ist die Sünde;
die Kraft der Sünde aber ist das Gesetz; Gott aber sei
Dank, der uns den Sieg gegeben hat - durch unseren Herrn
Jesus Christus !“ *)
*)
1. Brief des Paulus an die Korinther 15, 55.
Das ist es, das
der Mann gelehrt hat, und damit die Gläubigen daraus Mut
wider Sünde, Tod, Hölle und Teufel fassen können.
Wohlan ! Der
Mann, welcher zu unseren Zeiten im Geist und in der
Kraft von Elias wandelte, ist auch als ein Vorläufer vor
dem Jüngsten Tag ein rechter Johannes gewesen, der ist
nun durch seinen letzten Abschied dahin, und
wir werden ihn vor dem Ende der Welt nicht mehr sehen.
Darum klagen wir zu Recht auch wie der Prophet Elisa (=
Elischa / Elisäus): „Mein Vater! mein Vater! Oh Wagen
Israels und seine Reiter! **) und: die ihn mit den
Jüngern von Johannes ***) mit allen Ehren christlich zur
Erde bestatten.
**)
2. Buch der Könige 2. 12:
2,11 Während sie
miteinander gingen und redeten, erschien ein feuriger
Wagen mit feurigen Pferden und trennte beide
voneinander. Elija fuhr im Wirbelsturm zum Himmel empor.
2,12 Elischa sah
es und rief laut: Mein Vater, mein Vater! Wagen Israels
und sein Lenker!
Als er ihn nicht
mehr sah, fasste er sein Gewand und riss es mitten
entzwei.
2,13 Dann hob er
den Mantel auf, der Elija entfallen war, kehrte um und
trat an das Ufer des Jordan.
2,14 Er nahm den
Mantel, der Elija entfallen war, schlug mit ihm auf das
Wasser und rief:
Wo ist der Herr,
der Gott des Elija? Als er auf das Wasser schlug, teilte
es sich nach beiden Seiten und Elischa ging hinüber.
***)
Matthäus 14, 12.
Und seine Jünger kamen
herbei, hoben den Leib auf und begruben ihn.
Und sie kamen und verkündeten es Jesus. (Kapitel: Der
Tod des Täufers)
Wir sollen es aber auch nicht unterlassen, mit dem Elisa
nach dem Mantel dieses Elias zu greifen; welcher seine
Bücher sind, die er auf Eingebung des Geistes Gottes
geschrieben und hinterlassen hat; auf dass auch wir
daraus seinen Geist empfangen. Denn obgleich er gemäß
dem Leib gestorben ist, so lebt er aber nach seinem
Geist und in seinen Büchern weiter.
Er wird auch, so Gott will, nach seinem Tode mit seinen
Schriften der Tod des Pabstes sein, so wie er (Luther)
im Leben dessen Pestilenz gewesen ist. Also mögen wir
uns nun an dieselben Büchern halten, sie lieb haben und
wertschätzen, die uns auf die heilige Schrift verweisen
und Gott dafür danken.
Und das sey gesagt, so viel das erst' Stück belanget,
nehmlich, was Doctor Martin Luther gewest, und wofür man
ihn ansehen und halten soll: als der unser'r Zeit Elias
und Johannes gewest sey; nicht ein gemeiner
(gewöhnlicher)
Prediger, wie ich und meines Gleichen; sondern ein hoher
und trefflicher
(vortrefflicher)
Mann, dadurch Gott seine Kirche wiederum gereiniget, und
mit reiner Lehre und wahrhaftigen Gottesdienst begnadet
hat.
Zum Andern wollen wir auch sagen und hören, wie er
gestorben sey.
Denn er ist noch nicht begraben, auch nicht mehr denn
einen Tag todt gewest und finden sich, wie mir fürkommt,
bereit an*) Leute, die durch den bösen Geist getrieben,
ausbringen
(verbreiten)
sollen, als hab' man ihn im Bette todt funden.
*)
schon jetzt.
Nun trage ich nicht Zweifel, der, so von Anbeginn ein
Lügener ist, wird noch mancherley mehr und
geschwinder**) Lügen erdenken.
**)
verderblicher.
noch schneller.
Denn es [ist] ihm
(Satan)
nu nicht mehr um Doctor Luther zu thun; den hat Gott aus
seinen Zähnen gerissen; er vermag an ihm nichts mehr.
Aber um die Lehre ist's ihm nu zu thun; der wollte er
gern Schaden thun und sie vertilgen
(vernichten).
Damit wir ihm aber begegnen, und die Gläubigen für
(vor)
Lügen verwahren
(bewahren),
so will ich, als einer, der bey seinem letzten Abschied,
und nu drey Wochen Tag und Nacht bey ihm gewest, die
Wahrheit seines Abschiedes hie an Gottes Statt und für
Gott anzeigen.
Es hat, liebe Freunde, Doctor Martinus nicht erst die
vergangene Nacht angefangen, zu sterben; sondern länger
denn ein ganzes Jahr hat er immer gestorben; das ist:
mit Gedanken vom Tod' umgangen, vom Tode geprediget, vom
Tode gered't, vom Tode geschrieben; wie er denn den Tag
zuvor, ehe er sein Ende beschlossen, viel tröstlicher
Sprüche aus seinem Pfalter
(Haus- und Kirchenbuch),
die er darein verzeichnet, gesprochen, sich damit zu
trösten. Er hat Gott oft angerufen und gebeten, er
wollte ihn, je eher je besser, aus dieser bösen Welt
hinwegnehmen, er sey dieses Lebens überdrüß und müde. Er
hat auch gebeten, wo es Gott wohlgefiele, daß er sich
nicht lange auf dem Sterbebett' quälen müßte.
So fühlete er sich auch als einen alten, abgearbeiteten,
schwachen Mann;
darum er oft gesagt: „Ich werde nicht lange mehr leben.“
Und sonderlich
(insbesondere)
kurz für
(vor)
seinem Ende redet' er noch die Worte:
„Wenn
mich der Pabst oder meine Widersacher in ihre Hände
bekämen, und mir schon viel Leides anthun wollten, so
bin ich zu schwach; ich stürbe bald in ihren Händen.“
Und das sei gesagt, so viel das Erstere belangt,
nämlich, was Doktor Martin Luther gewesen ist und wofür
man ihn ansehen und halten soll: für den Elias und er
ist der Johannes unserer Zeit gewesen; nicht etwa ein
gewöhnlicher Prediger, wie ich und meinesgleichen es
sind, sondern ein hoher und vortrefflicher Mann, wodurch
Gott seine Kirche wiederum gereinigt und mit einer
reinen Lehre und wahrhaftigem Gottesdienst begnadet hat.
Zum anderen wollen wir auch sagen und hören, wie er
gestorben ist.
Denn er ist noch nicht begraben und auch nicht mehr als
einen Tag tot gewesen und schon jetzt finden sich - wie
mir vorkommt - bereits Leute, die durch den bösen Geist
getrieben, verbreiten sollen, dass man ihn im Bett tot
vorgefunden hätte.
Nun hege ich keine Zweifel, dass der, welcher von
Anbeginn so ein Lügner ist, sich noch mancherlei mehr
und noch schneller / noch verderblicher Lügen ausdenken
wird. Denn es geht ihm (Satan)
jetzt nicht mehr um Doktor Luther, den Gott aus seinen
Zähnen (seinem Rachen) gerissen hat; er kann ihm nichts
mehr anhaben. Aber jetzt geht es ihm um die Lehre /
macht er sich an die Lehre heran; dieser will er gerne
Schaden zufügen und sie vernichten. Aber damit wir ihm
entgegentreten und die Gläubigen vor Lügen bewahren, so
will ich als einer, der bei seinem letzten Abschied und
nun schon drei Wochen lang Tag und Nacht bei ihm gewesen
ist, die Wahrheit seines Abschieds hier anstelle Gottes
und für Gott anzeigen.
Es hat, liebe Freunde, Doktor Martin nicht erst
vergangene Nacht zu sterben angefangen, sondern er ist
länger als ein ganzes Jahr immerzu gestorben; das
bedeutet: er ist mit Gedanken vom Tod umher gegangen,
hat vom Tod gepredigt, vom Tod geredet, vom Tod
geschrieben; so wie er denn auch am Tag zuvor, bevor er
sein Ende beschlossen hat, viele tröstliche Sprüche aus
seinem Pfalter (Haus- und Kirchenbuch), die er darin
verzeichnet hat, gesprochen hat, um sich damit zu
trösten.
Oft hat er Gott angerufen und gebeten, er wolle ihn - je
früher umso besser - aus dieser bösen Welt fortnehmen,
er sei dieses Lebens überdrüssig und müde.
Er hat auch darum gebeten, wenn es Gott wohlgefalle,
dass er sich nicht lange auf dem Sterbebett quälen
müsse.
So fühlte er sich auch - als ein alter, abgearbeiteter,
schwacher Mann;
darum er oft gesagt: „Ich werde nicht mehr lange leben.“
Und insbesondere kurz vor seinem Ende redete er noch die
Worte:
„Wenn
ich dem Papst oder meinen Widersachern in ihre Hände
fallen würde und sie mir viel Leid antun wollten, so bin
ich dazu zu schwach; (schon)
bald würde ich in ihren Händen sterben.“
Also, wie er sich allenthalben
(allerseits / bei jeder Gelegenheit)
zum Tode wohlgerüstet
(vorbereitet / gewappnet),
hat Gott sein Gebet und Seufzen gnädiglich erhöret. Und
wie er das Nachtmahl gehalten, und, hie zu Eisleben, aus
der großen Stuben ins kleine Stüblein den 17. Februarii
um 8 Uhr gangen, und, seiner Gewohnheit nach, ins
(ans)
Fenster gelegt
(gelehnt),
sein Gebet zu thun, hat es nicht lange gewähret; fing an
und klaget', wie ihm um die Brust fast wehe würde.
Als *) rieb man ihn mit warmen Tüchern; man gab ihm auch
von geschabtem Einhorn ein, mit Wein zu trinken; daß es
wohl besser mit ihm wurde, und [er] sich nieder ins
Ruhebettlein leget'. Da entschlief er, bis der Zeiger
zehn schlug, und da
(als)
er erwacht', sprach er zu Doctor Jonas und mir, die wir
auf ihn warteten:
„Warum
wir uns nicht möchten niederlegen?“ Aber wir gaben zur
Antwort:
„Es
gebühret' uns jetzund, auf ihn zu warten.“
*)
Also.
Da stund er auf, klaget' nichts sonderlichs mehr, und
ging in die Kammer zu seinem Bette; und als er über die
Schwelle schritt, sprach er:
„In
manus tuas commendo tibi Spiritum meum; redemisti me
Domine, Deus veritatis;“
das ist: „in deine Hände befehl ich dir meinen Geist; du
hast mich erlöset, du treuer Gott.“ Und also legt er
sich nieder zu Bett, gab uns gute Nacht und sprach:
„Doctor
Jona und Herr Michel
(Coelius),
betet für unsern Herrn Gott, daß ihm wohlgehe mit seiner
Sache, und dem heiligen Evangelio. Denn die zu Trent im
Concilio meinen's nicht gut mit ihm.“
Also schlief er wiederum ein, und ruhet' natürlich, wie
man anders nicht vermerken konnte, bis der Zeiger nach
Mitternacht Eins schlug. Da wachet' er auf und rief
seinem Famulo
(Diener),
daß er ihm das Stüblein sollte warm machen; als aber
dasselbe schon warm gehalten, richtet er sich auf,
steigt aus dem Bett und saget:
„O
Doctor Jona, mir wird wehe; besorge
(befürchte),
ich werde nun wohl zu Eisleben bleiben.“ Und mitdem
(damit)
ging er wiederum ins Stüblein.
Und da er über die Schwelle schritt, sprach er aber
wieder:
„In
manus tuas commendo tibi Spiritum meum; redemisti me
Domine, Deus veritatis.“
(Deus veritatis = Gott der Wahrhaftigkeit)
Und als er einmal oder zwier
(zwei)
im Stüblein hin und wieder gangen, leget' er sich wieder
aufs Ruhebettlein; und nahm die Krankheit je mehr und
mehr überhand.
Alsobald rieben wir ihn wieder mit warmen Tüchern, und
sandten so bald nach dem Wirth im Hause, beyden
Stadtärzten; deßgleichen auch nach dem Edlen und
Wohlgebornen Grafen und Herrn, Herrn Albrechten, Grafen
und Herrn zu Mansfeld.
Und kam (da der Hochgelehrte Herr Doctor Jonas, ich,
Michael Celius, Johannes Aurifaber, und sein Famulus,
bey ihm von Anfang gewest waren) sobald der Wirth mit
seinem Weib'; darauf der eine Arzt, bald der andere
auch; und folgends Graf Albrecht samt seinem Gemahl.
So wie er sich allerseits (bei jeder Gelegenheit) für
den Tod gewappnet (vorbereitet) hat, hat Gott sein Gebet
und sein Seufzen gnädig erhört. Und als er das Nachtmahl
gehalten hat, und - hier in Eisleben - am 17. Februar um
8 Uhr aus der großen Stube ins kleine Stüblein gegangen
ist und sich seiner Gewohnheit nach ans Fenster lehnte,
um sein Gebet zu verrichten, hat es nicht lange
gedauert, dass er darüber zu klagen begann, nämlich wie
es ihm um die Brust herum fast weh tun würde.
Also rieb man ihn mit warmen Tüchern; man gab ihm auch
zusammen mit Wein von dem geschabten Einhorn zu trinken,
damit es ihm besser gehe und er sich ins Ruhebettlein
niederlege. Da schlief er bis der Zeiger zehn Uhr
schlug, und als er erwachte, sprach er zu Doktor Jonas
und zu mir, welche auf ihn warteten:
„Warum
möchten wir uns nicht niederlegen?“ Aber wir gaben zur
Antwort:
„Es
gebührt (es gehört sich für) uns jetzt, auf ihn zu
warten (aufzupassen).“
Da stand er auf, klagte über nichts Sonderliches mehr
und ging in die Kammer zu seinem Bett; und als er über
die Schwelle schritt, sprach er:
„In
manus tuas commendo tibi Spiritum meum; redemisti me
Domine, Deus veritatis;“
das ist: „in deine Hände befehle ich dir meinen Geist;
du hast mich erlöst, du treuer (wahrhaftiger)
Gott.“ Und so legte er sich zu Bett nieder, sagte uns
Gute Nacht und sprach: „Doktor Jonas und Herr Michael (Coelius),
betet für unseren Herrn Gott, dass es ihm wohlergehe mit
seiner Sache und dem heiligen Evangelium.
Denn die in Trient beim Konzil meinen es mit ihm nicht
gut.“
So schlief er wiederum ein und ruhte dabei ganz
natürlich - wie man es nicht anders bemerken /
feststellen konnte - bis der Zeiger ein Uhr nach
Mitternacht schlug.
Da wachte er auf und rief nach seinem Diener, dass
dieser ihm das Stüblein warm machen solle; als aber
dasselbe bereits warm gehalten war, richtete er sich auf
und stieg aus dem Bett und sagte:
„O
Doktor Jonas, es tut mir so weh; ich befürchte, ich
werde nun wohl in Eisleben bleiben.“ Und damit ging er
wiederum ins Stüblein.
Und als er über die Schwelle schritt, sprach er aber
wieder:
„In
manus tuas commendo tibi Spiritum meum; redemisti me
Domine, Deus veritatis.“
Und als er einmal oder zweimal im Stüblein hin und her
gegangen ist, legte er sich wieder auf das Ruhebett; und
da nahm die Krankheit immer mehr und mehr überhand.
Alsbald rieben wir ihn wieder mit warmen Tüchern, und
sandten bald darauf nach dem Wirt im Haus, nach den
beiden Stadtärzten; desgleichen (ebenfalls zugleich)
auch nach dem edlen und wohlgeborenen Grafen und Herrn,
Herrn Albrecht, Graf und Herr zu Mansfeld.
Und da kam (anwesend waren der hochgelehrte Herr Doktor
Jonas, ich, Michael Coelius, Johannes Aurifaber und sein
Diener, die von Anfang an bei ihm gewesen waren) bald
darauf der Wirt mit seinem Weib herbei; darauf der eine
Arzt, bald auch der andere; und darauffolgend Graf
Albrecht samt seiner Gemahlin.
Da wir ihn nu
indeß, wie gesagt, mit warmen Tüchern gerieben, fraget'
ich, ob er auch Linderung fühlet', antwortet' er: „Ja !
Die Wärme thut mir wohl; wärmet auch Küssen
(Kopfkissen / Polster) auf
mich; es drücket wohl hart, schonet mir aber noch des
Herzens.“ Und als ich Michael Celius, fühlet', daß ihm
des Hemde ganz naß war, sprach ich zu ihm: „Reverende
(ehrwürdiger)
Pater ! Ihr habt
wohl geschwitzet, Gott wird Gnade geben, daß es besser
wird;“ antwortete er: „Ja, es ist ein kalter
Todtenschweiß, ích werde sterben, ich werde dahin
fahren.“ Und indem man ihm einen Trunk Weins reichet auf
sein Erfordern, und der eine Arzt ihm in einem Löffel
eine Arzney eingab, fing er an:
„Ich
danke dir Gott, ein Vater unsers Herrn Jesu Christi, daß
du mir deinen lieben Sohn hast offenbart, dem ich
gegläubt, den ich geliebet, den ich geprediget, bekannt
und gelobt habe, den der Pabst und alle Gottlosen
schmähen und lästern.
Mein Herr Jesu
Christe, laß dir mein Seelichen befohlen seyn.
O himmlischer
Vater, ich weiß, ob ich schon von diesem Leib hinweg
gerissen werde, daß ich bey dir ewig werde leben. „Sic
Deus dilexit mundum, ut unigenitum filium suum daret, et
omnis, qui credit in eum, non pereat, sed habeat vitam
aeternam.“
Das ist: „Also
hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen einzigen Sohn
geben hat, auf daß alle die, so an ihn gläuben, nicht
verlohren werden, sondern das ewige Leben haben“ (Joh.
3. v. 16). Er sprach auch weiter: „Deus noster, Deus
salvos faciendi, tu es Deus, qui educis ex morte.“
Das ist: „Wir haben einen Gott, der da hilft und den
Herrn Herrn, der vom Tode errettet.“ (Ps. 68, 21.)
Als er nun
fühlet', daß das Ende nicht fern war, sprach er dreymal:
Pater,
in
manus tuas commendo tibi Spiritum meum;
Vater, in deine Hände befehle ich dir meinen Geist.“
Darauf schwieg er stille. Wir rüttelten aber ihn, und
schrien Doctor Jonas und ich: „Reverende
(ehrwürdiger)
Pater, wollet ihr auch auf euern Herrn Jesum Christum
sterben? und die Lehre, so ihr in seinem Namen gethan,
bekennen?“ antwortet er: „Ja.“ Und wendet sich auf die
rechte Seite, fing an eine halbe Viertelstunde zu
schlafen. Und als wir dem Schlaf nicht vertraueten,
sondern ihn mit Aqua vitä
(Wasser des Lebens)
und Rosenessig bestrichen und die Pulsadern rieben, als
der Zeiger ein viertel Stund noch hatte auf drey Uhr
frühe, und wir ihm unter Augen leuchteten, thät er ein'n
tiefen Odem
(Atem)
holen, und hiemit gab er sanft und in aller Stille mit
großer Gedult seinen Geist auf.
Da wir ihn nun
indessen, wie gesagt, mit warmen Tüchern gerieben haben,
fragte ich, ob er auch eine Linderung fühle, antwortete
er: „Ja ! Die Wärme tut mir gut; wärmt für mich auch das
Kopfkissen (Polster); es drückt sehr hart, schont aber
noch / dennoch mein Herz.“ Und als ich - Michael Coelius
- fühlte, dass ihm das Hemd ganz nass wurde, sprach ich
zu ihm: „Ehrwürdiger
Pater
(Vater) ! Ihr habt gut geschwitzt, Gott wird Gnade geben
(verleihen), sodass es besser wird;“ da antwortete er:
„Ja,
es ist ein kalter Todes-Schweiss, ích werde sterben, ich
werde dahinfahren (dahinscheiden).“ Und
indem man ihm auf sein Verlangen hin einen Trunk Wein
(ein Wein-Getränk) reichte und der eine Arzt ihm mit
einem Löffel eine Arznei eingab, begann er:
„Ich
danke dir Gott, ein Vater unseres Herrn Jesus Christus,
dass du mir deinen lieben Sohn offenbart hast, dem ich
geglaubt, den ich geliebt, den ich gepredigt, bekannt
und gelobt habe, den der Papst und alle Gottlosen
schmähen und lästern. Mein Herr Jesus Christus, lass dir
mein Seelchen (kleine Seele) befohlen (anempfohlen)
sein.
O himmlischer
Vater, ich weiß, ob (auch wenn) ich schon von diesem
Leib hinweg gerissen werde, dass ich bei dir ewig leben
werde. „Sic Deus dilexit mundum, ut unigenitum filium
suum daret, et omnis, qui credit in eum, non pereat, sed
habeat vitam aeternam.“ Das heißt: „So (sehr)
hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn
hingegeben hat, auf dass alle die, sofern sie an ihn
glauben, nicht verloren (gehen) werden, sondern das
ewige Leben haben“ (Joh. 3. v. 16). Er sprach auch
weiter: „Deus noster, Deus salvos faciendi, tu es
Deus, qui educis ex morte.“
Das heißt: „Wir
haben einen Gott, der da hilft und den Herrn Herrn (du
Herr), der vom Tod errettet.“ (Ps. 68, 21.)
Als er nun
fühlte, dass das Ende nicht mehr fern war, sprach er
dreimal:
Pater,
in
manus tuas commendo tibi Spiritum meum;
Vater, in deine Hände befehle ich dir meinen Geist.“
Darauf schwieg er still. Wir aber rüttelten ihn, und
schrien - Doktor Jonas und ich: „Ehrwürdiger Pater,
wollt ihr auch auf euren Herrn Jesus Christus sterben?
und die Lehre, so wie Ihr sie in seinem Namen getan
(gemacht) habt, bekennen?“ Da antwortete er: „Ja.“ Und
er hat sich damit sich auf die rechte Seite gewendet
(gelegt) und fing an, eine halbe Viertelstunde zu
schlafen. Und weil wir diesem Schlaf nicht trauten,
sondern ihn mit Aqua Vitae (Wasser des Lebens) und
Rosenessig bestrichen und die Pulsadern rieben, als der
Zeiger nur noch eine Viertelstunde bis drei Uhr früh
hatte und wir ihm unter seine Augen leuchteten, holte er
einen tiefen Odem (Atemzug), und hiermit gab er sanft
und in aller Stille mit großer Geduld seinen Geist auf.
Und dies weiß Gott, für dem wir's auch auf unser
Gewissen nehmen, und wollen's am Tage des Herrn
geständig seyn und zeugen, daß [es] mit seinem Abschied
also, und anders nicht, ergangen sey. Wie man dasselbige
in einer Historia zusammen getragen, im Druck freylich
wird reichlicher ausgehen lassen.
Das hab' ich nu nach der Länge erstlich darum erzählet,
daß man dem Teufel und den Seinen ihren lügenhaftigen
Rachen stille. Und da man anders, denn wie jetzund
gehöret, davon reden wird, dass man dem nicht Statt noch
Glauben gebe. Denn ich und Ander', so daneben gewesen,
wollen deß' lebendige Zeugen seyn. Wer uns nu Glauben
geben will, wohl gut; wer nicht will, der fahre hin
(fort),
lüge und trüge auf seine Ebentheuer
(Abenteuer);
er wird seinen Richter endlich wohl finden; ich weiß,
Gottlob, dass ich der Wahrheit Zeugniß hierinnen geben
hab' 1).
1)
Vergleiche zu diesem Abschnitt der Rede das vorstehende
Kapitel:
Wahrscheinliches und
Unwahrscheinliches
der „Historia“.
Zum andern
(andererseits),
habe ich diese Geschichte auch wollen erzählen darum,
daß wir uns auch lernen zu dem letzten Stündlein
bereiten, und geschickt machen, wie sich dieser unser
treuer Hirt und Lehrer bereitet hat. Denn ob wir wohl
alle wissen, daß wir sterben müssen, so sind ihrer doch
gar wenig, die sich dazu schicken und bereiten, daß sie
sich mit Glauben willig darein begeben.
Darum wie wir von diesem Manne gehört, der ein großer
Doctor der heiligen Schrift gewest, und mit viel Gaben
für andern begnadet; noch*) ist er ein' lange Zeit mit
eitel **) Todesgedanken umgegangen; hat die Sprüche der
heiligen Schrift, so in Todesnöthen trösten, zusammen
gezogen und im Herzen wohl bewogen; oft mit andern davon
geredet; und indes doch seines Amts oder Berufs treulich
gewartet. Darum ist er auch in die Stunde kommen, da er
selbst noch nicht weiß, wie er gestorben, und gleich wie
mit einem Schlafenden, der nicht weiß, wie und wenn er
einschläft; also ist er auch zu dieser seiner seligen
Ruhe kommen.
Und diese Kunst sollen wir auch aus dieser Geschicht
lernen.
*)
dennoch.
**)
lauter
(rein); nichtig / leer / nutzlos.
Und dies weiß Gott, für dem wir es auch auf unser
Gewissen nehmen, und wir wollen es am Tag des Herrn
geständig sein (gestehen) und bezeugen, dass es mit
seinem Abschied so und nicht anders ergangen
(hergegangen) ist. Sowie man dasselbe in einer Historie
zusammengetragen hat und im Druck freilich noch
reichlicher ausgehen (verbreiten) lassen wird.
Das habe ich nun der Länge nach erstens darum erzählt,
dass man dem Teufel und den Seinen ihren lügenhaften
(verlogenen) Rachen stillt. Und da man darüber anders,
als wie eben jetzt gehört, davon reden wird, dass man
dem weder Statt (Platz) noch Glauben geben soll. Denn
ich und andere, welche so (unmittelbar)
daneben gewesen sind, wollen dessen (davon) lebendige
Zeugen sein. Wer uns nun Glauben schenken will, wohl
gut; wer das aber nicht will, der fahre damit fort, lüge
und betrüge (weiterhin)
auf seine Abenteuer (Eigenverantwortung); er wird wohl
sicher letztendlich seinen Richter finden; ich weiß,
gottlob, dass ich hierin (darin) von der Wahrheit
Zeugnis gegeben habe 1).
1)
Vergleiche zu diesem Abschnitt der Rede das vorstehende
Kapitel:
Wahrscheinliches und
Unwahrscheinliches
der „Historia“.
Zum anderen (andererseits) habe ich diese Geschichte
auch darum erzählen wollen, dass wir auch lernen, uns
für das letzte Stündlein (Todesstunde)
vorzubereiten, und uns dafür geschickt (tauglich /
bereit) zu machen, so wie sich dieser unser treuer Hirte
und Lehrer vorbereitet hat. Denn obwohl wir alle wissen,
dass wir sterben müssen, so sind ihrer doch gar wenige,
die sich dazu anschicken und sich vorbereiten, nämlich
dass sie sich mit dem Glauben willig darin (in diese
Sache) hineinbegeben. Darum – wie wir von diesem Mann
gehört haben, der ein großer Doktor der heiligen Schrift
gewesen ist, und vor anderen mit vielen Gaben begnadet
war, ist er dennoch eine lange Zeit mit lauter eitlen
(leeren / nutzlosen) Todesgedanken umher gegangen; hat
die Sprüche der heiligen Schrift, die in Todesnöten
trösten sollen, zusammengetragen und im Herzen wohl
abgewogen (bedacht); oft hat er mit anderen davon
geredet; und hat indessen (währenddessen) dennoch sein
Amt oder seinen Beruf getreulich ausgeführt (und
dafür Sorge getragen).
Darum ist er auch in diese (letzte)
Stunde gekommen, da er selbst noch nicht weiß, wie er
gestorben ist, und gleich wie mit einem Schlafenden, der
nicht weiß, wie und wenn er einschläft, so ist auch er
zu dieser seiner seligen Ruhe gekommen.
Und diese Kunst sollten auch wir aus dieser Geschichte
lernen.
Und nachdem wir nu auf's Kurz't und Einfältigest gehört,
wer Doktor Martin Luther gewest, wie er gestorben, und
was wir daraus lernen sollen, daß es zu unser Seligkeit
und christlichem Leben dienstlich und fruchtbar sey: so
wollen wir nu zum dritten hören und bewegen, warum er so
eben jetztund in dieser Zeit gestorben sey, da man
seiner über alle Maaß sehr nöthig bedürft hätte in der
christlichen Kirche, wider welche sich der Pabst mit
seinem Tridentinischen Concilio und alle höllischen
Pforten auflehnen, und das Wort der Wahrheit, so Gott
durch seinen Diener und Apostel offenbart, gedenken zu
dämpfen und unterzudrücken.
Es werden allhie ihr'r viel mancherley Ursachen
fürwenden, seines Abschieds halber, und etliche sagen:
„Ein alter Mann sollte um diese Zeit und in solcher
Kälte nicht gereiset haben über Land; man sollt' ihn in
diesen Sachen zu handeln verschont haben; wäre er zu
Wittenberg blieben, hätte sich sonst oder so gehalten,
er lebte wohl noch, ect. Es ist wahr; der Vernunft nach
sind dies Gedanken und Rede, die man Etwas muß seyn
lassen. Aber, wer ihnen nachfolget, den führen sie ins
wilde Meer; und gleich wie dasselbige von Winden
aufgetrieben, keine Ruhe nimmer haben kann, also lassen
diese Gedanken in dem und andern Fällen einen Menschen
zu keiner Ruhe noch Friede kommen.
Derhalben müssen wir allhie in unsern Kindern glauben,
und sagen: Ich glaub' an Gott Vater, allmächtigen
Schöpfer Himmels und der Erden. Welches nicht alleine zu
verstehn als habe Gott Himmel, Erde und alle Creaturen
geschaffen, sondern auch, daß er dieselbigen regiere und
erhalte; ohn seinen Willen nicht ein Haar von unserm
Haupt falle, wie Christus sagt Luc. am 21 v. 18, und
David in 39 Psalmen v. 5. Herr lehre mich doch, daß ein
Ende mit mir haben muß und mein Leben ein Ziel hat, und
ich davon muß. Also sagt auch Hiob am 14 v. 5 : Der
Mensch hat seine bestimmte Zeit; die Zahl seiner Monden
stehen bey dir; du hast ein Ziel gesetzt, das wird er
nicht übergehen. Durch diese Worte führet uns der
heilige Geist aus den Gedanken unserer Vernunft und
hilft uns aus dem wilden Meer in einen sichern Port
(Hafen)
daß wir allhie stille halten und sagen müssen: es sey
der Wille Gottes; Gott hat's also geschickt und haben
wollen, daß er in dieser Stadt Eisleben hat sollen sein
Ende beschließen, darinnen er geboren und getauft ist
worden.
Und nachdem wir nun auf das Kürzeste und Einfachste
gehört haben, wer Doktor Martin Luther gewesen ist, wie
er gestorben ist, und was wir daraus lernen sollen, auf
dass es zu unserer Seligkeit und für unser christliches
Leben dienstlich und fruchtbar sei, so wollen wir nun
zum Dritten (drittens) hören und nahe bringen, warum er
soeben jetzt in dieser Zeit gestorben ist, da man in der
christlichen Kirche seiner (Person)
über alle Maßen sehr nötig (dringend) bedurft hatte,
gegen welche sich der Papst mit seinem Tridentinischen
Konzil und alle höllischen Pforten auflehnen und das
Wort der Wahrheit, das Gott durch seinen Diener und
Apostel offenbart hat, zu dämpfen und zu unterdrücken
gedenken (beabsichtigen).
Es werden von denen hier wegen seinem Abschied viele und
mancherlei (mögliche)
Ursachen verwendet und etliche werden sagen: „Ein alter
Mann sollte um diese Zeit und bei solcher Kälte nicht
über das Land gereist sein; man sollte ihn in diesen
Sachen davor verschont / bewahrt haben, so zu handeln;
wäre er in Wittenberg geblieben, hätte er sich (stattdessen)
so oder so verhalten, dann würde er wohl noch leben, ect.
Es ist wahr; der Vernunft nach sind dies Gedanken und
Redensarten, die sicher etwas für sich haben. Aber, wer
diese (weiter)
verfolgt, den führen sie in ein wildes Meer; und
gleichwie dasselbe von Winden aufgetrieben wird und
niemals seine Ruhe haben (finden) kann, so lassen diese
Gedanken einen Menschen in diesem und in anderen Fällen
weder zur Ruhe noch zu einem Frieden kommen.
Deshalb müssen wir hier unseren Kindern glauben und
sagen: Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen,
den Schöpfer des Himmels und der Erde. Welches nicht
allein so zu verstehen ist, als habe Gott Himmel, Erde
und alle Kreaturen geschaffen, sondern auch so, nämlich
dass er dieselben auch regiere und erhalte; ohne seinen
Willen fällt nicht ein einziges Haar von unserm Haupt,
wie Christus bei Lukas im 21. Kapitel Vers 18* sagt, und
wie David im 39. Psalm Vers 5: Herr lehre mich doch,
dass es ein Ende mit mir haben muss und mein Leben ein
Ziel hat, und ich davon muss. So sagt auch Hiob im 14.
Kapitel Vers 5: Der Mensch hat seine bestimmte Zeit; die
Zahl seiner Monde (Monate) stehen bei dir fest; du hast
ein Ziel festgesetzt, das wird er nicht überschreiten.
Durch diese Worte führt uns der heilige Geist aus den
Gedanken unserer Vernunft (heraus)
und hilft uns aus dem wilden Meer in einen sicheren
Hafen, sodass wir hier still (inne) halten und sagen
müssen: es ist der Wille Gottes; Gott hat es so
geschickt und es so haben wollen, dass er (Luther)
in dieser Stadt Eisleben sein Ende beschließen sollte,
wo er geboren und getauft worden ist.
*Und
kein Haar von eurem Haupt soll verloren gehen (Lukas 21,
18).
Aber aus Ursachen er jetzund die Zeit von Gott
abgefordert, das ist eine andere Frage. Nu findet man in
der heiligen Schrift mehr denn eine Ursache, warum ein
jeder zu seiner Zeit stirbt. Bisweilen nimmt Gott so
bald nach der Taufe die Kinder, und junge Leute sonst
auch hinweg; und zeiget das Buch der Weisheit am 4. Cap.
die Ursach an: Gott thue es darum, daß die Bosheit ihren
Verstand nicht verkehre, noch falsche Lehre ihre Seele
betrüge. Denn die bösen Exempel
(Beispiele)
verführen, und verderben einem das Gute, und die
reizende Lust verkehret unschuldige Herzen. Sie gefallen
Gott, darum eilet er mit ihnen aus diesem bösen Leben.
Und dies ist gar ein feiner Trost für die Eltern, denen
ihre Kinder in der Jugend dahin sterben. Es thut der
Vernunft und Natur über die Maaße wehe, daß man Kinder
und junge Leute also sieht dahin fallen, auf die man
Trost und viel Hoffnung gesetzt hat. Es meinet auch
mancher, er wollte aus seinem Sohn einen ehrlichen Mann,
eine Mutter aus ihrer Tochter eine tugendsame Jungfrau
gezogen haben. Aber, lieber Gott, man siehet, wie die
Welt so reizet mit bösen Exempeln. So feiert der Satan
auch nicht, Lehre und Leben zu verderben. Und wir haben
ein armes, gebrechliches Fleisch, durch die Erbsünde so
gar verderbt, daß, ob sie wohl in der Taufe zugedeckt,
und wie ein Feuer mit Abscheu verscharret wird, doch so
bleibt die Sünde in unsrer Natur; und wie eine Magd zu
Morgens in der Aschen stüret
(stochert)
und das Feuer wiederum anzündet, also auch, wenn man zu
Vernunft und Jahren kömmt, so bläset Teufel, Welt und
unsre eigene Lüfte zu, das verdeckte Feuer, die
Erbsünde, zu erregen. Da muß nun Gott zuvorkommen, und
durch den Tod die Kinder, weil sie noch in ihrer
Unschuld sind, erretten. Und das, hab' ich gesagt,
sollen die Eltern ihn lassen ihr Trost seyn. Darnach so
nimmt Gott oft die Tyrannen hinweg, als Pharao muß mit
den Seinen im rothen Meer ersaufen; Sennacherib
(assyrischer König)
von seinen eigenen Kindern in seines Abgottes
(falscher Gott / Götze)
Tempel erwürgt werden; Nero sich selbst erstechen, und
Julianus im Perserkrieg erschossen werden, darum daß
Gott seine Kirche für ihnen erhalte, und sie ihn mit
seinem Worte und Reich nicht gar austilgen, wie sie im
Sinne haben. Und diese Exempel sind auch zum Trost
geschrieben, ob wir bey unsrer Zeit auch sehen große
Leute das Evangelium, und die ihm anfolgen, verfolgen,
daß wir wissen, der Gott lebe noch, und halte über
seiner Kirchen, der Pharaonen und andere Tyrannen
gestürzt ; seine Hand ist nicht verkürzt noch zu schwach
worden; er weiß die Seinen wohl zu schützen, und die
Tyrannen zu stürzen.
Aber aus welcher Ursache er jetzt die Zeit von Gott
abgefordert hat, das ist eine andere Frage. Nun findet
man in der heiligen Schrift mehr als eine Ursache, warum
ein jeder zu seiner Zeit stirbt. Bisweilen nimmt Gott so
bald nach der Taufe die Kinder und auch sonst junge
Leute hinweg; und das Buch der Weisheit im 4. Kapitel
zeigt die Ursache an: Gott tue es darum, damit die
Bosheit ihren Verstand nicht verkehrt mache, noch dass
eine falsche Lehre ihre Seele betrügt. Denn die bösen
Exempel (Beispiele) verführen und verderben einem das
Gute, und die reizende Lust macht unschuldige Herzen
verkehrt. Sie gefallen Gott, darum eilt er mit ihnen aus
diesem bösen Leben fort.
Und dies ist ein gar feiner Trost für die Eltern, denen
ihre Kinder in der Jugend dahinsterben. Es tut der
Vernunft und der Natur über alle Maßen sehr weh, dass
man Kinder und junge Leute so dahinfallen sieht, auf die
man Trost und viel Hoffnung gesetzt hat. Es meint auch
mancher, er wollte seinen Sohn zu einem ehrlichen Mann,
eine Mutter ihre Tochter zu einer tugendsamen Jungfrau
erzogen zu haben.
Aber - lieber Gott - man sieht wie die Welt so mit bösen
Exempeln (Beispielen) reizt. So feiert es der Satan auch
nicht, die Lehre und das Leben zu verderben. Und wir
haben ein armes, gebrechliches Fleisch, durch die
Erbsünde so sehr verdorben, dass, obwohl sie in der
Taufe zugedeckt wird, und wie ein Feuer mit Abscheu
verscharrt wird, doch so bleibt die Sünde in unserer
Natur; und wie eine Magd morgens in der Asche
herumstochert und wiederum das Feuer anzündet, auch wenn
man zu Vernunft und in die Jahre kommt, so blasen auch
der Teufel, die Welt und unsere eigenen Lüfte dazu, um
das verdeckte Feuer, die Erbsünde, zu erregen.
Da muss Gott dem nun zuvorkommen und durch den Tod die
Kinder - weil sie noch in ihrer Unschuld sind -
erretten. Und das - habe ich vorher gesagt - sollen die
Eltern ihren Trost sein lassen. Danach nimmt Gott oft
die Tyrannen hinweg, so wie der Pharao mit den Seinen im
Roten Meer ersaufen muss; Sennacherib (assyrischer
König)
von seinen eigenen Kindern im Tempel seines Abgottes (falscher
Gott / Götze)
erwürgt werden, Nero sich selbst erstechen und Julianus
im Perserkrieg (von
einem Pfeil)
erschossen werden muss, damit Gott seine Kirche vor
ihnen erhalte (schütze), und diese ihn zusammen mit
seinem Wort und seinem Reich nicht gar austilgen
(auslöschen) können, wie sie es im Sinn haben. Und diese
Exempel (Beispiele) sind auch zum Trost geschrieben,
obwohl wir in unserer Zeit auch große Leute sehen, die
das Evangelium - und die ihm nachfolgen - verfolgen, auf
dass wir wissen: der Gott lebt noch und er hält über
seiner Kirche Wache, die Pharaonen und andere Tyrannen
sind gestürzt; seine Hand ist nicht verkürzt noch zu
schwach geworden; er weiß die Seinen sehr wohl zu
schützen und die Tyrannen zu stürzen.
Wenn aber die Propheten sterben, und von Gott hinweg
gefordert werden; da hat gemeiniglich
(gewöhnlich)
Gott im Sinne, daß eine Strafe folgen soll, wie er in
der Schrift oft heiligen Leuten zusagt, er wolle inne
halten bey ihrem Leben, aber, nach ihrem Abschied, so
soll' die Strafe folgen. Also, da Samuel, der Prophet,
todt ist, fallen die Philister ins Land, erwürgen Saul
samt dreien Söhnen, und großer Anzahl Volks, nehmen viel
Städte ein, darinnen die Kinder von Israel gewohnet.
Also auch nach Abgang der andern Propheten folgete die
Babylonische Gefängniß
(Gefangenschaft);
und da Gott alle Apostel zu sich gefordert, bis auf
Johannem, der allein noch übrig war, kam die Zerstöhrung
Jerusalem's samt dem ganzen jüdischen Lande, welche noch
währet bis auf diesen Tag, und werden vor dem jüngsten
Tage die Juden in ihr Land, Regiment
(Herrschaftsbereich)
und Gottesdienst nicht kommen.
Und ist solcher Straf' Ursach gewesen, daß sie die
Propheten, Christum und seine Apostel nicht haben hören
wollen, sondern dieselbigen gelästert und verfolget,
als*) lange die Ruthe Gottes kommen, und sie ihren
verdienten Lohn auch empfangen haben, wie im andern Buch
der Chronika
(2. Buch der Chronik)
am 36. Cap. v. 15. geschrieben stehet:
„Der
Herr, ihrer Väter Gott, sandte zu ihnen durch seine
Bothen frühe; denn er schonete seines Volks, und seiner
Wohnung. Aber sie spotteten der Bothen Gottes, und
verachteten sein Wort, und äffeten
(äfften nach)
seine Propheten, bis der Grimm des Herrn über sein Volk
wuchs, daß kein Heil mehr da war."
*)
so lange, bis u.s.w.
So ist auch groß zu besorgen, daß Gott diesen seinen
Diener hinweg genommen hab' um unser Sünde willen. Denn
wie droben gehört, er hat rechtschaffene Buß und
Vergebung der Sünde nach Christi Befehl und Inhalt der
heiligen Schrift gepredigt; die Mißbräuche in den
Kirchen angezeigt und vor Abgötterei
(Götzendienst)
gewarnet; wie Gott anzurufen, und was christliche
Freiheit sey, dafür alle Welt hätte niederknien und Gott
danken sollen. Aber die Papisten
(Papstanhänger)
haben ihn dagegen aufs Aeußerste gehasset und verfolget,
seine Lehre Ketzerey gescholten, und als trage die Erde
keinen ärgern Menschen. Das ist ihr Dank für Gottes
Wohlthat.
Wenn aber die Propheten sterben und von Gott hinweg
gefordert werden, da hat gewöhnlich Gott im Sinn, dass
eine Strafe folgen soll, wie er es in der Schrift oft
den heiligen Leuten vorhersagte, er wolle innehalten bei
ihrem Leben, aber nach ihrem Abschied (Tod)
sollte so die Strafe folgen. So, da der Prophet Samuel
tot ist, fallen die Philister ins Land ein, erwürgen
Saul samt seinen drei Söhnen und einer großen Anzahl des
Volkes, nehmen viele Städte ein, worin die Kinder von
Israel gewohnt haben. Und so folgte auch nach dem Abgang
der anderen Propheten die Babylonische Gefangenschaft;
und da (nachdem) Gott alle Apostel zu sich gefordert hat
- bis auf den Apostel Johannes, der allein noch übrig
war - kam die Zerstörung Jerusalems samt dem ganzen
jüdischen Land, welche noch bis auf diesen Tag fortwährt
(andauert), und bis zum Jüngsten Tag werden die Juden
nicht in ihr Land kommen, nicht ihr Regiment (ihre
Herrschaft) und ihren Gottesdienst bekommen.
Und die Ursache solch einer Strafe ist jene gewesen,
nämlich dass sie die Propheten, Christus und seine
Apostel nicht haben hören wollen, sondern dieselben
gelästert und verfolgt haben, so lange, bis die Rute
Gottes gekommen ist und sie auch ihren verdienten Lohn
empfangen haben, wie es im anderen Buch der Chroniken
(2. Buch der Chronik) im 36. Kapitel Vers 15 geschrieben
steht:
„Der
Herr, der Gott ihrer Väter, sandte früh (und
immerfort)
seine Boten zu ihnen; denn er schonte seines Volkes, und
seiner Wohnung. Aber sie spotteten der Boten Gottes, und
verachteten sein Wort und äfften seine Propheten nach,
bis der Grimm (Zorn) des Herrn über sein Volk (so
groß)
wuchs, dass kein Heil mehr da war."
So ist es auch sehr besorgniserregend (mit großer Sorge
zu bedauern), dass Gott diesen seinen Diener hinweg
genommen hat, um unserer Sünde willen. Denn wie oben
gehört, hat er auf Befehl von Christus und nach dem
Inhalt der heiligen Schrift rechtschaffene Busse und die
Vergebung der Sünde gepredigt, die Missbräuche in der
Kirche angezeigt und vor Abgötterei (Götzendienst)
gewarnt; wie Gott anzurufen ist und was christliche
Freiheit sei, dafür hätte alle Welt niederknien und Gott
danken sollen. Aber die Papisten (Papstanhänger) haben
ihn dagegen auf das Äußerste gehasst und verfolgt, seine
Lehre Ketzerei gescholten (geschimpft), und: als trage
die Erde keinen ärgeren Menschen als ihn. Das ist ihr
Dank für die Wohltat Gottes.
Wir aber, die wir seiner Lehre anhängig und uns
evangelisch schelten lassen, halten uns, daß auch wohl
besser taugte*). Wir wissen den Weg des Herrn, denn er
hat ihn uns durch sein Wort offenbaret; aber wir wandeln
nach unserm Gefallen. In der Jugend siehet man weder
Scham noch Zucht
(weder Schamgefühl noch gesittetes Benehmen);
so achteten sie keines Gehorsams; in Alten ist's eitel
Geiz, Wucher und Untreu. Niemand wandelt mehr ehrbar und
aufrichtig; läßt ihm auch niemand an seinem Beruf
genügen. Es gehet allenthalben
(überall / an allen Orten / allerseits),
wie der Prophet Hosea klaget, daß zu seinen Zeiten für
der Babylonischen Gefängniß
(Gefangenschaft)
gangen ist, da er am 4ten Cap. (v. 1 bis 3) sagt:
„Höret,
ihr Kinder Israel, des Herrn Wort, denn der Herr hat
Ursach, zu schelten, die im Lande wohnen. Denn es ist
keine Treu', keine Liebe, kein Wort Gottes im Lande;
sondern Gottes Lästern, Lügen, Morden, Stehlen und
Ehebrechen hat Ueberhand genommen, und kommt eine
Blutschuld nach der andern. Darum wird das Land
jämmerlich stehen, und allen Einwohnen [wird's] übel
gehen. Denn es werden auch die Thier' auf dem Felde und
die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer
weggerafft werden."
Und hie wäre es Zeit, Buße thun und weinen, nicht über
den seligen Mann, der nu allem Uebel entgangen, und in
Gott seliglich ruhet, sondern, daß wir mit unsern Sünden
Gott reizen, und zur Straf' mehr denn Schrittes eilen.
Aber ich besorge, es werd' des Propheten Weissagung an
Vielen wahr und erfüllet werden, die sich darum nichts
annehmen, sondern wie er saget:
„Der
Gerechte kommt um, und niemand ist, der es zu Herzen
nehme, und heilige Leute werden ausgerafft, und niemand
achtet darauf; denn die Gerechten werden weggerafft für
dem Unglück."
Und das ist zu besorgen, daß es auf viel Verächter und
Unbußfertiger Köpfe fallen wird, da er nu hinweg ist,
und den Jammer nicht sehen darf.
*)
töchte im Original.
taugen = nützen.
Wir aber, die wir seiner Lehre anhängen und uns
evangelisch schelten (schimpfen) lassen, halten davon,
dass diese uns auch wohl (viel)
besser taugt (nützt).
Wir wissen den Weg des Herrn, denn er hat ihn uns durch
sein Wort offenbart; aber wir wandeln (dennoch)
nach unserem (eigenen)
Gefallen. In der Jugend sieht man weder Schamgefühl noch
Zucht (gesittetes Benehmen); so achten sie keinen
Gehorsam; bei den Alten ist es eitler (leerer /
nutzloser) Geiz, Wucherei und Untreue. Niemand wandelt
mehr ehrbar und aufrichtig und niemand kann sich mehr
mit seinem Beruf begnügen. Es geht überall (allerseits)
so zu, wie der Prophet Hosea klagt, nämlich dass es zu
seinen Zeiten vor der Babylonischen Gefangenschaft
genauso zugegangen ist, dazu sagt er im 4. Kapitel (Vers
1 bis 3): „Hört, ihr Kinder Israels, das Wort des Herrn,
denn der Herr hat Ursache (Grund) die, die auf diesem
Land wohnen, zu schelten: Denn es ist keine Treue, keine
Liebe, kein Wort Gottes in diesem Land; sondern
Gottes-Lästern, Lügen, Morden, Stehlen und Ehebrechen
hat (stattdessen)
überhand genommen, und es kommt (ereignet sich) eine
Blutschuld nach der anderen. Darum wird das Land
jämmerlich dastehen (enden),
und allen Einwohnen wird es übel ergehen. Denn es werden
auch die Tiere auf dem Feld und die Vögel unter dem
Himmel und die Fische im Meer weggerafft werden."
Und hier wäre es (höchst)
an der Zeit, Buße zu tun und zu weinen - nicht über den
seligen Mann, der nun allem Übel entgangen ist und selig
in Gott ruht, sondern dass wir mit unseren Sünden Gott
reizen (herausfordern),
und zur Strafe - mehr - dann (schnellen)
Schrittes eilen. Aber ich besorge (befürchte), es wird
die Weissagung des Propheten an vielen wahr und erfüllt
werden, die davon nichts annehmen / die sich nicht darum
kümmern, sondern - wie er sagt:
„Der
Gerechte kommt um, und niemand ist (da),
der es zu Herzen nimmt, und heilige Leute werden
weggerafft, und niemand achtet darauf; denn die
Gerechten werden weggerafft vor dem Unglück."
Und das ist zu befürchten, dass es (die
Strafe)
auf viele Verächter und unbussfertige Köpfe fallen wird,
da er (Luther)
nun hinweg ist, und diesen Jammer nicht sehen darf
(muss).
Darum so seyd vermahnet, ihr lieben Christen, und wem es
bisanher
(bisher / bis jetzt)
nicht zu Herzen gangen, der schick' sich noch in die
Sache, höre und hab' Acht auf Gottes Wort, thu' Buße und
bekehre sich, ein jeder, von seinem bösen Wege;
so will der Herr auch noch umkehren, sagt der Prophet,
und soll ihn gereuen der Straf', so er über uns
beschlossen hat. Oder aber, so es die Gottlosen je
(seit jeher)
nicht anders haben wollen, so wird doch der Gerechte
errettet, wo nicht hie zeitlich, doch dort ewiglich. Und
wo die Gottlosen mit zeitlicher und ewiger Pein gestraft
werden, wird uns, die wir ein bußfertig Leben führen,
die zeitliche Straf ein' Förderung sein zum ewigen
Leben. Es wird auch noch in solcher Straf' der Sohn
Gottes seine Kirche erhalten, und werden [die] Gläubigen
überbleiben und errettet werden. Aber die Ursach seines
Todes ist unser sündlich
(sündiges)
Leben, das Gott für hat
(vorhat),
zu strafen.
Nu wollen wir für das Vierte und Letzte auch hören, was
nu jetzt dieses Mannes Thun und Wesen sey. Nach
(gemäß)
dem Leibe, wie wir ihn da noch für
(vor)
unsern Augen auf der Bahre sehen, schläfet er, und
freilich einen sanftern Schlaf, denn er die Zeit seines
Lebens je geschlafen; und wird solcher Schlaf währen bis
an jüngsten Tag. Da er nu aller Sorge, Mühe, Arbeit und
Fehr
(Gefahr)
entbrochen
(entkommen),
weder Pabst noch Cardinal, Welt noch Teufel fürchten
darf. O wie hat der Pabst, sammt den Seinen, das fromme,
treue und gottesfürchtige Herz gequälet und gemartert
mit seinem gottlosen Wesen ! Daß er gesehen Kirchen und
allen Gottesdienst untergedruckt und alles mit eitel
Abgötterey und höllischem Sodoma erfüllet: und dazu
müssen leiden, daß er verbannt, und an seinem Bilde
verbrannt worden ist zu Rom, welches sie an seinem Leibe
viel lieber gethan hätten. Aber Gott hat ihn gnädiglich
aus ihrem blutgierigen Rache gerissen und zu seliger
Ruhe gelegt. Werden ihn wohl ungebissen lassen, denn er
ist nu, wie der Prophet sagt, zum Friede kommen, und
ruhet in seiner Kammer.
Darum - so seid ermahnt, ihr lieben Christen, und wem
das bisher (bis jetzt) nicht zu Herzen gegangen ist, der
bereite sich noch auf die Sache vor, der höre und habe
Acht auf Gottes Wort, der tue Buße und bekehre sich -
ein jeder - von seinem bösen Weg; so will auch der Herr
noch umkehren, sagt der Prophet, und es soll ihn wegen
der Strafe reuen, die er so über uns beschlossen hat.
Oder aber, so wie es die Gottlosen seit jeher nicht
anders haben wollen, so wird doch der Gerechte errettet,
wenn auch nicht hier zeitlich, so doch dort ewiglich.
Und wo die Gottlosen mit zeitlicher und ewiger Pein
gestraft werden, wird uns - die wir ein bußfertiges
Leben führen - die zeitliche Strafe eine Förderung
(förderlich) zum ewigen Leben sein.
Auch in solch einer Strafe wird der Sohn Gottes seine
Kirche noch erhalten, und die Gläubigen werden
übrigbleiben und errettet werden. Aber die Ursache
seines Todes ist unser sündiges Leben, das Gott vorhat,
zu strafen.
Nun wollen wir für das Vierte und Letzte auch (noch)
hören, was nun jetzt das Tun und Wesen dieses Mannes
sei. Dem Leibe nach (gemäß dem Leibe), so wie wir ihn
noch vor unseren Augen da auf der Bahre (liegen)
sehen, schläft er - und freilich einen viel sanfteren
Schlaf, als den, den er jemals Zeit seines Lebens
geschlafen hat; und solch ein Schlaf wird bis zum
Jüngsten Tag währen (dauern), da er nun von aller Sorge,
Mühe, Arbeit und Gefahr entbrochen (entkommen) ist, und
weder Papst noch Kardinal, weder Welt noch Teufel
fürchten muss. O wie hat der Papst mit seinem gottlosen
Wesen samt den Seinen das fromme, treue und
gottesfürchtige Herz gequält und gemartert ! Dass er
mitansehen musste, wie die Kirche und jeder Gottesdienst
unterdrückt wurde und alles mit eitler Abgötterei
(nutzlosem Götzendienst) und einem höllischen Sodom (und
Gomorrha)
erfüllt war: und dazu müssen wir darunter leiden, dass
er verbannt und mit seinem Bild in Rom verbrannt worden
ist, welches sie mit seinem Leib viel lieber getan
(gemacht) hätten.
Aber Gott hat ihn gnädiglich aus ihrem blutgierigen
Rachen gerissen und zur seligen Ruhe gelegt. Sie werden
ihn wohl ungebissen (unbeschadet)
sein lassen müssen, denn er ist nun, wie der Prophet
sagt, zum Frieden gekommen und ruht in seiner
Grabes-Kammer.
Und ist je tröstlich allen Gläubigen, daß der heilige
Geist den Tod der Gerechten, das ist der Gläubigen,
einen Frieden und ihre Schlafkammer nennet.
Wie Gott eben in dem Propheten Esaias am 26sten Cap.
auch saget:
„Gehe
hin, mein Volk, in eine Kammer, und schleuß die Thür
nach dir zu; verbirge dich ein klein Augenblick, bis der
Zorn fürüber gehe." Menschliche Vernunft entsetzt sich
darum vor dem Tode, daß sie ihn ansiehet, als sey es
eitel Trübniß und Unruhe. Aber die Schrift nennet ihn
einen Schlaf, und dazu einen friedesamen Schlaf der
Gläubigen in ihren Kammern. Sie schlafen ja zuvor auch,
das ist: Gott giebt ihnen bisweilen
(manchmal)
einen Trost, daß sie des Satans und [der] Welt zornigen
Haß verachten können. Aber bey Leben schlafen sie in
einer fremden Kammer, in einer fremden Herberge, da man
aufwachen, und wiederum Trübsal und Verfolgung leiden
muß, wie wir an dem theuren Manne oft, auch allhie zu
Eisleben, kurz vor seinem seligen Ende gesehen, daß er
Freud' gehabt. Aber er ist noch in einer fremden
Herberge gewest, darum hat sie nicht lange währen
müssen; daß er auch auf einen Abend einmahl mit Thränen
klaget': „Er hätte sein Herz mit Freuden zu Gott
erhaben, und zum Fenster hinaus ihn angebetet, aber er
sehe den Teufel auf dem Röhrkasten
(Brunnen-Kasten)
sitzen und das Maul gegen ihn aufsperren, der ihn in
allen seinen Handelungen hindere. Aber Gott würd' noch
stärker sein, denn der Satan, das wüßte er fürwahr
(in der Tat).“
Da hatte ihm Gott Ruhe verliehen, das ist, Trost des
Herzens gegeben; er ruhete aber noch nicht aus in seiner
Kammer, darum mußte er durch den Satan aus seiner Ruhe
verstört und aufgeweckt werden. Aber nu hat er Fried'
und Ruh in seiner Kammer; wird ihn hinfort nicht mehr
aus seiner Ruhe bringen; wie denn alle Gläubige, so von
Adam's Zeit her in Christo eingeschlafen, sanft und
stille ruhen;
und wie der Psalm saget: Es brennet sie des Tages keine
Sonne, noch drücket des nachts die Kälte*). Und ob er
und wir alle schon von Würmern verzehret, und, wie wir
von Erde geschaffen, wieder zur Erde werden müssen, doch
so gehet's zu ohn' alles Fühlen, ohne Schmerzen und ohne
Wehe, und ist,
wie S. Paulus sagt 1 Corinth. 15. v. 41 u.s.w.:
Es wird gesäet verweslich, und es wird auferstehen
unverweslich;
es wird gesäet in Unehre, und wird auferstehen in
Herrlichkeit;
es wird gesäet in Schwachheit, und wird auferstehen in
Kraft;
es wird gesäet ein natürlicher Leib, und wird
auferstehen ein geistlicher Leib.
*)
Psalm 121 Vers 6
Und es ist seit jeher allen Gläubigen tröstlich (zum
Trost) gewesen, dass der heilige Geist den Tod der
Gerechten, das ist der der Gläubigen, einen Frieden und
ihre Schlafkammer nennt. Wie Gott eben dem Propheten
Jesaja auch im 26. Kapitel sagt:
„Gehe
hin, mein Volk, in eine Kammer, und schließe die Tür
hinter dir zu; verberge dich einen kleinen Augenblick,
bis der Zorn vorübergeht." Die menschliche Vernunft
entsetzt (fürchtet) sich darum vor dem Tod, sodass sie
ihn ansieht, als sei es eine eitle (leere / nutzlose)
Trübsal und Unruhe. Aber die Schrift nennt ihn (den
Tod)
einen Schlaf, und dazu noch einen friedsamen Schlaf der
Gläubigen in ihren Grabes-Kammern. Sie schlafen ja zuvor
auch, das bedeutet: Gott gibt ihnen bisweilen (manchmal)
einen Trost, sodass sie den zornigen Hass des Satan und
der Welt verachten können.
Aber während dem Leben schlafen sie in einer fremden
Kammer, in einer fremden Herberge, wo man aufwachen und
wiederum Trübsal und Verfolgung erleiden muss, wie wir
es an dem teuren Mann oft - auch hier an diesem Ort in
Eisleben - kurz vor seinem seligen Ende gesehen haben,
dass er Freude gehabt hat. Aber noch ist er in einer
fremden Herberge gewesen, darum hat diese nicht lange
währen (andauern) müssen; dass er auch an einem Abend
einmal mit (unter) Tränen klagte:
„Er
hätte sein Herz mit Freuden zu Gott erhoben, und ihn zum
Fenster hinaus angebetet, aber er sehe den Teufel auf
dem Rohrkasten (Brunnen-Kasten
vor dem Haus)
sitzen und das Maul gegen ihn aufsperren, der ihn in
allen seinen Handlungen hindere. Aber Gott würde noch
stärker sein, denn (als) der Satan, das wüsste er
fürwahr (in der Tat
ganz sicher).“
Da hatte ihm Gott Ruhe verliehen, gemeint ist: Trost des
Herzens gegeben;
er ruhte aber in seiner Kammer noch nicht aus, darum
musste er durch den Satan in seiner Ruhe gestört und
aufgeweckt werden. Aber nun hat er Frieden und Ruhe in
seiner Kammer; er wird ihn hinfort (weiterhin) nicht
mehr aus seiner Ruhe bringen;
so wie denn alle Gläubige, sofern sie von Adams Zeit an
in Christus entschlafen sind, sanft und still ruhen; und
wie ein Psalm sagt: Es brennt sie am Tag keine Sonne,
noch drückt in der Nacht die Kälte*). Und ob (wenn) er
und wir alle schon von Würmern verzehrt werden, und – so
wie wir aus Erde erschaffen wurden - wieder zu Erde
werden müssen, so geht es doch ohne alles Fühlen
(jegliches Gefühlsempfindungen), ohne Schmerzen und ohne
Wehklagen zu, und es ist so, wie der heilige Paulus im
1. Buch an die Korinther im 15. Kapitel Vers 41 u.s.w.
sagt:
Es wird gesät verweslich, und es wird auferstehen
unverweslich;
es wird gesät in Unehre, und es wird auferstehen in
Herrlichkeit;
es wird gesät in Schwachheit, und es wird auferstehen in
Kraft;
es wird gesät ein natürlicher Leib, und es wird
auferstehen ein geistlicher Leib.
*)
Psalm 121 Vers 6
Und das sey nu gesagt von dem Wesen, so unser lieber
Herr und Vater nu hat nach seinem seligen Abschied', so
viel den Leib belangt, den wir, sammt den unsern und
aller Gläubigen Leibe, werden sehen auferstehen,
gleichförmig dem Leib', welchen Christus am heiligen
Ostertag' herfür brachte
(hervorbrachte);
schöner, denn die liebe Sonne, wenn sie am hellen Himmel
aufgehet, schneller und behender
(gewandter / flinker),
denn sie läuft, und kräftiger, denn alle Creaturen, daß
alsdann
(darauf)
den Leib niemand mehr anfechten, betrüben, noch tödten
wird, sondern, wie dem Sohne Gottes, alle Ding' unter
seine Füße geworfen*), also wird auch ihm und uns Tod,
Teufel und Hölle, sammt allen Creaturen unterworfen seyn.
Und in den Worten sollen wir uns über dieser seligen
Leichen und wider unsern Tod trösten.
So viel aber den Geist, oder die Seele, thut belangen,
so hat es die Meinung nicht, wie etzliche Schwärmgeister
(Schwarmgeister*)
fürgeben
(vorgeben),
als solle der Geist oder Seele des Menschen auch
schlafen bis zum jüngsten Tage. Hat doch die Seele nicht
geschlafen, weil**) sie im Leibe, wie in einem Kerker
verschlossen, und, wie das Buch der Weisheit sagt***)
beschwert gewest ist! Sollte sie denn nu schlafen, weil
sie aus dem Kerker erlöset? Es ist der Seelen Art und
Natur, nicht von Gott zu schlafen geschaffen; sondern,
daß sie allezeit lebet, wachet und wirket. Wenn der Leib
schon schläft, so wachet aber die Seele, wie wir denn an
den natürlichen Träumen und sonst viel Erfahrung haben.
Darum so ist's ein Irrthum, da etzliche fürgeben
vorgeben),
die Seele schlafe bis zum jüngsten Tage gleich wie der
Leib; sondern das ist gewiß
(sicher),
daß sie wacht und lebt. Gleichwie sie gelebt, ehe sie
zum Leib' kommen ist, und denselbigen erst lebend
gemacht hat, also lebt sie nach Abscheidung vom Leib',
und wird durch Gottes gewaltige Hand denselben lebend
machen, wenn sie an dem großen Tage des Herrn zum Leibe
wiederum wird kommen.
Und hiemit stimmet auch die heilige Schrift Lucä Cap. 17
(richtig: Lukas* 16,19),
da Abraham redet mit dem reichen Mann, so in der Hölle
begraben und Lazarum in seinem Schooß sitzen sahe. Das
vermag ein Schlafender oder Todter nicht zu thun. Cap.
6.
(Offenbarung 6, 9**)
schreien die Seelen der'r, so erwürget waren um Gottes
Wort's Willen. Da wird aber angezeigt, daß sie wachen
und leben. So saget Christus: Gott sey ein Gott der
Lebendigen, Gott sey Abrahams, Isaacs und Jacobs Gott,
darum müssen sie leben. Nu waren sie, nach
(gemäß)
dem Leib', dazumahl langs
(damals lange)
verstorben, derhalben
(deshalb)
so leben sie nach der Seele, und leben gewißlich
(ganz gewiss)
bei Gott und unserm Herrn Christo.
*)
Ephes, 1, 22.
**)
während.
***)
Cap. 9. v. 15.
Buch der Weisheit 9, 15:
*Scharmgeist
= Anhänger einer von der offiziellen
Reformationsbewegung abweichenden Strömung.
Und das sei nun gesagt von dem Wesen (Dasein), das unser
lieber Herr und Vater (Luther)
nun nach seinem seligen Abschied hat, so viel (was) den
Leib belangt (betrifft), den wir, samt den der Unseren
und dem Leib aller Gläubigen, auferstehen sehen werden,
gleich dem Leib, welchen Christus am heiligen Ostertag
hervorbrachte; schöner, denn (als) die liebe Sonne, wenn
sie am hellen Himmel aufgeht, schneller und behender
(gewandter / flinker) als sie läuft, und kräftiger als
alle Kreaturen, sodass alsdann (darauf) niemand mehr den
Leib anfechten, betrüben noch töten kann, sondern - wie
dem Sohne Gottes - alle Dinge unter seine Füße
geworfen*) sind (ihm unterworfen sind), also wird auch
ihm und uns der Tod, der Teufel und die Hölle - samt
allen Kreaturen - unterworfen sein. Und in den Worten
sollen wir uns über (mit) dieser seligen Leiche und
wider (entgegen) unseren eigenen Tod trösten.
So viel (was) aber den Geist oder die Seele belangt, so
stimmt die Meinung nicht, wie etliche Schwarmgeister*
vorgeben, als dass auch der Geist oder die Seele des
Menschen bis zum Jüngsten Tag schlafen soll. Die Seele
hat doch nicht geschlafen, während sie im Leib, wie in
einem Kerker eingeschlossen, und - wie das Buch der
Weisheit sagt***) - von ihm beschwert gewesen ist!
Sollte sie denn nun schlafen, weil sie aus dem Kerker
erlöst wurde? Es ist die Art und die Natur der Seelen -
nicht dazu von Gott geschaffen, um zu schlafen, sondern,
dass sie allezeit (ewig) lebt, wacht und wirkt. Wenn der
Leib schon schläft, so wacht aber die Seele, so wie wir
natürliche Träume haben und auch sonstige viele
Erfahrungen machen. Darum ist es so (gesehen)
ein Irrtum, wenn da etliche Leute vorgeben, die Seele
schlafe gleich wie der Leib bis zum Jüngsten Tag;
sondern das ist gewiss (sicher), dass sie wacht und
lebt. Gleichwie (egal wie) sie gelebt hat, ehe (bevor)
sie zum Leib gekommen ist, und denselben erst lebend
gemacht hat, so lebt sie nach der Abscheidung (Trennung)
vom Leib doch weiter und wird denselben durch die
gewaltige Hand Gottes lebend machen, wenn sie am großen
Tag des Herrn wiederum zum Leib kommen wird.
Und hiermit stimmt auch die heilige Schrift bei Lukas
Kapitel 17 (richtig:
Lukas* 16,19),
wo Abraham mit dem reichen Mann redet, welcher so in der
Hölle begraben ist und (den
Armen)
Lazarus in seinem Schoß (Abrahams)
sitzen sieht. Das vermag ein Schlafender oder ein Toter
nicht zu tun. Im Kapitel 6 (Offenbarung
6, 9**)
schreien die Seelen derer, weil sie um des Wortes Gottes
willen erwürgt (ermordet) waren.
Da wird aber angezeigt (darauf hingewiesen), dass sie
wachen und leben.
So sagt Christus: Gott ist ein Gott der Lebendigen, er
ist der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, darum müssen
sie leben. Nun waren sie - nach (gemäß) dem Leib -
damals lange verstorben, so leben sie deshalb nach
(bezüglich) der Seele, und sie leben ganz gewiss bei
Gott und unserem Herrn Christus.
*)
Epheser 1, 22. Alles hat er ihm zu Füßen gelegt und ihn,
der als Haupt alles überragt, über die Kirche gesetzt.
Sie ist sein Leib und wird von ihm erfüllt, der das All
ganz und gar beherrscht.
*Scharmgeist
= Anhänger einer von der offiziellen
Reformationsbewegung abweichenden Strömung.
***)
Buch der Weisheit 9, 15:
Unsicher sind die Berechnungen der Sterblichen / und
hinfällig unsere Gedanken; denn
der vergängliche Leib beschwert die Seele
/ und das irdische Zelt belastet den um vieles besorgten
Geist.
*Lukas
16,19-31: Der reiche Mann und der arme Lazarus
„Es
war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur
und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in
Freuden. Es war aber ein Armer mit Namen Lazarus, der
lag vor seiner Tür voll von Geschwüren und begehrte,
sich zu sättigen mit dem, was vom Tisch des Reichen
fiel; dazu kamen auch die Hunde und leckten seine
Geschwüre. Es begab sich aber, dass der Arme starb, und
er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der
Reiche aber starb auch und wurde begraben.
Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in
seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in
seinem Schoß.“
Nach seinem Tod findet sich also Lazarus in Abrahams
Schoß (wörtlich: „der Leibesbucht“ = Becken) wieder.
Auch der Reiche stirbt und wird begraben, jener aber
findet sich in der Unterwelt (Hades) wieder, in der er
qualvolle Schmerzen leidet.
Der Reiche wird von Abraham aufgeklärt:
„Mein
Kind, denk daran, dass du schon zu Lebzeiten deinen
Anteil am Guten erhalten hast, Lazarus aber nur
Schlechtes. Jetzt wird er dafür getröstet, du aber musst
leiden. (Lk 16, 25).
**Offenbarung
6, 9:
„Und
da es das fünfte Siegel auftat, sah ich unter dem Altar
die Seelen derer, die erwürgt waren um des Wortes Gottes
willen und um des Zeugnisses willen, das sie hatten.“
„Dann
brach das Lamm das fünfte Siegel auf. Da sah ich am Fuß
des Altars die Seelen der Menschen, die man umgebracht
hatte, weil sie an Gottes Wort festgehalten hatten – an
all dem, wofür Jesus Christus als Zeuge einsteht.“
Vers 9 schildert hier die Heiligen, die den Märtyrertod
erlitten hatten, und die Erste Auferstehung erwarten. In
der Tat „schlafen diese Heiligen in Christus“ (I
Korinther 15:18) zu dieser Zeit, sind aber in dieser
Vision als Fragende versinnbildlicht, wie lange es noch
dauern würde, bevor ihr Blut gerächt würde (Vers 10).
Denn also stehet geschrieben Eccles. 12. v. 7
(Buch Ecclesiastes):
Der Staub muß wieder zu der Erden kommen, wie er gewesen
ist,
und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat.
So saget Christus zum Schächer: Heute sollt'u mit mir im
Paradies seyn!
Und S. Paul: Ich begehr' zu sterben und bey Christo zu
sein. Item
(ebenso):
Wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. Röm. 14.
v. 8. Und Apokal. 6*) siehet Johannes unter dem Altar
die Seelen derer, die erwürget
waren
(ermordet wurden)
um des Wortes Gottes Willen, das sie hatten; und sie
schrieen mit großer Stimm' und sprachen: „Herr, du
Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest du, und
rächest nicht unser Blut an denen, die auf Erden wohnen.
Und ihnen wurde gegeben, einem jeglichen ein weiß Kleid,
und ward zu ihnen gesaget, daß sie ruheten noch eine
kleine Zeit, bis daß vollends dazu kämen ihre Mitknechte
und Brüder, die auch sollen ertödtet werden, gleich wie
sie."
*)
V. 10 u. 11.
Apokalypse 6 (Vers 10 und 11):
Sie riefen mit lauter Stimme: Wie lange zögerst du noch,
Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, Gericht zu halten
und unser Blut an den Bewohnern der Erde zu rächen? Da
wurde jedem von ihnen ein weißes Gewand gegeben; und
ihnen wurde gesagt, sie sollten noch kurze Zeit warten,
bis die volle Zahl erreicht sei (das volle Maß erreicht
ist) durch den Tod ihrer Mitknechte und Brüder, die noch
sterben müssten wie sie.
Aus diesem Spruch' (wie auch aus dem andern) ist's klar,
daß der Verstorbenen Seelen leben und wachen; sonst
würden sie nicht mit großer Stimme schreien, und dazu
bey Gott und unserm Herrn Jesu Christo, welcher der
Altar ist. Aus welchem folget, daß auch, dieweil
(weil)
dieser Diener Gottes mit Anrufung und Bekenntniß des
Nahmens Christi verschieden, nach
(gemäß)
seinem Geist, bey Gott und seinem Sohne sein muß, und
hat sein Wesen
(Dasein)
unter den lieben Engeln und Auserwählten Gottes. Wie er
aber fürnehmlich
(vornehmlich = besonders)
bey Mose, Esaia, den Propheten und Aposteln, sonderlich
(besonders)
aber bey S. Paulo gehalten sey, welcher Bücher, die
vertünkelt**) und im Finsterniß gelegen seyn, bis daß er
sie durch den Geist Eliä mit Predigen und Schreiben
wiederum ans Licht und rechten Brauch der Kirchen
gebracht hat, und das Lamm Gottes mitten unter ihnen,
dem sie nachfolgen, wo es hingehet, welches sie bey
Leben erkannt, und bekannt gemacht haben, das wollen wir
auch erfahren und sehen, wenn uns der barmherzige Gott,
ein Vater unsers Herrn Jesu Christi, auch seliglich
hernach wird foddern
(fordern).
**)
verdunkelt.
Jetzund, dieweil wir gehört, wer Doctor Martinus Luther
gewest, nehmlich
(nämlich),
ein rechter Elias und Johannes Baptista zu unsern
Zeiten; wie christlich er im Herrn eingeschlafen, und
warum er eben jetzund dieser Zeit von Gott aus dieser
Welt abgefoddert
(abgefordert),
auch was nunmehr sein Thun und Wesen sey, wollen wir ihn
dem Herrn befehlen, und bitten: Gott wolle an seine
Statt wiederum einen andern Propheten seiner Kirche
senden, und nach diesem Elia einen Elisam geben, der
seines Geistes zwiefältig
(zweifach)
so viel hab', und dem Römischen Babylon zwiefaltiges
(doppelt)
vergelte, denn bisher geschehen; auch daß wir durch den
heiligen Geist erleuch't. uns durch seine Bücher in die
heilige Schrift führen lassen, und in dem rechten
Glauben und Leben unser letztes Stündlein auch seliglich
beschließen.
Amen, Amen, Amen.
Denn so steht es geschrieben bei Ecclesiastes 12 Vers 7:
Der Staub muss wieder zu der Erden kommen, wie er
gewesen ist,
und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat. So
sagt Christus zum Schächer:
Heute sollst du mit mir im Paradies sein! Und der
Heilige Paulus sagt: Ich begehre zu sterben und bei
Christus zu sein. Ebenso: Wir leben oder wir sterben, so
sind wir des Herrn (so gehören wir dem Herrn). Römer 14
Vers 8. Und in der Apokalypse 6 (Vers
10 und 11)
sieht Johannes unter dem Altar die Seelen derer, die
erwürgt waren (ermordet wurden) um des Wortes Gottes
willen, das sie hatten (bezeugten);
und sie schrien mit großer (lauter) Stimme und sprachen:
„Herr, du Heiliger und Wahrhaftiger, wie lange richtest
du (noch),
und rächst unser Blut nicht an denen, die auf Erden
wohnen? Und ihnen wurde gegeben, einem jeglichen (jedem)
ein weißes Gewand, und es wurde zu ihnen gesagt, dass
sie noch eine kleine Zeit ruhen (warten)
sollten, bis dass vollends (=
bei der erreichten
Vollzahl)
dazukämen ihre Mitknechte und Brüder, die auch getötet
werden sollen, gleich wie sie."
Apokalypse 6 (Vers
10 und 11):
Sie riefen mit
lauter Stimme: Wie lange zögerst du noch, Herr, du
Heiliger und Wahrhaftiger, Gericht zu halten und unser
Blut an den Bewohnern der Erde zu rächen? Da wurde jedem
von ihnen ein weißes Gewand gegeben; und ihnen wurde
gesagt, sie sollten noch kurze Zeit warten, bis die
volle Zahl erreicht sei (bis
das volle Maß erreicht ist)
durch den Tod ihrer Mitknechte und Brüder, die noch
sterben müssten wie sie.
Aus diesem Spruch (wie auch aus dem anderen) ist klar zu
erkennen, dass die Seelen der Verstorbenen leben und
wachen, sonst würden sie nicht mit großer (lauter)
Stimme schreien, und dazu (noch)
bei Gott und unserem Herrn Jesus Christus, welcher der
Altar ist. Aus welchem (=
daraus)
folgt, dass auch er - weil dieser Diener Gottes mit der
Anrufung und dem Bekenntnis des Namens Christi
verschieden ist - gemäß seinem Geist bei Gott und seinem
Sohn sein muss und sein Wesen (Dasein)
unter den lieben Engeln und Auserwählten Gottes hat.
Genauso wie er sich vornehmlich (besonders) bei Moses,
Jesaja, den Propheten und den Aposteln, besonders aber
beim Heiligen Paulus aufgehalten hat, diese welche
Bücher solange verdunkelt und in der Finsternis (im
Verborgenen)
gelegen waren, bis er sie durch den Geist des Eliias mit
seinem Predigen und seinen Schreiben (Schriften)
wiederum ans Licht und zum rechten Gebrauch der Kirche
gebracht hat; und das Lamm Gottes mitten unter ihnen -
dem sie nachfolgen, wohin es auch geht, welches sie im
Leben erkannt und bekannt gemacht haben - das wollen
auch wir erfahren und sehen, wenn der barmherzige Gott,
ein Vater unseres Herrn Jesus Christus, auch uns nachher
(nach dem
Tod)
seliglich (selig) abfordern (=
abberufen)
wird.
Weil / während wir jetzt gehört haben, wer Doktor Martin
Luther gewesen ist, nämlich ein rechter Elias und
Johannes Baptista (Johannes
der Täufer)
zu unseren Zeiten, wie christlich er im Herrn
eingeschlafen (entschlafen)
ist und warum er eben (gerade)
jetzt in dieser Zeit von Gott aus dieser Welt
abgefordert wurde, auch was nunmehr (jetzt in diesem
Augenblick) sein Tun und Wesen (Charakter)
sei, wollen wir ihn dem Herrn befehlen (anempfohlen
sein lassen)
und bitten: Gott wolle für seine Kirche an seiner Stelle
wiederum einen anderen (weiteren)
Propheten senden und uns nach diesem Elias einen Elisam
(Prophet
nach Elias)
geben, der von seinem Geist zweifach so viel hat und es
dem Römischen Babylon doppelt vergelte, als es bisher
geschehen ist; auch dass wir - durch den heiligen Geist
erleuchtet - uns durch seine Bücher in die heilige
Schrift einführen lassen und auch (ebenfalls)
im rechten Glauben und Leben seliglich (selig) unser
letztes Stündlein beschließen.
Amen, Amen, Amen.*
*Amen
(hebräisch): wahrlich / so ist es / so sei es / es sei /
es geschehe.
-------------------------------
Aus
Sedulius,
Ord. Minorum.
Praescriptiones adversus haereses, Antverp. 1606.
Cap. XVIII,
§§ 25, 26 und 27.
Martinus
Lutherus,
Germaniae totius, immo Europae incendium, caussa et
origo turbarum et calamitatum omnium Christiani orbis,
repentina morte sublatus scribitur ab omnibus qui de
morte eius vel per occasionem meminere, genus mortis
tarnen non exprimentes. De qua, Friburgi Brisgaviae cum
agerem, a fide digno viro quid accepi fideliter
adscribam, si prius quae apud alios inveni commemoravero.
Tradit haec
Surius* („Commentarius
brevis rerum in orbe gestarum ab anno Salutis 1500 usque
in annum 1567 Coloniae 1567“) in hunc modum:
*
Pater
Surius:
großer kirchlicher Geschichtsforscher
aus dem Karthäuserorden
„Lutherus
litis cuiusdam componendae caussa ab Illustribus
Mansfeldensibus Comitibus Islebium, quae fuit illi
patria, honorifice evocatus, eo venit cum magna pompa
tribus stipatus filiis ex praeclaro monachi et monachae
concubitu procreatis. Obviam illi missi sunt centum
tredecim equites honoris caussa. Itaque die decima
septima Februarii, cum laute et splendide coenatus esset
et facetiis suo more hilariter lusisset, eadem nocte
sublatus est e medio. Eius obitus non eodem modo a
Catholicis et Evangelicis id temporis referebatur. Jonas
Cocus, qui se Justum Jonam vocat, eius morti interfuit,
sed ita eam describit, ut apud cordatos maiori eum
contumelia quam laude affecisse videatur. Inter alia
scribit eum ipsi Jonae et Coelio et aliis
circumstantibus dixisse: „Orate pro Domino nostro Deo et
eius Evangelio, ut ei bene succedat, quia Concilium
Tridentinum et abominabilis Papa graviter ei adversantur.“
. . . . . .
Eius quoque
precationem supremam recitant in haec verba:
„Pater
mi coelestis, Deus et pater Domini nostri Jesu Christi,
Deus totius consolationis, gratias tibi ago, quod mihi
dilectum filium tuum Christum revelasti:
in quem credo,
quem praedicavi et confessus sum, quem laudavi et amavi,
quem abominabilis Papa et omnes impii vituperant,
persequuntur et blasphemant.“
Et sic ille
mortuus est.
Ceterum haec
imperite et mendaciter conficta credere necesse est, si
vera sunt, quae alii de morte eius aliter tradiderunt.
Hosius
(lib. I de haeresib.) certe scribit, cum vespere bene
potus fuisset et hilaris, postridie mane repertum esse
in lecto mortuum, nullum in morte adfuisse hominem, sed
daemonem, qui vitam illi extorserit.
Joannes Haren
affirmat, (Alanus Copus
dial. 6. cap. 33 = Dialogi Sex
Contra Summi Pontificatus) se accepisse a viro,
qui erat eo loco, ubi Lutherus mortuus est, Lutherum
conspecto diabolo horribili mortuum esse.
Propius ad verum
accedit Thomas Bozius in haec verba scribens (lib.
23 de sig. Eccl. c. 3): „Lutherus cum vespere laute
coenasset ac laetus somno se dedisset, ea nocte
suffocatus interiit. Audivi haud ita pridem compertum
testimonio sui familiaris, qui tum puer illi serviebat
et superioribus annis ad nostros se recepit, Lutherum
sibimetipsi laqueo iniecto necem miserrimam attulisse:
sed datum protinus cunctis domesticis rei consciis
iusiurandum, ne factum divulgarent ob honorem adiecere
Evangelii.“
Sic isti et alii
plerique, sic Bozius. Quibus promissa superius a me
subiungetur ex scripto.
Cubicularii
cuiusdam Martini Lutheri, religiose a pio quodam viro
super eiusdem domini sui Martini morte interrogati,
ingenua responsio et vera confessio:
„Dant
quidem calcar ad abrumpendum omnem humanae indignationis
seu offensae metum et ad debitum veritati perhibendum
testimonium addunt religiosae vestrae preces: sed longe
vehementius eodem me impellit summi Numinis Divorumque
omnium reverentia. Neque enim ignoro mirabilibus Dei
operibus suam ubique tribuendam esse gloriam, meque
divino magis praecepto quam humano debere parere mandato.
Proinde, licet gravissime interminati sunt Germaniae
Heroes, ne mortalium cuiquam horrendum domini mei
Martini Lutheri exitum eliminarem: non celabo tarnen,
sed ad Christi gloriam revelabo et ad totius Reipub.
Catholicae aedificationem propalabo, quod ipse vidi et
in primis comperi, ipsisque Principibus viris Islebii
congregatis enunciavi, nullius odio lacessitus, nullius
amore aut favore provocatus. – Contigit itaque cum
Martinus Lutherus aliquando inter illustriores Germaniae
Heroes Islebii genio suo largius indulsisset et plane
obrutus potu cubitum a nobis ductus, atque in lectulum
foret compositus, ut nos ei salutarem quietem precati in
nostrum abiremus conclave, ibique nihil sinistre vel
orninantes vel suspicantes, placide obdormiremus.
Postridie vero ad dominum reversi, quacum solemus in
vestitu operam daturi, vidimus -- proh dolor! – eundem
dominum nostrum Martinum iuxta lectum suum pensilem
et misere strangulatum. Ad quod sane horribile
spectaculum suspendii ingenti perculsi pavore, non diu
tarnen haesitantes, ad hesternos eius compotores et
Principes viros prorupimus eisque execrabilem Lutheri
exitum indicavimus. Illi porro non leviori quam nos
formidine perterriti omnia polliceri, multaque obtestari
coeperunt: primum omnium, ut rem constanti ac fideli
premeremus silentio, ne quid in lucem proferretur; tum
ut expeditum laqueo foedum Lutheri cadaver in lectum
collocaremus, denique in hominum vulgus spargeremus,
dominum meum Martinum repentina morte ex hac vita
discessisse: id quod et precibus illorum Principum et
non secus quam adhibiti Dominico monumento vigiles,
amplis corrupti promissis facturi eramus, -- nisi vis
quaedam insuperabilis veritatis aliud persuasisset: quae
vel hominum metu seu reverentia vel lucri spe aliquamdiu
quidem premi potest, sed exstimulante religionis, vel
conscientiae oestro, in perpetuum opprimi non potest.“
Hierauf, im §
28, erzählt Sedulius die Geschichte von den Raben,
welche der Leiche Luthers gefolgt waren. Er erklärt
(nach Bredembach) den Vorgang ebenfalls auf mystische
Weise.
Aus
Henricus
(Heinrich) Sedulius,
(eigentlich
Hendrik de Vroom),
Ordinis
Fratrum Minorum
(O. F. M.)
vom Orden der
minderen Brüder = Minoriten (Franziskaner-Zweig)
Praescriptiones adversus haereses, Antverpia 1606.
Verordnungen
gegen Ketzer, Antwerpen 1606.
Kapitel 18,
§§
(= Paragraph)
25, 26 und 27.
Martin Luther
ist
in ganz Deutschland - ja vielmehr als ein Feuer in
Europa - der Grund und der Ursprung (Stammvater) aller
Verwirrungen / Ränke und aller Unglücksfälle
(Niederlagen) des christlichen Erdkreises,
hinweggenommen durch einen plötzlichen Tod – schreibt
man und dass von allen, welche sich an dessen Tod oder
bei Gelegenheit daran erinnert haben, die Todesart
dennoch nicht deutlich ausgesprochen (bestimmt) wurde.
Als ich mich in Freiburg im Breisgau aufhielt, habe ich
von einem würdigen Mann im Vertrauen etwas darüber
erfahren, worüber ich getreulich / sicher dazuschreiben
werde, wenn ich mir in Erinnerung rufe, was ich früher
bei den anderen gefunden / entdeckt habe.
Dies überliefert
Surius* („Kurzer Bericht in der Welt geschehener
Begebenheiten
ab dem Jahr des
Heils 1500 bis ins Jahr 1567, Köln 1567“) in dieser
Weise:
*Pater
Surius:
großer kirchlicher Geschichtsforscher
aus dem Karthäuserorden
„Indem
Luther von den vornehmen Mansfelder Grafen wegen einer
gewissen beizulegenden Streitsache ehrenvoll
(ehrenamtlich) nach Eisleben berufen wurde, welche die
Heimatstadt jenes gewesen ist, ist er in diese mit einem
großem Festzug
(Pomp)
eingezogen, dicht umdrängt von den 3 Söhnen, die durch
den berüchtigten Beischlaf eines Mönches und einer Nonne
hervorgebracht wurden. Entgegen
jener Sache sind
der Ehre wegen 113 Reiter gesendet worden. Und so wurde
er am 17. Februar, als er vornehm und prächtig gespeist
hätte und seiner Gewohnheit nach mit witzigen Einfällen
(Scherzen) fröhlich die Zeit vertrieben hätte, in
derselben Nacht aus dem Weg geräumt. Über dessen
Hinscheiden wurde von den Katholiken und den
Evangelischen zu dieser Zeit nicht in derselben Weise
berichtet. Jonas Cocus, der sich (fälschlicherweise)
Justus Jonas nennt, ist bei dessen Tod dabei gewesen,
hat aber diesen so beschrieben, nämlich dass es so
scheint, dass er bei den Verständigen mehr mit
Beschimpfungen (Schmähreden) als mit Lob versehen
(überhäuft) wurde.
Unter anderem schreibt
er, dass er persönlich zu Jonas und Coelius und den
anderen Herumstehenden gesagt haben soll:
„Betet für
unseren Gott dem Herrn und dessen Evangelium (= gute
Nachricht), dass es diesem um seiner
Kirche willen gut gelingen möge, weil das Konzil von
Trient und der abscheuliche /
verächtliche Papst ihm heftig Widerstand leisten
/ ihn schwer bedrängen.“ . . . . . . .
Ebenso verlesen
sie auch das letzte Gebet dessen in diesen Worten:
Mein Vater im
Himmel, Gott und Vater unseres Jesus Christus, Gott
allen Trostes,
ich sage dir
Dank, weil du mir deinen geliebten / teuren Sohn
Christus offenbart hast.
An den ich
glaube, den ich verkündet und bekannt habe, den ich
gelobt und geliebt habe, den der abscheuliche Papst und
alle Gottlosen tadeln / verletzen, verfolgen und
lästern.“ Und so ist jener verstorben.
Außerdem ist es
unausweichlich, diesen ungeschickt und lügnerisch
verfertigten Erdichtungen zu glauben - wenn sie wahr
sind, welche die anderen auf andere Weise über dessen
Tod überliefert / berichtet haben.
Hosius
(Buch 1:
Über die Irrlehren / Ketzereien) schreibt zweifelsfrei /
mit Gewissheit, nämlich als er im Laufe des Abends recht
voll gesoffen (voll gefressen) und fröhlich war, wurde
er tags darauf in der Früh im Bett tot vorgefunden, dass
kein Mensch beim Tod dabei war, aber ein Dämon, welcher
das Leben jenes entrissen hat.
Johannes
Haren
(= Jan Harennius) bekräftigt, (Buch von Alanus Copus: 6
Dialoge. Kapitel 33) von einem Mann erfahren zu haben,
der an diesem Ort war, wo Luther gestorben ist, dass
Luther durch einen sichtbar wahrgenommenen
fürchterlichen Teufel gestorben ist.
Näher an die
Wahrheit kommt Thomas Bozius heran, indem er in
diesen Worten schreibt (Buch 23, Über die Zeichen /
Merkmale der Kirche, Kapitel 3):
„Als
er am Abend vornehm gespeist hätte und sich fröhlich
(gut gelaunt) dem Schlaf überlassen hätte (schlafen
gegangen ist), ist Luther in dieser Nacht erwürgt
zugrunde gegangen. Ich habe vor nicht allzu langer Zeit
durch die zuverlässige Zeugenaussage seines Hausdieners
gehört, welcher jenem damals als junger Mann diente und
sich in den späteren (seinen letzten) Jahren zu den
Unsrigen zurückgezogen hat, dass Luther sich durch einen
sich selbst angelegten Strick einen unglücklichen
gewaltsamen Tod beigebracht haben soll: indessen wurde
aber von allen - in die Sache eingeweihten Hausbewohnern
- sofort ein eidliches Versprechen abgegeben, dass sie
die Tat keinesfalls allen preis geben sollten, zur Ehre
des Evangeliums - haben sie erhöhend hinzugefügt.“
So diese (Autoren)
und auch die meisten anderen, so (auch) Bozius.
Diesen welchen (Autoren)
wird das Versprochene (das Schweigegelübde) aus
dem Schriftstück weiter oben / an vorangehender Stelle
von mir hinzugefügt werden.
Die offene
Antwort und ein wahres Geständnis eines gewissen
Kammerdieners von Martin Luther, von einem gewissen
frommen Mann, der über den Tod desselben seines Herrn
Martin gewissenhaft gefragt wurde:
„Sie
geben zwar einen Ansporn / Anreiz, um die ganze Angst
vor der menschlichen Empörung oder der Kränkung zu
verscheuchen und um aus moralischer Verpflichtung der
Wahrheit Zeugnis
zu geben, fügen sie die Gebete ihrer Religiosität hinzu:
Indessen aber drängt mich eben deswegen die Ehrfurcht
vor der höchsten Gottheit und vor allen Himmelsbewohnern
zusammen bei weitem umso stärker voran. Denn ich weiß
recht wohl um die wunderbaren Werke Gottes und überall
ist ihm Ehre zu erweisen, und was mich betrifft, dem
göttlichen Gebot ist mehr als einem menschlichen Befehl
zu gehorchen.
So denn, mag es
auch sein, dass die germanischen Helden noch so sehr
verpönt sind, damit ich nach dem schrecklichen
(entsetzlichen) Lebensende meines Herrn Martin Luther
niemanden unter den Sterblichen verstoße:
Ich werde
dennoch nicht schweigen, sondern zum Ruhme Christi und
der katholischen Gemeinschaft insgesamt werde ich
aufklären und den Bauplan (des Hauses) skizzieren, was
ich selbst gesehen und zuerst entdeckt habe und den
versammelten Fürsten von Eisleben persönlich verkündet
habe, dabei keinerlei Hass herausgefordert habe, das
ohne Zuneigung oder Beifall geerntet zu haben.
Es traf sich
sodann zu, dass Martin Luther manchmal unter den
berühmteren Helden Deutschlands zu Eisleben seinem
Genius reichlicher (in größerem Umfang) gefrönt hätte
und im Liegen gänzlich überwältigt vom Trank war, der
von uns herangeschafft wurde, und so wäre er zu Bett
gegangen, als wir ihm heilsame Ruhe wünschten, gingen
wir in das Gemach von uns, und indem wir dort sowohl
nichts Unheilvolles anwünschten als auch vermuteten,
schliefen wir allmählich ein.
Am darauf
folgenden Tag aber - zum Herrn zurückgekehrt, bei dem
wir ihm wie gewöhnlich auf alle Weise ins Gewand halfen
(um ihm, wie gewohnt, beim Ankleiden zu helfen) - haben
wir jedoch – ach Schmerz, welch ein Jammer – denselben
unseren Herrn Martin neben seinem Bettlager erhängt und
kläglich erdrosselt gesehen. Darauf hat uns das wahrlich
ganz schreckliche Schauspiel des Erhängens mit
unermesslich großem
Angstzittern
erschüttert; indem wir dennoch nicht lange zögerten,
sind wir zu den gestrigen Trinkgenossen von ihm und zu
den Fürsten losgestürmt und haben ihnen den
verabscheuungswürdigen Ausgang
Luthers gemeldet.
Ferner haben
jene begonnen – durch das Schreckensbild nicht weniger
erschrocken als wir - alles zu versprechen und vielerlei
inständig zu bitten:
Das Erste von
allem, dass wir die Angelegenheit im beständigen und
außerdem treuen Stillschweigen bedeckt halten sollten,
damit es nicht ans Licht gebracht werde; wie wir dann
den vom Strick befreiten, scheußlichen Leichnam Luthers
ins Bett legten, sollten wir dann schließlich unter die
Masse der Menschen gerüchteweise verbreiten, dass unser
Herr Martin durch einen plötzlichen Tod aus diesem Leben
geschieden sei:
Das was wir
nicht nur durch Bitten jener Fürsten, sondern ebenso -
sowie die Wächter am Sonntag beim Grabmal hinzugezogen
wurden - durch große Versprechungen der Bestechung
machen sollten, außer: es sei denn die Kraft (höhere
Gewalt) einer gewissen
unübersteigbaren Wahrheit hätte als etwas anderes
überzeugt:
Was sowohl aus
Furcht vor Menschen oder aus Ehrfurcht / Scheu, als auch
durch Hoffnung auf Gewinn gewiss eine Zeitlang zu
unterdrücken möglich ist, aber durch Anstacheln des
Glaubens oder sogar auch durch die Pferdebremse des
Gewissens, auf Dauer unmöglich zu erzwingen ist.“
Hierauf, im §
28, erzählt Sedulius die Geschichte von den Raben*,
welche der Leiche Luthers gefolgt waren. Er erklärt
(nach Bredembach) den Vorgang ebenfalls auf mystische
Weise.
------------------------------------
*Auch
Helmesius
schreibt über die Raben-Geschichte in Buch 1
im Kapitel:
„Die
Gerüchte über Luthers Tod“, welche sich nach Luthers Tod
sehr lange in Halle gehalten hat.
Auch Petrus
Thyräus (Buch: Über die von Dämonen Besessenen) schreibt
darauf im selben Kapitel:
„An
dem Tag, als Martin Luther aus dem Leben schied, wurden
die Besessenen, derer in Gheel (belgische Kolonie der
Verrückten) sehr viele waren und sich unter der
Schirmherrschaft der Heiligen Dympna Befreiung
erhofften, alle zusammen von den Dämonen befreit, aber
nicht gerade viel später wurden sie danach von denselben
wiederum besetzt.
Diese Sache
ist kein Rätsel, insofern sie nämlich am darauffolgenden
Tag, als die grausamen Geister diese bedauernswerten
Menschen nochmals entstellten (quälten), befragt wurden,
wo sie sich denn am Tag zuvor versteckt hielten,
antworteten sie, dass sie auf Befehl ihres Anführers
zum Begräbnis Luthers, des neuen Propheten und des
treuen Gehilfen, herbeigerufen geworden seien und
diesem auch beiwohnten.
Der im
Buch 3 erwähnte
Pater Martin
von Cochem
schreibt über das Ende Luthers:
Gleich nach
dem Tod stank sein Leib so übel, dass niemand dabei
bleiben konnte, obwohl es zu kalter Zeit, mitten im
Hornung (= Februar) war. Deswegen wurde er sobald wie
möglich in einen bleiernen Sarg (aus Zink) gelegt.
Zu solchem
Ende war er mit großem Pomp und Pracht auf einen Wagen,
mit schwarzen Tüchern bedeckt, gestellt und mit viel
Volk nach Wittenberg begleitet.
Der Gestank
des Toten war so groß, dass niemand nahe hinzu durfte
gehen. Welches dann ein Zeichen war, wie grausam seine
Seele für Gott und alle Engel stinken müsse. Es flogen
viele Raben einer ungewöhnlichen Größe den ganzen Weg
über dem Leib her, welche ein schändliches Geschrei
anstatt einer lieblichen Musik führten.
Dämonen-Geständnis
(nicht durch Exorzismus zustande gekommen):
Unser
Oberster hat befohlen, dass alle Teufel sich zu dem
Begräbnis unseres getreuen Martin Luther erheben und
dasselbige mit ihrem Gesang und ihrer Gegenwart zieren
sollten. Denn es gebühre sich allwegen (überall und
immer), dass derjenige, welcher gar viele zur Hölle
gebracht habe, gleichfalls von vielen Teufeln mit großem
Pomp zur Hölle gebracht werde.
Quelle: aus „Luther,
wie er lebte, leibte und starb".
Sonderdruck:
GOTTHARD-MEDIA. SD 068.
Fazit:
Dämonen können nicht nur Stimmen imitieren (Spiritismus
oder Schizophrenie) oder von Menschen Besitz ergreifen
(Besessenheit oder Umsessenheit), sondern sich auch in
Tiere (z.B. in Raben) verwandeln. Laut Pfarrer Jussel
(1972) und dem Exorzisten Don Gabriele Amorth werden wir
von der Geburt bis zum Tod von Dämonen begleitet.
Äußerungen katholischer Schriftsteller
des 19.
Jahrhunderts über Luthers Tod.
Die Frage über
Luthers Lebensende hat -- aus den oben (Seite 42)
entwickelten Gründen -- im 19. Säkulum
(Jahrhundert) nicht mehr
die Rolle gespielt, wie in den beiden vorangegangenen
Jahrhunderten.
Die meisten
katholischen Historiker unseres Zeitalters pointieren
(betonen) nicht mehr die Angelegenheit und
begnügen sich mit der objektiven Mitteilung des Ortes
und Datums, wo und wann der Tod erfolgt war – bisweilen
(manchmal) unter Beifügung
von Zusätzen, welche im Allgemeinen unbestritten sind.
So sagt
Johann Adam Möhler
in seiner Kirchen-Geschichte (herausgegeben von
Pius Gams.
Regensburg 1868) Seite 148:
„Aus
Anlass eines Streites der Grafen von Mansfeld in seiner
Vaterstadt Eisleben als Schiedsrichter berufen, ereilte
ihn
[Luther]
dort nach kurzem Unwohlsein der Tod den
(am) 18. Februar 1546."
Döllinger
in seiner „Skizze" über Luther (Freiburg 1851) schildert
Seite 50 die
Rat- und
Mutlosigkeit, in der Luther 1545 sich befand und fügt
dann hinzu:
„In
solcher Stimmung ereilte ihn der Tod am 22.
[Ist falsch!]
Februar 1546 zu Eisleben, wohin er, um einen Streit der
Grafen von Mansfeld zu schlichten, gekommen war."
Gerhard
Ritter, Caspar
Riffel und Kardinal Joseph A.
Hergenröther drücken sich ähnlich aus.
Im Jahre 1836
erschien in Mainz eine Übersetzung der von
Ulenberg verfassten Biographie Luthers. Ulenberg war
im 16. Jahrhundert vom Protestantismus zum Katholizismus
zurückgekehrt und gab seine, durch pragmatische
(sachliche) Darstellung und psychologische Tiefe
ausgezeichnete „Vita Lutheri“ (das
Leben Luthers) 1589 in Köln heraus -- also kurz
bevor Bozius und Sedulius ihre mehrfach erwähnten
Schriften erscheinen ließen. Im Jahre 1589 war die
Erklärung von Luthers Diener noch nicht bekannt, denn
sonst hätte Ulenberg, welcher Pfarrer von St. Kolumba in
Köln war, das betreffende Skriptum
(Schriftstück), von welchem oben (Seite 28)
Petrejus sprach, in Köln bemerken müssen. Ulenberg folgt
denn auch in seiner Darstellung über Luthers Tod zum
größten Teile der „Historia". Aber er muss sie in der
Hauptsache als ein auf Verabredung entstandenes
Schriftstück halten.
Er fügt deshalb
hinzu, dass nach anderer Aussage Luther „a diaboIo
suffocatum esse“ (von einem Teufel
erwürgt wurde*). Er bemerkt hierzu, dass in
diesem Falle nur Luthers eigener Wunsch erfüllt worden
sei, insofern derselbe früher einmal erklärt habe, er
wolle „lieber durch den Teufel, als den Kaiser erwürgt
werden", weil er dann „durch einen großen Fürsten" aus
der Welt geschafft würde. -- Der Übersetzer des
Ulenberg'schen Werkes teilt dies in genauer Version nach
dem Originale mit, ohne aber seinerseits hinzuzufügen,
wie der Bericht des Ulenberg durch die Mitteilungen des
Bozius, Sedulius und Petrejus hätte ergänzt werden
können.
*)
Siehe das Portrait von
Lucas Furtenagel im Buch 3. Rechts am Hals ist deutlich
ein dunkler Fleck (= Druckstelle) zu erkennen. Laut
Gerichtsmedizin ist nach dem Tod jede Druckstelle bzw.
kleinste Verletzung als dunkel verfärbt erkennbar, die
der Verstorbene vor
dem Tod erlitten hat, wobei dieselbe Verletzung
(Druckstelle) an einem noch lebenden Körper nicht
aufscheint. Fazit: So wurde Martin Luther von einem
Dämon erwürgt und anschließend aufgehängt, um einen
Selbstmord vorzutäuschen, der aus vielen
(existenziellen) Gründen unter allen Umständen vertuscht
werden musste, frei nach dem Motto: Je mehr Zeugen
mitten in der Nacht, umso besser.
Johannes Baptist
Alzog sagt in der letzten von ihm selbst noch
besorgten Ausgabe seiner Universal-Kirchen-Geschichte
(Mainz 1872) Band II. Seite 192:
„In
Eisleben übereilte der Tod den Mann, – am 18. Februar
1546 -- der die Herzen vieler Völker getrennt, die
Familienbande zerrissen und der Kirche seiner Vorväter
zwar eine schwere Wunde geschlagen, ihr aber doch nicht,
wie er gewollt, den Todesstoß versetzt hat."
Der ehemalige
Wiener Irren-Anstalts-Geistliche Pater Bruno Schön,
der eine sehr beachtenswerte Schrift: „Dr. Martin Luther
auf dem Standpunkte der Psychiatrie beurteilt" (Wien
1874) geschrieben, begnügt sich bezüglich des Todes
Luthers mit der Bemerkung, dass in der darüber
ausgegebenen „Historia" „viel Schönfärberei" herrsche.
Nicolas
Janssen gibt im 3. Band seiner „Geschichte des
deutschen Volkes" (Freiburg 1881) Seite 538 die oben
mitgeteilte Erzählung Ratzebergers von der
Teufels-Erscheinung auf dem Rohrbrunnen bis zu dem Satz:
„Pestis
eram vivus, moriens ero mors tua papa 1).“
„Als
Lebender war ich die Pest, als Sterbender werde ich dein
Tod sein, Papst!“
Dann fügt
Janssen seinerseits hinzu: „In der folgenden Nacht, auf
den 18. Februar, trat seine Seele vor den ewigen
Richter."
1)
In den späteren Auflagen ist die ganze Erzählung
Ratzebergers weggelassen.
Vergleiche oben
Seite 23.
In der jedem
Protestanten besonders zu empfehlenden, mit kritischem
Geiste, psychologischem und pragmatischem Verständnis
geschriebenen Luther-Anti-Jubiläumsschrift:
„Kirche
oder Protestantismus? Von einem deutschen Theologen"
(Mainz 1883)
sind zwar
gleichfalls nähere Umstände über Luthers Tod nicht
mitgeteilt, das Werk enthält aber eine vortreffliche
Schilderung des überaus trostlosen, der Verzweiflung
nahegekommenen Zustandes, in welchem der „Reformator"
seit dem Jahre 1540 sich befand 1).
1)
Die Schrift,
welche überhaupt viel mehr bietet, als ihr Titel besagt
und ihr anonymer Verfasser erwarten lässt, gibt zugleich
eine praktische Anleitung für angehende Künstler, welche
Luther-Denkmäler modellieren wollen.
Sehen wir ab von
einer Andeutung über Luthers „gräulichen" Tod,
welche sich findet in dem (1852) erschienenen
historischen Roman: „Der getreue Ritter Hager und die
Reformation" vom protestantischen Superintendenten
Wilhelm Meinhold, nach seinem Tode fortgesetzt von
seinem Sohne Aurel Meinhold, katholischem Pfarrer
zu Hochkirch (†
1873) -- so ist der Einzige, welcher unter den
neueren katholischen Schriftstellern die Frage über
Luthers Todesart wieder näher berührt hat, der (anonyme)
Verfasser der „Hamburger Briefe“, (Berlin 1883),
der seine Elaborate
(Ausarbeitungen) ebenfalls aus Veranlassung des
1883-er Luther-Jubiläums schrieben hatte. Derselbe sagt
über unser Thema:
„Ich
meinerseits wünsche gewiss von Herzen, dass der arme
Luther sein durch schreckliche Gewissensbisse
zerfoltertes (hochgradig
gefoltertes) Leben durch eine aufrichtige Reue
beschlossen hätte und eines frommen gottseligen Todes
gestorben wäre. Wenn man mir aber zumutet, ich solle den
von Jonas und Coelius gegebenen Bericht ohne weiteres
als die Darlegung eines wirklichen Vorganges hinnehmen,
und im reuelosen Reformator einen sterbenden Heiligen
erblicken, so finde ich das -- gelinde gesprochen --
stark. Ich meinerseits besitze ebenfalls eine Erzählung
über Luthers Hinscheiden, eine Erzählung, für deren
Glaubwürdigkeit ich eine Gewähr habe, welche mir
wenigstens viel mehr gilt, als die „Augenzeugen"
Jonas und Coelius. Gemäß dieser Erzählung hätte Luther
-- um es nur kurz anzudeuten -- den Abend in einer
heiteren Trinkgesellschaft zugebracht und wäre alsdann
von den Dienern des Grafen Mansfeld wegen Übelkeit in
sein Zimmer geleitet worden;
am folgenden
Morgen wäre er am Bettstollen erhängt und tot
aufgefunden worden. Von Luthers Freunden wäre der wahre
Hergang aus naheliegenden Gründen verheimlicht und das
Gerücht ausgesprengt (verbreitet)
worden, der große Mann wäre in erbaulicher Weise
eines gottseligen Todes verschiedenen 1)."
1)
Bis hierher hatten wir „Gottlieb“ in der
ersten Auflage zitiert. Unerwarteter Weise wurde uns von
– katholischer Seite (zur höchsten Freude
protestantischer Blätter) ein Vorwurf daraus gemacht,
dass wir „Gottlieb“ nicht weiter zitiert hätten. G.
fährt nämlich jetzt fort, dass er auf die oben von ihm
erwähnte Erzählung, für die er „eine Gewähr“
(Garantie) hatte, „kein Gewicht“
lege und gibt dann seinen Zweifeln und sonstigen
Betrachtungen auf ein paar weiteren Seiten Raum. Da er
aber zum Schlusse nur den Floremund Raemund
(Raymond)
als einzige Quelle für seine gesamte Darstellung angibt,
– einen Autor, dessen Unzuverlässigkeit in dieser Sache
wir glauben genügend beleuchtet zu haben – so hatten wir
schon deshalb nicht mehr zitiert.
So die
„Hamburger Briefe" von „Gottlieb". Das Werk rief sofort
eine Gegenschrift hervor unter dem Titel: „Der
historische Luther „Gottliebs“ und die geschichtliche
Wahrheit. Ein Beitrag zur Würdigung ultramontaner
(rom-treuer) Wahrhaftigkeit und Ehrenhaftigkeit
von K. Cropp, Dr. phil., Pastor zu Hamburg-Eimsbüttel.
Hamburg 1883."
Man hätte nun
glauben sollen, dass man in dieser Schrift die
„Wahrheit" über Luthers Lebensende finden würde – aber
des „Reformators" Bettstollen hat der Historiker
und Dr. phil. Cropp gänzlich – übersehen.
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Anmerkung des Textübersetzers: Alle seine
historischen Texte, die immer wieder gebetsmühlenartig
auf das Evangelium Christi hinweisen, sind nur die
offizielle publikumswirksame Version Luthers Lehre und
erinnern mich persönlich an ein vorgehaltenes
Schild, hinter dem er sich versteckt.
Dauer der
Übersetzung: August 2013 bis 8. Juli 2014 Copyright:
http://kath-zdw.ch/maria/texte/luthers.lebensende.htm
Den Anhang zu
diesem Buch, können sie der Orginal Kopie (Pdf)
entnehmen, wenn sie der alten deutschen Schrift
kundig sind.
Buch 1
Luthers
Lebensende. Eine historische Untersuchung.
Orginal (Alte Schrift)
Von Paul Majunke. Buch aufgelegt 1891
Seite 1-100 |
Kurzbiographie Paul Majunke
Paul Majunke
(* 14. Juli 1842 in Groß-Schmograu bei Wohlau;
† 21. Mai 1899 in Hochkirch bei Glogau) war
ein deutscher katholischer Priester, Publizist
und Politiker der Zentrumspartei.
Majunke studierte von 1861 bis 1866 Theologie
und Rechtswissenschaften in Breslau und
promovierte zum Dr. theol. in Rom.
Anschließend unternahm er Reisen durch Europa.
Im Jahr 1867 wurde Majunke zum Priester
geweiht. Danach war er als Kaplan in Neusalz
an der Oder und in Breslau tätig. Später war
er Redakteur der Kölnischen Volkszeitung von
Julius Bachem. Im Jahr 1870 wurde er
entlassen, weil sein Schreibstil als zu scharf
erschien. Anschließend war er vorübergehend
Pfarrer in Glogau.
Seit 1871 war er der erste Chefredakteur der
neu gegründeten Zeitung Germania. Dieses Blatt
stand der Zentrumspartei sehr nah. Unter der
Leitung von Majunke wurde die Germania zu
einer der führenden katholischen
Tageszeitungen. Im Kulturkampf schrieb Majunke
zahlreiche scharfe Artikel zur Verteidigung
der katholischen Sache gegenüber der
preußischen Regierung.
Seit 1874 bis 1884 war Majunke Abgeordneter
der Zentrumspartei im Reichstag und von 1878
bis 1884 Mitglied des preußischen
Abgeordnetenhauses.
Majunke war Pfarrer in Hochkirch bei Glogau
(polnisch Wysoka / Niederschlesien).
Der Ort ist ein besonderer >
DIE
WALLFAHRTSKIRCHE ZU HOCHKIRCH (bei Glogau) UND
IHR MARIENBILD
Hochkirch, drei
Viertelmeilen südöstlich von Glogau, ward in
früheren Jahrhunderten, wo es zum benachbarten
Gräditz gehörte, Hohenkirchen offen Berge genannt.
Es hat eine Wallfahrtskirche mit dem 1856
neugebautem Turme und ein wunderbares Marienbild auf
dem Hochaltare, zu dem von weit her aus Schlesien
und Polen gewallfahrtet wird. Die größten
Wallfahrten finden statt am Sonntage Trinitatis
(Dreifaltigkeitsfest), wo auch eine Prozession von
der Probstei Seitsch aus dem Guhrauschen ankommt,
und dann am Feste Maria Geburt.
An die
Kirche und das darin befindliche Muttergottesbild
knüpft sich folgende Geschichte:
Als die Kirche vor
uralten Zeiten erbaut werden sollte, hatte der
Gutsherr eine andere Anhöhe in der Nähe derjenigen,
auf der heute die Kirche steht, als Platz dazu
bestimmt. Fromme Spenden waren zu ihrer Erbauung
reichlich eingegangen, und der Gutsherr lieferte das
Bauholz. Er ließ dieses auf die von ihm ausersehene
Anhöhe schaffen. Die Geistlichen des Sprengeis
wünschten sie zwar dort nicht, aber sie fügten sich,
als der Gutsherr außer dem Bauholze noch reiche
Gaben versprach. Dennoch kam es anders, denn es trat
ein seltsames Ereignis ein.
Am andern Morgen
nämlich war das Holz von der Anhöhe verschwunden.
Erst dachte man an einen Raubfrevel, aber man fand
das gesamte Holz in bester Vollständigkeit und
Ordnung auf einem benachbarten Hügel. Der Gutsherr
hielt dies für einen mutwilligen Streich und ließ
das Holz auf den früheren Platz zurückschaffen und
noch mehr dazubringen. Am andern Morgen war es
wieder fort und lag wieder auf jenem ändern Hügel.
Das brachte eine große Bewegung in der Gemeinde
hervor, und viele gingen zum Gutsherrn und
erklärten, das gehe nicht mit richtigen Dingen zu
und sei ein Wunder, das etwas zu bedeuten habe. Aber
der Gutsherr ließ sich von seinem Vorhaben nicht
abbringen, er wolle doch sehen, meinte er, ob das
Holz zum dritten Male seinen Platz verändern werde.
Der Herr ließ von seinen Leuten das Holz wieder
zurückschaffen. Für die Nacht stellte er zwei
Wächter daneben auf. Doch wieder lag es am nächsten
Morgen auf dem ändern Berge. Die Wächter hatten
nichts bemerkt und sagten aus, ein unwiderstehlicher
Schlaf habe sie befallen. Nun stürmten alle auf den
Gutsherrn ein, er möge doch gestatten, daß die
Kirche dort gebaut werde, wohin schon in dreien
Nächten das Bauholz von unsichtbaren Händen
geschafft worden sei; es sei sicher Gottes Wille so.
Da sagte der Gutsherr: „Nun in Gottes Namen, baut
dorthin die Kirche zu seiner Ehre." Mit Jubel ward
diese Entscheidung aufgenommen, und der Bau ward
behende in Angriff genommen, schien es doch allen
ein heilig Werk. Die Teilnahme für das Gotteshaus
wuchs weit über den Sprengel hinaus. Die Kirche war
fertig, auch die innere Ausschmückung war fast
vollendet. Aber noch fehlte ein würdiges Bild für
den Hauptaltar. Da griff wiederum eine wunderbare
Macht ein.
In einer Nacht,
als alle Einwohner Hochkirchs längst schliefen, rief
der Wächter eben die Mitternachtsstunde aus.
Zufällig schweifte sein Blick nach der Höhe hinauf,
wo die Kirche stand. Wunderbar! Das Innere des
Gotteshauses strahlte in hellem Lichterglanz. Es war
keine Feuersbrunst, aber dennoch rief er die
Bewohner aus ihrem Schlafe. Staunend scharte sich
die ganze Gemeinde zusammen und wie zur ersten
Wallfahrt geordnet schritt sie dem neuen Gotteshause
entgegen. Schon war die Menge bis zum Fuße der
Anhöhe gelangt, da ereignete sich ein zweites
Wunder. Herrliche Töne erklangen aus der Kirche,
bald schmelzend und bald brausend wie im vollen
Chor, Posaunen und Orgelton und Priestergesang
dazwischen, über dem ganzen schwebend aber ein Klang
wie von Engelsharmonien. Wer waren die nächtlichen
Musiker dort oben? Die Gemeinde sank am Fuße des
Hügels auf ihre Knie und wohnte dem Gottesdienste
dort oben in andächtiger Ferne bei. Das war das
erste Hochamt, ehe noch das Gotteshaus die
kirchliche Weihe erhalten hatte. Plötzlich erloschen
Licht und Gesang; stumm und finster lag das Gebäude
wieder auf seiner einsamen Höhe. Tief ergriffen aber
kehrten die Leute zurück; was sich da oben
zugetragen hatte, war ihnen ein unerklärliches
Rätsel. Als aber der Morgen anbrach, sendete der
Gutsherr den Gemeindevorstand in die Kirche, um den
Ursachen des nächtlichen Geschehnisses nachzuspüren.
Ganze Scharen von Menschen schlössen sich an, und
als die Türe der Kirche geöffnet wurde und die
Blicke auf den Hochaltar fielen, da prangte dort ein
Bild der Mutter Gottes in schönster Farbenpracht.
Das Staunen löste sich in ein stilles Gebet auf, das
der wunderbaren Macht den heißen Dank der Gemeinde
aussprach für die herrliche Gabe.
Quelle: Sagen aus Schlesien,
Herausgegeben von Oskar Kobel, Nr. 23
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